Wenn man die Sache etwas ironisch sehen möchte, dann sind die New York Knicks und Julius Randle das perfekte Match. Sowohl die Franchise als auch der Spieler sind für ihre Extreme bekannt, man könnte glatt meinen, dass die beiden einander verdienen. Nun, vielleicht ist das gegenüber den Knicks nicht ganz fair, schließlich ist seit der Ankunft von Leon Rose als Präsident eine gewisse Ruhe und Kontinuität eingekehrt. An der New Yorker Medienlandschaft kann aber auch er nichts ändern, diese bleibt ein einziges Extrem, immer schwankend zwischen Himmel und Hölle.
Gute vier Jahre ist Randle nun bei den Knickerbockers, damals, im Sommer 2019, war er so etwas wie der Trostpreis, als sich Kyrie Irving und Kevin Durant lieber den Brooklyn Nets anschlossen. Die Verpflichtung wurde belächelt, zahlte sich aber letztlich schon aus. Der 28-Jährige ist inzwischen zweimaliger All-Star un wurde zweimal in ein All-NBA-Team gewählt. In dieser Zeit gewannen die Knicks ebenso viele Playoff-Serien wie der ungeliebte Nachbar, nämlich eine.
Julius Randle: Er polarisiert in New York seit Jahren
Trotzdem war es mit Randle stets ein Auf und Ab. Die Premierensaison war holprig, es folgte eine MIP-Saison, dann wieder eine wackelige dritte Spielzeit und im Vorjahr eine weitere All-Star-Spielzeit. In den beiden guten Randle-Jahren erreichten die Knicks die Postseason, in den anderen beiden nicht. In den Playoffs selbst wurden Randle dann stets seine Grenzen aufgezeigt. Auch deswegen war der Forward selbst nach guten Jahren nie unumstritten.
Hinzu kam die teils katastrophale Körpersprache, die auch nach einem suboptimalen Start in die Saison (die Knicks stehen bei 2-4) wieder ein riesiges Thema im Big Apple ist. Vor allem diese Szene bei der knappen Niederlage in Milwaukee wurde heiß diskutiert, als Randle nach einem Fehlwurf von Jalen Brunson aufreizend langsam gehend (!) umschaltete und keinerlei Ambitionen zeigte, auch nur einen Funken von Defense zu spielen.
Beim Spielstand von 103:104 aus Knicks-Sicht eigentlich nicht zu entschuldigen, aber Randle war sichtlich frustriert wie das Spiel, womöglich die ganze bisherige Saison verlaufen war. Bis fünf Minuten vor dem Ende hatte Randle in Halbzeit zwei gerade einmal zwei Würfe genommen (nach 3/13 im ersten Durchgang), danach fiel mal ein Wurf nach einem Drive und auch ein Jumper.
Julius Randle: Auch Coach Thibodeau kritisiert nun
Die heiße Hand, die hatte aber nicht Randle, sondern eben Brunson, der New York mit 45 Punkten im Spiel hielt. Und doch versuchte der Forward danach, Punkte zu erzwingen. Beide Male wurde er von der Hilfe von Brook Lopez am Ring überrascht und abgeräumt. War es also wirklich klug, im Eins-gegen-Eins gegen Giannis Antetokounmpo den Weg zum Korb zu suchen? Eher nicht, sodass selbst Coach Tom Thibodeau, stets ein Verteidiger von Randle, nach dem Spiel deutlich wurde.
"Du kannst nicht einfach sagen: 'Ich hatte jetzt lange keinen Wurf, also nehme ich diesen'", merkte Thibs an, ohne den Namen von Randle in den Mund zu nehmen (er wurde hier aber nach dem Forward gefragt). "Das Spiel sagt dir, was zu tun ist. Wenn du frei bist, wirfst du. Wenn dich drei Spieler verteidigen, dann spielst du zum freien Mitspieler. Es ist einfach und überhaupt nicht hart."
So war es aber schon immer mit Randle, dessen Spiel einer enormen Varianz unterliegt. Er kann jederzeit schwere Würfe treffen, es gibt aber auch immer wieder kalte Phasen. "Ich habe keinen Rhythmus", meinte Randle nach dem Bucks-Spiel. "Wenn jeder Wurf knapp daneben geht, dann versucht man es ein wenig zu erzwingen. Ich muss einfach weiter arbeiten."
Julius Randle: Der schlechteste Schütze der NBA
Für den Moment trifft Randle frostige 27,1 Prozent aus dem Feld (26/96 FG), einen solch miesen Start in eine Saison gab es zuletzt 1959, als ein gewisser Woody Sauldsberry (wer kennt ihn nicht?) mal 26,5 Prozent traf. Randle ist noch ohne einen einzigen Dunk und steht in der Restricted Area bei 3/18 FG, wobei satte acht Versuche geblockt wurden. Es ist der Hauptgrund dafür, dass die Knicks am Ring gerade einmal die Hälfte ihrer Versuche treffen, der Ligaschnitt liegt bei 65,5 Prozent.
Dass New York trotzdem zumindest bei 2-4 steht, grenzt beinahe an ein Wunder. Noch im Vorjahr waren die Knicks die drittbeste Offense der Liga, das gelang vor allem durch zahlreiche Offensiv-Rebounds, wenigen Ballverlusten und zahlreichen Freiwürfen. So konnte das mangelnde Shooting kaschiert werden, Platz war dennoch Mangelware. Brunson machte für Randle das Spiel zumindest leichter, da die Offense nicht mehr komplett von ihm abhängig war. Randle hatte zwar immer mal wieder die Tendenz, den Ball zu lange zu halten, doch 2022/23 war seine Entscheidungsfindung deutlich besser.
All diese Vorzüge kommen bisher nicht wie im Vorjahr zum Tragen, ein weiterer Grund, warum New Yorks Offense nur von Portland und Memphis unterboten wird. Es war klar, dass New York hier nachlasssen würde, dieser extreme Abfall in den ersten Tagen überrascht dann aber doch. Der Spielplan war durchaus anspruchsvoll, doch auch die Vibes sorgen für wenig Hoffnung, wie zu sehen bei dieser Unterhaltung zwischen Brunson und Randle im Heimspiel gegen die Cavs.
Julius Randle: Seine Wurfquoten in dieser Saison
Zone | FG | Prozent |
Restricted Area | 3/18 | 16,7 |
Paint (ohne Restricted Area) | 11/26 | 42,3 |
Midrange | 3/12 | 25 |
Eckendreier | 2/5 | 40 |
Above the Break | 7/35 | 20 |
GESAMT | 26/96 | 27,1 |
Julius Randle: Ist ein Trade die Antwort?
Es sind Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass Randle eine äußerst umstrittene Figur bleibt. Als Verteidiger ist er zu schwach, um vornehmlich Center zu spielen, hier haben die Knicks mit Mitchell Robinson und Isaiah Hartenstein ohnehin gute Alternativen. Meist spielt einer der beiden mit Randle, sie beide sind keine Schützen, auch wenn Hartenstein hier und da mal einen Dreier einstreuen kann.
Letztlich läuft vieles wieder auf einen Trade heraus, der früher oder später kommen wird. In dieser Spielzeit kassiert Randle 25,7 Millionen Dollar, danach sind es noch 27,7 und 29,5 Millionen, wobei das letzte Jahr eine Spieler-Option enthält. Die Ambitionen der Knicks sind kein Geheimnis, sie haben jede Menge Picks und einige Verträge, die sie für einen Blockbuster-Trade verwenden können. Joel Embiid wird immer wieder gehandelt, auch der Name Karl-Anthony Towns hält sich hartnäckig.
Der Fit zwischen Randle und den Knicks passt einfach nicht, vor allem nicht mit Thibodeau, der von Small Ball so viel hält wie Markus Söder von Fleischverzicht. Alles an der Person Randle festzumachen, ist aber ebenso falsch. Doch genau so läuft das eben in New York. So schreibt zum Beispiel der Newsday, dass Randle als Kapitän das Schiff versenkt, während Mike Vaccaro von der New York Post fordert, dass Knicks-Fans ihre Stars anfeuern und nicht verteufeln sollen. Die gesunde Mitte? Die gibt es schon lange nicht mehr.