Irre! Bell rettet die Steelers!

Stefan Petri
13. Oktober 201516:25
Le'Veon Bell streckt das Ei über die Linie und bringt den Steelers so den Sieggetty
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In einem unfassbaren Thriller haben die Pittsburgh Steelers (3-2) ihr Auswärtsspiel bei den San Diego Chargers (2-3) mit 24:20 gewonnen. Dabei gelang den zurückliegenden Steelers erst in der allerletzten Sekunde der erlösende Touchdown durch Running Back Le'Veon Bell. In der Partie hatten lange Zeit die Defenses dominiert, bevor er es sich im Schlussviertel zum packenden Shootout entwickelte.

Beim Stand von 17:20 und nur noch fünf verbleibenden Sekunden entschied sich Steelers-Coach Mike Tomlin gegen einen Field-Goal-Versuch zum Ausgleich und gab den Ball an Running Back Bell (21 CAR, 111 YDS, TD), der ihn erst im zweiten Linie und bei null verbleibenden Sekunden im zweiten Anlauf haarscharf über die Linie brachte. Hätten die Chargers ihn gestoppt, es wäre keine Zeit mehr für einen Field-Goal-Versuch geblieben. Es war der erste Rush "Walk-Off" Rushing-Touchdown seit zehn Jahren.

Zuvor hatten die Chargers das Spiel weitgehend dominiert - dank Quarterback Philip Rivers (365 YDS, 2 TDs, INT) und seinem Tight End Antonio Gates, der in seinem ersten Saisonspiel zwei Touchdowns erzielte, darunter den 100. seiner Karriere. Damit liegt er in der ewigen Bestenliste der NFL auf Rang neun. Die Offense der Steelers um Backup-Quarterback Michael Vick (13/26, 203 YDS, TD, INT) war weitgehend abgemeldet, wurde jedoch durch einen Pick-Six von Rivers und einen 72-Yard-Touchdown-Pass von Vick im Schlussviertel im Spiel gehalten.

Mit dem Sieg bleiben die Steelers in Abwesenheit von Quarterback Ben Roethlisberger auf Kurs, bevor es am nächsten Wochenende gegen die Arizona Cardinals (4-1) geht. San Diego muss die erste Heimniederlage der Saison verkraften und reist als nächstes zu den Green Bay Packers (5-0).

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Die Reaktionen:

Michael Vick (Quarterback Steelers)

... über seinen letzten Drive: "Wir wussten, dass es hart wird. Manchmal muss man einfach dranbleiben. Dieses Team schlägt man nicht so einfach. Wir wussten, dass es auf den letzten Drive ankommen wird. Ich hatte bis dahin nicht gut gespielt, aber es kommt nicht darauf an, wie man ein Spiel beginnt, sondern wie man es beendet."

... über sein Spiel: "Ich hatte Probleme, und daran war ich selbst schuld. Ich habe mich selbst in Frage gestellt, und irgendwann hatte ich darauf keine Lust mehr. Bei den zwei letzten Drives sagte ich mir: Ich muss mich einfach davon lösen."

... über Ben Roethlisberger: "Ohne Ben wäre dieser Sieg wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Er ist an der Seitenlinie wie ein Coach. Er hat den [72-Yard-Touchdown] an der Seitenlinie entworfen. Der Spielzug war seine Idee, ich habe ihn nur umgesetzt. Deshalb ist er so gut."

Le'Veon Bell (Running Back Steelers) über seinen Touchdown: "Ich musste den Ball einfach [in die Endzone] reinkriegen. Ich dachte mir: Auch wenn ich gestoppt werde, dann sind vielleicht vier Sekunden vorbei und im schlimmsten Fall nehmen wir die Auszeit und kicken das Field Goal. Aber ich wollte das Spiel in diesem Moment beenden - und das habe ich geschafft."

Mike Tomlin (Head Coach Steelers): "In dieser Situation müssen wir laufen, nicht passen. Wir haben Le'Veon Bell. Wir haben die Chance, das Spiel zu gewinnen. Wir spielen auswärts, da muss man auf Sieg spielen."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Kick-Off: Die Steelers müssen weiter auf ihren etatmäßigen Quarterback Ben Roethlisberger verzichten, der beim Aufwärmen aber immerhin schon ein paar Pässe werfen kann. Für ihn startet Michael Vick. Außerdem hat man nach der Blamage gegen die Ravens reagiert und mit Chris Boswell einen neuen Kicker an Bord. Receiver Martavis Bryant ist zum ersten Mal in dieser Saison spielberechtigt, fehlt jedoch verletzt.

Die Chargers warten mal wieder mit einer löchrigen Offensive Line auf - immerhin hat man mit Josh Lambo einen sicheren Kicker. Und: Mit Tight End Antonio Gates kehrt auch der beste Kumpel von Rivers zurück. 99 Touchdowns hat der 35-Jährige in seiner Karriere schon auf dem Konto - kommt es zum Jubiläum?

Außerdem ist Sarah Thomas der erste weibliche Referee der NFL-Geschichte als Line Judge im Einsatz.

6.: Da ist es auch schon! Nach einem Punt der Steelers legen die Bolts 84 Yards in gerade einmal 5 Plays zurück! Die ersten zwei Pässe gehen an Gates, dann reißt Danny Woodhead ab. Und weil ihm ein Gegner in die Gesichtsmaske greift, gibt es noch einmal 15 Yards obendrauf. Den Schlusspunkt setzt aber Gates, der ganz ungestört links in die Endzone laufen darf. 12-Yard-Catch, Touchdown Nummer Einhundert! 7:0 Chargers!

26.: Die Angriffsreihen beider Teams scheinen sich hier auf einen Waffenstillstand geeinigt zu haben - sechs Punts in Serie. Dann bricht Le'Veon Bell für die Steelers gleich mehrfach durch, einmal darf er sogar aus der Wildcat-Formation ran (der Ball geht direkt an ihn, nicht an den Quarterback). Das reicht immerhin für einen Field-Goal-Versuch: Neuzugang Chris Boswell läuft an... GOOD! Coach Mike Tomlin feiert an der Seitenlinie, Erleichterung macht sich breit. Nur noch 3:7.

38.: Steelers-Fans können sich über die Defense heute wahrlich nicht beschweren: Der erste Drive der Bolts nach der Pause endet mit einem Fumble im Mittelfeld, der zweite mit einem Punt tief aus der eigenen Hälfte. Aber trotz richtig guter Field Position kommt die Offense nicht einmal in Field-Goal-Nähe - Vick hat sogar Glück, dass er Wilson keine zweite Interception wirft. Es bleibt beim 7:3 Chargers.

42.: Es konnte ja nur so gehen! Gegen einen Blitz sucht Rivers Malcolm Floyd über die Mitte, doch der schaltet nicht schnell genug und kommt ihm nicht entgegen. Defensive Back Antwon Blake dagegen schon, er fängt den Ball ab, hat viel Platz und wuselt sich sogar in die Endzone. 70-Yard-Pick-Six! Rivers ist stinksauer, auf den Rängen jubeln dagegen die Steelers-Fans! 10:7 Pittsburgh!

53.: Es geht drunter und drüber! Rivers macht seinen Fehler wieder gut! Erst ein Field Goal zum Ausgleich, dann bringt er seine Offensive wieder in Stellung, denn Vick bringt nichts auf die Reihe und der Pass Rush der Steelers ist dementsprechend platt! Nächster TD-Pass auf Gates, der in der Endzone wieder alleingelassen wird, Spiel gedreht! Aber im direkten Gegenzug haut Vick einfach mal einen raus, bevor er vom Pass Rush pulverisiert wird: Receiver Marcus Wheaton hat seinen Verteidiger mit einem Double-Move übertölpelt und holt sich den Ball - das ist ein 72-Yard-Touchdown! Wow! 17:17!

60.: Es geht einfach nicht verrückter. Es geht einfach nicht. ES. GEHT. EINFACH. NICHT! Nach einem Field Goal der Chargers bringt Michael Vick die Steelers irgendwie ganz nah ran die San-Diego-Endzone. Fünf Sekunden noch, eine Auszeit bleibt Tomlin. Aber der nimmt nicht das Field Goal zum Ausgleich, sondern gibt den Ball an Le'Veon Bell in der Wildcat-Formation! Bell kämpft sich irgendwie im zweiten Versuch durch, streckt das Ei im Fallen über die Linie. Touchdown, null Sekunden auf der Uhr. STEELERS WIN!

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Der Star des Spiels: Le'Veon Bell. Der Running Back der Steelers war bereits vor dem Spiel als X-Faktor ausgemacht worden. An ihm lag es, die Offense auf Kurs zu halten. Das gelang ihm nur zeitweise, weil Michael Vick lange große Probleme hatte und sich die Defense so auf ihn einschießen konnte. Trotzdem rushte er für über 100 Yards bei starken 5,3 Yards pro Carry. Am Ende hatte er dann seinen großen Auftritt und brachte das Leder in die Endzone - dabei sah es zuerst so aus, als gäbe es kein Durchkommen für ihn. Aus diesem Stoff sind Legenden gemacht.

Der Flop des Spiels: Brandon Flowers. Der Chargers-Cornerback ist der Sündenbock einer Defensive, die in den entscheidenden Momenten einfach nicht auf dem Posten war. Er war es, der sich von Wheaton überlisten ließ - dabei hätte er beim relativ ungenauen Wurf von Vick einfach nur dranbleiben müssen. Auch einen langen Pass von Vick beim letzten Drive konnte er nicht verhindern. Seine Kollegen sind allerdings nicht schuldlos. Insgesamt hätte die Defense mindestens drei Pässe von Vick abfangen müssen.

Das fiel auf:

  • These 1: Michael Vick ist "done", wie man so schön sagt. Der Ersatzmann der Steelers hat seine beste Zeit bekanntlich lange hinter sich, aber nach dem Auftritt diesmal muss man sagen: Mit dem dritten Mann Landry Jones könnte es auch nicht schlimmer sein. Vick brachte teilweise einfachste Pässe nicht an den Mann und hatte Glück, dass sich die Chargers nicht gleich mehrere Interceptions gegen ihn schnappten. Bei vielen Short-Yardage-Situationen wurde klar: Die Coaches haben ihr Vertrauen in ihn verloren. Sollte Big Ben gegen die Cardinals in Week 6 noch nicht spielen können, dürfte es ein böses Erwachen geben.
  • These 2: Michael Vick hat es noch drauf. Lange gelang dem früheren Superstar nicht viel, aber wenn es darauf ankam, dann war er da, wie etwa bei seinem Pass auf Wheaton, den er an den Mann brachte, obwohl in der Pass Rush einen Sekundenbruchteil später plättete. Beim letzten Drive durfte er dann erneut den Helden geben, mit einem starken Pass auf Heyward-Bey und dann sogar seinem ersten Lauf der Partie über gleich 24 Yards. Er sollte die Steelers in Abwesenheit von Big Ben auf Kurs halten - Mission erfüllt! Nicht schön, aber erfolgreich.
  • Die Entscheidung von Tomlin, es kurz vor Schluss mit einem Laufspiel zu versuchen, war unheimlich mutig: Es kann zwar klappen, innerhalb von fünf Sekunden einen Run zu beenden und die Auszeit zu nehmen - aber es muss nicht. Und es hätte nicht geklappt. Zehn Zentimeter weniger von Bell und das Spiel wäre verloren gewesen. Die meisten Coaches hätten sich wohl für die sichere Variante entschieden. Er tat es nicht und wurde belohnt.
  • San Diego hatte die Steelers eigentlich in den Seilen, dank eines richtig starken Spiels von Philip Rivers. Der wurde in seiner Pocket von einem Blitz nach dem anderen bestürmt und hatte so fast nie wirklich Zeit. Mit seinem Arsenal an schnellen, wendigen Receivern wie Danny Woodhead (5 REC, 66 YDS) oder Keenan Allen (6 REC, 57 YDS) konnte er die Blitzes aber oft für große Raumgewinne ausnutzen. Und mit Gates (9 REC, 92 YDS) versteht er sich seit Jahren blind. Die Interception hätte er wohl gerne zurück, abgesehen davon blieb er eigentlich fehlerlos.
  • Es war das nächste Spiel, das nicht ohne Debatte über die Unparteiischen auskommt: Als San Diego kurz vor Schluss per Field Goal in Führung ging, liefen beim folgenden Kickoff 18 (!) Sekunden von der Uhr - obwohl der Ball aus der Steelers-Endzone gesegelt war. Die Liga wollte sich zunächst nicht zu dem Vorfall, der durch Bells Touchdown zumindest ohne weitreichende Auswirkungen blieb, äußern. Doch am Dienstag erklärte NFL-Sprecher Brian McCarthy, dass die Situation derzeit analysiert wird und ein Statement folgen soll.

Week 5 im Überblick