Nowitzki: "Der Lockout hat mich gerettet"

Haruka Gruber
13. Dezember 201121:38
Repeat? Dirk Nowitzki würde eine zweite Championship sicherlich nicht ablehnenGetty
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Ein seltsamer Sommer, eine hektische Preseason - und ein tiefenentspannter Dirk Nowitzki: Der Dallas-Mavericks-Superstar nahm sich die Zeit und stellte sich den Fragen der Journalisten. In einer Telefonkonferenz sprach er über sich und die wilden Trades, die die NBA erschüttern.

Frage: Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die kommende Saison?

Dirk Nowitzki: Wir haben eine komische Zeit hinter uns. Man wusste nie, ob die Saison doch stattfindet oder ob ich irgendwo in Europa spiele. Jetzt freuen wir uns darauf, dass es endlich losgeht. Wir trainieren seit ein paar Tagen und wir machen uns voll fit. Wir haben jetzt noch etwas weniger als zwei Wochen und wir freuen uns darauf, den Titel zu verteidigen. Go Mavs!

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Frage: Wie sehr hat sich Ihr Leben seit diesem Sommer verändert?

Nowitzki: Es war schon mehr los. Es war der Wahnsinn, wie Deutschland am Titelgewinn teilgenommen hat. Ich hätte nie gedacht, was für einen Rummel man mit Basketball auslösen kann. Das war witzig zu sehen. Alleine, wie viele Menschen mir erzählt haben, dass sie nachts aufgestanden sind. Mittlerweile werde ich auch von älteren Leuten im Aufzug erkannt, von denen ich dachte, dass sie mit Basketball überhaupt nichts am Hut haben. Es war insgesamt mehr Rummel, auch bei der Nationalmannschaft. Nach dem Sommer habe ich daher ein bisschen Ruhe gebraucht und bin vor sechs Wochen schon nach Dallas geflogen. Diesen Abstand habe ich nach der Hektik gebraucht.

Frage: In Deutschland wird über die Überbelastung von Spitzensportlern diskutiert. Haben Sie eine Strategie, um sich gegen Burnout zu wappnen?

Nowitzki: Ich versuche, alles mit Spaß zu nehmen. Ab und zu muss man Abstand suchen, auch wenn es direkt nach der Meisterschaft schwer war. Rüber nach Würzburg für die Parade, dann wieder zurück in die USA, Kurz-Urlaub, wieder rüber nach Würzburg für das Training mit der Nationalmannschaft. Die Erholungsphase war definitiv zu kurz. Vor allem nach der EM habe ich den Abstand gebraucht. Der Lockout hat mich deswegen gerettet. Wenn es gleich nach der EM in der NBA losgegangen wäre, würde ich jetzt schon knapp am Burnout herumknapsen. Die zwei Monate Pause waren daher ein Glücksfall für mich. Jetzt habe ich wieder Spaß an der Sache. Der hatte im Sommer ein bisschen gefehlt.

Frage: Besteht dennoch die Gefahr, dass die Motivation fehlt?

Nowitzki: Am Anfang war es schwer, sich zu motivieren. Nachdem man seinen Traum erfüllt hat, war es schwer, mit Holger Geschwindner in die Halle zu gehen und irgendwelche Froschsprünge zu machen. Deswegen kam die EM zu früh für mich. Mit dem Abstand fühle ich mich aber wieder wohl. Ich weiß sowieso, dass in mir der Wettkampfgeist wieder geweckt wird, wenn die Saison beginnt. Das Wiederholen des Titelgewinns wäre ein absoluter Traum.

Frage: Wie ist Ihr körperlicher Zustand?

Nowitzki: Ich habe noch Arbeit vor mir, aber es wird von Tag zu Tag immer besser. Ich bin vor eineinhalb Wochen direkt nach "Wetten, dass..?" nach Dallas geflogen und habe von Montag bis Freitag für mich selbst etwas gemacht. Hoch und runter rennen, ein bisschen Kondition, ein bisschen Kraft. Am Freitag haben wir dann als Mannschaft losgelegt. Außerdem hatte ich in Würzburg schon zwei Wochen trainiert. Es ist daher okay, auch wenn ich noch einige Prozent draufzulegen habe. Die Hauptsache ist, dass es wieder Spaß macht. So lange der Spaß da ist, werde ich relativ schnell wieder fit.

Frage: Viele Spieler im Mavericks-Kader sind wie Sie über 30 Jahre alt. Ist die verkürzte Saison ein Vorteil, weil es weniger Spiele sind? Oder ein Nachteil, weil der Kalender gedrängter ist?

Nowitzki: Beides. Das Wichtigste: Wir müssen am Anfang relativ schnell den Rhythmus finden, da danach viele Spiele kommen. Ich glaube, dass es uns gelingt, weil Jason Kidd das Zusammenspiel sehr leicht macht und der Kern des Teams die Systeme noch kennt. Dennoch: Vince Carter ist 34 Jahre alt, Lamar Odom 32 - umso wichtiger wird die Bank. Jet Terry, Odom oder Shawn Marion, Delonte West als Kidd-Backup, auch von Roddy Beaubois erwarten wir uns viel. Sie müssen uns viele Minuten geben.

Frage: Wie bewerten Sie die bisherigen Verpflichtungen?

Nowitzki: Mit den Neuen können wir voll zufrieden sein. Lamar Odom wird gut reinpassen, Vince Carter ebenso. Am Montagabend wurde noch Delonte West geholt, ein Aufbau, der Jason Kidd helfen soll. Wir haben wieder eine solide Truppe mit älteren Leuten, die zusammenspielen und gewinnen wollen. Wir werden ein solides Produkt aufs Spielfeld schicken.

Frage: Die interessanteste Personalie ist der von den Lakers verpflichtete Lamar Odom. In den Playoffs sorgte er mit einem überharten Foul gegen Sie für Aufregung, außerdem ruft seine Dauerpräsenz in einer Reality-Sendung, die auch in Dallas fortgesetzt werden soll, ein gewisses Unverständnis hervor. Befürchten Sie zwischenmenschliche Misstöne?

Nowitzki: Ich glaube, es wird keine Probleme geben. Erst mal: Das Foul war aus der Frustration heraus, weil wir im vierten Spiel so gut waren. Aber ich spiele seit zehn Jahren gegen Lamar und ich habe auf dem Feld noch nie böse Worte mit ihm gewechselt. Daher gehe ich davon aus, dass wir gut zusammenspielen. Er ist für seine Größe ein guter Passgeber und es macht Spaß, mit ihm zu spielen. Was er außerhalb des Platzes macht, interessiert mich eigentlich nicht. Damit habe ich nichts zu tun. Ich bin eh einer, der sich außerhalb des Spielfelds zurückzieht und sein eigenes Ding macht. Außerdem hat Lamar letztes Jahr als bester Sixth Man gezeigt, dass er trotz des Rummels seine Leistung bringt. Und das ist das einzige, was uns interessiert.

Nowitzki über einen möglichen Trade von Chris Kaman, Chris Paul und einen Ex-BBL-Spieler in Dallas: Hier geht's zu Teil II!

Frage: Die Verträge von Odom, Carter und West laufen nach einem Jahr aus oder können gekündigt werden. Angesichts des neuen Mantel-Tarifvertrags und der Aussicht auf die Free-Agent-Klasse 2012 scheint Besitzer Mark Cuban eine andere Strategie zu verfolgen als sonst.

Nowitzki: Das große Ziel war, Cap Space für den nächsten Sommer zu bekommen. Seitdem Cuban in Dallas ist, waren wir kein einziges Mal unter dem Cap, so dass wir nicht in der Position waren, irgendwelche Free Agents zu holen. Jetzt haben wir ein bisschen Flexibilität. Es ist dennoch bitter, dass Caron Butler, Tyson Chandler und J.J. Barea weg sind, sie werden für immer Freunde und Familie bleiben. Wenn man gemeinsam eine Meisterschaft gewinnt, bleibt man immer irgendwie zusammen.

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Frage: Durch Chandlers Weggang klafft eine Lücke auf der Center-Position. Machen Sie sich Sorgen?

Nowitzki: Es wird schwer, Tyson zu ersetzen. Er hat gezeigt, was er wert ist mit seiner Athletik, seiner Verteidigung, seinem Rebounding, seiner Präsenz am offensiven Brett, seinen Blocks. Er hat die Mitte zugemacht. Er hat auch als Persönlichkeit gut reingepasst. Es tut weh, dass er geht. Aber mit Brendan Haywood haben wir einen erfahrenen Mann, der in der Liga viel erlebt hat. Er hat schon gut gespielt, bevor Tyson zu uns kam. Und Ian Mahinmi hat einen Schritt nach vorne gemacht. Ihn kann man immer bringen, er hat schon in den Finals solide Minuten gespielt. Er ist eine athletischere Option als Haywood. Ansonsten schätze ich, dass wir häufiger klein spielen. Mit mir und Lamar auf der Power-Forward- und Center-Position. Lamar hat über die Jahre bewiesen, als er mit Pau Gasol zusammen gespielt hat, dass er Center, Power Forwards und sogar Small Forwards verteidigen kann. Marion ist ein großer Small Forward, der auch Power Forwards verteidigt. Wir werden viel gegenseitig helfen müssen beim Rebound, dann wird es schon irgendwie klappen. Und wenn die ganz großen Center kommen wie Dwight Howard oder Tim Duncan, haben wir ja einen Haywood, der gut dagegenhalten kann.

Frage: Die Clippers versuchen, Ihren Nationalmannschaftskollegen Chris Kaman abzugeben. Wäre ein Trade nach Dallas eine schöne Vorstellung?

Nowitzki: Natürlich, es wäre witzig. Chris ist ein super Spieler, der in den letzten Jahren ein guter Freund geworden ist. Wir haben fast wöchentlich Kontakt. Das wäre schon was, wenn er nach Dallas kommen würde. Aber ich glaube nicht, dass es was wird. Er hat noch einen Vertrag bei den Clippers und er muss sich erst mal um sich selbst kümmern. Ich wünsche ihm alles Glück der Welt - und vor allem, dass er verletzungsfrei bleibt.

Frage: In Deutschland sorgte die Entscheidung der Mavs für Erstaunen, Drew Neitzel zum Trainings-Camp einzuladen. Neitzel spielte zuvor beim abstiegsbedrohten Bayreuth. Wie macht er sich?

Nowitzki: Beim Camp-Start am Freitag waren wir nur zu neunt, dann kam er am Samstag und wir konnten wenigstens Fünf-gegen-Fünf spielen. Er ist ein netter Junge und wir haben uns schon unterhalten über seine Zeit in Deutschland, die ihm sehr gefallen hat. Jetzt bleibt er erst mal für das Trainings-Camp da. Danach sieht es aber schlecht aus: Wir haben schon 15 Leute unter Vertrag. Ich glaube nicht, dass er bleibt. Dennoch ist es gut, dass er hier ist. Er kann nur davon profitieren, gegen Kidd, einen der besten Aufbauspieler aller Zeiten, zu trainieren.

Frage: Die Mannschaft der Mavs steht so weit. Bei anderen Teams hingegen überschlagen sich die Spekulationen. Haben Sie eine solche hektische Phase schon mal erlebt?

Nowitzki: Es sind die Nachwehen des Lockouts, damit muss jeder zurechtkommen. In meiner ersten Saison 1998/99 war es auch komisch, als man sich erst im Januar geeinigt hat. Damals bin sich sofort rüber nach Dallas und wir hatten ein kurzes Trainings Camp von zehn Tagen. Ich wusste daher schon, was wir zu erwarten haben. Die Tage zuletzt waren wahnsinnig gefüllt mit Gerüchten, ein ständiges Hin und Her, ein Ziehen und ein Gezerre. Die Gerüchteküche wird noch ein bisschen brodeln, bis man weiß, was mit Chris Paul passiert. Bis man weiß, was Dwight Howard macht. Bis Nene irgendwo unterschrieben hat. Da müssen wir abwarten. Die nächsten Tage werden noch sehr interessant. Gott sei Dank tangiert es uns in Dallas nur noch peripher.

Frage: Wer sind im Westen Ihre größten Konkurrenten?

Nowitzki: Schwer vorauszusehen. Wenn Paul oder Howard zu den Lakers geht, sind sie der Favorit. Selbst jetzt, ohne Lamar, wird mit ihnen zu rechnen sein. Sie haben immer noch Pau Gasol, Andrew Bynum und Kobe Bryant, der richtig heiß ist auf die Saison, nachdem wir sie im letzten Jahr mit 4-0 geschlagen haben. Die Oklahoma City Thunder sind fast zusammen geblieben und immer noch jung, so dass sie in der kurzen Saison ihre Athletik noch besser ausspielen können. Auch San Antonio habe ich nicht abgeschrieben. Die Spurs hatten die beste Bilanz im Westen, dass darf man nicht vergessen. Im Westen wird wieder viel los sein.

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