Die Kansas City Chiefs (5-2) haben eine große Chance verpasst, sich in der Division abzusetzen. Zum Auftakt in Week 7 verloren die Chiefs bei den Oakland Raiders (3-4) mit 30:31. Die Schlagzeilen gehörten zunächst Raiders-Back Marshawn Lynch, der infolge eines irren Ausrasters noch vor der Halbzeitpause vom Platz flog. Am Ende aber wurde es mit mehreren Strafen und dem Game-Winner mit der allerletzten Chance für Oakland völlig verrückt - es war das dramatischste Finish der bisherigen Saison.
Es dauerte nicht lange, ehe die Rivalität zwischen beiden Teams für jeden sichtbar wurde. Bei einem zweifelhaften Play-Call Mitte des zweiten Viertels - ein Quarterback-Draw für den gerade genesenen Derek Carr (29/52, 417 YDS, 3 TD) - steckte Carr einen späten Hit von Marcus Peters ein. Daraufhin stürmte Marshawn Lynch, der mit Peters sehr eng befreundet ist, aufs Feld und schubste einen Schiedsrichter zur Seite, folgerichtig flog er daraufhin vom Platz. Eine weitere Suspendierung könnte folgen.
Zu dem Zeitpunkt hatten beide Offenses dem Spiel bereits ihren Stempel aufgedrückt. Amari Cooper (11 REC, 210 YDS, 2 TD) meldete sich mit zwei Touchdowns endlich in der 2017er Saison an, auf der anderen Seite gelang Tyreek Hill ein weiterer langer Touchdown bei einem 3-Play 99-Yard-Drive. Zuvor hatte Travis Kelce NaVorro Bowman - der nach seinem Wechsel nach Oakland direkt startete und Plays auf dem Feld ansagte - in der Red Zone zum TD geschlagen.
Dabei hatten die Raiders allerdings auch früh großes Glück: Bei Coopers erstem Touchdown pfiffen die Unparteiischen eine vermeintlich klare Offensive Pass Interference gegen den Receiver nicht, wenig später wurde ein Sack-Fumble gegen Carr durch eine höchst fragwürdige Strafe zurück gepfiffen. Auch in der zweiten Hälfte blieb es ein turbulentes Spiel: Die Raiders gingen direkt wieder in Führung, ein verrückter Touchdown von Albert Wilson, eigentlich eine sichere Interception für McGill nach schlechtem Wurfs von Alex Smith (25/36, 342 YDS, 3 TD), brachte KC erneut in Front.
Im Schlussviertel hatten dann die Chiefs ihrerseits großes Pass-Interference-Glück in der Endzone, Oaklands Defense stoppte KC jedoch zwei Mal und gab der Offense die letzte Chance. Dann wurde es irre: Cook schien den Game-Winning-Touchdown zu haben, war aber down an der 1-Yard-Line mit 18 Sekunden auf der Uhr - ohne Timeout für die Raiders. Oakland hatte somit noch acht Sekunden, woraufhin Crabtree eine Pass-Interference kassierte. Dann schien das Spiel erneut vorbei, zwei Holding-Strafen mit je 0 Sekunden auf der Uhr gegen die Chiefs gaben Oakland aber zwei weitere Chancen bis schließlich Crabtree den Game-Winner fing! Ein völlig verrücktes Finish!
Die wichtigsten Statistiken
Oakland Raiders (3-4) - Kansas City Chiefs (5-2) 31:30 (14:10, 0:10, 7:10, 10:0) BOXSCORE
- Oakland hatte ohne Lynch auf dem Platz im Run Game wenig zu melden - dabei hier lag bislang die große schwäche der Chiefs-Defense. Washington (9 ATT, 33 YDS, TD) und Richard (9 ATT, 31 YDS) konnten nur vereinzelt Akzente setzen.
- Insgesamt 82 Plays verzeichneten die Raiders offensiv gegen die Chiefs, eine unglaubliche Zahl. Zum Vergleich: Über die ersten sechs Spiele hatte Oaklands Offense 63, 55, 48, 53, 54 und 53 Plays. Eindrucksvoll war dabei Carrs Bilanz gegen den Blitz: 81,8 Prozent angekommene Pässe (elf Versuche) mit zwei Touchdowns.
- Alex Smith hatte in der kompletten Vorsaison 15 Touchdown-Pässe. Diese Marke hat er jetzt nach sieben Spielen schon geknackt.
- Tyreek Hill (6 REC, 125 YDS, TD) hat nunmehr 16 NFL-Touchdowns auf dem Konto. Die Hälfte (!) davon (drei Catches, drei Punt-Returns, ein Run, ein Kick-Off-Return) waren 50 Yards oder länger. Derweil ist Kareem Hunt (18 ATT, 87 YDS; 4 REC, 30 YDS) jetzt der einzige Rookie aller Zeiten neben Eric Dickerson mit 1.000 Scrimmage-Yards über seine ersten sieben NFL-Spiele.
Die Stimmen zum Spiel
Derek Carr (Quarterback Raiders): "Ich habe einfach versucht, das Eins-gegen-Eins-Matchup zu finden - und dann dem Receiver eine Chance zu geben. Das war ein harter Monat, aber wir haben uns zurückgekämpft."
Andy Reid (Head Coach Chiefs): "Wir müssen das Spiel zu Ende bringen. Daran haben wir alle einen Anteil."
Das entscheidende Duell: Raiders-Line vs. Chiefs-Pass-Rush
In den vergangenen Wochen stand auch Oaklands Offensive Line mitunter in der Kritik, in der Vorsaison noch eine Stärke des Teams, hatten die Raiders hier ebenfalls Probleme. Das Spiel gegen die Chiefs aber war beeindruckend: Die Raiders hielten auch bei langen und offensichtlichen Passing-Downs stand, oft hatte Carr eine saubere Pocket und konnte den Ball länger halten. Es war ein zentrales Element für den Raiders-Sieg.
Der Knackpunkt: Die Raiders-Stops bei Third Down
Natürlich war der Game-Winner - Carr hatte in den letzten sieben Sekunden der Game Clock aufgrund der Strafen insgesamt vier Pässe, der vierte schließlich zu Crabtree in die Endzone - das dramatische Highlight einer hochspannenden Partie. Das allerdings wäre nicht möglich gewesen, hätte Oaklands Defense in den Schlussminuten nicht plötzlich doch standgehalten. Ein Bowman-Blitz sowie ein eindrucksvoller Mack-Sack jeweils bei Third Down beendeten die beiden Chiefs-Drives, mit denen Kansas City die Uhr hätte runter spielen können.
Der Star des Spiels: Amari Cooper
Cooper hatte bisher eine für seine Verhältnisse mitunter schlimme Saison, was ein Grund für die strauchelnde Raiders-Offense war. Gegen die Chiefs scheint er endlich in der Saison angekommen zu sein: Insgesamt hatte er mehr als doppelt so viele Yards wie in den ersten sechs Spielen zusammen gerechnet; seine 210 Yards waren die meisten eines Raiders-Receivers seit Art Powells Franchise-Rekord 1963, endlich sah man seine Explosivität wieder. 18 Targets waren ein Karriere-Höchstwert, aber: Erneut hatte er mehrere Drops, Cooper muss die endlich abstellen. Schon jetzt steht er bei neun Drops in dieser Saison, kein anderer Receiver hat über sechs.
Der Flop des Spiels: Travis Kelce
Wer dachte, dass Kelce das schlechteste Linebacker-Corps und eine der anfälligsten Secondaries der Liga dominiert, sah sich anfangs bestätigt - nach seinem frühen Touchdown aber kam viel zu wenig von Kansas Citys sonst so dominantem Tight End. Vier Catches für 33 Yards standen am Ende zu Buche.
Die Taktik-Tafel
- Die Raiders-Defense hatte sich das Tape der Pittsburgh Steelers gegen Kansas City ganz offensichtlich sehr genau angeschaut: Über die vergangenen beiden Jahre hatte Pittsburgh gegen KC mit seiner stark Zone-lastigen Coverage viel Erfolg - genau das sah man von Anfang an auch von den Raiders. Die Front attackierte den Quarterback, dahinter zwang die Coverage Smith über das Scheme, primär auf kurze Underneath-Pässe zu setzen.
- Das funktionierte anfangs ganz gut, zunächst wirkte die Chiefs-Offense im Passspiel weniger explosiv als bislang in dieser Saison gewohnt. Mit dem 99-Yard-Touchdown-Drive änderte sich das aber - Oaklands Coverage wurde aggressiver, Smith bestrafte das sofort. Das vertikale Passspiel war wieder deutlich sichtbar. Im Laufe des zweiten Viertels wurden die explosiven Plays häufiger und die Löcher auch in der Zone Coverage größer. Oaklands Pass-Rush kränkelte nach einigen guten frühen Plays phasenweise einmal mehr. Trotzdem war es in der zweiten Hälfte nicht das explosive Spiel, das man von den Chiefs gegen diese Secondary erwartet hatte.
- Offensiv schien schnell klar, wie die Raiders ihren stotternden Motor zum Laufen bringen wollten. Carr setzte zwar weiterhin auf primär schnelle, kurze Pässe; Oakland aber baute die in neue Konzepte ein. Dazu gehörte vor allem das Play-Action-Game sowie das Bewegen der Pocket: Die Raiders hatten über die ersten sechs Wochen ligaweit die wenigsten Play-Action-Spielzüge, Kansas City schluckte den Köder folgerichtig früh. Umso überraschender war es, dass Oakland dieses Element nicht viel häufiger einsetzte.
- Die Stats mögen es nicht hergeben, das Tape zu Carr aber erzählt eine andere Geschichte: Er hätte mehrere - mindestens zwei - Interceptions haben müssen, hatte nur Glück, dass der jeweilige Verteidiger den Ball nicht festhielt. Der Fumble, der aufgrund einer zweifelhaften Strafe zurückgepfiffen wurde, ging ebenfalls auf seine Kappe. Zudem war er aus sauberer Pocket mehrfach ungenau, beim letzten Drive vor der Halbzeitpause etwa wäre eine bessere Field Position definitiv drin gewesen, beim vorletzten Drive verpasste er den offenen Crabtree, statt First Down gab es kurz darauf einen Punt. Mehr noch: Der Play-Call zum QB-Draw bei Third Down, der zu dem Gerangel und Lynchs Ausraster führte, war offenbar Carrs Entscheidung an der Line of Scrimmage.