Wann immer eine Offense die beste Defense der Liga überdeutlich in die Schranken weist, gebührt dieser Leistung Respekt. Dieses Kunststück ohne den Starting-Quarterback und in den Playoffs zu vollbringen, ist nochmal ein ganz anderes Kaliber.
Die Leistung der Eagles gegen Minnesota steht gewissermaßen sinnbildlich für die Qualität dieser Eagles-Offense: Philadelphia profitiert einerseits von einer sehr guten Offensive Line, hat andererseits aber auch ein großartiges Offensiv-Scheme, das dem Quarterback das Leben extrem erleichtert.
Das bedeutet nicht, dass Carson Wentz keine gute Saison gespielt hätte - im Gegenteil. Seine Fähigkeit, Plays in der Pocket oder zumindest innerhalb der groben Struktur des ursprünglichen Spielzugs auszudehnen, war für die Eagles Gold wert und ein elementarer Faktor für die herausragenden Third-Down-Zahlen. Doch war die spielerische Situation, in die er durch Wentz' Verletzung rutschte, für Nick Foles denkbar angenehm.
Head Coach Doug Pederson hat eine Offense geformt, die einerseits stark an das erinnert, was wir in diesem Jahr in Kansas City sehen durften - wenig überraschend ist dort Pedersons ehemaliger Mentor Andy Reid verantwortlich - und auch an Ex-Eagles-Coach Chip Kelly erinnert. Andererseits aber hat er sie noch effizienter, noch aggressiver gestaltet. Das wird auch, trotz der Quarterback-Situation in Philly, für die Patriots im Super Bowl eine echte Prüfung darstellen - SPOX zeigt, worauf es ankommt.
Run Pass Option: Die Absicherung der Eagles
Bereits ganz früh in der Saison war sie das große Thema: Die Run Pass Option. Einerseits, weil die Chiefs das Eröffnungsspiel bei den Patriots mit mehreren unerwarteten, eher aus dem College bekannten, offensiven Stilmitteln eindrucksvoll gewonnen hatten - darunter auch die Run Pass Options. Andererseits aber auch, weil zahlreiche Teams schnell riesige Probleme in ihren Offensive Lines offenbarten und die RPOs dagegen eine vergleichsweise schnelle Hilfe darstellten.
Die Houston Texans setzten nach dem Quarterback-Tausch hin zu Deshaun Watson intensiv auf Play Action und Run Pass Option, die Chiefs blieben die ganze Saison über dabei - und die Eagles zerlegten auch durch die RPOs reihenweise Defenses. 181 RPOs spielte Philly in der Regular Season, deutlich über dem Liga-Schnitt von 63. Davon profitiert die Offense und ganz besonders Foles jetzt enorm.
Die Run Pass Option erlaubt es dem Quarterback, nach dem Snap innerhalb von Sekundenbruchteilen zwischen zwei oder vereinzelt sogar drei Optionen zu wählen. Zumeist liest er dafür einen vorher festgelegten Verteidiger - meist ein Linebacker oder Safety - und je nachdem, was der macht, kann er den Ball entweder an seinen Running Back übergeben (wenn der Verteidiger in Coverage bleibt) oder aber zu einem Receiver passen (wenn der Verteidiger die Line of Scrimmage attackiert, um einen Run zu stoppen).
Das gleicht, ähnlich wie beim Zone Read, den nummerischen Nachteil der Offense aus: Bei einem normalen Pass fungiert der Quarterback "nur" als Ballverteiler - der Rest der Offense spielt somit zehn gegen elf. Beim Zone Read, wenn der Quarterback also potentiell mit dem Ball selbst los läuft, genau wie bei einer Run Pass Option muss die Defense anders verteidigen. Die RPOs sind in gewisser Weise die Weiterentwicklung des Play Action Games. Anstatt den Run von vorneherein nur anzutäuschen und direkt in den Pass überzugehen, bietet die Run Pass Option eine echte Chance zum Run und zum Pass.
Chip Kelly, die Eagles und die RPOs
Doch geben die RPOs der Offense noch viel mehr als das: Sie vereinfachen die Arbeit für den Quarterback, der bei einem Run-Pass-Option-Spielzug meist nur eine Seite des Feldes und nicht selten sogar nur einen oder zwei Verteidiger direkt im Blick haben muss. Der Read ist für ihn also schon vor dem Snap klar definiert, das hilft insbesondere einem weniger erfahrenen oder schlicht weniger talentierten Quarterback enorm.
Bereits 2016 zählte Pro Football Focus im Schnitt knapp über fünf Run Pass Options pro Spiel, die Bengals führten damals die Liga mit stolzen 6,2 Yards pro RPO an. Und Philadelphia hatte schon vor 2016 seine eigenen Erfahrungen damit gemacht - ausgerechnet Ex-Coach Chip Kelly, nach dessen Entlassung 2015 der Eagles-Kader radikal generalüberholt wurde, hatte die RPOs aus dem College mitgebracht.
"Ich glaube, er hat sie auf die NFL-Bühne geführt, nicht nur was unser Team angeht, sondern mit Blick auf die ganze Liga", bestätigte Tight End Zach Ertz, "aber sie sind heute definitiv deutlich weiter entwickelt." Ertz spielt dabei unter anderem auf die Vielfalt der Eagles bei den RPOs an, und das wird auf dem Tape schnell deutlich - Philly ist unter Pederson extrem gut darin, Run Pass Options für die Defense so unangenehm wie möglich zu machen.
Das bedeutet unter anderem, dass die RPOs mehrere eingebaute Pass-Optionen für Foles beinhalten. Das ist gerne einmal ein Screen zur einen und eine Slant-Route über die Mitte zur anderen Seite, hier gibt es immer wieder offene Receiver. Das zieht die Defense auseinander und zwingt Verteidiger in das von der Offense gewollte Entscheidungs-Dilemma.
Ein möglicher Outside-Run hat aus gleicher Formation einen Screen zur anderen Seite eingebaut, eine Pre-Snap-Motion wird mit Play Action kombiniert, und so weiter. Die Plays und Formationen sind durch das ganze Spiel hinweg miteinander verbunden. Das führt dazu, dass die Defense für den Quarterback im Laufe des Spiels klarer wird - und dass die Defense konstant erst nach dem Snap lesen kann, welches Play kommt. Ein klarer Unterschied zur eindimensionalen Offense unter Chip Kelly.
Philadelphias Run Game: Blount, Ajayi und Jason Kelce
Das gilt auch für das Run Game der Eagles. Philadelphia verfügt hier über eine glänzende Mischung, zusammengesetzt einerseits aus den Stärken des Blockings und andererseits aus den Qualitäten der eigenen Running Backs.
Erstere - namentlich LeGarrette Blount und Jay Ajayi - glänzen darin, Yards nach erstem Gegnerkontakt zu erzielen. In der Postseason führt Ajayi alle Running Backs mit mindestens 18 Runs auf dem Konto in Yards nach dem ersten Kontakt an (3,27). Beide Backs standen in dieser Kategorie in der Regular Season in der Top 10, Blount (3,56 Yards pro Run nach Kontakt) führte die Liga hier sogar an.
Der andere Aspekt, die Qualitäten und die Fokussierung im Blocking, ergänzen diese Qualitäten. Denn während Philly direkt an der Line of Scrimmage nicht unbedingt zu den dominantesten Run-Blocking-Teams gehört - wo Blount und Ajayi viele Yards selbst rausholen - ist das Blocking auf dem Second Level (also bei den Linebackers, einige Yards hinter der Line of Scrimmage) exzellent. In diesem Bereich gehören die Eagles in die Liga-Spitze.
Hier kommt die elementare Rolle von Jason Kelce ins Spiel. Philadelphias Center ist nicht gerade der kräftigste Center geschweige denn Offensive Lineman in der NFL, gehört technisch aber zur absoluten Elite. Eine Säule im Run-Blocking der Eagles ist es, Kelce möglichst schnell hinter die Line of Scrimmage zu bringen.
Das kann zu Problemen für Philly führen, wenn es einem Gegner gelingt, Kelce konstant zu beschäftigen - etwa, indem man eine Bear-Front gegen die Eagles spielt. Das Markenzeichen der Bear-Front besteht darin, dass jeder der drei Interior Offensive Linemen (die beiden Guards und der Center) einen direkten Gegenspieler erhält, also eine Mischung aus Defensive Tackles und Defensive Ends die Mitte der Line zustellt. New Englands Defensive Line ist genau dafür gut aufgestellt.
Die Eagles also werden einerseits die Defense in die Breite ziehen müssen - ein gutes Outside Run Game sowie die Kombination mit Play Action und Run Pass Options wird dabei helfen. Andererseits aber gibt es im Blocking auch Antworten dafür: Ist der Center zugestellt, leistet Philadelphia sehr gute Arbeit darin, einen anderen Blocker aufs Linebacker-Level zu bekommen. Hier sind vor allem die Tight Ends in der Pflicht, die Eagles nutzen sie effizient als Pull-Blocker, auf der Backside des Plays (also wenn der Run nach rechts geht die linke Seite der Offense) und eben auch als Second-Level-Blocker.