Tim Ohlbrecht hatte die Ziele seiner Houston Rockets bereits kurz nach seiner Unterschrift verinnerlicht. "Wir wollen unbedingt die Playoffs erreichen", gab der Center unumwunden zu. Ein Satz, der auch aus dem Mund von Dirk Nowitzki stammen könnte. Eigens für die Mission Playoffs lässt sich das Aushängeschild des deutschen Basketballs sogar einen Bart wachsen. Vor Augen haben Nowitzki und die Dallas Mavericks die Playoffs freilich nicht mehr.
Ein Deutscher, der in den Playoffs steht und nicht Nowitzki heißt, obwohl "The German Wunderkind" selbst als Aktiver noch auf dem Feld steht? Ein eigentlich unvorstellbares Szenario, das dennoch immer mehr Konturen annimmt. Denn bei Ohlbrechts NBA-Debüt für die Houston Rockets lieferten die Mavericks den nächsten spielerischen Offenbarungseid ab. An einen Playoff-Einzug der Mavs glauben wohl nur noch die kühnsten Optimisten. Die Rockets dagegen stehen auf dem achten Platz im Westen.
Analyse Rockets überrollen Mavs bei Ohlbrecht-Debüt
Ohlbrecht mit solidem Debüt
Die Rolle Ohlbrechts bei den Rockets ist selbstverständlich eine andere als die von Nowitzki in Dallas. Er ist nicht das angepriesene Wurfwunder, das schon vor der NBA-Karriere Rekorde knackte und mit großen Erwartungen gedraftet wurde. Er wird die NBA auch nicht nachhaltig beeinflussen, so wie es Dirk tat, vielmehr ist er derzeit froh über jede Einsatzminute. Und dennoch könnte er in Houston eventuell zu einem formidablen Rollenspieler reifen.
Natürlich geben fünf Minuten in der Garbage-Time eines längst entschiedenen NBA-Spiels kaum Aufschluss, doch der 24-Jährige machte gegen Dallas einen soliden Job. Er bewies, dass er seine Rolle verinnerlicht hat.
"Ich komme als Energizer, ich soll rennen", umfasste er seinen Einsatzbereich unlängst. Genau das tat er, obwohl es in den letzten Minuten eines Spiels nicht leicht ist, noch einmal Energie zu verströmen.
Dass er am Ende aber mit einem Dreipunkte-Spiel auf sich aufmerksam machte, ist ein gutes Zeichen. Ebenso wie die darauffolgenden Reaktionen seiner Mitspieler, die sich sichtlich für den Center freuten. Ohlbrecht scheint im Team bereits akzeptiert zu sein.
Mavericks erreichen nächsten Tiefpunkt
Mit drei Punkten hatte Ohlbrecht am Ende sogar nur fünf weniger auf dem Konto als Dirk Nowitzki. Der spielte wie das gesamte Team der Mavs weit unter den eigenen Möglichkeiten und Ansprüchen. Selten hat man einen so angespannten und frustrierten Nowitzki gesehen wie in der derzeitigen Situation. Das Spiel gegen die Rockets war der nächste Tiefschlag in einer Mavs-Saison, die fast ausschließlich aus Tiefen besteht.
Dallas spielte in Houston überhaupt gar keine Verteidigung und zeigte eine Woche nach dem historischen Versagen gegen die Grizzlies das nächste furchterregende dritte Viertel. Die starken Wurfquoten in der ersten Hälfte kaschierten die defensive Nicht-Leistung der Mavs noch gut, als im dritten Viertel die Würfe aber nicht mehr fielen, zogen die Rockets ungestört davon.
Nowitzki sprach nach dem Spiel von einem "verdammten Layup-Drill" für die Rockets und von einem "absolut peinlichen" Auftreten seines Teams. So langsam scheint er zu realisieren, dass die Playoffs trotz aller Hoffnungen mit dieser Mannschaft nicht mehr möglich sind. Shawn Marion, eigentlich der Edel-Verteidiger der Mavs, ließ Parsons freien Lauf. Point Guard Darren Collison spielte lediglich einen Assist. Center Chris Kaman holte zwei Rebounds. Elton Brand erzielte keinen Punkt, leistete sich dafür aber zwei Ballverluste. Sie alle sollten eigentlich Leistungsträger sein.
Nowitzki ist derzeit nicht dauerhaft in der Lage, schwache Leistungen seiner Mitspieler vergessen zu machen. In den letzten Spielen nach dem All Star Break ging es schon wieder aufwärts für den Deutschen, doch gegen die Rockets gelang dem mit sich selbst hadernden Superstar wieder rein gar nichts. Frust-Fouls wie gegen Beverley oder Wortgefechte wie gegen James Harden sind normalerweise völlig untypisch für Nowitzki, dem die Frustration im Gesicht anzusehen war.
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Carlisle steht vor offenen Fragen
Interessant ist es nun, zu beobachten, wie eine Ansammlung von Spielern mit Einjahres-Verträgen auf die Situation reagieren wird, dass die vor der Saison als sicher geltenden Playoffs wohl nicht erreicht werden. Folgen nun dauerhaft Spiele wie gegen die Houston Rockets?
Wird Shawn Marion, der vor kurzer Zeit noch betonte, dass er bei einem Trade zu einem Lottery-Team seine Karriere beenden würde, dauerhaft solche defensiven Nicht-Leistungen abrufen, wenn er selbst nicht mehr an die Playoffs glaubt? Werden Spieler wie O.J. Mayo oder Elton Brand, die nach der Saison wieder Free Agents sind, den Teamgedanken weiterleben oder ohne realistische Playoff-Chancen nun für die eigenen Statistiken spielen? Offene Fragen, denen sich Carlisle stellen muss.
Antworten wird wohl auch das unmittelbar folgende Duell beider Teams in Dallas liefern. Die Mavs haben umgehend die Chance vor ihren eigenen Fans den Misserfolg wiedergutzumachen. Dass Ohlbrecht nämlich ausgerechnet gegen die Mavericks zu seinem Debüt kam, ist für deutsche Fans zwar erfreulich, für die Mavs aber ein ernüchterndes Zeichen.
Nowitzki zollt Respekt
Weil die vorherigen Rockets-Spiele so eng waren, kam Ohlbrecht nicht zum Einsatz. Da aber gegen die Mavs der Blowout folgte, war die Chance für den Center da. Ausgerechnet gegen die Mavericks. Ausgerechnet gegen Dirk Nowitzki, der Ohlbrecht nach dessen Vertragsunterzeichnung per Twitter noch gratuliert hatte und ihm einen "Riesen Respekt" zollte.
Es wirkt irgendwie paradox, dass Ohlbrecht, wenn auch nur als Rotationsspieler am Ende der Bank, nahe dran ist am Traum NBA-Playoffs, während Nowitzki sich so langsam damit abfinden muss, zum ersten Mal seit 12 Jahren eine verlängerte Offseason zu haben. Vielleicht tut Dirkules aber genau das einmal gut. Die deutschen Fahnen kann in den Playoffs dann ja erstmals ein anderer Vertreter hochhalten.