Selbst wenn man die NFL in den letzten Jahren nur beiläufig verfolgt hätte, würde man dies über die New Orleans Saints wissen: Sie sind ein Pass-heavy-Team! Drew Brees führte die Liga in den letzten drei Jahren und fünf Mal seit 2011 bei den Passing Yards an. Das brachte zwar in der Regel kaum Erfolg, war jedoch der Charakter des Teams.
2017 jedoch stellt sich komplett anders dar. Nicht erst seit dem dominanten Kantersieg bei den Buffalo Bills (47:10) in Week 10 ist klar: Dies ist nun ein Team, das von seinem Laufspiel lebt. Am Sonntag liefen die Saints für fast 300 Yards und sechs Touchdowns, ohne ein einziges Mal zu punten. Das schafften zuletzt die Chicago Bears im Jahr 1941.
Mehr noch: Im dritten und vierten Viertel liefen sie 24 Laufspielzüge in Folge! Das tat keiner seit 1989 mehr. Und warum auch? Dies ist schließlich eine Passing-League, die von Quarterbacks dominiert wird, oder?
Nicht, wenn man die Saints dieser Tage fragt. Sie drehen gewissermaßen die Uhr zurück und setzen auf Qualitäten, die in der heutigen Zeit wie ein Anachronismus wirken. Defense und Laufspiel, das versuchte schon seit Jahren niemand mehr als Erfolgsformel Nummer eins.
New Orleans Saints: Läutet verstärktes Run Game Ende einer Ära ein?
Die Ursachen für diese Herangehensweise sind spekulativ. Es könnte daran liegen, dass Quarterback Drew Brees mit seinen 38 Jahren so langsam nachlässt - unter der Woche wurde bekannt, dass man im Bayou darüber nachdenkt, was ab nächstem Jahr passiert, wenn der Vertrag des einzigen Super-Bowl-Sieger-QBs dieser Franchise ausläuft.
Steht also das Ende einer Ära an? Vielleicht. Doch zuvor scheint die Truppe noch einen letzten langen Run vorzubereiten - mit mächtigem Run Game!
Die Saison begannen die Saints mit Superstar Adrian Peterson, der als Unterstützung unter anderem Mark Ingram und Drittrundenpick Alvin Kamara im Backfield vorfand. Seither laufen Letztere alles in Grund und Boden, während AD buchstäblich in die Wüste geschickt wurde.
Dass die Bills am Sonntag überrannt wurden, war indes keine Anomalie. Head Coach Sean Payton lässt in diesem Jahr so viele Laufspielzüge spielen wie seit 2009 nicht mehr - die Zahl liegt bei annähernd 44 Prozent. Wie damals, als das Team den Super Bowl gewann! Mehr noch: Payton setzt 2017 in fast 43 Prozent der Snaps in der ersten Halbzeit auf den Lauf - mit Abstand der höchste Wert seit Payton und Brees New Orleans unsicher machen!
"Wir haben uns tatsächlich dazu verpflichtet, der Trainerstab, die Spieler, alle ziehen mit", erklärte Ingram den neuen Mut zum Lauf. "Die großen Jungs vorne machen einen großartigen Job und die Coachs entscheiden sich für die richtigen Laufspielzüge."
New Orleans Saints: Defense nimmt überragende Entwicklung
Offense alleine - und das war ja nie das Problem der Payton-Brees-Saints - gewinnt aber in dieser Liga auch nicht so wahnsinnig viele Spiele. Und die sieben, die es bislang waren, waren allesamt in Serie. Nach dem 0-2-Start drehte New Orleans auf und hat seither nicht mehr verloren. Eine solche Sequenz gelang zuletzt den Dallas Cowboys 1993 - auch sie gewannen damals den Super Bowl.
Mindestens genauso wichtig wie die Offense ist freilich die Defense und die überragende Entwicklung, die dieses Team innerhalb der letzten Monate genommen hat. In den ersten zwei Spielen kassierten die Saints noch insgesamt 64 Punkte und über 1000 Yards in den Pleiten gegen die Vikings und Patriots.
Seither aber schluckten die Saints in sieben Spielen nur noch zweimal mehr als 13 Punkte - 38 beim 52:38 gegen die Lions und 17 beim 26:17 gegen Green Bay. Zudem gelang ein Shutout gegen die Dolphins. Was für ein Turnaround!
Wie war das möglich? Nun, seit Week 3 gelingt es New Orleans besser als jedem anderen Team, den gegnerischen Quarterback zu behindern. In Sachen Total QBR lagen die gegnerischen Passgeber von Week 3 bis Week 9 bei 26.5, Tyrod Taylor lag mit 29.7 nur knapp darüber. Außerdem geben die Saints nur noch 4,5 Yards pro Play ab. Und die Defense erzwang 13 Turnover in den letzten sieben Spielen.
New Orleans Saints: Aggressivere Defense führt zu mehr Stabilität
Die Pass-Verteidigung wurde folgerichtig deutlich besser nach den ersten zwei Wochen. Ließ man damals noch 11,2 Yards pro Passversuch zu, waren es seither nur noch 5,3. Ursächlich dafür ist ein deutlich aggressiveres Play-Calling von Defensive Coordinator Dennis Allen: Von anfangs 27 Prozent ging die Blitz-Quote auf 42 Prozent rauf. Die Defense hält den Quarterback also unter Dauerbeschuss und erzwingt so die Fehler.
Besonders Defensive End Cameron Jordan ist hier zu nennen, denn er hat schon jetzt sieben Sacks gesammelt. 2016 waren es insgesamt siebeneinhalb. Seine Karrierebestmarke von 12,5 (2013) ist damit in Reichweite.
Hinzu kommt die Art und Weise, wie die Secondary agiert. Besonders ein Rookie spielte sich hier in den Vordergrund. Cornerback Marshon Lattimore, der elfte Pick im diesjährigen Draft, macht Dinge, die lange kein Rookie mehr geschafft hat: Der frühere Buckeye hat schon einen Fumble erzwungen, zwei Picks gefangen (ein Pick-Six) und sechs Pass-Breakups auf dem Konto. Seit 2001 gelang das alles keinem Rookie mehr!
Die Secondary als Ganzes hat dadurch seine Schwäche gegen Deep Balls abgelegt. Im Vorjahr gab New Orleans acht Touchdowns auf Pässe, die über 20 Yards flogen, ab. In diesem Jahr war es erst einer. Auch ging die Passquote bei dieser Art von Pässen von 46 Prozent in der ersten Saisonhälfte 2016 auf 36 Prozent in dieser ersten Saisonhälfte runter.
New Orleans Saints: Erste Playoff-Teilnahme seit 2013 in Sicht
Mit einer Bilanz von nun 7-2 steuern die Saints stabil auf nicht nur ihre erste Playoff-Teilnahme seit 2013 und ihren ersten Division-Titel seit 2011 zu, sie könnten auch erstmals seit 2009 wieder eine First-Round-Bye erspielen.
Gleichzeitig hieße dies mindestens ein Heimspiel in der Postseason, was seit 2011 nicht mehr passierte. Doch das mag angesichts der neuen Philosophie gar nicht mal so wichtig sein. Wir alle kennen zwar die Geschichte, dass die Saints noch nie in den Playoffs auf fremdem Platz gewonnen haben, aber das könnte auch einfach am Phänotyp des Teams gelegen haben.
Sie waren seit jeher ein Dome-Team, ein Finesse-Team, ein Schönwetter-Team, wenn man so will. Das Passspiel stand im Vordergrund, der Lauf und auch die Defense waren zumeist optional. Im Dome ist das ja auch kein Problem, schließlich weht kein Wind und fällt kein Schnee. Mit dem Laufspiel und der Defense der Saints aktuell jedoch mögen diese optimalen Bedingungen vielleicht gar keine so große Rolle mehr spielen.
New Orleans Saints 2017: "Definitiv ein anderes Team"
Wer in der NFL den Ball bewegen - damit die Uhr kontrollieren - kann, egal in welchen Bedingungen, der ist auch für einen erfolgreichen Januar und vielleicht sogar Februar gerüstet. Das merken mittlerweile auch ihre Gegner. Wide Receiver Kelvin Benjamin, der gegen die Saints durch seinen Trade von Carolina nach Buffalo nun schon zweimal überrollt wurde und sie seit Jahren gut kennt, gab zu Protokoll: "Dies ist definitiv ein anderes Saints-Team. Sie spielen mit mehr Selbstvertrauen. Sie fliegen einfach umher und man sieht, sie haben Spaß. Sie sind eine Einheit und spielen füreinander."
Natürlich hatte New Orleans zuletzt auch Glück. Glück, dass bei den Packers Brett Hundley seinen ersten Start nach dem Ausfall von Aaron Rodgers gemacht hat. Oder etwa, dass nicht Jameis Winston, sondern Ryan Fitzpatrick für die Bucs auflief gegen sie. Doch das Team als Ganzes wirkt gerüstet für die noch anstehenden Aufgaben.
Darunter ein Gastspiel der Redskins im Superdome, sowie ein Westküstentrip zu den richtig heißen L.A. Rams. Zudem geht's noch zweimal gegen die Falcons, aber verstecken brauchen sich die New Orleans Saints 2017 sicherlich vor keinem. Dazu läuft es buchstäblich zu gut.