Vier Wochen ist die NFL-Saison bereits alt - höchste Zeit für ein erstes Fazit. Wer hat uns überrascht, welches Team konnte die Erwartungen nicht erfüllen?
In "4th and 2 - der Football-Kolumne" beziehen die SPOX-Experten Jan-Hendrik Böhmer und Florian Regelmann in dieser Saison regelmäßig Stellung zu den heißesten Themen rund um die NFL. Heute: die Tops & Flops des Saison-Auftakts.
Böhmers Top-Saisonstarter: The Return of the Greatest Show
Ich mag die Rams. Ja, die Rams. Und nein, ich bin kein Erfolgsfan. Eher das Gegenteil. Denn bei ihrem Super-Bowl-Sieg 1999 fand ich sie trotz der "Greatest Show on Turf" noch ziemlich öde. Jetzt nicht mehr. Und jetzt sind sie immerhin das schlechteste Team der letzten drei Jahre. Underdog-Effekt nennt man das. Man hält ja gerne zum Außenseiter.
Und genau das sind die Rams. Denn sie sind alles andere als perfekt. Aber das müssen sie auch überhaupt nicht sein. Denn gerade das macht sie sympathisch. St. Louis ist keine mit der Brechstange zusammengekaufte Star-Truppe (so verzichtete man vor der Saison etwa bewusst auf die Verpflichtung von Michael Vick), sondern ein Team, das unter Coach Steve Spagnuolo langsam zusammenwächst.
Und ein Team, in dem Typen wie Mardy Gilyard eine Chance erhalten. Ein Wide Receiver, der vor der Zeit in der NFL in einem geliehenen Auto wohnte und zwei Jobs hatte, weil er seinem College 10.000 Dollar schuldete, nachdem ihm sein Stipendium wegen zu schlechter Noten zwischenzeitlich aberkannt worden war.
Es sieht tatsächlich so aus, als würden die Rams die Wende schaffen. Die Fans wittern nach zwei Siegen in Folge die Wiederauferstehung ihres Teams. Einige Experten diskutierten sogar bereits, ob die Rams das beste Team in ihrer Division sind. Das ist mit Sicherheit vorschnell, aber die Überraschung der ersten NFL-Wochen sind sie für mich allemal.
Regelmanns Top-Saisonstarter: New England reloaded in KC
Was soll ich an der Stelle anderes sagen? Zusammen mit "ESPN"-Experte Keyshawn Johnson hatte ich bekanntlich vor der Saison die Chiefs als Sleeper-Team auserkoren. Und wer ist denn bitteschön jetzt noch das einzige, ich betone, das einzige ungeschlagene Team in der NFL? Da ich ja, wie einige mitbekommen haben dürften, gerade vom Ryder Cup aus Wales zurückgekommen bin, muss ich beim Gedanken an die Chiefs sagen: "Boom baby!"
Nun bin ich aber nicht naiv. Die Chiefs haben als nächstes zwei Auswärtsspiele in Indianapolis und Houston auf dem Programm, da wird es die erste Niederlage setzen. Aber dennoch bin ich davon überzeugt, dass sie die Division gewinnen werden. Vor den Chargers.
Warum die Chiefs so gut sind, ist leicht erklärbar. Kansas City ist New England reloaded. General Manager Scott Pioli hat gemeinsam mit Bill Belichick die Patriots zu dem gemacht, was sie heute sind. Und er verfolgt auch seit er bei den Chiefs angeheuert hat einen ganz genauen Plan. Es gibt kaum einen klügeren Kopf in der Liga.
Dazu kommt mit Head Coach Todd Haley, Defensive Coordinator Romeo Crennel und Offensive Coordinator Charlie Weis ein Trainerstab, der zur absoluten Creme de la Creme gehört. Die Chiefs haben sich ein Team zusammengestellt, das vor allem eines auszeichnet: unfassbarer Speed. Das RB-Duo Charles/Thomas ist genial. Wenn Matt Cassel sich noch steigert, was er kann und muss, dann wird Kansas City nicht einbrechen.
Böhmers Flop-Saisonstarter: Wie sich die 49ers selbst zerstören
Größte Enttäuschung? Die 49ers. Klarer Fall! Träumte man vor der Saison in der Bay Area noch von Platz eins in der NFC West, den Playoffs und vielleicht sogar von mehr, heißt die Realität jetzt: 0-4! Dabei sollten das doch die besten 49ers seit Jahren sein - sagten sie jedenfalls von sich selbst. Und jetzt?
Jetzt sind sie die schlechtesten 49ers seit 2004. Und was das Schlimme daran ist: es ist ja nicht so, dass man es in San Francisco nicht kann. Frank Gore, Michael Crabtree, Vernon Davis und Coach Mike Singletary haben mit Sicherheit nicht verlernt, wie man Football spielt. Sie tun es ja sogar von Zeit zu Zeit. Das Problem ist: sie gewinnen nur einfach nicht. Und das, weil sie ihr Potenzial verschenken und sich regelmäßig (siehe Atlanta) selbst im Weg stehen.
Oder, wie Linebacker Patrick Willis sagt: "Wir sind unser schlimmster Feind. Die Dinge, die wir uns antun, bringen uns um." Und genau das ist es, was die Niners für mich zur größten Enttäuschung der ersten NFL-Wochen macht. Klar, es gibt noch zwei weitere sieglose Teams. Doch in Detroit und Carolina hatte man auch nichts anderes erwartet.
In Frisco schon. Weil: man kann! Und deshalb sind die 49ers mein Flop der ersten Wochen.
Regelmanns Flop-Saisonstarter: Die Vikings sind bald tot
Ich konnte mich lange nicht entscheiden, wer mich bislang mehr enttäuscht hat. Die Cowboys oder die Vikings. Fakt ist, dass mir die Cowboys, wenn ich Fan von dem Team wäre, unglaublich auf die Nerven gehen würden. Während es andere Teams gibt, wo du jede Woche genau weißt, dass sie das letzte Hemd geben werden, weißt du bei den Cowboys nie, ob sie wie in Houston glänzen oder total abstinken.
Ich glaube aber, dass die Cowboys auch aufgrund der Mittelmäßigkeit der Division noch die Kurve kriegen werden. Und das glaube ich bei den Vikings überhaupt nicht. Ich hatte Minny als Super-Bowl-Team gepickt, aber es gab letztens mal ein Bild im Fernsehen, das nicht nur mich erschreckt hat. Brett Favre kommt vor dem Spiel in den Katakomben an und sein Gesichtsausdruck sagt, dass er eigentlich gar nicht hier sein will.
Brett Favre, der nach jedem Touchdown-Pass wie ein 11-Jähriger nach vorne rennt und jubelt, macht einen unglaublich alten Eindruck. Scheint für mich tatsächlich so, als ob er ein Jahr zuviel drangehängt hat. Sein Verhältnis zu Head Coach Brad Childress soll sich von unterkühlt zu eisig verschlechtert haben.
Zugegeben, Favres Job war ohne brauchbaren Go-to-Receiver schwierig und mit Randy Moss sieht die Welt auf einen Schlag gleich ganz anders aus. Aber wenn ich mir den Spielplan der Vikings anschaue, sehe ich als nächste vier Spiele: @Jets. Cowboys. @Packers. @Patriots. Ganz ehrlich: Ich sehe da kein Spiel, das die Vikings gewinnen werden. Auch mit Moss nicht. Und dann wären sie 1-6. Tot.