"Es ist an der Zeit für mich, ein neues Kapitel zu beginnen. Ich kann es physisch einfach nicht mehr - und das zu sagen, ist nicht leicht."
Tränen waren in Elways Augen, als er - nach zunächst ausgiebigem Scherzen - vor Denvers versammelter Medienlandschaft sein Karriereende verkündete. Die Stimme brach ihm mehrfach weg, er schien fast selbst überrascht von den eigenen Emotionen.
Trotzdem brauchte er nur einen kurzen Moment, ehe er, die Stimme noch immer einige Oktaven zu hoch, scherzend ins Mirko schluchzte: "Gibt es sonst irgendwelche Fragen?"
Dann brachen alle Dämme. Elway musste sich wiederholt sammeln, ehe er seine Danksagungen raus brachte. Er wusste, und wiederholte es mehrfach, dass er nicht mehr in der Lage war, das Spiel so zu spielen, wie er es sein ganzes Leben lang getan hatte. Es war eine schmerzhafte Erkenntnis. Eine Tatsache, der sich gerade Elway noch nie hatte stellen müssen.
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Kreuzbandriss? Kein Problem!
Für den gemeinen Profi bedeutete ein Kreuzbandriss Ende der 70er-Jahre meist das Karriereende. So war die Sorge groß, als Elways mit Spannung erwartete letzte High-School-Saison nach vier Spielen aufgrund der schweren Knieverletzung vorzeitig beendet war. Eine Kreuzband-OP war längst kein Routine-Eingriff, doch für Elway galten andere Gesetze.
Zwar war die Football-Saison für den Teenager gelaufen, erstaunlicherweise gab ihm sein Arzt allerdings nur einen Monat nach der Verletzung grünes Licht für Baseball-Training. Complex berichtete später gar, dass Elways Knie seine komplette Profi-Karriere über niemals chirurgisch repariert wurde. Dieser Ruf als Iron Man sollte ein Mosaikstein im beeindruckenden Gesamtbild eines der größten Quarterbacks aller Zeiten werden.
Das Trauma beginnt im College
Football wurde John Elway in die Wiege gelegt. Sein Vater Jack war ein Football-Coach, was unweigerlich zahlreiche Umzüge zur Folge hatte - bis sich die Elways schließlich bei Los Angeles niederließen. Nach furioser High-School-Karriere blieb die Westküste auch im College seine Heimat, Elway wählte Stanford - und brach fast alle relevanten Conference-Passing-Rekorde.
Gleichzeitig aber bildete sich über dem besten College-Quarterback des Landes ein Schatten, der ihn noch lange begleiten sollte: Trotz herausragender Leistungen wollte es Elway einfach nicht gelingen, sein Team in ein Bowl-Game zu führen.
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Symptomatisch war sein letztes College-Jahr 1982. Ein Sieg gegen California musste für die Bowl-Teilnahme her. Stanford lag mit 17:19 zurück, 4. Down und 17 an der eigenen 13-Yard-Line. Zwei Minuten vor dem Ende. Elway hielt sein Team mit einem tollen 29-Yard-Pass im Spiel und vier Sekunden vor dem Ende verwandelte Mark Harmon das entscheidende Field Goal - so dachten jedenfalls alle.
Denn was dann passierte war an Kuriosität kaum zu überbieten: California trug den folgenden Kick-Off mit mehreren Querpässen - darunter zwei als mögliche Vorwärtspässe kontrovers diskutierte Zuspiele - zum Touchdown zurück. Die bereits aufs Feld gestürmte Band wurde über den Haufen gerannt und Elway tobte: "Das war eine Beleidigung für College Football. Ich wollte nicht, das es so endet. Jetzt muss ich für immer damit leben."
Großes Drama am Draft Day
Zumindest seinen Draft-Status beeinflusste das nicht. Elway ging als Top-Prospect in den 1983er Draft, in dem unter anderem Eric Dickerson, Jim Kelly und Dan Marino zu haben waren. Allein: Die als erstes wählenden Baltimore Colts waren so gar nicht der Traum des jungen Quarterbacks.
Elway teilte den Colts mit, dass er nicht für sie spielen und im Zweifelsfall eher in den Baseball zurückkehren würde, wo er im College bereits regelmäßig in der Minor League aufgelaufen war. Der Hauptgrund für seine Colts-Abneigung war Head Coach Frank Kush, der mit seinen Spielern extrem hart umging - bis hin zu gnadenlosen Boot Camps in der Wüste.
Baltimore ließ sich nicht beirren, Geschäftsführer Ernie Accorsi wählte Elway mit dem ersten Pick. Später am Abend rief Elway Accorsi an, entschuldigte sich und versicherte ihm, dass sich schon alles klären würde, sobald die Wogen geglättet sind. Accorsi ging daraufhin zu Colts-Besitzer Robert Irsay. Aber der hatte genug.
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Irsay befürchtete, dass er den Pick komplett verlieren könnte und an Trade-Interessenten mangelte es nicht. Elways Wunsch, an der Westküste zu spielen, wollte Irsay nicht erfüllen und somit waren San Diego, Seattle oder Los Angeles vom Tisch. Stattdessen erhielt Denver den Zuschlag.
Aller Anfang ist schwer
Damit war Colorado im Ausnahmezustand. Lokalzeitungen eröffneten eigene Spalten mit dem Titel "The Elway Watch", jeder wollte den College-Superstar mit dem unglaublich starken Wurfarm und der sensationellen Athletik sehen.
Aber selbst für Elway, der sich den Job in der ersten Saison mit Steve DeBerg teilen musste war aller Anfang schwer. Die Broncos gewannen nur vier von Elways zehn Starts und 14 Interceptions leistete sich der Rookie in elf Spielen. Elways Probleme waren so offensichtlich, dass Coach Dan Reeves öffentlich zugab, es sei ein Fehler gewesen, Elway so früh einzusetzen. Doch das sollte sich ändern.
Im Regular-Season-Finale um die Playoffs ging es - ausgerechnet - gegen die Colts. Baltimore lag zu Beginn des Schlussviertels mit 19:0 in Führung, die Postseason schien verloren. Dann versprühte Elway seine Magie: Mit drei Touchdown-Drives im Schlussviertel drehte er die Partie, Denver zog in die Playoffs ein und nach Saisonende wurde Konkurrent DeBerg an die Tampa Bay Buccaneers abgegeben.
Die Zukunft der Broncos lag endgültig in den Händen von John Elway.