NBA Playoffs - Erkenntnisse zum Heat-Sieg bei den Celtics in Spiel 3: Selbst 40-Punkte-Spiele können destruktiv sein

Ole Frerks
22. Mai 202211:45
SPOXgetty
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Die Miami Heat haben in Spiel 3 der Eastern Finals einen Sieg aus Boston entführt. Die 103:109-Niederlage müssen sich die Celtics selbst ankreiden - aber Miami trug selbst ebenfalls einen großen Teil dazu bei.

1. Celtics - Heat: Bubble-Bam meldet sich zum Dienst

Über zwei Spiele hatte Bam Adebayo in dieser Serie keinen guten, weil passiven Eindruck hinterlassen. Kombiniert kam er nur auf 16 Punkte und zehn versuchte Würfe, obwohl er theoretisch der Heat-Spieler mit den meisten Mismatches in dieser Serie sein kann und muss. In Spiel 3 setzte er dies dann auch in die Praxis um.

Schon zur Pause hatte Adebayo 16 Punkte und zwölf Würfe verbucht, 6 Assists kamen auch noch hinzu. Am Ende des Spiels waren es 31 Punkte und gleich 22 Würfe - so viele hat Adebayo Couper Moorhead noch nie in einem Spiel genommen, weder in der Regular Season noch in den Playoffs. Und so aggressiv wirkte Bam auch auf dem Court.

Allein im ersten Viertel kam er auf 12 Punkte in der Zone und setzte wieder und wieder seine Athletik sowie seine Geschwindigkeit ein, im Lauf des Spiels traf er mehrfach auch aus der Mitteldistanz. Zwei Dritteln seiner Abschlüsse ging kein Assist voraus, Adebayo lieferte also die Self-Creation, die Miami noch in Spiel 2 schmerzlich vermisst hatte.

Das war insbesondere deshalb wichtig, weil Jimmy Butler in Halbzeit zwei fehlte und auch Tyler Herro kaum noch auf dem Court stand. Adebayo ist normalerweise kein Spieler, der ein Team offensiv trägt, in dieser Partie gelang es ihm jedoch oft genug, sein Team über Wasser zu halten.

Das nötige Glück war am Ende auch dabei, etwa als er 1:21 Minuten vor dem Ende einen wilden Jumper über Horford traf, der letztendlich die Vorentscheidung herbeiführte. Der 24-Jährige hatte sich dieses Glück zuvor aber auch über das komplette Spiel verdient und erarbeitet. Zumal es wie üblich nicht nur das Scoring war, sondern auch alles andere.

"Er hatte seine Version davon, was sonst Jimmy für uns macht", schwärmte Head Coach Erik Spoelstra. "Er hat einfach alles getan, was nötig war." Das hieß in diesem Fall: 31 Punkte, 10 Rebounds, 6 Assists, 4 Steals - und eine gehörige Portion Aggressivität.

2. Celtics - Heat: Jedes Viertel zählt - und Kyle Lowry ist zurück

Es ist eine bemerkenswerte Statistik: Miami hat in dieser Serie bisher nur zwei Viertel gewonnen und führt trotzdem mit 2-1. Es hilft eben, wenn diese gewonnenen Viertel echte Statements sind: +25 war der Unterschied im dritten Viertel von Spiel 1, +21 war der Unterschied im ersten Viertel dieser Partie.

"Wir wussten, dass sie physisch spielen würden, dass sie alles geben würden, und wir haben dieser Intensität von Anfang an nichts entgegengesetzt", ärgerte sich Celtics-Coach Ime Udoka. "Es sah aus, als würden wir unter ihrem Druck nachgeben. Wir haben angefangen, uns bei den Refs zu beschweren und haben uns damit selbst aus dem Spiel genommen. Es ist enttäuschend, in einem Conference Finals-Spiel so leblos zu beginnen."

Die Wut des Celtics-Coaches war verständlich, Miami trug allerdings auch viel zum eigenen Blitzstart bei. Insbesondere die Rückkehr von Kyle Lowry machte sich sofort bezahlt: Mehrfach drückte der Point Guard aufs Tempo und verschaffte seinen Teamkollegen selbst nach gegnerischen Treffern einfache Punkte.

Lowry erzielte selbst nur 11 Zähler und wirkte weiter keineswegs explosiv, sein Einfluss war dennoch überall zu spüren. Auch in der zweiten Hälfte, als er 4 seiner 6 Assists verteilte und entscheidend daran beteiligt war, dass die Heat ihre Führung am Ende zwar beinahe, aber nie vollständig verloren.

Lowry hat ein übernatürliches Gespür für Winning Plays. Keine Szene demonstrierte das besser als sein Steal 48 Sekunden vor dem Ende, als Grant Williams beim Einwurf pennte und Lowry eben nicht. Dieses Play fasste das Spiel generell recht gut zusammen.

Celtics vs. Heat: Die Serie im Überblick (1-2)

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics118:107
220. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics102:127
322. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat103:109
424. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat-
526. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics-
6*28. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat-
7*30. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics-

*falls nötig

3. Celtics - Heat: Victor Oladipo ist ein (defensiver) Luxus

In der ersten Halbzeit spielte er gar nicht, in der zweiten erzielte er 5 Punkte (1/4 FG) - und trotzdem hatte auch Oladipo einen großen Anteil am Sieg seines Teams. Nach dem Ausfall von Butler sprang er in die Bresche und zeigte defensiv phasenweise eine großartige Partie. Oladipo hatte 4 der 19 Heat-Steals (Franchise-Rekord), jeweils riss er dabei seinen Gegenspielern (zumeist Jaylen Brown) regelrecht den Ball aus der Hand.

Oladipo war am Point of Attack so stark, dass er in der zweiten Halbzeit letzten Endes fast durchspielte und auch in der Crunchtime den Vorzug vor Herro erhielt. Er war ein ständiger Störfaktor und der einzige Spieler, der es regelmäßig schaffte, vor Brown zu bleiben.

Seine Defense beeindruckte auch einen der anderen spielentscheidenden Verteidiger auf Seiten der Heat. "Ich habe ihm gesagt, dass das mit die beste laterale Geschwindigkeit war, die ich je gesehen habe", sagte P.J. Tucker nach dem Spiel über Oladipo.

Der frühere All-Star ist für Miami die Definition einer Wildcard. Nach nur acht Spielen in der Regular Season sind es mittlerweile elf in den Playoffs, mit drastisch unterschiedlichen Resultaten. Ein Spiel hatte er den Heat aber schon offensiv gewonnen (Spiel 5 gegen Atlanta), und auch diese Partie gegen Boston hätten sie ohne ihn nicht holen können.

4. Celtics - Heat: Boston sabotiert sich selbst

Die andere Seite der Medaille: Eigentlich sprach in der zweiten Halbzeit fast alles für Boston, spätestens, als Brown per Dreier auf -1 verkürzt hatte und Miami zu diesem Zeitpunkt nur 6 Punkte in knapp zehn Minuten des letzten Viertels erzielt hatte. Aber die Celtics spielten es nicht zu Ende. Wie schon die ganze Partie über sabotierten sie sich selbst.

Auf den Brown-Dreier folgten prompt zwei Turnover und dann ein Fehlwurf, nach zwei getroffenen Freiwürfen kam dann der besagte Williams-Einwurf in die Hände von Lowry. Es waren insgesamt unfassbare 23 Turnover, wie schon im ersten Spiel der Serie brachen diese den Celtics am Ende das Genick.

Die beiden besten Spieler des Teams waren dabei hauptverantwortlich. Brown zeigte eins der destruktiveren 40-Punkte-Spiele der Playoff-Geschichte trotz 11/11 (!) aus dem Zweipunktland, dank seiner 7 teils haarsträubenden Ballverluste. "Ich habe heute beschissen auf den Ball aufgepasst", gab der 25-Jährige selbst zu.

Auch Jayson Tatum zeigte sich selbstkritisch. Das musste er auch nach dieser Partie mit 10 Punkten, 3/14 FG und seinerseits sechs Ballverlusten. "Sechs Turnover und kein Field Goal in der zweiten Halbzeit. Das ist inakzeptabel. Ich muss besser spielen. Ich habe das Gefühl, dass ich die Jungs heute habe hängen lassen", ärgerte sich Tatum.

Es mag etwas hart klingen, aber: Ja, irgendwie schon. Eigentlich war es eine sehr gute Gelegenheit für die Celtics, die Kontrolle in dieser Serie zu übernehmen. Dafür wäre aber eine wenigstens durchschnittliche Leistung ihres besten Spielers nötig gewesen, der von Tucker über weite Strecken des Spiels komplett abgemeldet wurde.

5. Celtics - Heat: Die Wehwehchen häufen sich

Nach drei Spielen ist es immer noch sehr schwer, eine Prognose für die weitere Serie abzugeben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass nicht absehbar ist, wer wann einsatzbereit ist. Bei Butler besteht Hoffnung, dass er in Spiel 4 schon wieder zur Verfügung steht, sicher war sich Spoelstra jedoch auch nicht.

Herro war am Ende der Partie angeschlagen, Tucker und Lowry sind ebenso nicht bei 100 Prozent. "Ich habe keine Updates zu irgendwem", sagte Spoelstra folglich nach dem Spiel. "Wir müssen zurück in unsere Höhlen und uns schadlos halten. Vielleicht habe ich morgen ein Update für euch."

Bei seinem Gegenüber verhielt es sich ähnlich. Robert Williams, der in Spiel 3 fehlte, wird laut Udoka als "day to day" gelistet. Tatum verletzte sich im Spiel an der Schulter, Marcus Smart knickte um und es wirkte zunächst nicht so, als würde man ihn noch einmal auf dem Court sehen.

Wie so oft wird es am Ende vielleicht auch ein Abnutzungskampf. Wohl dem Team, das nun immerhin schon zwei Siege auf der Habenseite hat.