Die Dallas Mavericks ließen im entscheidenden siebten Spiel gegen die San Antonio Spurs fast alles vermissen, was sie in der vorangegangenen Serie so ausgezeichnet hatte, trotzdem haben sich Dirk Nowitzki und Co nur wenig vorzuwerfen. Ist die erste Enttäuschung erst einmal verflogen, können die Verantwortlichen optimistisch in die Zukunft blicken.
Nach 36 Minuten war alles schon längst gelaufen. Fast das gesamte letzte Viertel sah man Dirk Nowitzki auf der Bank sitzend, den Kopf unter einem Handtuch versteckt. Auf der Gegenseite hatte sich Dauerrivale Tim Duncan auch schon zur Ruhe begeben.
Dem stillen Power Forward der Spurs konnte man wie üblich im Gesicht nicht ablesen, ob San Antonio nun gerade per Sweep aus den Playoffs ausgeschieden war oder doch im alles entscheidenden siebten Spiel den ewigen Kontrahenten aus Texas förmlich vernichtet hatte.
Im Gesicht des Deutschen sah man aber die gesamte Dramaturgie des ultimativen Spiels einer schon jetzt historischen ersten Playoffrunde.
Enttäuschung und Schmunzeln
Natürlich war da die offensichtliche Enttäuschung: Von der ersten Minute an hatten die Spurs mit einem extrem druckvollen Basketball über den Platz gefegt und die hilflos wirkenden Mavs dominiert ohne auch nur eine Sekunde lang den Fokus zu verlieren.
Die Mavericks wurden in ihre Einzelteile zerlegt, offensiv vom gnadenlosen Druck der Spurs-Defensive völlig verunsichert, in der Defensive immer einen Schritt zu spät.
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Wer genauer hinsah, der konnte aber auch ein ganz leichtes Schmunzeln erkennen, kaum merklich zwischen den Gesichtszügen der Fassungslosigkeit. Nur ganz kurz angedeutet unter dem Handtuch.
Ein Schmunzeln darüber, dass die alten Herren, denen die meisten Experten nicht einmal einen Sieg in der Serie gegen die Spurs zugetraut hatten, überhaupt ein letztes Spiel erzwingen konnten. Ein Schmunzeln darüber, auch mit 35 Jahren noch immer zu den Besten zu gehören und mit seinem Team vor einer nicht allzu dunklen Zukunft zu stehen.
Spurs: Einfach, effektiv, entschlossen
Dem Mienenspiel auf der Bank vorangegangen war eine Lehrstunde der Spurs, wie sie prägnanter kaum hätte ausfallen können. "Es ist das ultimative Spiel. Da ist keine Analyse mehr notwendig. Es kommt nur noch auf Einfachheit, harte Plays und erfolgreiche Spielzüge an", meinte Mavs-Coach Rick Carlisle noch vor dem Entscheidungsspiel. Genau diese Marschroute setzte San Antonio in beeindruckender Art und Weise um.
Hinten stellten die Spurs die Zone sowie Nowitzki gekonnt zu und verteidigten vor einem frenetischen Heimpublikum mit gnadenloser Intensität. Vorne gingen Ginobili und vor allem Parker wie Butter durch die löchrige Defensive der Mavericks. Es waren einfache Spielzüge, doch sie waren gnadenlos effektiv.
Die Mavs schienen im Hexenkessel AT&T Center alles vergessen zu haben, was sie zuvor in das entscheidende siebte Spiel gebracht hatte. Parker fand immer wieder den Weg in die Zone, in der Verteidigung stimmten weder Abstand und Zuteilung noch die Help-Defense. Zudem gelang vorne nur wenig. Erstmals in dieser Serie wirkte Nowitzki in der Offensive auf sich allein gestellt.
So hatten die Spurs gegen den Achten der Western Conference zur Halbzeit sagenhafte 68 Punkte bei einer unfassbaren Quote von fast 70 Prozent verwandelten Feldwürfen auf das Parkett gebrannt. Die Folge: Ein 22-Punkte-Rückstand, den auch die zuvor so wackeren Mavs trotz eines kleinen Runs Mitte des dritten Viertels nicht mehr aufholen konnten.
Mavs-Zukunft: Neue Stars für Nowitzki?
Die Spurs erwischten ihr bestes Spiel der Serie zum genau richtigen Zeitpunkt und schlachteten den Rivalen aus Texas förmlich ab. Dallas wurde komplett an die Wand gespielt und trotzdem wird der ersten großen Enttäuschung über das Ausscheiden in Spiel 7 wohl auch Stolz und Optimismus in Dallas folgen. Aufgrund des aufopferungsvollen Kampfes in den Spielen zuvor, aufgrund des Mittelfingers an alle Experten und aufgrund einer nicht allzu düsteren Zukunft.
Anders als noch eine Saison zuvor und anders als nach dem Meisterschaftsjahr stehen Cuban und Carlisle nicht vor dem Scherbenhaufen eines einstigen Teams. Mit Monta Ellis, Jose Calderon und Samuel Dalembert stehen drei Eckpfeiler weiterhin unter Vertrag. Vor allen Dingen läuft aber der Kontrakt von Nowitzki aus.
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Genauso wie seine Teamkollegen Vince Carter, Shawn Marion, DeJuan Blair, Jae Crowder und Devin Harris wird auch der Deutsche im Sommer Free Agent. Ein Glücksfall für die Mavericks, denn kaum ein Team in der NBA kann sich so sicher sein, dass es seinen Star trotz der anstehenden Free Agency weiterhin binden kann.
Nowitzki wird sich andere Angebote wohl nicht einmal anhören. Seine Loyalität den Mavs gegenüber steht über allem und ermöglicht auch den nächsten Angriff auf einen weiteren großen Fisch in der Offseason.
Nowitzki-Gehalt halbiert
Nowitzki hat bereits mehrfach angedeutet, im nächsten Jahr auf viel Geld verzichten zu können, um eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Seine jetzigen Bezüge von über 22 Millionen Dollar werden sich in der nächsten Saison wohl mehr als halbieren.
Wie viel Gehalt Nowitzki dann ausgezahlt bekommt, steht natürlich noch in den Sternen, doch viel mehr als 10 Millionen Dollar müssen die Mavs dem Deutschen wohl nicht zahlen.
Das wiederum bringt viel Spielraum in der Offseason. So könnte sich Dallas um einen großen Star wie Chris Bosh oder Carmelo Anthony bewerben oder noch weiter auf die Breite setzen, indem man versucht, Spieler wie Luol Deng, Lance Stephenson oder Gordon Hayward zu holen.
Wahrscheinlich werden die Mavs aber auch viel daran setzen, neben Nowitzki auch die Veträge der erfahrenen Marion und Carter zu verlängern. Blair und Harris dürfen sich ebenfalls Hoffnungen auf eine Weiterbeschäftigung machen.
Sommerpause mit reinem Gewissen
Die Mavs aus dieser Saison haben gezeigt, dass sie mit den großen Teams mitmischen können, dass letztendlich aber doch noch ein Stück fehlt. Was Dallas braucht, ist mehr Flexibilität, mehr Two-Way-Player, also Spieler, die sowohl im Angriff wie auch in der Verteidigung stark sind, denn im derzeitigen Team stecken entweder gute Defensivspieler oder reine Offensivspezialisten, von denen es relativ viele im Kader gibt.
All das sind Gedanken, mit denen sich das Front Office jetzt beschäftigen muss. Während für General Manager Donnie Nelson und Co. bald die heiße Phase der Saison beginnt, können die Spieler nun Urlaub machen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, das beste Team der regulären Saison entgegen aller Expertenmeinungen an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben. Mit Momenten für die Ewigkeiten im Gepäck, wie der Buzzerbeater von Vince Carter in Spiel 3.
Beeindruckende Spurs jetzt gegen Trail Blazers
Für die Spurs geht es dagegen weiter gegen die Portland Trail Blazers, die in ihrer Playoffserie gegen die Houston Rockets zwar nur sechs Spiele bestritten, dennoch nicht weniger kämpfen mussten. Gleich drei Spiele gingen in die Overtime. Gegen die Trail Blazers, die vielleicht so etwas wie die jüngere Version der Mavs darstellen, ist San Antonio selbstverständlich wieder Favorit.
spoxSollte das Team von Gregg Popovich vom ersten Spiel an genauso auftreten wie in Spiel 7 gegen Dallas, dann sind die Spurs nur äußerst schwer zu stoppen. Danny Green (16 Punkte, 4/6 Dreier) schien in den letzten beiden Spielen seinen Touch wiedergefunden zu haben, Manu Ginobili hat rechtzeitig zu den Playoffs wieder in seinen Vintage-Modus umgeschaltet und Tony Parker (32 Punkte 11/19 FG) zeigte im letzten Spiel gegen die Mavs eine höchst beeindruckende Vorstellung.
Außerdem geht San Antonio mit der Gewissheit in die zweite Runde, in den entscheidenden Spielen zwei weitere Gänge höher schalten zu können. Dass es gegen die Mavs ins entscheidende siebte Spiel geht, hätten weder Experten noch die größten Pessimisten aufseiten der Spurs vermutet. Anders als bei einem lockeren Sweep wissen die Spurs allerdings nun, dass sie definitiv in den Playoffs angekommen sind. Auch das kann viel wert sein.
So oder so steht hinter beiden Teams eine eindrucksvolle Playoffserie, bei der Spiel 7 eine Ausnahme zu den ansonsten unglaublich hart umkämpften und engen Partien zuvor darstellte. Dirk Nowitzki fasste schließlich auch noch einmal in Worte, was sich am Ende des Spiels auch auf seinem Gesicht abspielte: "Für diese Serie werde ich in den nächsten Tagen sicher noch sehr stolz auf dieses Team sein, aber gerade sticht mich die Niederlage noch sehr."