NBA - Dallas Mavericks und die DeAndre-Jordan-Saga: Wie die Mavs einen Emoji-Krieg um ihr Free-Agent-Ziel verloren

Philipp Jakob
11. Juli 202210:20
2018 wechselte DeAndre Jordan dann doch nach nach Dallas und an die Seite von Dirk Nowitzki.getty
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In der Free Agency 2015 standen die Dallas Mavericks eigentlich kurz vor einem Coup. Eigentlich. Doch nach den "absurdesten zwölf Stunden in der Geschichte der Free Agency" nahm DeAndre Jordan kurzerhand seine mündliche Zusage zurück. Es folgte ein epischer Emoji-Krieg auf Twitter - und wütende Interviews von den Mavs.

Der dunkle, schlichte, aber doch schicke Stuhl sollte weltweite Berühmtheit erlangen, zumindest in Basketball-Fankreisen. Fast schwarze Armlehnen gehen in einem eleganten Schwung in die Rückenlehne über, der Rahmen für das dunkelgraue Polster. Ein Innenarchitekt hat sicherlich viel Geld abgestaubt, um dieses Möbelstück in einer Villa im reichen Westen Houstons zu platzieren.

Dass dieser Stuhl aber einmal als Türbarrikade zweckentfremdet werden oder 51.335 Likes auf Twitter sowie 43.818 Retweets erreichen würde, dürfte selbst den besten Raumausstatter überrascht haben. Und nicht nur das. Gut möglich, dass dieser Stuhl im Sommer 2015 ab und an in Albträumen von Mark Cuban auftauchte. Denn in gewisser Weise sollte er verhindern, dass der Mavs-Besitzer seinen Willen bekam.

Die Liste der Free Agents, die den Mavericks in den Jahren nach dem Titelgewinn 2011 durch die Lappen gingen, ist lang und prominent besetzt. Deron Williams oder Dwight Howard gehören zum Beispiel dazu, 2015 war Dallas jedoch drauf und dran, die Misere hinter sich zu lassen. DeAndre Jordan war als Kronjuwel auserkoren und er hatte sich tatsächlich für die Mavs entschieden.

Jordans Ärger mit dem Point God - ein Segen für die Mavs

Als diese Nachricht am 3. Juli 2015 durch den Twitter-Äther sauste, war in Dallas Party-Stimmung angesagt. Der damals als kommender Franchise-Eckpfeiler der Mavs eingeplante Chandler Parsons hatte zuvor sechs Tage lang Jordan und dessen Familie bequatscht. Cuban und Head Coach Rick Carlisle bezirzten den damals 26-Jährigen ebenso, für das offizielle Treffen zwischen Star-Center und Mavs-Delegation unterbrach Dirk Nowitzki extra seinen Urlaub.

Es war ein Freitag kurz nach dem Start der Free Agency, als Marc Stein (damals ESPN) verkündete, Jordan stehe kurz davor, ein Angebot der Mavs über vier Jahre und 80 Millionen Dollar zu akzeptieren. Noch am selben Tag bestätigten die L.A. Times und weitere Medien Jordans Entscheidung und damit den Wechsel nach Dallas.

Es dauerte nicht lange, bis ESPN die ersten Hintergründe veröffentlichte, warum Jordan die L.A. Clippers verlassen wollte. In Los Angeles rumorte es offenbar hinter den Kulissen, der junge Center soll vor allem von Chris Pauls ständigem Gemeckere genervt gewesen sein. Der wiederum kritisierte Jordans fehlenden Trainingseifer bei dessen großer Schwachstelle: den Freiwürfen.

Tatsächlich traf der Clippers-Zweitrundenpick von 2008 in der Vorsaison katastrophale 39,7 Prozent von der Linie. In fast allen anderen Statistikkategorien verzeichnete er dagegen damalige Karrierebestwerte (11,5 Punkte und 15,0 Rebounds bei 71,0 Prozent aus dem Feld, dazu 2,2 Blocks). 2014/15 wurde DJ nicht nur ins All-Defensive First Team, sondern auch ins All-NBA Third Team gewählt. Jordan sah sich als Star, die Mavs versprachen eine größere Rolle in der Offensive an der Seite von Dirk. Lob City war für ihn Geschichte. Scheinbar.

2018 wechselte DeAndre Jordan dann doch nach nach Dallas und an die Seite von Dirk Nowitzki.getty

Jordan, die Clippers und die Mavs: 12 absurde Stunden

Hätten sich die Mavs früh in der Free Agency eine Absage des Centers eingehandelt, wäre Dallas womöglich in den Sparkurs gewechselt, wie Cuban später verriet. Nun aber, nach der mündlichen Einigung, bastelte das Front Office weiter aggressiv an einem in ihren Augen potenziellen Championship-Kader um Parsons, Nowitzki und Jordan.

Doch schon kurz nach dessen Entscheidung pro Dallas kamen Zweifel auf. Erst drei Tage des damals achttägigen Moratoriums (heute sechs Tage) waren rum, Jordan zermarterte sich über das Wochenende den Kopf. Am Montag griff er schließlich zum Handy, er wählte zwei Nummern, jeweils Vorwahl Los Angeles. Als Blake Griffin und Clippers-Coach Doc Rivers von seinen Zweifeln erfuhren, handelte das Duo blitzschnell.

Griffin packte seinen Koffer und stieg ins nächste Flugzeug von L.A. nach Houston, der Heimatstadt seines guten Kumpels und Frontcourt-Partners. Sie setzten sich zusammen, redeten und redeten, kaum über Basketball, mehr über das Leben generell, wie Griffin in einem Artikel für The Players' Tribune verriet.

Am Mittwoch stießen Rivers, Teambesitzer Steve Ballmer und ein ganzer Tross an Clippers-Spielern hinzu. J.J. Redick, der seinem Team die Offseason-Note "5" für den Verlust des Centers gegeben hatte, kam per Auto angereist, Neuzugang Paul Pierce gab sich ebenfalls die Ehre und selbst CP3 ließ das Banana-Boat in den Bahamas sowie seine Freunde LeBron, Wade und Melo links liegen - ein weiteres legendäres Foto des Sommers 2015 -, um Jordan einen Besuch abzustatten.

Was folgte, waren die "absurdesten zwölf Stunden in der Geschichte der Free Agency", wie Business Insider später titeln sollte.

Die Jordan-Saga und ein legendärer Emoji-Krieg

In Jordans Haus in Houston ratterte der Clippers-Tross den nun zweiten Free-Agency-Pitch herunter. ESPN sprach von einem kurzen, emotionalen Gespräch. Paul versprach, den Fünfer besser in die Offense zu integrieren, und appellierte: Ohne Jordan ginge es für die Clippers nicht vorwärts. Der offizielle Teil des Meetings war letztlich schnell rum, viel Überzeugungsarbeit musste wohl gar nicht mehr geleistet werden. Jordans Sinneswandel war komplett.

Nun mussten nur noch die letzten Stunden bis zum Ende des Moratoriums totgeschlagen werden. Die Spieler und Verantwortlichen der Clippers wollten Jordan nicht mehr von der Seite weichen - aus Angst, er könnte ein weiteres Mal seine Meinung ändern. Es wurde Karten gespielt, die Konsole angeschmissen, Chicken Fingers gemampft. Gleichzeitig sickerten immer mehr Infos aus Jordans Haus an die Medien durch. Die Twitter-Welt konnte quasi live mitverfolgen, wie den Mavs ein sicher geglaubter Free Agent entwischte. Und mittendrin die Stars selbst.

Als in Dallas die schlechten Nachrichten die Runde machten, reiste Parsons sofort nach Houston, in der Hoffnung, Jordan nochmal umstimmen zu können. Das ließ er die Welt mit einem Flugzeug-Emoji auf Twitter wissen. Die Clippers, immer noch in Houston, immer noch im Wohnzimmer von Jordan rumhängend, machten sich einen Spaß draus und ließen den Emoji-Krieg ausarten.

Redick antwortete mit einem Auto-Emoji.

Griffin ließ ein Flugzeug, ein Helikopter und ein Auto folgen.

CP3 brachte das Internet mit einem Bananen- und einem Boot-Emoji endgültig zum Eskalieren.

Nur für Pierce waren die Emojis damals offenbar noch Neuland.

Mavs in der Jordan-Saga: Ausgeschlossen von den Clippers

Dallas bekam keine Chance mehr, mit dem eigentlich nigelnagelneuen Franchise-Center in Kontakt zu treten. Jordan ignorierte Textnachrichten und Anrufe von Parsons und Cuban. Das Duo war mittlerweile in Houston angekommen, doch die Clippers-Vertreter schotteten Jordan erfolgreich ab - zum Beispiel indem Griffin spaßeshalber mit einem Stuhl die Tür verbarrikadierte. Selbst vor Jordans Agenten, der von der ganzen Chose offenbar genauso überrumpelt war wie ganz Dallas.

Um die Absurdität dieses Tages auf die Spitze zu treiben, berichtete ESPN-Reporter Chris Broussard zwischenzeitlich sogar, der panische Cuban würde durch Houston irren auf der Suche nach Jordans Haus. Dieser Darstellung widersprach der Mavs-Besitzer am Folgetag vehement, Broussard musste kurz darauf seine Berichte zurücknehmen und sich entschuldigen.

Worin sich alle Berichte aber einig waren: Dallas bekam Jordan an diesem Mittwochabend, dem letzten Tag vor dem Ende des Moratoriums, weder zu Gesicht noch ans Telefon. Als an der Ostküste die Uhren auf 0.01 Uhr umsprangen, setzte Jordan sofort seine Unterschrift unter ein neues Arbeitspapier mit den Clippers über vier Jahre und 87 Mio. Dollar, das damalige Maximum.

Wenig später veröffentlichte auch er eine Entschuldigung auf Twitter an die Mavs-Fans und Cuban gerichtet, die bei Letzterem aber nicht sonderlich gut ankam. Auch Parsons war angefressen. "Ich bin schockiert, sehr enttäuscht, frustriert und fühle mich nicht respektiert", sagte er in einem ESPN-Interview. "Das habe ich noch nie in meiner Karriere gesehen."

Dallas Mavericks teilen aus: "Er hatte wahrscheinlich Angst"

Einen nicht ganz so netten Erklärungsansatz hatte der Sitzen-Gelassene ebenfalls parat: "Wahrscheinlich hatte er Angst, der Franchise-Spieler zu sein. In L.A. kann er hinter Paul und Griffin spielen. Ich dachte, dass er genau das nicht will. Vielleicht hätte ich die ganze Zeit während der Free Agency seine Hand halten müssen."

Für die Mavs wog dieser Rückzieher natürlich schwer. Die Offseason-Pläne hatten sich um Jordan herum konzentriert. "Er hat den Erfolg unseres Teams in Gefahr gebracht", so Parsons. "Das macht mich eigentlich am meisten wütend." Dallas hatte zu einem so späten Zeitpunkt in der Free Agency nicht mehr viele Möglichkeiten, um zu handeln.

Stattdessen bekam das zweite prominente Free-Agency-Ziel des Sommers, Wesley Matthews, sogar eine Gehaltserhöhung auf den eigentlich bereits ausgehandelten Vertrag. Angeblich stellte Dallas ihm sogar frei, kurzfristig woanders zu unterschreiben, doch Matthews hielt sein Wort. Dallas schnappte sich zudem Zaza Pachulia per Trade, JaVale McGee kam für das Minimum.

Ein Championship-Team waren die Mavs so aber natürlich nicht, nach nur fünf Spielen in der ersten Playoff-Runde war gegen OKC Schluss, anschließend folgten drei Jahre ohne Postseason, bevor Luka Doncic den Fackelstab von Nowitzki übernahm. Doch auch die Clippers sollten nicht mehr über die erste Runde hinauskommen, zwei Jahre später mussten CP3 und Griffin per Trade gehen.

Und Jordan? Nach individuell produktiven Jahren landete er 2018 als Free Agent doch noch in Dallas, wurde nach einem halben Jahr aber im Rahmen des Kristaps-Porzingis-Trades nach New York weiterverschifft. Eine späte Rache? Nicht unbedingt. Die bekam Dallas noch im November 2015, als Dallas die Clippers mit 118:108 nach Hause schickte. Jordan hatte ein Plus/Minus von -23 vorzuweisen, die Social-Media-Abteilung der Mavs wünschte dem Gegner eine angenehme Heimfahrt - natürlich mit allen Reise-Emojis, die es so gibt.