25:47. Ein Offenbarungseid war es teilweise, was die Packers in Week 10 bei den Tennessee Titans ablieferten. Und das eine Woche nach dem schon mehr als unerwarteten 26:31 daheim gegen die Indianapolis Colts. Mehr Energie hatte Head Coach Mike McCarthy versprochen. Zu sehen war davon nichts. Stattdessen gab es die dritte Pleite in Folge.
"Wir lernen daraus und konzentrieren uns auf das Spiel, das vor uns liegt", sagte Free Safety Ha Ha Clinton-Dix einen Tag nach der Schlappe in Nashville. Schön und gut. Daraus lernen. Etwa so, wie man aus der Niederlage gegen die Colts gelernt hatte? Oder wie aus dem 32:33 gegen die Atlanta Falcons, Herr Clinton-Dix?
"Äh, das ist definitiv eine sehr gute Frage."
"R-E-L-A-X"? Das war einmal
Nur die Antworten, die gehen den Beteiligten langsam aus. Bei vier Siegen und fünf Niederlagen steht man, so schlecht wie nach neun Spielen zuletzt 2008. Es ist auch kein kurzfristiger Trend: Von den letzten 21 Partien hat man zwölf verloren, die Bilanz in der Festung Lambeau Field in diesem Zeitraum liest sich mit 4-5 erschreckend. "Naja, wir sind das, was unsere Bilanz über uns sagt", konstatierte Offensive Tackle Bryan Bulaga. "Und das ist nicht gut."
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Etwas über zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass Quarterback Aaron Rodgers die Gemüter der Cheeseheads nach einem 1-2-Start in die Saison beruhigte. "R-E-L-A-X" war seine Botschaft, und in der Tat lief es danach sehr viel besser: Bis ins NFC Championship Game spielten sich die Packers, ganz knapp verpasste man gegen Seattle den Einzug in den Super Bowl.
Von dieser Ruhe ist der zweifache MVP weit entfernt. "Bei den Spielern sollte die gesunde Angst herrschen, dass man vom Team abgeschossen wird, wenn man seinen Job nicht macht", betonte er vor wenigen Tagen. "Wir müssen uns alle am Riemen reißen, mit mehr Entschlossenheit und Konzentration spielen." Sich selbst nahm er dabei ausdrücklich mit ein.
Stress mit McCarthy? "Lächerlich"
Wer nicht liefert, der fliegt. Könnte es sich auch um eine versteckte Botschaft an seinen Head Coach handeln, der zunehmend unter Druck steht und sich am Montag mit einem bizarren, zweieinhalb Minuten langen Monolog rechtfertigte? "Bleiben wir mal bei den Fakten: Ich bin ein sehr erfolgreicher Head Coach in der NFL" sagte McCarthy, und überhaupt, er sei ein Erbauer und Entwickler, und niemand marschiere unbeschadet durch die Liga.
Nein, von Kritik an seinem Übungsleiter wollte Rodgers nichts wissen. "Das ist doch lächerlich", wehrte der 32-Jährige ab. "Ich würde auf die Menschen da draußen nicht hören. Sie sind nicht in der Kabine, nicht in den Meetings, nicht beim Training. Sie haben keine Ahnung."
Überhaupt scheint das Team sein Heil in noch mehr Geschlossenheit zu suchen. An einem Strang ziehen, zusammen aus dem Sumpf kommen. "Da draußen gibt es Dinge, die uns auseinander bringen wollen", unkte Wide Receiver Randall Cobb. "Aber wir müssen zusammenhalten. Nur dadurch werden wir Spiele gewinnen können." Mit dem Finger aufeinander zu zeigen sei nicht die Lösung.
Wer ist Schuld an der Krise?
Man wüsste auch gar nicht, wo man anfangen sollte mit dem Fingerzeigen. Bei der Pass Defense? Die steht in puncto gegnerisches Passer Rating auf Platz 29 - Marcus Mariota warf am Sonntag fast so viele Touchdowns (vier) wie Incompletions (sieben). Bei der einst so starken Run Defense? Die wurde in den letzten Wochen von den Cowboys, Falcons und dann auch den Titans auf die Hörner genommen.
Beim eigenen Running Game? Das ist durch viele Verletzungen gebeutelt und dazu ein Opfer der hohen Rückstände: 71,4 aller Plays enden als Pass, das gab es in Rodgers' Karriere noch nie. Es ist auch kein Zufall, dass die eigentlichen Running Backs in dieser Saison noch ganz ohne Touchdown dastehen. Überhaupt, die Verletzungen: Ist das schlicht und ergreifend Pech, oder liegt es auch am Front Office um GM Ted Thompson, dass das Team zuletzt sechs ungedraftete Free Agents im Kader hatte. Wurde die Kaderplanung verpatzt?
Und Rodgers? Immer wieder werden die Probleme des Teams auf ihn zugespitzt. Hat er seine beste Zeit hinter sich? Oder sind doch die Umstände schuld - liegt es überhaupt nur an ihm, dass die Packers konkurrenzfähig sind? Von Woche zu Woche scheint die Antwort eine andere zu sein.
Rodgers hat eine Schwäche
Fakt ist: In den letzten vier Spielen brachte es A-Rod auf 310 Yards pro Spiel und zwölf Touchdowns bei drei Interceptions. 27,3 Punkte legte seine Offense auf. Das ist nicht übel - reicht aber nicht, wenn die Defense in drei Niederlagen im Schnitt 37 Punkte zulässt. Rodgers ist auch nicht dafür verantwortlich, dass Jordy Nelson nach seiner Rückkehr immer noch nicht der Alte ist, oder dass in seinem Backfield Wide Receiver herumturnen.
Aber gleichzeitig schlich sich zuletzt der eine oder andere Fehlpass in sein Spiel, den man in den letzten Jahren nicht gesehen hat. Der Frust ist Rodgers immer häufiger anzusehen. Und in vielen Statistiken ist er im Vergleich zu anderen Top-QBs abgerutscht. Zwischen 8,2 und 9,2 Yards pro Passversuch bewegte er sich von 2009 bis 2014, war sechs Jahre lang unglaublich konstant. Im letzten Jahr waren es nur noch 6,7 Yards pro Passversuch - und dieses Jahr sind es 6,5 Yards. Blake Bortles und Tyrod Taylor lassen grüßen.
Gerade der Deep Ball hat ihn verlassen: Bei Pässen, die mindestens 15 Yards hinter die Line of Scrimmage segeln, war er noch nie so schlecht. Der unkreative Route Tree der Packers wird gern ins Feld geführt, oder die Tatsache, dass sich seine Receiver nicht von ihren Bewachern lösen können. So oder so: Der Unterschied zu kurzen Pässen ist bemerkenswert, der Absturz eklatant.
Verstärkung naht
Angesichts der übrigen Baustellen ist Rodgers' Deep-Ball-Schwäche aber geradezu ein Luxusproblem. "Wir müssen uns zusammenreißen und einen Weg finden, um die Blutung zu stoppen", drängte Defensive End Julius Peppers. Irgendjemand müsse "ein Play hinlegen", also eine entscheidende Aktion, die einer Partie eine neue Wendung gibt. "Das fehlt uns derzeit, und darum geht es in diesem Spiel ja im Prinzip: Playmaker auf dem Feld, die ein Play hinlegen." Davon brauche man einfach mehr, ja, viel mehr sogar.
Im Running Game sollen James Starks und Neuzugang Christine Michael diese Big Plays hinlegen. Starks ist seit letzter Woche wieder an Bord, Michael sogar erst seit wenigen Tagen. Finden beide ihre Form, wäre zumindest eine Lücke geschlossen. Wobei ein Ausfall von Guard T.J. Lang und Tackle David Bakthiari eine herbe Schwächung wäre - beide hatten sich gegen Tennessee verletzt.
Gut sieht es bei einer Rückkehr von Tight End Jared Cook und bei Clay Matthews aus, der seine Oberschenkelprobleme zumindest im Griff haben will. Gerade Matthews wäre als Outside Linebacker eine echte Verstärkung - in seiner Abwesenheit brach die Defense förmlich ein.
"Sie sind übel verprügelt worden"
Auch die Redkins wissen, was sie bei einem (fitten) Matthews erwarten würde: Beim letzten Aufeinandertreffen steuerte der 1,5 Sacks und eine Vielzahl weiterer guter Aktionen bei. Und sie wissen, dass selbst ein angeschlagenes Green Bay extrem gefährlich ist. Als "Gandalf den Weißen" bezeichnete Cornerback Josh Norman den gegnerischen Quarterback: "Sie werden extrem motiviert sein, da bin ich sicher. Sie sind letzte Woche ziemlich übel verprügelt worden."
Dieses letzte Aufeinandertreffen ist übrigens noch kein Jahr her. Im Wildcard-Playoff-Game der letzten Saison führte Washington eine Siegesserie von vier Spielen ins Feld. Die Packers hatten zwei Spiele verloren und lagen schnell 0:11 zurück. Endstand: 35:18 Green Bay.
In Wisconsin wird man auf ein ähnliches Ergebnis hoffen. Noch sind die Playoffs angesichts einer schwachen NFC North durchaus in Reichweite: Die Vikings (5-4) trudeln von Niederlage zu Niederlage, gegen Detroit (5-4) darf man in Week 17 noch einmal ran. Nach den Redskins wartet allerdings ein unangenehmer Trip nach Philadelphia, zwei Wochen später reisen die Seahawks an.