Eine jordanesque Vorstellung

Philipp DornheggeTobias Rochau
11. Juni 201110:32
Trotz hohen Fiebers lieferte Dirk Nowitzki auch in Spiel vier gegen Miami eine starke Leistung abGetty
Werbung

Mit einem hart umkämpften 86:83-Sieg haben die Dallas Mavericks in Spiel vier den Ausgleich in der Finalserie gegen die Miami Heat geschafft und sich das Momentum zurück geholt. Dirk Nowitzki spielte mit starkem Fieber, war im entscheidenden letzten Abschnitt aber trotzdem nicht zu stoppen. Spiel fünf findet in der Nacht von Donnerstag auf Freitag statt. SPOX ist ab 2.45 Uhr live dabei.

SPOX

Nach ordentlichem Start mit sechs schnellen Punkten hatte Dirk Nowitzki zunehmend an Kraft verloren und war lange kaum noch ein Faktor, aber mit zehn Punkten im Schlussviertel hatte er doch entscheidenden Anteil am bereits zweiten Comeback-Sieg der Mavs in diesen Finals.

Sein Auftritt erinnerte an die 1997er Finals, als Michael Jordan in Spiel fünf mit einer Magen-Darm-Grippe 38 Punkte markierte und seine Chicago Bulls zum vorentscheidenden Sieg bei den Utah Jazz führte.

Miami war zu Beginn des vierten Viertels auf neun Punkte davon gezogen, ehe Nowitzki (21 Punkte, 11 Rebounds) und sein Partner Jason Terry (17) loslegten. Die beiden besten Scorer des Teams machten 18 von 21 Mavs-Punkten in den letzten 12 Minuten.

Mindestens genauso wichtig wie die verbesserte Offense war allerdings die Umstellung auf die Zonenverteidigung, die Miami sichtlich Probleme bereitete. Sechs erzwungene Turnover und nur 14 zugelassene Punkte rechtfertigen die Behauptung, dass dies defensiv das beste Viertel in der Playoff-Geschichte der Mavs war.

Den Heat half am Ende auch nicht die erneut fulminante Vorstellung von Dwyane Wade, der mit 32 Punkten erfolgreichster Spieler auf dem Feld war. Chris Bosh trug 24 Zähler bei. Dafür war LeBron James eine absolute Enttäuschung (8 Punkte).

Das gesamte Spiel und alle User-Kommentare zum Nachlesen!

Reaktionen:

Dirk Nowitzki (Dallas) über...

... seine Krankheit: "Man muss sich durchbeißen. Das hier sind die Finals, da muss man einfach rausgehen und sein Bestes geben. Das Team braucht mich, also habe ich versucht zu helfen."

... seinen Fitnesszustand für Spiel fünf: "Das wird sicher keine langfristige Sache. Ich werde ein paar Medikamente nehmen, hoffentlich gut schlafen können, und dann sollte ich für Donnerstag bereit sein."

Tyson Chandler (Dallas) über...

... die Gründe für den Sieg: "Wir haben mit unglaublicher Leidenschaft gespielt."

... Nowitzkis Leistung: "Er ist ein fantastischer Krieger mit unheimlich viel Herz. Wir haben ihn heute tagsüber beobachtet und mitbekommen, wie er bei jedem Versuch zu sprechen einen Hustenanfall bekam. Seine Leistung ist mit Worten nicht zu beschreiben."

LeBron James (Miami): "Ich muss mich offensiv einfach mehr in Szene setzen, keine Frage. Aber ich glaube an meine Stärke. Im nächsten Spiel werde ich aufs Feld gehen und meine Würfe treffen."

Erik Spoelstra (Trainer Miami) über...

... LeBron James: "Wir werden versuchen, LeBron im nächsten Spiel in bessere Wurfpositionen zu bringen. Wir müssen ihm die Möglichkeit geben, effektiver zu sein."

... Dirk Nowitzki: "Er ist einfach ein großartiger Spieler."

SPOX

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: In den Starting Fives der Teams gibt es eine Überraschung: Miami zwar wie gewohnt mit Bibby, Wade, James, Bosh und Anthony. Dallas-Coach Carlisle setzt dagegen auf Kidd, Barea, Marion, Nowitzki und Chandler. Stevenson sitzt also nur auf der Bank. SPOXGetty

8.: Herrlicher Dunk von Chandler über James... und dann wird nicht konsequent zurückgelaufen! Wade ist nur per Foul zu stoppen. Die Mavs sind defensiv nicht da. Miami hat auch schon 8(!) Offensivrebounds. 12:10 Dallas.

12.: Technisches Foul gegen Carlisle, nachdem James einen geradezu lächerlichen Foulpfiff gegen Haywood provoziert. Drei Punkte in Folge für Miami, die Heat sind vorn. Trotz einer Field-Goal-Quote von 29 Prozent. 21:19 Heat.

14.: Während sich Dallas noch überlegt, wie man das zweite Viertel angehen könnte, hat Miami sieben Punkte in Folge gemacht und führt erstmals etwas deutlicher. Barea versemmelt einen kinderleichten Korbleger, Nowitzki lässt Haywood bei der Defense gegen Bosh sträflich im Stich. 28:21 Heat.

21.: Exzellenter Lauf der Mavs, bei dem es auf beiden Seiten stimmt! Dallas übernimmt die Führung dank einem Terry-Jumper, Marion legt per Fastbreak-Layup noch zwei Zähler drauf. Auszeit Miami, 38:34 Mavs.

30.: Schöne taktische Variante, die Carlisle gefunden hat: Chandler, nicht mehr Nowitzki, stellt jetzt die Blocks beim Pick'n'Roll. Der Deutsche wartet in der Ecke auf Pässe und verhindert, dass sein Verteidiger rotieren kann. Barea eröffnen sich so große Räume in der Zone. Auf der anderen Seite trifft Wade einen wilden Wurf mit ablaufender Shotclock! 60:59 Heat.

35.: Herrlicher Lobpass von James auf Wade, der an der Baseline Marion entwischt war. Der rotierende Cardinal hat natürlich keine Chance, wenn jemand wie Wade zum Alley-Oop-Dunk hochsteigt. 67:64 Heat.

37.: Geht's jetzt dahin? Stevenson versemmelt einen offenen Dreier, auf der anderen Seite bleiben Miller und Haslem eiskalt. Die Heat ziehen davon, 74:65.

43.: Die Zone macht Miami riesige Probleme, ein weiterer Turnover führt zu einem Terry-Korbleger. Das ist die Führung! Und gleich darauf der nächste Ballverlust Miamis. Chandler geht an die Linie! Einer sitzt, 80:78 Mavs.

48.: Nowitzki zieht zum Korb und macht den Korbleger rein!!! Dallas mit drei Punkten vorn. Miami hat noch eine Menge Zeit, muss aber auch drei Punkte nachlegen, um überhaupt in die Overtime zu kommen. 84:81 Mavs.

48.: Wade verpatzt die Ballannahme beim Einwurf und kann nur auf Miller spielen, der unter Druck von Chandler einen Airball wirft! Das Spiel ist aus, die Mavs holen sich den Sieg!

Der Star des Spiels: Tyson Chandler. Dirk Nowitzkis Leistung ist nur mit einem Wort zu beschreiben: heroisch. Aber damit es zu diesem unglaublichen Szenario, in dem der Deutsche sein Team trotz hohen Fiebers zum Sieg wirft, kommen konnte, waren andere Spieler gefragt. Spieler wie Tyson Chandler. Der Center kämpfte in jeder Szene wie ein Tier, war offensiv wie defensiv bei jedem Rebound dabei und war wie schon die ganze Saison der Hauptgrund für die starke Defense der Mavs. Und ohne die wäre Dallas chancenlos gewesen. Dass er offensiv zudem 13 Punkte beisteuerte, war nicht nur eine nette Beigabe, sondern einfach lebensnotwendig.

Der Flop des Spiels: LeBron James. Playmaker-Qualitäten hin und her: Wenn die Mannschaft des besten Spielers verliert und dieser beste Spieler dabei auf 8 Punkte bei 3 von 11 aus dem Feld kommt, dann ist das zu wenig. Deutlich zu wenig. James kann sich bedanken, dass Wade und Bosh bärenstarke Spiele hatten, andernfalls wären die Heat deutlicher untergegangen. Es fehlten nicht nur die Punkte, Terry kam diesmal auch viel besser zum Zug als in den letzten Spielen. Dass James in der Crunchtime völlig von der Bildfläche verschwand, ist schlichtweg inakzeptabel. Übrigens: Wenn der King in einem Spiel weniger als 15 Punkte macht, ist die Bilanz seines Teams 0-7.

Analyse: Von Beginn an war den Mavs anzumerken, dass sie das 2-2 erzwingen wollten. Dirk Nowitzki setzte in der Offensive die ersten Ausrufezeichen, die Defense machte einen phänomenalen Job gegen die Drives von Wade und James. Die Folge waren etliche Fehlwürfe der Heat. Allerdings verschlief es Dallas völlig, sich die anfallenden Rebounds zu greifen und sich einen Vorsprung zu erarbeiten.

Immer wieder kam Miami zu zweiten und dritten Chancen, die sich eine solche Klassemannschaft natürlich nicht entgehen ließ. Coach Rick Carlisle hatte mit J.J. Barea statt DeShawn Stevenson begonnen, was sich allerdings als völlig uneffektiv erwies. Barea kam nur selten zum Zug.

Als dann auch noch Brian Cardinal vor Stevenson ins Spiel kam, musste man sich fragen, was der Shooting Guard verbrochen haben mochte. Wenig überraschend machte Cardinal in seinen wenigen Einsatzminuten so gut wie alles falsch.

Zu Beginn des zweiten Viertels zog Miami erstmals davon, weil der nicht richtig fitte Haywood riesige Probleme mit Bosh hatte und die Mavs insgesamt nicht ganz da waren. Erst mit der Einwechslung des bereits angesprochenen Stevenson wendete sich das Blatt. Die Nummer 92 machte 11 Punkte und sorgte so für reichlich Entlastung, defensiv verfolgte er Wade oder James auf Schritt und Tritt. Zur Halbzeitpause war wieder alles offen.

Auch das dritte Viertel war eine enge Angelegenheit, und das obwohl Nowitzki kaum mehr ein Faktor war. Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, war der Deutsche am Morgen mit Fieber aufgewacht, seine zunehmende Unischerheit beim Wurf war Beleg genug für seine mangelnde Fitness. Zum Glück für die Mavs war Marion im dritten Abschnitt hervorragend aufgelegt und schreckte auch vor LeBron James nicht zurück.

Trotzdem zog Miami zu Beginn des vierten Viertels davon. Ein verpasster Dreier auf der einen, ein getroffener auf der anderen Seite - und schon hatte man das Gefühl, dass es das für die Mavs gewesen sein könnte. Die Luft war raus - aber nur scheinbar. Ausgerechnet der viel gescholtene Jason Terry hauchte dem Team neues Leben ein und bereitete die Bühne für eine schon jetzt legendäre Nowitzki-Schlussphase.

Der Superstar war offensichtlich schon am Ende seiner Kräfte und saß in Auszeiten zum Teil kreidebleich auf der Bank, doch auf dem Feld zeigte er seinen unbändigen Willen in jeder Sekunde. Mit zehn Punkten im Schlussviertel war er einmal mehr der Hauptgrund für ein famoses Comeback der Mavs, die defensiv in der Zwischenzeit auf die Zone umgestellt und so etliche Ballverlusten der Heat erzwangen.

Während Dallas in der Schlussphase konstant scorte, fand Miami kaum noch ein Mittel gegen Chandler und Co. Die Führung, die sich Dallas rund fünf Minuten vor Schluss holte, wurde nicht mehr hergegeben. Nowitzkis Korbleger, der stark an seinen Game-Winner in Spiel zwei erinnerte, sorgte für die Vorentscheidung.

Mit diesem Sieg des Willens im Rücken und einem bis Donnerstag hoffentlich genesenen Nowitzki sind die Welt der Dallas Mavericks plötzlich wieder positiv aus. Das Momentum ist wieder auf Seiten der Texaner, besonders an LeBron James' Selbstvertrauen könnte dieses Spiel nach einer inakzeptablen Leistnug nagen.

NBA: Die Ergebnisse der Playoffs im Überblick