NBA

Dirk Nowitzkis neue Abrissbirne

Von Haruka Gruber
Ein Mann mit unbändigen Emotionen: Mavericks-Backup-Center Ian Mahinmi
© Getty

Mit der seltenen Kombination aus Muskelkraft und Gefühl hat sich Ian Mahinmi in Dallas etabliert - und sogar Supertalent Roddy Beaubois überholt. Dirk Nowitzkis Respekt hat der 25-jährige Backup-Center sicher.

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Exakt 60 Sekunden lagen zwischen Zweifel und Glaube. 60 Sekunden, in denen Ian Mahinmi anfangs aussah wie ein Tölpel und sich in einen Hünen wandelte, vor dem es sogar eines der besten Teams der NBA schauderte.

Inmitten des dritten Viertels gegen die stärker gehandelten Oklahoma City Thunder beging der 25-jährige Backup-Center der Dallas Mavericks eines jener Offensiv-Fouls, die so unnötig wie Zeugnis seiner unfertigen Basketball-Ausbildung sind.

Tollpatschig verlor er den Ball an die Thunder, die prompt durch Russell Westbrook auf 61:68 verkürzten und an eine Wende glaubten. Direkt im Anschluss aber trat Mahinmi den Beweis an, warum die Mavericks von der Verpflichtung eines Centers von Format abließen.

Erst lief sich der Franzose beim darauffolgenden Angriff clever frei, bekam von Vince Carter den wohl getimten Pass, stieg athletisch hoch und vollstreckte per Dunk. Kurz darauf erhöhte Mahinmi auf 72:61 - nur dass er diesmal sein Fingerspitzengefühl und nicht die rohen Muskeln bemühte: butterweicher Mitteldistanzwurf aus 5 Metern, nichts als Netz.

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Mahinmi wird zum wichtigen Bestandteil

Alles Szenen aus 60 Sekunden, die mit dazu führten, dass der schwach in die Saison gestartete Titelverteidiger im 6. Saisonspiel erstmals die Klasse der Vorsaison demonstrierte und die Thunder mit 100:87 besiegte.

"Wir sind doch nicht so weit weg von der Spitze, wie es für einige ausgesehen hat", sagte Coach Rick Carlisle. Die Skepsis wurde dadurch genährt, dass Dallas mit Center Tyson Chandler den wichtigsten Verteidiger und zum Saisonstart die ersten beiden Spiele empfindlich verloren hatte.

Seit der Nacht auf Dienstag jedoch wird kaum jemand mehr die Mavericks unterschätzen - auch wegen Mahinmi, der sich anschickt, zu einem wichtigen Bestandteil der Dallas-Rotation zu werden. Mit seinen 25 Jahren zählt er gewiss nicht zu den Jungspunden, aber seine unreife und unbeständige Spielweise sorgte lange dafür, dass kaum jemand abschätzen konnte, wie wertvoll oder wertlos er sich für Dallas erweisen würde.

Ian Mahinmi: "Ich bin bereit"

"Ich gehe in mein zweites Jahr bei den Mavs und bin vertraut mit dem System und den Anweisungen des Trainers. Ich bin bereit für eine verantwortungsvollere Rolle", sagte Mahinmi vor der Saison - und lässt nun Taten folgen.

Beim Sieg über OKC verzeichnete er 10 Punkte und 9 Rebounds (5 davon offensiv) in lediglich 21 Spielminuten, drei Tage zuvor gegen Toronto (99:86) wurden 19 Punkte bei perfekter Quote (6/6) sowie 5 Rebounds und 2 Blocks notiert.

Seitdem sich Mahinmi und Starting-Center Brendan Haywood verbessert zeigen, erzielen die Mavs abgesehen von der Klatsche in Minnesota auch bessere Ergebnisse. "Sie sind die zwei konstanten Jungs bei uns", sagte Jason Kidd.

Trefferquote von 76,2 Prozent

Während der 32-jährige Veteran Haywood die in ihm gesetzten Erwartung nicht übertrifft, aber zumindest erfüllt, ist Mahinmi so etwas wie die kleine Sensation des Mavs-Auftakts. Athletisch, kräftig und sprunggewaltig war er schon immer, im Sommer arbeitete er zudem gezielt die Defizite in der basketballerischen Grundlehre auf: das Stellungsspiel beim Rebounding, das Ballhandling, eine stabile Wurftechnik.

Die Statistiken dienen als Beleg: Die ersten beiden Partien ausgeklammert, gelangen Mahinmi für einen Reservisten vorzweigbare 11,0 Punkte und 5,0 Rebounds in 22,8 Minuten. Herausragende ist die Wurfquote von 76,2 Prozent. Carlisle: "Ian gibt uns eine physische Präsenz und ein hohes Maß an Energie. Dabei geht es gar nicht nur um das Scoring. Er steht in der Verteidigung richtig, spielt aggressiv und gibt Kommandos. Er macht große Fortschritte."

Beaubois nicht mehr der wichtigste Dallas-Franzose

Dass er während des Lockouts in der französischen Heimat für Le Havre in Einsatz war (12,3 Punkte, 8,8 Rebounds), kommt ihm genauso zugute wie das Privat-Training in Dallas mit Landsmann Roddy Beauabois. Während dieser früh als der zukünftige Superstar der Mavericks positioniert wurde und nach vielen Verletzungen erst an Sicherheit gewinnen muss, etablierte sich Mahinmi erstaunlich schnell als eine Säule der Second Unit.

Jason Terry sorgt für Gefahr von außen, Vince Carter soll auf verschiedenste Art scoren, Lamar Odom bringt Vielseitigkeit ein - doch für jugendliche Dynamik steht lediglich Mahinmi. Der Haken: Bei aller Dynamik weiß dieser noch immer nicht so recht wohin mit all der Energie.

Neben seinem im Vergleich zur Vorsaison schwächeren Freiwurf (von 76,8 auf 61,9 Prozent) ist die Foul-Anfälligkeit das Grundübel seines Spiels. Trotz der beschränkten Einsatzzeit foulte er in 5 von 6 Spielen mindestens viermal. Vergangenes Jahr verantwortete er beinahe mehr Fouls (105) als Rebounds (120).

Odom und Cardinal ohne Form

Trotz allem: Carlisle erkennt in Mahinmi die Anlagen eines veritablen NBA-Big-Men. Daher wird auch Neuzugang Yi Jianlian zunächst nur im Farmteam Texas Legends spielen und die Konkurrenten Sean Williams und Brandan Wright vermutlich nur die Bank wärmen. Williams erhielt seit dem Denver-Spiel (12 Punkte in 11 bedeutungslosen Minuten) lediglich 6 Minuten in 4 Spielen, Wright wurde zuletzt gar nicht mehr berücksichtigt.

Verbleiben neben den Startern im Frontcourt Lamar Odom und Brian Cardinal, wobei Odom mit 5,3 Punkten bei unterirdischen 19,5 Prozent genauso miserabel in die Saison fand wie Cardinal (0/10 Dreier).

"Wenn das Team erfolgreich sein will, müssen Brendan und ich mit Fleiß vorangehen. Wenn wir auf dem Parkett stehen, müssen wir nach jedem Ball hechten. Wir müssen die schmutzige Arbeit erledigen", sagt Mahinmi - und weiß dabei die Unterstützung der wichtigsten Mitspieler hinter sich.

Nowitzki und die Brille

Seit dem größten Augenblick ihres Lebens verbindet Mahinmi mit Dirk Nowitzki eine besondere Erinnerung. Im entscheidenden 6. Spiel der Finalsserie bei den Miami Heat wurde Mahinmi als Chandler-Vertretung mit mehr Minuten bedacht, weil sich Haywood verletzt hatte.

Als zu erwarten war, dass Miami die Gunst nutzt und aufholt, traf Mahinmi mit dem Buzzer zum Ende des dritten Viertels einen Mitteldistanzwurf zum 81:72, was den Widerstand des Heat-Teams und deren Fans endgültig brach. Es war eine der Szenen der Saison.

Bei der anschließenden Meisterschaftsfeier wurde ihm daher Nowitzkis Ehrerbietung zuteil. Der Deutsche nahm sich Mahinmis markante schwarz umrandete Brille und setzte sie für die gesamte Partynacht auf. "Ich wollte irgendwie zeigen, dass Ian unser Mann des Spiels war", sagte Nowitzki - und gab damals stillschweigend ein Plädoyer dafür ab, zukünftig auf Mahinmi zu vertrauen.

Kidd formulierte es vor einigen Tagen so: "Ian ist der vielleicht talentierteste Spieler im Locker Room. Er wird immer besser und besser."

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