Zumindest Ryan selbst gab sich in der Öffentlichkeit alle Mühe, den Fokus auf die sportlichen Aspekte zu richten. "Ein Sieg am Donnerstag wäre enorm für das Team, denn das ist ein wahnsinnig wichtiges Spiel. Wir wollen im Playoff-Rennen bleiben und deshalb ist es eine wichtige Partie. Beide Teams verfolgen das gleiche Ziel, beide warten seit längerem auf die Playoffs und wir liegen ein Spiel hinter den Jets zurück. Deshalb ist das zweifellos ein großes Spiel. Es wäre ein gigantischer Sieg", erklärte Ryan unter der Woche.
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Auch wenn seine Augen funkelten: Dem 52-Jährigen, ansonsten bekannt für großspurige Ankündigungen und Provokationen jedweder Art, war es offenbar tatsächlich wichtig, dass dieses Mal nicht ausschließlich er selbst im Fokus steht. Es ging ihm, dieser Grundton war seiner Pressekonferenz zu entnehmen, um ein anderes, ein größeres Ziel - und damit auch um die Erfüllung einer jener Ankündigungen, die man von Ryan nur zu gut kennt. Die Bills sollen zurück in die Playoffs.
Dafür müssen sie zuerst Ryans Ex-Team schlagen und er fügte hinzu: "Es wird ein leidenschaftliches Spiel. Ein packendes Spiel. Ein was-auch-immer-für-ein Spiel. Aber nicht aus den Gründen, die ihr vielleicht denkt. Das hat nichts mit mir selbst zu tun. So sind nun mal die Fakten."
"Tyrod hat etwas Besonderes"
Es sind angenehme, ruhige Töne von Ryan, die einem hochinteressanten Spiel, ein Must-Win-Game für beide Teams, etwas an Feuer nehmen. Und auch wenn der Ex-Jets-Coach das dabei vielleicht gar nicht im Hinterkopf hatte - es sollte tatsächlich nicht (nur) um ihn gehen. Denn die Tatsache, dass Buffalo noch im Playoff-Rennen ist, haben Bills-Fans nicht etwa der Defense, dem eigentlichen Prunkstück des Teams, zu verdanken.
Stattdessen steht über die erste Saisonhälfte die Offense im Fokus, das gilt sowohl für das Running Game, als auch (und vor allem) für Quarterback Tyrod Taylor. Nach vier Jahren als Joe Flaccos Backup in Baltimore darf sich der 26-Jährige seit der vergangenen Offseason in Buffalo beweisen. Doch ihm sollte innerhalb weniger Monate viel mehr als das gelingen.
Taylor etablierte sich als klarer Nummer-1-Quarterback, so dass die Bills gar den gerade erst vor einigen Monaten als vermeintlichen Starter verpflichteten Matt Cassel Anfang September entließen. Nur zwei Wochen später verkündete Ryan bereits: "Tyrod hat etwas Besonderes. Er kann dich durch die Luft schlagen, er ist schlau und es ist schwer, ihn reinzulegen. Darüber hinaus hat er diese zusätzliche Dimension, weil er mit dem Ball laufen kann. Er ist großartig."
Darüber hinaus hat sich Taylor intern als Leader etabliert, vor dem Spiel gegen Miami am vergangenen Wochenende etwa wandte er sich an seine Mitspieler und berichtete: "Ich habe einfach ein paar der Dinge weitergegeben, über die wir gesprochen haben, als ich noch in Baltimore war. Ich versuche, diese Siegermentalität auf uns zu übertragen. Das sind zwei komplett verschiedene Teams und Organisationen. Aber ich habe den Jungs gesagt, dass auch bei unserem Super-Bowl-Sieg nicht immer alles einfach und schön war. Wir müssen von Woche zu Woche schauen und hart arbeiten."
Franchise-Quarterback in the making?
Ryans Schwäche für sogenannte Running Quarterbacks, also QBs, die Gegnern auch zu Fuß wehtun können, ist kein Geheimnis, geschweige denn eine Neuigkeit. Doch dass er in seinem ersten Jahr in Buffalo einen womöglich legitimen Franchise-Quarterback für die Zukunft finden würde - das hatte wohl auch Ryan selbst kaum zu hoffen gewagt, als er den Bills-Job im Januar annahm.
Dabei ist Taylor, auch wenn er in sechs Spielen bereits 231 Rushing-Yards verzeichnete, alles andere als ein reiner Läufer: Der Mann, der bei Virginia Tech einst indirekt auf den großen Michael Vick nachfolgte, ist viel mehr als das. Er kann aus der Pocket heraus spielen, bringt über 71 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler und blieb in vier seiner sechs Saisonspiele ohne Interception. Zudem wirft er einen unfassbar guten weiten Pass, jüngst zu sehen am Sonntag bei der 44-Yard-TD-Bombe auf Sammy Watkins. Alles Dinge, die man von einem Quarterback, der über seine ersten vier NFL-Spielzeiten nur 35 Pässe geworfen hat, schlicht nicht erwartet.
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Zwar fehlt ihm noch etwas die Konstanz, was gegen die Patriots und gegen die Giants besonders deutlich wurde, aber Taylors Auftritte sind so ungemein vielversprechender als alles, was Buffalo (und auch Rex selbst) in den vergangenen Jahren seinen Quarterback nannte. Dass er dabei, im Stile eines Russel Wilson, aus einem vermeintlich verlorenen Spielzug mit seinen Beinen noch etwas machen kann, hilft der durchschnittlichen Offensive Line.
Hier liegt ein Schlüssel: Wie auch Wilson will Taylor nicht sofort wegrennen. Er geht durch seine Reads, aber wenn es nötig ist, läuft er los. Dieses Rezept ist, weil es unkalkulierbar und dadurch extrem schwer zu verteidigen ist, Gift für fast jede Defense. Taylors Stil erweist sich, ebenfalls ähnlich wie in Seattle, als gutes Komplementärstück zum Running Game, dem Fokus einer jeden Rex-Ryan-Offense.
Die Ryan-Identität
Neben Taylors Präsenz ist das der zweite wichtige Aspekt, der vor dem Division-Kracher gegen die Jets im Fokus stehen sollte - es ist möglicherweise immerhin das Schlüsselduell. Die Bills haben es unter Ryan und Offensive Coordinator Greg Roman schnell geschafft, eines der dominantesten Running Games aufs Feld zu bringen. Nur Carolina verzeichnet mehr Rushing-Yards pro Spiel als Buffalo (141,6), nur St. Louis, Miami und Pittsburgh mehr Rushing-Yards pro Laufversuch als die Bills (4,8).
Roman setzt dabei, wie schon in San Francisco, auf ein Power Running Game, in dem alles darauf ausgerichtet ist, die Running Backs schnell hinter die gegnerische Defensive Line und in das sogenannte "Second Level" zu bekommen. Dafür "pullen" die Offensive Linemen oftmals, das heißt sie blocken, verglichen mit ihrer Position beim Snap, auf der anderen Seite des Centers (ein Right Guard also etwa links vom Center).
Während sich defensiv gerade in der Front Seven unerwartete Lücken auftun und der Pass-Rush noch nicht so funktioniert, wie man es von der hochkarätigen Defensive Line unter Ryan erwartet hätte, funktioniert also die Offense - auch weil Guard Richie Incognito zu alter Stärke zurückgefunden hat. Fullback Jerome Felton warnte aber bereits: "Gegen die Jets musst du voll auf der Höhe sein. Ich habe gegen Coach Todd Bowles gespielt, als er in Arizona war und er hat einige großartige Schemes. Mentale Fehler sind da verboten."
Schlüsselduell gegen Ryans Baby
Somit liegt hier ein womöglich entscheidendes Duell, denn die Run-Defense der Jets gehört zu den besten der Liga. Wer auch immer also an der Line of Scrimmage gewinnt, hat gute Aussichten auf den wichtigen Sieg innerhalb der Division. Für Ryan geht es dabei gegen die Front, die er selbst zu großen Teilen aufgebaut hat, während New York in der Secondary allerdings auf die Safeties Calvin Pryor und Dion Bailey verzichten muss.
Offensiv dagegen sieht es hier für die Jets seit einigen Wochen nicht mehr so rosig aus: Center Nick Mangold plagen anhaltende Nackenprobleme und damit wackelt das ganze Running Game. Darüber hinaus ist die Saison von Right Guard Willie Colon vorzeitig beendet.
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Running Back Chris Ivory verzeichnete über die ersten vier Saisonspiele noch 5,4 Yards pro Run-Versuch, dieser Schnitt ist so über die letzten drei Partien auf 1,5 (!) Yards gefallen. Seine 1,1 Yards pro Laufversuch gegen Jacksonville sind der schlechteste Wert für einen Spieler mit mindestens 20 Carries seit 1960. "Natürlich treffen wir auf einen harten Gegner", weiß auch Bowles, "die Bills sind talentiert und haben offensiv wie defensiv gute Lines. Das wird ein knallhartes Spiel."
"Einfach Football, keine Seifenoper"
Dementsprechend waren dann auch die Jets bemüht darum, das Spiel nicht künstlich aufzublasen. "Es ist einfach Football und keine Seifenoper. Wir sind hier ja nicht bei TMZ. Einfach Football", stellte Receiver Brandon Marshall klar.
Aber zumindest einen kleinen Seitenhieb ließ sich Ryan dann doch nicht nehmen: Er ernannte IK Enemkpali für das Spiel am Donnerstagabend als Kapitän und wird ihn somit beim Münzwurf vorschicken - jener IK Enemkpali, der, damals noch im Trikot der Jets, Geno Smith vor einigen Wochen bei einer Kabinenauseinandersetzung den Kiefer brach und womöglich Smiths Jets-Karriere beendete. Zu gut spielte dessen Vertreter Ryan Fitzpatrick bislang.
"Ich bin ein wenig geschockt von den negativen Reaktionen darauf", betonte Ryan mit Blick auf seine Kapitänswahl und verwies darauf, dass er seine Kapitäne gerne mit Bezug auf mögliche Verbindungen zum Gegner auswählt: "Das war für mich nie ein Zeichen von mangelndem Respekt." Zumindest ein wenig, und auch das wird Ryan nur zu gut gewusst haben, rückt ihn diese Entscheidung dann aber doch in den Mittelpunkt.
Das SPOX-NFL-Tippspiel, Week 10:
Florian Regelmann | Stefan Petri | Adrian Franke | Marcus Blumberg | Bastian Strobl | |
Bills @Jets | Bills | Jets | Bills | Jets | Jets |
Lions @Packers | Packers | Packers | Packers | Packers | Packers |
Cowboys @Buccaneers | Cowboys | Cowboys | Cowboys | Buccaneers | Cowboys |
Panthers @Titans | Panthers | Panthers | Panthers | Panthers | Panthers |
Bears @Rams | Rams | Rams | Rams | Rams | Rams |
Saints @Redskins | Saints | Saints | Saints | Saints | Saints |
Dolphins @Eagles | Eagles | Eagles | Eagles | Eagles | Eagles |
Browns @Steelers | Steelers | Steelers | Steelers | Steelers | Steelers |
Jaguars @Ravens | Ravens | Jaguars | Ravens | Ravens | Ravens |
Vikings @Raiders | Raiders | Vikings | Raiders | Vikings | Raiders |
Patriots @Giants | Patriots | Patriots | Patriots | Patriots | Patriots |
Chiefs @Broncos | Broncos | Broncos | Broncos | Broncos | Broncos |
Cardinals @Seahawks | Seahawks | Cardinals | Cardinals | Seahawks | Cardinals |
Texans @Bengals | Bengals | Bengals | Bengals | Bengals | Bengals |
Bye: Colts, Chargers, 49ers, Falcons | |||||
Letzte Woche: | 6-7 | 7-6 | 7-6 | 6-7 | 8-5 |
Insgesamt | 89-43 | 79-53 | 86-46 | 73-59 | 76-56 |