NBA

"Werner ist das Gegenteil von Dirk"

Von Interview: Haruka Gruber
Elton Brand soll mit Chris Kaman und Dirk Nowitzki den neuen Frontcourt der Mavs bilden
© Getty

Als "Enforcer" soll Elton Brand den Gegnern der Dallas Mavericks das Fürchten lehren - und Dirk Nowitzki ersetzen, solange dieser ausfällt. Dabei ist der 33-Jährige auch gefragt als Chris Kamans Babysitter und Hollywood-Produzent. Das Interview.

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SPOX: Im Internet kursiert ein Video aus dem Sommer, wie Sie an einem Benefiz-Fußballspiel von Steve Nash teilnehmen und bei einem Torschuss kläglich versagen. Was war los?

Elton Brand: Eine ziemlich peinliche Szene. Ich traue mich gar nicht, mir das noch einmal anzuschauen. (lacht) Aber zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass es überhaupt das allererste Mal für mich war. Ich hatte vorher noch nie einen Ball am Fuß und einen richtigen Fußball-Platz kannte ich auch nicht. Einmal habe ich sogar einen richtigen Schuss geschafft, der war allerdings so unkoordiniert, dass ich mit dem Ball Mike Dunleavy Jr. mitten ins Gesicht traf.

SPOX: Sie sind beim Basketball ebenfalls ein Mann für das Grobe. 2010/11 begingen Sie sogar die meisten Flagrant Fouls in der gesamten NBA. Hat Dallas einen Rowdy verpflichtet?

Brand: Überhaupt nicht, Fouls gehören genauso zum Basketball wie Punkte und Assists. Mein Job ist es eben, den eigenen Korb zu verteidigen. Und wenn ein Gegenspieler so dreist ist und sich in meine Zone traut, stellte ich eben sicher, dass er nicht zum Korberfolg kommt. Deswegen sehe ich mich als Enforcer und nicht als Rowdy. Ich hole Rebounds und erledige im Post jede Drecksarbeit, die so anfällt.

SPOX: Dirk Nowitzki sagte im SPOX-Interview, dass Sie "einer der besten Low-Post-Verteidiger in der Liga" sind.

Brand: Ich will Dirk natürlich nicht widersprechen. (lacht) Auf jeden Fall sprechen die Advanced Statistics, also die Zahlen, die richtig ins Detail gehen, schon dafür, dass ich im Post ziemlich effektiv bin.

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SPOX: Wie wird man ein guter Low-Post-Verteidiger?

Brand: Es geht darum, die Masse, die Muskeln und die Ellenbogen so clever einzusetzen, um den bevorzugten Spot unter dem Korb einzunehmen und zu behaupten. Positionierung ist das Entscheidende: Wo stehe ich? Wo will ich stehen? Wo steht der Gegenspieler? Wo will sich der Gegenspieler hinbewegen? Und dann: Wie drücke ich den Gegenspieler so weg, damit er sich nicht wohlfühlt?

SPOX: Sie sind in Dallas auf den großen Positionen der mit Abstand beste Verteidiger. Wenn Dirk Nowitzki im Laufe des Novembers zurückkehrt, werden Sie trotzdem Ihren Platz in der ersten Fünf verlieren und den Rest der Saison von der Bank beginnen. Dabei standen Sie in Ihrer Karriere in 830 von 860 Spielen in der Starting Five. Ein Problem?

Brand: Ganz ehrlich: Mich interessiert nicht, ob ich Teil der Starting Five bin oder nicht. Es geht nur darum, Spiele zu gewinnen und in den entscheidenden Phasen auf dem Court zu stehen. Und egal in welcher Konstellation, gehe ich davon aus, dass ich meine Minuten bekommen werde.

SPOX: An Chris Kaman richteten Sie im Scherz eine Kampfansage: "Chris ist mein Baby. Und ich sehe es nicht ein, dass ich mich für ein Baby auf die Bank setzen soll. Ich habe ihm alles beigebracht."

Brand: Das war wirklich nur ein Joke - obwohl ich ihm wirklich einiges beigebracht habe, nachdem er als Rookie zu den Los Angeles Clippers gekommen war. Im Ernst: Ich bin richtig stolz auf Chris, ein bisschen wie ein Dad. Er hat sich entwickelt, wurde erwachsener und reifer, und er schaffte es sogar einmal zum All-Star-Game. Er wird viele Experten überraschen. Die meisten wissen gar nicht, wie gut er wirklich ist.

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SPOX: Wie haben Sie sich selbst über die Jahre verändert?

Brand: Aus menschlicher Sicht war die Gründung der Familie das Entscheidende. Ich habe eine Ehefrau, einen Sohn und bald eine Tochter. Ich hätte es nie gedacht, aber es macht einen riesigen Spaß, Kinder aufzuziehen und die Verantwortung zu spüren. Okay, bei Chris war ich froh, dass ich das Baby irgendwann losgeworden bin. Wobei ich ihn jetzt schon wieder an der Backe habe und mich um ihn kümmern muss. (lacht)

SPOX: Und was wurde aus dem Basketballer Elton Brand, der 2006 zu den MVP-Kandidaten gehört hatte?

Brand: Den MVP-Kandidaten von damals gibt es leider nicht mehr. Ich habe einiges durchgemacht, ich riss mir meine Achillessehne, ich erlitt weitere Verletzungen, ich musste viele Reha-Einheiten absolvieren. Seitdem ging die Explosivität und die Schnelligkeit verloren. Dafür wurde ich in anderen Bereichen besser: Ich lernte, klüger zu spielen. Und ich trainierte mir einen ordentlichen Wurf an. Ich fühle mich insgesamt noch sehr gut. Es steckt noch einiges in mir.

SPOX: Sie sprachen Ihren verbesserten Wurf an. Dennoch klingt der Plan von Coach Rick Carlisle verwegen, der Sie häufiger Dreier werfen lassen will. Sie haben in 13 NBA-Jahren ganze 2 Dreier bei 17 Versuchen verwandelt.

Brand: Ich kenne die Quote, sie ist grausam. Im Training treffe ich jedoch ziemlich gut, viel besser, als man glauben könnte. Deswegen kam der Coach auf die Idee. An der Baseline in der Dreierecke ist der Korb viel näher als wo anders. Wenn ich mich dort postiere, ist es praktisch so, als ob ich einen langen Zweier nehme, und den verwandle ich ja ganz zuverlässig.

SPOX: Nachdem Sie von den Philadelphia 76ers unter der Amnestie-Klausel entlassen wurden, haben Sie sich ausdrücklich gewünscht, dass Dallas die folgende Auktion um Sie gewinnt. Warum?

Brand: Weil die Mavs eine großartige Franchise sind und gleich klarmachten, dass sie in mir einen wichtigen Spieler sehen. Ich möchte die anderen interessierten Teams bei der Auktion nicht nennen und wenn jemand anders mich unter Vertrag genommen hätte, wäre ich so politisch korrekt gewesen und hätte vermutlich irgendwas gesagt von wegen: "Team X ist super und die Stadt X ist großartig." Das gehört zum Geschäft. Bei Dallas meine ich es hingegen vollkommen ehrlich.

SPOX: Es ändert nichts daran, dass Ihr Vertrag bei den Mavs nur ein Jahr läuft und Sie darüber hinaus keine Sicherheiten besitzen.

Brand: Ich finde es nicht schlimm. Ich bin vollkommen relaxt. Mir war bereits eine sehr schöne Karriere vergönnt und alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe.

SPOX: Sie blicken auf 13 Jahre NBA zurück. 13 Jahre, in denen Sie immer wieder auf Dirk Nowitzki getroffen sind. Gibt es ein Duell, an das Sie sich besonders erinnern?

Brand: Das erste Mal, als wir mit den Clippers zuhause im Staples Center die Mavs und Dirk besiegt hatten, fühlte sich sehr gut an. Sie waren immer ein Vorbild für uns, weil es ihnen gelang, von ganz unten anzufangen und sich als Topteam kontinuierlich über Jahre zu etablieren. An ein spezielles Duell gegen Dirk kann ich mich jedoch nicht erinnern. 2006 hätte es eine legendäre Playoff-Serie zwischen uns geben können - nur wir verloren leider gegen Phoenix das entscheidende Spiel 7, so dass wir die Conference Finals gegen Dallas knapp verpassten. Das finde ich immer noch sehr schade.

SPOX: Sie sind erstmals Teamkollegen. Erlebten Sie eine Seite von Nowitzki, die Sie nicht kannten?

Brand: Ich dachte eigentlich, dass ich ihn ganz gut kenne von den All-Star-Games und den Spielen zwischen dem US-Team und Deutschland. Ich wusste gar nicht, dass Dirk so ein lustiger Kerl ist. Er ist natürlich freundlich und zuvorkommend und zugleich sehr erfolgsversessen und ehrgeizig. Das weiß jeder. Gleichzeitig reißt er im Locker Room viele Witze und ist fast schon so etwas wie der Clown des Teams. Diese Seite von ihm gefällt mir sehr gut.

SPOX: Was kaum jemand weiß: Sie sind nicht nur NBA-Profi, sondern Film-Produzent in Hollywood. Wie wäre es mit einer Nowitzki-Biografie?

Brand: Ich weiß nicht so recht. Wenn ich so als Produzent über Dirk nachdenke, ist er mir ein bisschen zu langweilig. (lacht) Ein sympathischer Underdog aus Deutschland, der die NBA im Sturm erobert und Champion wird - da ist mir als Filmstoff zu wenig Drama.

SPOX: Ist dafür das Projekt über Hip-Hop-Legende Tupac Shakur noch aktuell? Mit Antoine Fuqua, bekannt aus "Training Day", konnten Sie einen renommierten Regisseur gewinnen.

Brand: Wir sind in der Planungsphase. Das Drehbuch ist fertig, nur leider ist der Regisseur abgesprungen. So ist eben Hollywood. Gerade lief ein anderer Film von mir auf dem Toronto International Film Festival: "No one lives" mit Luke Evans in der Hauptrolle. Die Kritiken waren gemischt, mir persönlich gefällt der Film dennoch sehr gut und alleine schon bei so einem renommierten Festival unterzukommen, ist schon ein Erfolg an sich. Mal schauen, wie es weitergeht. Mit "Milk & Media" habe ich mittlerweile eine neue Produktionsfirma gegründet.

SPOX: Ihren ersten Erfolg als Produzent feierten Sie mit "Rescue Dawn", ein allseits gelobtes Actiondrama von 2006 mit Christian Bale. Der Regisseur war Werner Herzog, in Hollywood berüchtigt als durchgeknallt-exzentrischer Filmemacher aus Deutschland. Haben Sie ihn kennengelernt?

Brand: Logisch! Ich bin ja nicht irgendein Maskottchen, sondern ein richtiger Producer, der viel Zeit am Set verbringt. So lief es auch bei "Rescue Dawn". Ich habe häufig mit Werner in den Drehpausen gegessen und ihn so sehr gut kennengelernt. Der Werner ist wirklich ein Typ. Sehr, sehr nett und gleichzeitig sehr, sehr intensiv. Wenn man so will, ist er schon ein Verrückter und ein Egozentriker, so wie es sich für einen Regisseur gehört. Ich hatte und habe das Vergnügen, mit zwei Deutschen sehr eng zusammenzuarbeiten - und unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Werner ist das Gegenteil von Dirk.

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