Die Spurs hatten vorgelegt. Nach Manu Ginobilis Layup führte San Antonio mit zwei Punkten. Zu spielen waren da noch exakt 1,7 Sekunden. Hätten die Mavs früher foulen sollen, um sich einen größeren Handelsspielraum zu schaffen? Hätten sie aggressiver verteidigen sollen? So blieb Dallas jedenfalls kaum mehr als ein Wimpernschlag, und dennoch genug Zeit, um das Spiel noch zu entscheiden. Mit Monta Ellis, Dirk Nowitzki und Jose Calderon besitzt man schließlich gleich mehrere Optionen für den entscheidenden Wurf.
Nun war sich Rick Carlisle sicherlich bewusst, dass auch und gerade Gregg Popovich um die Stärken des Gegners weiß, und entschied sich deshalb, den Ball nicht in die Hände einer seiner drei sichersten Schützen zu legen. Vince Carter sollte es sein. Jener Vince Carter, der zuvor schwindelerregende 3 seiner 8 Würfe getroffen hatte, der beim letzten Versuch, ein Playoffspiel mit der Schlusssirene zu entscheiden, noch kläglich gescheitert war. Damals, 2001, verloren seine Toronto Raptors Spiel 7 der Eastern Conference Finals gegen Philadelphia.
Egal. Carter fakte, Carter stieg hoch, Carter traf - und plötzlich führen die Mavs gegen den haushohen Favoriten aus San Antonio mit 2-1. "Es ist einfach Wahnsinn, was er hier jeden Tag abruft", zeigte sich auch Nowitzki höchst zufrieden mit VC. "In jedem Training ist er mit mir einer der Letzten in der Halle und übt genau diese Würfe. Den hat er sich verdient und erarbeitet."
Coaching-Duell auf höchstem Niveau
Auch Carlisle weiß sicherlich um Carters Trainingspensum. Dass er am Ende auch treffen würde, wusste er dagegen nicht. Konnte er nicht wissen. Ohne dieses Quäntchen Unsicherheit kommt der Sport nun mal nicht aus. Dennoch strickt Carlisles Entscheidung die Geschichte dieser ersten Runde weiter. Eine Geschichte, in der sich zwei der besten Coaches der Liga ein strategisches Kräftemessen auf allerhöchstem Niveau liefern.
Dass Carlisle und die Mavs dabei eine derart gute Rolle spielen, schockiert beinahe. Denn im Grunde, und da waren sich alle einig, hat Dallas keine Chance gegen die vom Coach of the Year perfekt abgestimmten Spurs. Weder individuell noch im Kollektiv. Die Spurs sind das bessere Team. Eigentlich. Denn auch in Spiel 3 ging Carlisles mehrstufiger Masterplan wieder fast perfekt auf.
Erneut traf das beste Dreierteam der Regular Season unterdurchschnittlich (33,3 Prozent 3FG) von draußen und liegt damit über die Serie gesehen (33,6 Prozent 3FG) 6 Prozent unter seinem Saisonschnitt (39,7 Prozent 3FG). Man traut es sich kaum zu sagen, aber ausgerechnet Dallas verteidigt eine der variabelsten Offenses der NBA derart geschickt, dass den Spurs die Selbstverständlichkeit abhanden gekommen zu sein scheint.
Supporting Cast schwächelt
Von San Antonios einst so starkem Supporting Cast kam auch am Samstag wenig. Teils wollte der Wurf nicht fallen (Patty Mills), teils fiel trotz ansprechender Quoten relativ wenig Spielzeit ab (Marco Belinelli). Bestes Beispiel ist derzeit allerdings Danny Green. Brachte der Shooting Guard während der vergangenen Finals LeBron James und die Heat noch zur Verzweiflung, so hat er bislang ganze 3 Würfe getroffen. Insgesamt.
Dabei bieten die Mavs Green eigentlich das denkbar günstigste Matchup an. Erneut gelang es ihm jedoch nicht, Jose Calderons Defensivallergie gewinnbringend zu nutzen. Das erlaubte es Carlisle wiederum, seinen Playmaker hinten quasi zu verstecken und Shawn Marion auf Tony Parker anzusetzen. Mit seiner Größe macht der Dreier dem Franzosen zu schaffen. Auch Dallas' konstantes Switchen lässt den Aufbau die Defense nicht wie gewohnt durcheinander bringen.
Zudem machten die Mavs den Weg in die Zone erneut dicht. Das limitierte nicht nur den Franzosen, es schadete auch San Antonios eigentlich so starkem Ball Movement. Indiz: Bislang erspielen sich die Spurs im Vergleich zur Regulären Saison deutlich seltener den Dreier aus der Ecke, gern genommener Indikator für einen gut bewegten Ball.
Parker erst stark, dann auf der Bank
Stattdessen durfte speziell Parker mal wieder fröhlich aus der Mitteldistanz abdrücken. Hört man nicht auf den Namen LaMarcus Aldridge, ist das allerdings die ungünstigste Position für den erfolgreichen Wurf. Diesmal ging Dallas' Strategie zunächst jedoch nicht ganz auf. Parker hatte sich Gregg Popovichs Anweisung, sollte es nötig sein, doch bitte auch 25 Mal abzudrücken, offenbar zu Herzen genommen, nahm Wurf um Wurf - und traf. Jedenfalls bis zur Halbzeit (8/13 FG in der ersten Hälfte).
Welche Taktik sich Pop dann auch immer zurechtgelegt hatte, es ging schief. In der zweiten Hälfte stand Parker nur noch gut 13 Minuten auf dem Feld und verlor so seinen Rhythmus (1/5 in der zweiten Halbzeit). Über die Gründe wollte ein sichtlich angesäuerter Europameister allerdings nicht sprechen. Jedenfalls nicht ausführlich. "Ich weiß es nicht", sagte er. "Es ist einfach passiert. Das war der Spielfluss der zweiten Halbzeit. Ich habe einfach weniger gespielt, sie haben jetzt nichts Spezielles gemacht."
Ganz Unrecht hat er damit sicherlich nicht. Einerseits erlag Parker vielleicht der Gefahr des Mid-Range-Jumpers, der, ist der Rhythmus erst mal abhanden gekommen, kaum mehr fallen will. Andererseits sind 108 Spurs-Punkte auch kein Indiz herausragender Mav'scher Defensivarbeit. "Das ist in den Playoffs meistens gleichbedeutend mit einer Niederlage", weiß auch Carlisle.
Mavs-Offense kommt ins Rollen
Nun stellt Dallas allerdings seinerseits eine der effektivsten Offenses der gesamten Liga. Jose Calderon erweckte den Anschein, als könne er gar nicht vorbeiwerfen (7/10 FG), Monta Ellis lief in der zweiten Hälfte heiß (insgesamt 29 Punkte) und hielt die Mavs im Spiel. Und Nowitzki? Nowitzki erhielt zwar überraschend selten den Ball (13 Würfe), leistete sich 3 Turnover und war am Ende nur viertbester Scorer der Mavs (18 Punkte). Dafür scheint er seine Effektivität langsam wiederzufinden (7/13 FG). Dazu erleichtert allein Dirks Präsenz das Offensivspiel seiner Teamkollegen.
Gerade im letzten Viertel schien Dallas die Probleme, die es währende der Serie bislang teilweise plagten, abgelegt zu haben. So ließ sich Ellis selbst von der liebevollen Bewachung eines Kawhi Leonard nicht beeindrucken, auch Samuel Dalembert arbeitete stark am Brett (10 Rebounds), verdiente sich so immer wieder zweite Wurfchancen (6 Offensivrebounds) und war auch defensiv ein nicht unwesentlicher Faktor. Vince Carters Einfluss ist bekannt.
Dirk: "Spurs weiter Favorit"
In der Summe führen die Mavs nun mit 2-1. Vorentscheidung? Sicher nicht. "Für mich sind die Spurs immer noch Favorit", weiß auch Nowitzki. "Sie werden hier rauskommen, alles geben und fighten. Sie wollen bestimmt nicht mit 1-3 zurück nach San Antonio." Davon ist auszugehen. Nun ist Popovich am Zug. Carlisle hat ihm mit seiner Defensivtaktik eine Aufgabe gestellt, die es schnellstmöglich zu lösen gilt. In Spiel 3 versuchte der Coach of the Year bereits, so häufig es ging Einfluss zu nehmen, unterbrach jeden noch so kleinen Mavs-Run per Auszeit.
Dass Dallas ernstzunehmen ist, dürfte mittlerweile klar sein. Die Mavs wirken wild entschlossen, ihre Chance, und sei sie noch so klein, zu nutzen. Doch auch die Spurs sollte man nun nicht schlechter reden, als sie sind. Immerhin bleibt Tim Duncan Tim Duncan und legte starke 22 Punkte (8/14) und solide 5 Rebounds auf.
Leonard trat endlich selbstbewusster auf. Ginobili fand im Schlussviertel mal wieder den Vintage-Button und wäre ohne Carters Heldentat zum alles entscheidenden Mann avanciert. Ohnehin lagen Wohl und Übel aus Spurs-Sicht derart nah beieinander, dass in San Antonio niemand in Panik verfallen muss. Mit Buzzerbeatern lässt sich schließlich auch in Dallas schlecht planen.