Super-Bowl-Champions werden über den Draft aufgebaut, mehrere gute Drafts sind heutzutage das Rückgrat eines jeden Contenders. Doch was passiert, wenn man diesen einen Baustein spät findet - und es selbst nicht einmal weiß? Einige der besten Draft-Picks aller Zeiten waren Late-Round-Diamanten und veränderten das Bild der NFL sowie das Schicksal des eigenen Teams auf Jahre und Jahrzehnte.
(Disclaimer zu Beginn: Angesichts ihrer dominanten Rolle auf dem Gridiron könnte man diese Liste auch nur mit Quarterbacks füllen - niemand beeinflusst das Spiel bekanntermaßen so sehr wie ein guter QB. Entschuldigung an dieser Stelle an Roger Staubach, Dan Marino, Peyton Manning, etc.: Im Sinne der Abwechslung haben wir uns auf vier Signal Caller begrenzt. Zudem wurde die erste Draft-Runde an dieser Stelle ausgeklammert: Einen (potenziellen) Hall of Famer in den späteren Draft-Runden zu finden, ist schließlich ungleich schwieriger.)
Bart Starr (Quarterback, 200. Pick 1956)
Aus dem heimischen Garten zum ersten Super-Bowl-Champion der Geschichte - und dabei war Bart Starr nicht einmal auf die Quarterback-Position festgelegt. Als ihn sein Vater auf der High School vor die Wahl stellte, entweder zum Football zu gehen, oder im Familiengarten zu schuften, gab der zurückhaltende Teenager nach. Auf der University of Alabama markierte er in den 50er Jahren sowohl QB, als auch Safety und Punter. Verheiratet war er dann auch - allerdings nur heimlich. Schließlich war das auf dem College verpönt, wusste man doch, dass sich derlei Techtelmechtel nachteilig auf die Leistung auswirken. Eine schwere Rückenverletzung später saß er in den letzten beiden Jahren bei der Crimson Tide fast nur noch draußen. Dementsprechend weit fiel er im Draft.
Die Green Bay Packers schnappten sich das Prospect in der 17. Runde dann aber doch. Kostenpunkt: 6500 Dollar. Starr hatte sich vor dem Draft fit gemacht, indem er den Pigskin im Garten seiner Schwiegereltern durch einen Reifen pfefferte. Bis 1959 musste er in Green Bay ausharren, dann übernahm Legende Vince Lombardi das Ruder der Cheeseheads. Das Duo dominierte anschließend die Liga und feierte insgesamt fünf Meistertitel, darunter Triumphe im Super Bowl I und II. MVP jeweils: Bart Starr.
Tom Brady (Quarterback, 199. Pick 2000)
Wer diesen Artikel anklickt, der wird vermutlich schon von Thomas Edward Patrick Brady gehört haben. Vier Titel? Dynasty mit den Patriots? Der vielleicht beste und definitiv erfolgreichste Quarterback aller Zeiten? Genau. Zu schmächtig, zu langsam, eine gute aber nicht großartige College-Karriere. Aber Bill Belichick griff dann doch noch zu - obwohl die Pats mit dem 28 Jahre alten Drew Bledsoe eigentlich schon perfekt aufgestellt waren. Und hielt ihn als vierten Quarterback im Team. Ganze drei Pässe warf Brady in seiner Rookie-Saison.
Das sollte sich ändern, als Brady im Jahr darauf für den verletzten Bledsoe übernahm, sich Stück für Stück steigerte und die letzten sechs Partien der Regular Season gewann. Super Bowl XXXVI gegen die "Greatest Show on Turf" mit Kurt Warner und Co. ist längst legendär. Der größte "Steal" in der Draft-Geschichte.
Joe Montana (Quarterback, 82. Pick 1979)
Vier Super-Bowl-Triumphe, vielleicht der "Clutch Quarterback" überhaupt, in der NFL-Historie verehrt wie kaum ein Zweiter - aber vom College kommend war Joe Montana noch keine große Nummer. Und das, obwohl er bei den Fighting Irish von Notre Dame bereits seine Stärken als "Comeback Kid" unter Beweis gestellt hatte. Doch den NFL-Scouts war er zu durchschnittlich in Statur, Athletik, Armstärke. "Viele typische Scouts damals waren Ex-Linemen, die keine Ahnung hatten, was einen guten Quarterback ausmacht. Sie schauten nur auf die Stärke des Wurfarms", so sein Coach Bill Walsh.
The Catch, The Drive - The Best: Joe Montana
So zogen zwei Draft-Runden und insgesamt drei andere Quarterbacks vorbei, bevor die Niners in der dritten Runde zugriffen. Und - anders als heutzutage - ihren zukünftigen Star langsam aufbauten. Erst eineinhalb Jahre später wurde Montana zum Starter und stellte die Liga auf den Kopf. Elf Touchdowns bei keiner einzigen Interception in vier Super Bowls sagen alles. Dann klappt's auch mit guten Werbespots!
Marques Colston (Wide Receiver, 252. Pick 2006)
Huch? Ein guter, sehr guter, aber vielleicht doch nicht legendärer Wide Receiver in dieser illustren Runde? Ob wir vergessen haben, dass Colston in seinen zehn Jahren bei den Saints - der 32-Jährige muss sich für den Herbst ein neues Team suchen - nicht ein einziges Mal den Pro Bowl erreicht hat? Nein, haben wir nicht. Auch wenn Colston vielleicht kein Hall of Famer ist: Franchise-Bestmarken für Receiving Yards, Yards from Scrimmage, Touchdowns und Receptions klingt nicht übel.
Vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass Colston anno 2006 nur vier Plätze vom Draft-Ende entfernt war. Nicht schnell genug sei der Mann von der Hofstra University, und überhaupt vielleicht doch eher ein Tight End. Die Saints griffen dann zu - und Colston formte mit Drew Brees eines der besten Offensiv-Tandems des letzten Jahrzehnts. Super-Bowl-Ring inklusive.
Joe Schmidt (Linebacker, 85. Pick 1953)
Man könnte ihn vielleicht als Vater der modernen Position des Middle Linebackers ansehen: Joe Schmidt war über ein Jahrzehnt das defensive Hirn der Lions, gab die Calls vor und war gegen den Run genauso stark wie in Coverage. Tackles, Fumbles, Interceptions - der "Defensive Quarterback" der Motor City wurde viermal Defensivspieler des Jahres, zehnmal in den Pro Bowl und achtmal ins All-Pro Team berufen. Oh, und gewann natürlich zwei Championships (1953, 1957).
Warum er im Draft bis in die siebte Runde fiel? Obwohl er an der University of Pittsburgh bereits als Leader auffiel - seine Mitspieler hatten teilweise mehr Angst vor ihm als vor dem Gegner - war er mit rund 1,80 Meter Körpergröße und weniger als 90 Kilogramm nicht gerade mit Gardemaß ausgestattet. Das sollten die Teams, die ihn nicht auf ihr Board nahmen, über Jahre bereuen...
Shannon Sharpe (Tight End, 192. Pick 1990)
Ein Division-II-Tight-End?! Naja, wenn ein Siebtrunden-Draft-Pick ein paar Catches beisteuern kann, ist das ja schon ein kleiner Gewinn - so in etwa dürften die Broncos-Verantwortlichen ihren Pick 1990 bewertet haben. Doch Sharpes Einfluss für Denver ging so viel weiter: Acht Pro Bowls, vier All-Pro-Nominierungen, drei Super-Bowl-Ringe und als er seine Karriere beendete, war Sharpe der All-Time-TE-Leader in Catches (815), Yards (10.060) und Touchdowns (62).
Bo Jackson (Running Back, 183. Pick 1987)
Zugegeben: Diese Geschichte ist etwas anders. Bo Jackson war ursprünglich keineswegs ein Siebtrunden-Draft-Pick, vielmehr wurde er 1986 von den Tampa Bay Buccaneers an Nummer 1 Overall gedraftet. Schon im College war er ein absoluter Superstar, Heisman-Trophy-Gewinner und Multi-Sport-Talent. Letzteres verhinderte am Ende seine Karriere in Tampa: Die Bucs wollten ihn dazu zwingen, mit dem Baseball aufzuhören und versuchten ihn dabei gar reinzulegen.
Jackson war - folgerichtig - stocksauer und kündigte an, dass er niemals für Tampa Bay spielen würde. Trotzdem wählten ihn die Bucs mit dem ersten Pick, Jackson machte seine Drohung wahr und unterschrieb nie einen Vertrag. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf seine Baseball-Karriere, bis er im Frühjahr 1987 während der Saisonvorbereitung auf die kommende MLB-Saison darüber informiert wurde, dass ihn die Los Angeles Raiders in der siebten Runde gedraftet hatten. Al Davis überzeugte ihn vom Football und erlaubte es ihm zusätzlich, Baseball zu spielen. Jackson wurde zum Superstar und zu einem unglaublich elektrisierenden Runner. Eine Verletzung beendete seine NFL-Karriere allerdings bereits nach vier Jahren.
Terrell Davis (Running Back, 196. Pick 1995)
Nein, viel hatten Broncos-Fans 1995 von Terrell Davis nicht erwartet - so sie ihn denn überhaupt kannten. Ein Sechstrunden-Running-Back, der in keiner seiner vier College-Spielzeiten mehr als 830 Rushing-Yards erlaufen hatte und mit ernsthaften Sorgen um das Knie kam? Davis ging als sechster (!) Running Back in der Broncos-RB-Hackordnung in die Saison. Doch die Fortschritte im Training Camp und der Preseason waren beeindruckend, über das Special Team gewann Davis die Coaches endgültig für sich. Im ersten Regular-Season-Spiel war er der Starting-Back.
Ultimativ sollten ihn die medizinischen Fragezeichen einholen, Davis' Körper hielt nur vier Jahre stand, zwischen 1999 und 2002 absolvierte er lediglich noch 17 Spiele. Doch in seinen ersten vier Jahren eroberte er die NFL im Running-Scheme der Broncos im Sturm: Davis erlief von 1995 bis 1998 im Schnitt pro Saison 1603 Yards und verzeichnete durchschnittlich 15 Touchdowns. In der Postseason explodierte er regelmäßig komplett, 142,5 Rushing-Yards und 1,5 Touchdowns pro Spiel verzeichnete Davis in den Playoffs und gewann mit Denver zwei Super Bowls.
Johnny Unitas (Quarterback, 102. Pick 1955)
Zu klein, nicht clever genug, zu wenig Spielverständnis: Experten räumten Johnny Unitas wenige Chancen in der NFL ein. Folgerichtig dauerte es bis in die 9. Runde (der Draft hatte 1955 noch 30 Runden), ehe die Steelers dem Leichtgewicht aus Pittsburgh eine Chance gaben. Diese Chance allerdings war nicht von Dauer: Unitas wurde schon vor dem Saisonstart aus dem Kader gestrichen, im Viererkampf um drei QB-Plätze hatte er den Kürzeren gezogen.
Johnny Unitas: Aus dem Sandkasten nach Canton
Anfang 1956 unterschrieb er schließlich für 7000 Dollar bei den Baltimore Colts - der Rest ist Geschichte. Unitas wurde zum Inbegriff für Toughness, war einer der ersten landesweit bekannten Quarterback-Superstars außerhalb vom College und führte die Colts bei zehn Pro-Bowl-Teilnahmen, vier MVP-Titeln und mit 40.239 Passing-Yards zu vier Titeln (darunter Super Bowl V 1971, ein 16:13 gegen die Dallas Cowboys). Unitas, ein herausragender Leader, wurde 1979 in die Hall of Fame gewählt.
Richard Sherman (Cornerback, 154. Pick 2011)
"Backup-Corner", "keine natürlichen Coverage-Fähigkeiten", "hüftsteif" und "Probleme mit Open-Field-Tackles" - all das stand 2011 im Draft-Profil von Richard Sherman. Seitdem hat der inzwischen 28-Jährige, der im College auch als Receiver eingesetzt wurde, seine Kritiker fast pausenlos Lügen gestraft: 26 Interceptions, 79 Pässe verteidigt und fünf Forced Fumbles: Sherman ist ohne Zweifel einer der besten Cornerbacks der Liga und hatte mit der sensationellen Legion of Boom entscheidenden Anteil am Super-Bowl-Triumph der Seahawks vor zwei Jahren.
Deacon Jones (Defensive End, 186. Pick 1961)
Er wurde ein Hall of Famer, er kam acht Mal in den Pro Bowl, wurde zwei Mal der Defensive Player des Jahres und gehört ins All-Decade-Team der 1960er - zunächst aber fiel er bis in die 14. Runde des Drafts. Jones belohnte die Los Angeles Rams mit jahrelanger Dominanz, war Teil der "Fearsome Foursome"-D-Line und wurde eine Sack-Maschine. Das ging so weit, dass Jones gemeinhin als Schöpfer des Ausdrucks "Sacking the Quarterback" gilt, als er einer Zeitung sagte: "You take all the offensive linemen and put them in a bag, and then you take a baseball bat and beat on the bag. You're sacking them, you're bagging them."
Antonio Brown (Wide Receiver, 195. Pick 2010)
Klar: Genau wie bei Sherman hat Brown noch einen ordentlichen Teil seiner Karriere vor sich und niemand kann sagen, wie wir Browns Karriere in fünf oder zehn Jahren bewerten. Doch eines lässt sich schon jetzt festhalten: Der Receiver der Steelers hat Pittsburghs Offense bereits maßgeblich geprägt und dafür gesorgt, dass Wide Receiver insgesamt anders bewertet werden.
Dank Brown haben die zwar kleineren, dafür aber wendigen, explosiven Receiver inzwischen ein ganz anderes Standing und werden längst nicht mehr primär auf Slot-Receiver-Rollen beschränkt: John Brown, Odell Beckham, Golden Tate, Brandin Cooks wären nur einige, die hierbei einfallen. Zuvor aber wurde Brown etwas belächelt, trotz aller Produktivität im College wurde seine Größe und seine Physis stark gegen ihn gehalten, auch sein Route Running wurde kritisiert. Inzwischen ist er ein Route-Meister geworden. Die Steelers bekamen den inzwischen besten Receiver der NFL in der sechsten Runde.
Honorable Mention: Jared Allen (Defensive End, 126. Pick 2004), Jason Kelce (Center, 191. Pick 2011), Wilbert Montgomery (Running Back, 154. Pick 1977), Robert Mathis (Defensive End, 138. Pick 2003), Rodney Harrison (Defensive Back, 145. Pick 1994)
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