Die Footballwelt steht Kopf nach einem weiteren magischen Moment von Aaron Rodgers am Ende des 34:31-Siegs der Green Bay Packers im NFC Divisional Game bei den Dallas Cowboys. Der Quarterback steht anschließend im Mittelpunkt - doch die Entstehung des magischen Moments verblüfft.
Football ist Rasenschach, sagt man. Und zwar eine ganz besonders komplizierte Variante davon, gerade im Vergleich zum herkömmlichen Fußball. Ein Spiel der Strategie und Taktik und weit mehr als nur der pure Gewaltsport, den manche in ihm sehen - sagt man.
Aber als Aaron Rodgers im Thriller gegen die Cowboys seinen Tight End Jared Cook Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit fand und dessen 36-Yard-Catch - Zehenspitzen-Akrobatik an der Seitenlinie inklusive - das Field Goal zum 34:31-Erfolg der Packers in Dallas vorbereitete, ging alle Strategie aus dem Fenster.
Was Rodgers, Cook und Co. da fabriziert hatten, kam nämlich nicht aus dem Playbook vom selbsternannten "Erfolgscoach" Mike McCarthy. Vielmehr improvisierte sein Quarterback den Spielzug. Und das offenbar nicht erst während des Spielzugs, sondern schon vor dem Snap.
Erlebe ausgewählte NFL-Spiele Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Man habe sich im Voraus auf die Pass-Variante geeinigt, die die nötigen Yards für den Field-Goal-Versuch bringen sollte, verriet Receiver Randall Cobb gegenüber Robert Klemko vom MMQB. Es sei jedoch kein einstudierter Spielzug gewesen: Rodgers habe jedem Receiver einfach gesagt, was er nach dem Snap zu tun hätte. Wie das Sandkasten-Gekritzel eines kleinen Kindes sei es gewesen.
Und offenbar meinte Cobb das ernst. "Das ist doch lächerlich", reagierte Klemko ungläubig - doch Cobb entgegnete: "Es ist Magie."
Spontaner Wahnsinn nach Plan
Und wer will ihm da widersprechen? Es ist nicht das erste Mal, dass Rodgers Dinge vollbringt, die sonst niemand überhaupt probiert - die eben nur er selbst vollbringen kann. Der 33-Jährige verdutzte bereits die Giants vor Wochenfrist mit einem Touchdown-Pass tief in der Red Zone, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit in der Pocket tänzelte und einfach unantastbar schien - und, ach ja, seine Hail Marys werden auch nicht langweilig.
Nun also kündigte er seinen Wahnsinn im engsten Kreise des Huddles an. Wie muss man sich das vorstellen? "Du rennst rechts rüber, du gehst tief, du über links - und ich mach den Rest." So ähnlich vielleicht. Und dann läuft er eben nach links und wirft mit rechts und nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr einen perfekten Pass. Warum auch nicht?
"Ich hatte schon bessere [Pässe], und wahrscheinlich auch schon Spielzüge, die in Sachen Athletik noch schwieriger waren", so Rodgers selbst über seinen Auftritt. "Aber das war eine Kombination aus guter Protection, Geduld außerhalb der Pocket und einem genauen Anspiel." Cook selbst wurde gefragt, ob er eigentlich die primäre Anspielstation gewesen sei: "Nein, ich glaube nicht - aber das weiß man nie."
"Daran gewöhnst du dich nie"
Bei einem Aaron Rodgers in dieser Form muss man eben auf alles gefasst sein. "Ich glaube, du gewöhnst dich nie an das, was Aaron macht. Er macht ständig Dinge, die dir die Kinnlade runter hängen lassen", umschrieb es der Tight End, der erst im März bei den Packers unterschrieben hatte. "Die Jungs im Team denken, dass es keine große Sache ist, wenn er solche Pässe wirft. Aber ich habe ja vorher woanders gespielt und sehe es zum ersten Mal. Einfach nur 'Wow!'"
So neu war der Spielzug dann doch nicht, wie Tight-End-Kollege Richard Rodgers erklärte: "Cook hatte ein ähnliches Play im Training in dieser Woche, aber sein Fuß war zu groß und so trat er ins Aus" - und lieferte gleich den Grund, warum es im Spiel geklappt hat: "Wir haben uns über ihn lustig gemacht, also hat er seine Füße diesmal wohl deswegen im Feld gelassen."
Doch für die Konkurrenz ist es ein erneutes Zeichen: Seht her, selbst wenn ich unter höchstem Druck Spielzüge improvisieren muss, gegen ein starkes Dallas-Team und ein frenetisches Publikum: Ihr könnt mich trotzdem nicht stoppen.
Im Moment kann mich eigentlich gar nichts stoppen.
"So funktioniert es immer"
Ebenfalls herauszustellen ist die Arbeit der Offensive Line, die Rodgers die Zeit gibt, um seiner Magie freien Lauf zu lassen. Sowohl gegen die Giants als auch jetzt in Dallas: Rodgers bekommt sehr viel Zeit, die er mit seinen Füßen noch einmal verlängert. Und das macht es jedem Receiver leichter, in Position zu kommen. "Du musst überhaupt nicht offen stehen. Du kannst perfekt zugedeckt sein und Aaron bringt den Ball genau dahin, wo er ihn braucht, damit wir eine Chance haben. Wir sehen es immer wieder. So funktioniert es immer", illustrierte es Richard Rodgers.
Und so stand am Ende in Dallas ein besonderer Sieg für die so ruhmreiche Franchise aus Wisconsin. Das gab selbst der Star des Abends selbst zu: "Wir werden diesen Sieg jetzt genießen und dann konzentrieren wir uns morgen auf Atlanta. Aber dieser Sieg ist etwas Besonderes. Spezieller als alles, was wir in letzter Zeit hier erlebt haben", so Aaron Rodgers auf der Pressekonferenz danach.
Der Auftritt gegen Atlanta dürfte ebenfalls speziell werden. Schließlich geht es mit Matt Ryan gegen den Quarterback, der ihn im MVP-Race wohl distanziert haben dürfte. Wenn man so will, darf im Georgia Dome nun also die Frage beantwortet werden, wer denn wirklich der wertvollste Spieler dieser Saison ist.
Und die Zuschauer freuen sich auf die eine oder andere Prise Magie.