Spiel 2 der NBA Finals steigt in der Nacht auf Freitag (2.45 Uhr im LIVE-TICKER), und im Vorfeld dreht sich alles nur um ein Thema: Den linken Mittelfinger von Dirk Nowitzki. Wie sehr ist der Dallas-Superstar durch die Verletzung gehandicapt und wieviel Einfluss wird sie auf den Ausgang der Partie haben?
Die Verletzung erfolgte im Schlussviertel von Spiel 1, als Nowitzki seinem Gegenspieler Chris Bosh den Ball aus der Hand schlug. Dabei zog er sich einen Sehnenriss im Mittelfinger seiner linken Hand zu. Der Einsatz des Power Forwards ist aber nicht gefährdet.
Alles halb so wild?
Dirk wird mit einer Schiene am Finger spielen müssen und hat diese auch schon im Training angetestet, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Anschließend hat er noch ein privates Workout mit seinem Mentor und Wurf-Trainer Holger Geschwindner absolviert, um verschiedene Offensivaktionen auszuprobieren und mögliche Alternativen zu trainieren. "Rajon Rondo hat kürzlich mit nur einem Arm gespielt, also kann Dirk auch mit neun Fingern spielen", erklärte Geschwindner anschließend grinsend.
Das Hauptproblem dürfte Dirks liebste Offensiv-Waffe sein, bei der er nach links zieht, sich zum Korb dreht und mit der linken Hand abschließt. "Keine Frage, das ist eine große Sache. Er geht häufig über links", weiß Miamis Center Joel Anthony. "Aber er kann es auch über rechts. Dadurch, dass du ihm die linke Hand nimmst, stoppst du Dirk noch lange nicht."
Der Würzburger bleibt derweil gewohnt entspannt: "Ich weiß, wie es sich anfühlt, mit einer Schiene zu spielen. Die Schmerzen sind nicht besonders groß, ich muss einfach nur ein Gefühl dafür kriegen. Aber ich mache mir darum nicht wirklich Sorgen."
In der Regel dauert die vollständige Heilung sechs bis acht Wochen. Bei den Mavs ist man sich derweil sicher, dass der Sehnenriss nach den Finals auch ohne Operation verheilen wird. Zudem betonte Dirk, die Schmerzen seien schon in der Nacht nach dem Spiel deutlich geringer gewesen, als er vorher erwartet habe.
Probleme beim Rebounden
Dennoch bleibt die Frage: Selbst, wenn der Rechtshänder beim Wurf nicht gravierend gehandicapt sein wird, wie sieht es mit den anderen Aspekten des Spiels aus? Dribbling, Passspiel, Ballannahme und Rebounding - bei jeder dieser Aktionen würde Dirk im Normalfall die linke Hand zur Hilfe nehmen. Somit läuft er Gefahr, über weniger Ballkontrolle zu verfügen und häufiger Turnover zu produzieren.
Teamkollege Brendan Haywood weiß, wie Nowitzki sich fühlt, denn er erlitt Ende der vergangenen Saison die gleiche Verletzung - allerdings an seiner Wurfhand. "Die einzige Sache, bei der es ihn behindern wird, ist das Rebounding, weil du dabei nicht so viel Kontrolle über deine Hand hast wie normalerweise", glaubt der Center.
Jason Terry ist derweil überzeugt, dass der Sehnenriss seinen Buddy nicht stoppen wird: "Dirk könnte den Ball sogar mit geschlossenen Augen ohne Hände reinhauen, vor allem in einem so bedeutenden Spiel."
Hack-a-Hand
Eine weitere Hauptsorge ist, dass die Heat-Spieler gezielt Nowitzkis verletzten Finger attackieren werden. "Wenn sie das tun, muss ich mich durchkämpfen", erklärt Dirk: "Ich spiele nicht zum ersten Mal in meiner Karriere mit einer Verletzung und mache mir darüber keine Sorgen."
Die Bedenken der Texaner haben sich wohl bis Miami rumgesprochen: Einer seiner möglichen Gegenspieler, Udonis Haslem, stellte klar, dass der Mavs-Star sich im Zweikampf mit ihm keine Sorgen über hinterlistige Schläge auf die Hand zu machen brauche. "Ein solcher Spieler bin ich nicht. Ich möchte mir nicht durch solche Tricks Vorteile verschaffen. Unsere Team-Defense ist gut genug."
Weiterhin betonte Haslem, dass sein Team durch die Verletzung keinerlei Vorteile erhalte. Sein Frontcourt-Kollege Chris Bosh scheint derweil vom Gegenteil überzeugt zu sein und erklärte schon, Nowitzki werde definitiv über kurz oder lang Schläge auf den Finger einstecken müssen - ob nun absichtlich oder nicht.
Schlüsselfigur Kidd
Für große Reden gegenüber den Medien ist Rick Carlisle nicht unbedingt bekannt. Und so sollte es auch niemanden überraschen, dass er auf die Frage, welche taktischen Änderungen er vor Spiel 2 vornehmen wolle, zunächst nur mit "Wir werden bereit sein" antwortete.
Dallas' Hauptproblem bei der 84:92-Niederlage in Spiel 1 - übrigens das quotentechnisch erfolgreichste Auftaktspiel einer NBA-Finals-Serie seit 2004 - waren die 16 Offensivrebounds, die die Mavs Miami gewährten.
Der Coach sieht vor allem im Offensivverhalten Handlungsbedarf und erklärte, es sei in erster Linie wichtig, den Ball nach Rebounds sofort zu Jason Kidd zu bringen, damit der 38-Jährige schnelle Gegenzüge einleiten könne, die dann zu einfachen Punkten führen.
"Wir müssen einfallsreicher und opportunistischer agieren", weiß Carlisle: "Diese beiden Eigenschaften haben uns schließlich dahin gebracht, wo wir jetzt stehen."
King Clutch
Deutlich wichtiger dürfte es aber für Dallas sein, Miami-Superstar LeBron James in den Griff zu bekommen - soweit das überhaupt möglich ist. Denn der zweifache MVP ist derzeit so clutch wie nie und trifft während der Playoffs in den entscheidenden Phasen 48,2 Prozent seiner Würfe aus dem Feld. Beim Rest der Liga waren es nur 39,2 Prozent.
King James vertraut seinem Wurf in der brenzligen Phase mehr denn je: "Fordert mich ruhig dazu auf, die Schüsse zu nehmen", gibt er sich selbstbewusst. So geschehen beispielsweise unmittelbar vor Ende des dritten Viertels von Spiel 1, als er den Mavs nochmal einen Dreier einschenkte und somit die Wende im Spiel weiter vorantrieb.
LeBron trifft nicht nur die einfachen Würfe, sondern haut sie auch aus den unmöglichsten Lagen rein. Auf Platz zwei der seit der 2007-08er Saison geführten Clutch-Shooting-Playoff-Statistik liegt übrigens Dirk Nowitzki, der 2011 46,7 Prozent reinmacht. Mal schauen, ob Dirkules in der kommenden Nacht den King überholen kann.
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