Nach zwei Pleiten zum Auftakt sind die Detroit Lions unter Zugzwang, doch mit den Denver Broncos wartet auf die große Lions-Schwachstelle eine enorme Herausforderung. Umso mehr wird von Superstar-Receiver Calvin Johnson abhängen - Megatron muss gegen eine herausragende Secondary dominieren und den Rost der vergangenen Monate abschütteln. SPOX zeigt das Spiel in der Nacht auf Montag (2.30 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!
Detroit stand mit dem Rücken zur Wand. Noch 37 Sekunden waren im zweiten Viertel auf der Uhr, nach der Auftaktpleite in San Diego lagen die Lions auch beim Division-Rivalen Minnesota mit 3:17 zurück. Dann der Snap in der Red Zone: Quarterback Matthew Stafford entkam ausnahmsweise aus der Pocket, verzögerte noch kurz, und warf dann ein Geschoss in Richtung Endzone.
Mit den Zehenspitzen gerade so noch auf dem Boden stand dort Calvin Johnson, eigentlich gut gedeckt, und schnappte sich das Ei aus der Luft, beide Füße Millimeter vor der Seitenlinie. Touchdown Lions, und nicht irgendeiner: Für Johnson war es der 75. NFL-TD-Catch. Nur 29 Spieler haben das vor ihm geschafft.
Es war einer dieser Anblicke, an die man sich rund um Johnson über die Jahre hinweg eigentlich längst gewöhnt hatte. Megatron terrorisierte gegnerische Secondaries in der Vergangenheit Woche für Woche und war für mehrere Spielzeiten der unbestritten beste Receiver der Liga.
Doch gleichzeitig war es auch ein Anblick, der in der jüngeren Vergangenheit ungewöhnlich selten geworden war. Johnson hatte im Vorjahr mit 1.077 Receiving-Yards in der Hinsicht seine schwächste Saison seit fünf Jahren, mehrere Verletzungen plagten ihn und nicht selten wirkte es, als wäre der inzwischen 29-Jährige eher als Ablenkung auf dem Platz. Kurzum: Megatron schien zu rosten. Ein Zustand, den die Lions nicht länger hinnehmen können oder wollen.
"Jeder hat einen Calvin-Plan"
Stafford selbst brachte es unmissverständlich auf den Punkt: "Es stimmt schon. Wenn du einen derart großartigen Spieler hast, willst du ihm den Ball natürlich möglichst häufig geben, da gibt es ja gar keine Frage." Noch beim Auftakt in San Diego war davon allerdings wenig zu sehen, als ganze vier Pässe in Johnsons Richtung flogen und er das Spiel mit zwei Catches für 39 Yards beendete.
"Jeder hat einen Calvin-Plan", betonte Offensive Coordinator Joe Lombardi anschließend. "Es gibt einige Spielzüge, mit denen du diese Coverage attackieren kannst. Gegen San Diego habe ich ein, zwei Mal den falschen Spielzug im falschen Moment angesagt, wenn wir ein bestimmtes Defense-Konzept erwartet haben."
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Doch klar ist auch: In den vergangenen Jahren schien es häufig egal, wie der Gegner Detroits gefährlichste Waffe anging. Johnson, mit einem Gehaltsschnitt von 16,2 Millionen Dollar pro Jahr der bestbezahlte Receiver aller Zeiten, war schlicht nicht konstant zu decken und sowohl die Coaches, als auch Stafford wussten das. Die Pässe flogen also selbst dann in Megatrons Richtung, wenn der Gegner seine Coverage zwischenzeitlich voll auf ihn ausrichtete.
Megatron wichtiger denn je?
Johnson wirkt nach der vor allem physisch durchwachsenen Vorsaison auf dem Feld noch nicht so dominant, wie er einst war. Er schafft es noch nicht, Spiele wie früher an sich zu reißen und gegnerische Cornerbacks konstant zu schlagen. Das wurde gegen die Vikings einmal mehr deutlich, als Detroit seinen Superstar unbedingt brauchte: Im krassen Gegensatz zum Auftakt suchte Stafford Johnson 17 (!) Mal, zehn Pässe fing der Receiver letztlich - doch darunter war kein Spielzug mit über 18 Yards Raumgewinn.
Das wird aus Lions-Sicht im weiteren Verlauf der Saison, und ganz sicher gegen die Denver Broncos, allerdings nicht reichen. Denn auf Detroits mit Abstand größte Schwachstelle, die Offensive Line, kommt eine echte Herkulesaufgabe zu. Schon in den ersten beiden Spielen war die O-Line die Achillesverse der Lions: Stafford steckte viele harte Hits ein und wirkte nach dem Duell mit Minnesota als würde die Saison schon seit Monaten laufen.
Sorgenkind Offensive Line
Staffords blutende Wunde am Unterarm sowie Verletzungen an der Brust und den Rippen, die ihm das Atmen sichtlich erschwerten, sorgten kurz nach Spielende für einen sinnbildlichen Anblick in der Lions-Kabine, den Left Guard Manny Ramirez treffend zusammenfasste: "Wir haben versagt. Wir haben es nicht geschafft, unseren Quarterback zu beschützen. Das ist allein unsere Schuld und wir müssen das in den Griff bekommen. Andernfalls können wir nicht mithalten."
Die Rechnung ist schließlich vergleichsweise simpel: Wenn der Quarterback keine Zeit bekommt und das Running Game nicht funktioniert, Starting-Running-Back Joique Bell steht nach zwei Spielen bei desaströsen 1,6 Yards pro Carry, braucht es entweder drastische Verbesserungen in der O-Line - oder aber Receiver, die ihrem Quarterback trotz aggressiver Deckung schnelle Pässe ermöglichen.
"Er ist ein harter Kerl, er wird sich da durchbeißen", betonte Johnson mit Blick auf seinen sichtlich angeschlagenen QB, gab gleichzeitig aber zu: "Oft sehen wir die Hits ja gar nicht, weil wir unsere Route laufen. Aber dann kommen wir zurück in den Huddle und sehen es auf dem Bildschirm im Stadion. Oft fragt man sich da schon, wie er sich jetzt davon wieder erholt hat."
Gleichzeitig ist hier auch das Front Office der Lions nicht vor Kritik zu verschonen: Zu lange hat Detroit sein Geld in der Free Agency oder seine hohen Draft Picks in offensive Skill-Positionen, also Pass-Fänger oder Running Backs, investiert. Die O-Line wurde hierbei häufig ein wenig hinten angestellt und es scheint, als zahle vor allem Stafford dafür jetzt den Preis. Von den Receivern muss daher jetzt noch mehr kommen, um die Offense ins Rollen zu bringen.
Tate: "Müssen unseren Rhythmus finden"
"Wir alle müssen viele kleine Dinge ein bisschen besser machen", betonte auch Johnsons kongenialer WR-Partner Golden Tate: "Ich will da nicht einen bestimmten Bereich im Team in den Fokus stellen. Wir alle müssen etwas besser spielen, aber das Ding ist, dass wir davon gar nicht so weit entfernt sind. Wir müssen unseren Rhythmus finden, Stafford einige kurze Pässe werfen lassen und dann irgendwann die Bombe auf Calvin. Calvin muss stärker involviert werden, er ist zu gut, um nicht ein 100-Yard-Spiel nach dem anderen zu haben."
In dieser Saison aber wartet Megatron noch auf sein erstes 100-Yard-Spiel und mit den Broncos steht Detroits Offense die bislang klar härteste Prüfung bevor. Das Duell zwischen Johnson und Tate gegen Denvers Cornerbacks Aqib Talib und Chris Harris ist das vielleicht spannendste Positionsduell des gesamten Spieltages und wird mit spielentscheidend sein.
Denn mehr Zeit, davon kann man getrost ausgehen, wird Stafford gegen Denvers Pass-Rush nicht bekommen. Die Broncos um Von Miller und DeMarcus Ware haben bislang ihren eigenen Anspruch als stärkste Defense der Liga untermauert und Denver zu den beiden Siegen getragen. Nicht mehr die Offense um Peyton Manning, der sich im System des neuen Coaches Gary Kubiak offensichtlich noch nicht wohl fühlt, sondern die Defense ist inzwischen das Rückgrat des Teams.
Kubiak pocht aufs Running Game
Gleichzeitig plagen die Broncos offensiv ähnliche Sorgen wie Detroit: Die O-Line funktioniert noch überhaupt nicht. Die Frage hier ist allerdings, ob die Lions, die sich defensiv nach den Abgängen von Ndamukong Suh und Nick Fairley noch im Umbruch befinden und zudem erneut um Linebacker DeAndre Levy (Hüfte) bangen, daraus Kapital schlagen können.
Gelingt das nicht, läuft Detroit Gefahr, dass Denver sein Running Game im dritten Versuch endlich ins Rollen bringt. Bislang mussten C.J. Anderson (2,3 Yards pro Rush-Versuch) und Ronnie Hillman (3,6) um jedes Yard hart kämpfen. Kubiak betonte: "Entscheidend ist es für mich jetzt, dass wir unseren Quarterback beschützen und Wege finden, Big Plays hinzubekommen. Beides erreicht man, indem man ein gutes Running Game aufzieht."
Spannend wird es zudem sein zu beobachten, ob Manning, wie spät im Spiel gegen Kansas City, erneut verstärkt seine Up-Tempo-Offense einsetzen darf. Nur so konnte Denver gegen die Chiefs konstant das Feld runter marschieren. Nicht unerwähnt sollte dabei aber bleiben, dass sich Mannings Bilanz gegen die Lions zumindest bisher definitiv sehen lassen kann: Drei Siege, keine Niederlage, 74,4 Prozent angekommene Pässe und zehn Touchdowns bei zwei Interceptions.
Klar ist: Sollten die Lions auch gegen Denver verlieren, und es scheint, als könnte das nur die Offense um Megatron und Stafford wirklich verhindern, stünde Detroit nach nur drei Partien mehr als nur mit dem Rücken zur Wand. In einer harten Division wären die Playoffs dann womöglich sehr früh in der Saison schon zu weit weg.