SPOX: Drei Spiele, drei Siege - ein guter Start für die Packers. Und das, obwohl sich Green Bay im Gegensatz zu vielen anderen Teams beim Free-Agent-Wahnsinn extrem zurückgehalten hat. Warum gibt es dennoch erneut einen Titel-Run?
Jordy Nelson: Weil wir viele unserer wichitigsten Spieler halten konnten, ganz einfach. Natürlich haben wir einige verloren, aber für sie werden andere einspringen und groß rauskommen. Unser Team ist mindestens genauso stark wie im letzten Jahr.
SPOX: Der Lockout war das große Thema der Offseason - und angeblich auch ein Vorteil für ein derart eingespieltes Team wie die Packers. Wie haben Sie selbst die ganze Aufregung erlebt? Wie hat der Lockout Ihr Training beeinflusst?
Nelson: Ganz ehrlich: Ich mochte den Lockout. Ich habe es genossen, endlich mal eine längere Zeit zuhause bei meiner Familie zu sein. Das heißt aber nicht, dass ich nicht trainiert hätte. Ich glaube, dass das von vielen Fans extrem unterschätzt wurde. Wir haben alle trainiert, vielleicht sogar noch härter als sonst. Deshalb waren wir auch alle in Topform, als wir zurück zum Team kamen.
SPOX: Für die Rookies muss es dennoch ein großer Nachteil gewesen sein, eine verkürzte Preseason zu haben. Wie konnten Sie helfen?
Nelson: Das stimmt. Sie mussten das komplette Playbook quasi im Vorbeigehen lernen. Deshalb haben wir einfach versucht, ihnen so viele kleine Tipps wie möglich mit auf den Weg zu geben. Wie man sich sich betimmte Dinge am schnellsten aneignet, welche Spielzüge wichtig sind. Wir haben so viele Informationen wie möglich in ihre Köpfe gequetscht, damit sie für die Saison bereit sind.
SPOX: Die Packers haben eine ganz eigene und vor allem zeitaufwändige Art, ihre Rookies ins System zu integrieren. Sie wissen das aus eigener Erfahrung. Seit Ihrem Draft 2008 wurden Sie von den Packers langsam in die Lineup integriert, verbrachten viel Zeit mit erfahrenen Receivern wie Donald Driver oder Greg Jennings. Was halten Sie von dieser Packers-Politik? Aaron Rodgers erging es ja ähnlich...
Nelson: Das ist eine großartige Herangehensweise, langfristig betrachtet. Denn natürlich brennt man als junger Spieler darauf, sofort zu spielen. Aber es ist wichtig, zuerst die Grundlagen vermittelt zu bekommen. Viele Rookies quälen sich, wenn man sie ins kalte Wasser schmeißt, ohne dass sie zuvor die Füße auf den Boden bekommen hätten. Nicht so bei den Packers. Hier wird erst abgewogen: Ist ein Spieler wirklich bereit - oder nicht? Und wenn nicht, dann gibt es genug erfahrene Spieler, die einspringen und von denen man lernen kann. Hier wird niemand verheizt. Aber um das sicherzustellen, braucht man eine solide Franchise. So wie die Packers.
SPOX: Und man braucht Geduld. Und den Willen, sich durchzubeißen...
Nelson: Oh ja. Aber das ist gut so. Denn Geduld und Hartnäckigkeit sind zwei Charakterzüge, die auf dem Spielfeld vielleicht den Unterschied zwischen einem ewigen Talent und einem erfolgreichen Pro Bowler machen können.
SPOX: Für Sie dürfte das ja nichts Neues gewesen sein. Schließlich mussten Sie sich bereits während Ihrer Zeit am College mehrfach ins Team kämpfen. Erst vom unterschätzten Walk-On zum Stammspieler und dann nach einer Verletzung zurück zum Starter - hat Ihnen diese Erfahrung auf dem Weg in die NFL geholfen?
Nelson: Das hat sie. Ich wusste früh, dass es immer Höhen und Tiefen gibt - und dass Verletzungen zum Football gehören. Man muss lernen, damit umzugehen. Man muss lernen, wie hart es sein kann, plötzlich auf der Bank zu sitzen und wie hart es sein kann, sich wieder ins Team kämpfen zu müssen. Wie es ist, wenn plötzlich mal nicht alles klappt. Einige Spieler, für die in High School und College immer alles glatt lief, verzweifeln, sobald in der NFL das erste Karriere-Schlagloch kommt.
SPOX: Sie haben am College nicht nur Wide Receiver, sondern auch diverse andere Positionen gespielt und waren zudem ein guter Leichtathlet und Basketballspieler. Ist diese Vielseitigkeit noch immer einer Ihrer größten Vorteile?
Nelson: Ich denke schon. Denn wegen meiner unterschiedlichen Erfahrungen kann ich auf dem Feld viel flexibler eingesetzt werden. Nicht nur als Receiver, sondern auch bei den Special Teams. Und das ist extrem wichtig. Denn je mehr Spielzeit man bekommt, desto häufiger hat man die Chance, sich zu beweisen und zu glänzen.
SPOX: Sie haben sogar mal Quarterback gespielt und wurden auch bei den Packers bereits als Notfall-Ersatzmann bei möglichen Verletzungen gelistet. Können Sie sich tatsächlich vorstellen, in der NFL als Quarterback aufzulaufen?
Nelson: (lacht) Oh Gott, das müsste schon eine ganz, ganz unglückliche Situation für uns sein, in der sich unsere eigentlichen Quarterbacks alle in einem Spiel verletzen. Hoffen wir einfach mal, dass es nie soweit kommt. Denn mit mir als Quarterback in der NFL? Das würde bestimmt nicht gut enden.
SPOX: Trotzdem sind Verletzungen ein großes Thema bei den Packers. Im letzten Jahr hat es in der entscheidenden Phase gleich eine ganze Reihe Spieler erwischt, jetzt fällt Pro-Bowl-Safety Nick Collins für den Rest der Saison aus. Wie kann ein Team so etwas über einen längeren Zeitraum wegstecken?
Nelson: Dazu braucht es ein gutes Zusammenspiel zwischen den Trainern und den verbleibenden Spielern. Die Coaches müssen im Training genau analysieren, wer auf den vakanten Positionen am besten einspringen kann. Und die Spieler aus der zweiten Reihe müssen bereit sein, aus dem Schatten zu treten. Und das sind sie.
SPOX: Welche Rolle spielt es dabei, dass die Chemie im Team stimmt?
Nelson: Ein große Rolle. Wir sind mittlerweile eine eingeschworene Truppe und lassen uns nicht unterkriegen - selbst dann nicht, wenn wir mal früh zurückliegen. Wir geraten auch nicht gleich in Panik, wenn uns ein paar Fehler unterlaufen. Wir wissen, was wir können. Gleichzeitig darf man natürlich nicht abheben - aber dafür sorgen Aaron (Rodgers) und Donald (Driver) schon...
SPOX: Wie dürfen wir das verstehen?
Nelson: Sie sind einfach großartige Persönlichkeiten und finden sowohl im Lockerroom als auch auf dem Feld immer die richtigen Worte. Mal pushen sie uns, mal holen sie uns zurück auf den Boden der Tatsachen. Je nachdem, was die Situation erfordert. Aber sie sind nur zwei Beispiele. Wir haben viele solcher Leader.
SPOX: Dennoch haben viele Experten und Fans in der letzten Saison daran gezweifelt, dass die Packers den Super Bowl gewinnen können. War es nicht eine unglaubliche Genugtuung, es den ganzen Kritikern zeigen zu können?
Nelson: Das war gut. Richtig gut. Aber das hatte viel mehr mit dem Sieg an sich zu tun als damit, dass wir es irgendwem gezeigt haben. Denn wenn man sich nur darauf konzentriert, irgendwem irgendwas beweisen zu wollen, dann ist man bei den Packers falsch. So etwas können wir uns hier nicht leisten.
SPOX: Diplomatische Antwort. Aber für Sie persönlich war der Sieg über die Steelers doch sicher auch ein persönlicher Triumph. War der Abend als bester Wide Receiver im Super Bowl (9 REC, 140 YDS, TD) Ihr ganz großer Durchbruch?
Nelson: (lacht) Vielleicht. Und hoffentlich gibt es noch mehr solcher Abende. Aber mal im Ernst: Es war schon ein verdammt guter Zeitpunkt, um sein bestes Spiel zu machen. Das beste Spiel meiner bisherigen Karriere auf der größten Bühne unseres Sports - daran werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern.
SPOX: Sie sagen: Hoffentlich gibt es noch mehr solcher Spiele. Was können wir in dieser Saison von Ihnen persönlich erwarten?
Nelson: Mehr von dem, was ich seit Ende der letzten Saison gezeigt habe (37 Pässe fuer 650 Yards und fünf Touchdowns in den letzten acht Spielen). Das ist jedenfalls mein Ziel. Aber selbst wenn es nicht die ganz großen Highlight-Momente für mich gibt, dann hoffe ich doch wenigstens zum Erfolg des Teams beizutragen.
SPOX: Und das vielleicht in einer immer größeren Rolle. Immerhin sind Sie aktuell der am dritthäufigsten angespielte Receiver und der mit den drittmeisten Yards...
Nelson: Gerne! Wenn es unser Gameplan erlaubt, bin ich bereit.
SPOX: Sind Sie auch bereit für einen weiteren Trip ins Weiße Haus?
Nelson: (lacht) Oh ja! Der Trip gehört einfach zum Super-Bowl-Sieg dazu - und ich muss sagen: Das Weiße Haus ist cool. Und dass Präsident Obama Bears-Fan ist, und wir die Bears zuvor geschlagen haben, hat die Sache sogar noch besser gemacht. Obama treffen und die Bears geschlagen zu haben - das war das Sahnehäubchen.
Der Spielplan der NFL