Niemand hat es in der Geschichte der NFL geschafft, achtmal den Super Bowl zu gewinnen. Nach zwei Titeln als Defensive Coordinator bei den New York Giants könnte Belichick mit einem sechsten als Head Coach der Patriots nun diese Marke knacken und seine Position als vielleicht bester Coach aller Zeiten noch deutlicher festigen.
Zahlen wie diese interessieren ihn als ständigen Schüler und Studierenden des Spiels eigentlich nicht. Und doch verdeutlichen sie in einer derart schnelllebigen Liga die bemerkenswerte und einzigartige Konstanz, die seine Mannschaften an den Tag legen. 15 aufeinanderfolgende Saisons mit mindestens zehn Siegen haben die Pats seit 2003 hingelegt. Der vorherige Rekord lag bei acht. In der Belichick-Head-Coaching-Ära gab es in New England eine einzige Saison, die man nicht mit einer positiven Bilanz abgeschlossen hatte: 2000. Anschließend begann die Brady-Ära.
Dies ist nun 17 Jahre her. 17 Jahre, in denen sich die Patriots zu einer Dynastie entwickelt haben. Belichick führte New England 15 Mal in die Playoffs. Zweimal kam man nur aufgrund von unvorteilhaften Tie-Breakern zu kurz. Er gewann trotz drastischer personeller Änderungen im Spieler- und Coaching-Bereich. Er zeichnete sich dadurch aus, Spieler wie Coaches zu lehren und zu entwickeln. Er gewann, manchmal kontrovers.
Aber er gewann.
Belichick trifft Parcells: Der ideale Mentor
Die Bindung zum Football war für Belichick nahezu unausweichlich. Bills Vater Steve war selbst als Spieler für die Detroit Lions aktiv und ging anschließend in Rollen als Assistent Coach und als Scout zur Navy. Bill begann dem Vater nacheifernd schon im Alter von neun Jahren, Game-Tape zu studieren und das Spiel aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Football war immer da, immer präsent.
Abseits vom Football-Feld gab sich der heute 65-Jährige damals allerdings durchaus anders, als man ihn heute kennt. Belichick zeigte sich von einer wilderen Seite und war der Präsident einer Bruderschaft, die gerne einmal über die Strenge schlug. "Wir waren wie Tiere", sagte ein ehemalige Mitspieler Belichicks im Football- und im Lacrosse-Team der Wesleyan University in Connecticut. "Ich glaube, wir waren die ganze Zeit über auf Bewährung."
Belichick selbst war kein Engel und soll auf Ausflügen gerne auch einmal ein Glas zu viel getrunken haben. Seine künftige Frau lernte er schon zu High-School-Zeiten kennen, doch bis die beiden ein Paar wurden, vergingen viele Jahre. Als sie ihn während eines Interviews fragte, ob er sie denn wirklich in all den Jahren zuvor schon geliebt hatte, antwortete er trocken: "Du weißt doch, dass ich mein privates Leben nicht diskutiere."
Mit nur 23 Jahren schloss er sich den Baltimore Colts als Special Assistent an und sammelte weitere Erfahrungen als Position-Coach bei den Lions und Broncos. Die entscheidende Wende aber gab es erst in New York, wo Belichick seit 1979 die Rolle des Special Teams Coachs und Defensive Assistent und später Linebackers-Coach inne hatte. Als Defensiv-Assistent arbeitete er bereits seit Amtsantritt unter Bill Parcells, der damals Defensive Coordinator des Teams war. 1983 übernahm Parcells als Head Coach und beförderte Belichick zwei Jahre später zum Defensive Coordinator.
Belichick in Cleveland vom FBI geschützt
Mit Parcells als Head Coach und Belichick als Defensive Coordinator gewannen die Giants zwei Super Bowls innerhalb von fünf Jahren (1986, 1990). New Yorks Defenses schlossen in diesen fünf Jahren stets mit einem DVOA von Platz sieben oder besser ab und Parcells und Belichick entwickelten eine besondere Wertschätzung füreinander, die die Grundlage für eine lange Zusammenarbeit wurde.
Zunächst allerdings hatte Belichick anderes vor.
In der Saison nach dem zweiten Super-Bowl-Gewinn gaben ihm nämlich die Cleveland Browns die Möglichkeit, sich als Head Coach zu bewähren. Seine ersten Schritte in einer derartigen Verantwortung aber liefen nicht wie erhofft: Belichick übernahm ein 3-13-Browns-Team und verlor in seinen ersten drei Jahren in Ohio stets mindestens neun Spiele.
Während dieser Zeit entließ er den in Cleveland äußerst geschätzten Quarterback Bernie Kosar. Die Fans waren diesbezüglich derart empört, dass Belichick Morddrohungen erhielt und vom FBI unter Schutz gestellt wurde. 1994 jedoch durften die Browns nach einer 11-5-Saison wieder Playoff-Luft schnappen und sogar einen Wildcard-Sieg gegen die Patriots feiern. Das macht Belichick zum letzten Browns-Coach, der ein Playoff-Spiel gewinnen konnte.
Die darauf folgende Saison sollte trotzdem die vorerst letzte für die Browns in Ohio sein, bevor die Franchise nach Baltimore zog. Belichick soll von Team-Eigentümer Art Modell eine Garantie für die weitere Zusammenarbeit erhalten haben, trotzdem feuerte man ihn nach einer 5-11-Saison schließlich doch.
Belichick gilt als eine Person, die großen Wert auf Loyalität legt. So hat er bis heute noch kein einziges als Sponsoren-Geschenk präsentiertes Auto angenommen, da sein ehemaliger College-Mitspieler, Jim Farrell, ein Autohaus besitzt. Tatsächlich hat er jedes der Autos seiner Familie bis zum heutigen Tage bei "Ferrall Volvo" gekauft. Die Causa Cleveland-Belichick ist dementsprechend bis heute eine, die von beiden Seiten nicht gerne angesprochen wird.
Belichick bei den Jets: Coach für einen Tag
Belichick fand jedenfalls zurück zum alten Vorgesetzten Parcells und somit zu einem ersten Engagement bei den Patriots, wo er als Assistent Head Coach und als Defensive Backs Coach fungierte. Nach nur einer Saison, in der man den Super Bowl erreichte und diesen gegen die Green Bay Packers verlor, verließ Parcells die Patriots, um bei den New York Jets anzuheuern.
Belichick folgte, übernahm eine Defense, die die Saison als drittschlechteste hinsichtlich zugelassener Punkte abgeschlossen hatte, und brachte sie in dieser Kategorie in den drei darauffolgenden Jahren jeweils in die Top-10. Er hatte in Parcells einen hervorragenden Mentor, wenngleich Parcells' Teams in seinen Jahren ohne Belichick defensiv immer große Probleme offenbarten. Die Zusammenarbeit der beiden kam 1999 ein letztes Mal zu einem Ende und dies auf eine Art und Weise, die kurioser nicht hätte sein können.
Nachdem Parcells zurücktrat, um als Geschäftsführer zu übernehmen und Belichick aufgrund einer Klausel in dessen Vertrag zum neuen Head Coach wurde, sorgte dieser nur einen Tag später - am 4. Januar 2000 - bei seiner eigentlichen offiziellen Vorstellung für eine der denkwürdigsten Pressekonferenzen in der Liga-Geschichte.
"Aufgrund der vielen Unklarheiten, die meine Position im Zusammenhang mit den neuen Eigentümern des Teams begleiten, habe ich mich dazu entschieden, als Head Coach der New York Jets zurückzutreten", teilte Belichick den verdutzten Reportern mit. Jets-Präsident Steve Gutman hatte er wenige Minuten vor der Pressekonferenz informiert, auf eine Serviette kritzelte Belichick, dass er als "H.C. der NYJ" zurücktritt.
Die Jets, die gerade in etwas mehr als 24 Stunden erst Parcells und dann Belichick auf der Coaching-Ebene verloren hatten, waren im Chaos und Gerüchteküche brodelte: Was könnte in diesem eigentlich überschaubaren Zeitraum hinter den Kulissen passiert sein? Belichick derweil machte sich auf, seine Dynastie anderswo zu begründen.