Wie weit können die Eagles mit Foles kommen? "Behandelt wie die Cleveland Browns"

Von Adrian Franke
11. Januar 201812:10
Wie weit können die Eagles mit Nick Foles in den Playoffs kommen?getty
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Die Philadelphia Eagles starten ihre Playoff-Kampagne mit dem Duell gegen die Atlanta Falcons am Samstagabend. Es ist schon jetzt eine historische Paarung: Zum ersten Mal in der Geschichte der NFL geht der Nummer-1-Seed bei den Buchmachern als Home-Underdog in die Divisional-Runde. Das liegt natürlich an der Verletzung von Carson Wentz, und wirft unweigerlich eine Frage auf: Wie weit können die Eagles mit Nick Foles kommen? Die gesamten Playoffs gibt es live auf DAZN zu sehen!

Die Message von Head Coach Doug Pederson an Nick Foles, der die Regular Season so besorgniserregend schwach beendet hatte, vor dem Duell mit Atlanta war diese: "Meine Botschaft an Nick ist: 'Du hast hier eine großartige Gelegenheit. Sei einfach du selbst und spiel Football.'" Pederson würde es niemals zugeben, er könnte es gar nicht. Aber in diesen und ähnlichen Aussagen, die über die vergangenen Tage aus Philadelphia immer wieder zu hören waren, schwingt vor allem eines mit: Eine gehörige Portion Nervosität.

Die ganze Stadt scheint davon erfasst und ist elektrisiert, es gibt in Philly seit Wochen kaum ein anderes Thema. Alles fiebert auf das Playoff-Spiel gegen Atlanta hin und kaum jemand weiß, was er erwarten oder mit welchem Gefühl er in die Partie gehen soll. Die Verletzung von Carson Wentz hat das NFC-Playoff-Bild gehörig durcheinandergewirbelt, denn obgleich sich Philadelphia den Top-Seed nicht mehr nehmen ließ, würde kaum jemand die Eagles als das beste Team in den NFC-Playoffs bezeichnen.

Tatsächlich wäre es einfacher, den Spieß umzudrehen und dafür zu argumentieren, dass die Eagles das schlechteste der vier verbleibenden NFC-Teams sind. So zentral war Carson Wentz für den Erfolg. Nicht, weil er eine schlechte Offense im Alleingang getragen hätte, ganz im Gegenteil: Pederson und sein Trainerstab haben ein exzellentes Scheme auf den Platz gebracht, die Offensive Line gehört in die Top-5 - mindestens. Und neben Zach Ertz und Alshon Jeffery hat sich Nelson Agholor im Slot als veritable Waffe entpuppt.

Wentz' war aber der Spieler, der all diese Fäden einerseits zusammenführte, und der andererseits spektakuläre Fähigkeiten unter Beweis stellte, wenn es darum ging, Plays mit seiner Athletik auszudehnen und Fehler der Mitspieler auf diese Art auszubessern. Vor allem aber waren seine Leistungen bei Third Down teilweise fast übermenschlich. Gepaart mit der Downfield-Aggressivität, die zu zahlreichen Big Plays führte, war die Eagles-Offense so über weite Strecken der Saison die beste Offense der Liga.

Eagles: Hohe Erwartungen an Nick Foles

Auch nur eine ähnliche Produktivität von Foles zu erwarten, wäre dem Backup-Quarterback gegenüber nicht fair. Und doch ist es eine andere Stimmung, die sich rund um die Eagles seit Tagen konstant einfangen lässt: Die Offense wird für Foles nicht umgestellt - und die Coaches erwarten Downfield-Pässe von ihrem Quarterback.

"So sehr wir auch unser Run Game aufziehen wollen: Wir müssen im Passing Game aggressiv bleiben", brachte es Offensive Coordinator Frank Reich auf den Punkt. "Nick hat im Laufe seiner Karriere bewiesen, dass er dazu in der Lage ist, und das auf gutem Niveau. Er will den Ball das Feld runter werfen, er hat einen aggressiven Ansatz. Nick ist kein Quarterback, der das Kurzpassspiel bevorzugt."

Dass die Offense mit Foles weiter bei ihren Game Plans bleibt und den Quarterback nicht versteckt, wurde im Saison-Endspurt deutlich: Foles absolvierte zwei Spiele komplett (bei den Giants und gegen die Raiders), in beiden warf er je 38 Pässe. Die Mär von der Downfield-Aggressivität, die Foles vermeintlich mitbringt, konnte dabei allerdings nicht bekräftigt werden.

Foles als Downfield-Passer? Bestenfalls durchschnittlich

Foles steht in dieser Saison bei 5,3 Yards pro Pass, sein längster Pass, seitdem er als Starter übernommen hat, war ein 32-Yarder zu Jay Ajayi - ein kurzer Pass, den der Running Back dann das Feld runter trug. Sein längster Wurf beim Sieg über Oakland war ein 25-Yarder, das Spiel gegen die Raiders beendete Foles mit 0/12 bei Third Down. Ein krasser Gegensatz zu Wentz' Erfolg insbesondere in diesen Situationen.

In bisher vier Spielzeiten hat Foles über 250 Pässe geworfen, dabei kamen prozentual nur 38,3 (2015), 51,6 (2014), 48,7 (2013) und 46,3 Prozent (2012) durch die Luft zustande - der Rest waren Yards nach dem Catch. Ein realistischer, aggressiver Wert wäre in den mittleren 50ern oder gar niedrigen 60er Werten. Davon war Foles stets weit entfernt. In seiner Bilderbuch-Saison 2013 unter Chip Kelly hatte er zwar spektakuläre 9,1 Yards pro Pass, dabei profitierte er aber von einem damals spektakulären Scheme mit vielen Yards nach dem Catch.

Anders formuliert: Zu erwarten, dass Foles plötzlich eine aggressive Offense mit vielen langen Pass-Versuchen aufs Feld bringt, ist zumindest ein gewagter Ansatz. Das gilt umso mehr, da Atlantas Defense solche Pässe nur in überschaubarer Zahl zulässt - die Falcons haben in der Regular Season nur vier Passing Plays über 40 Yards zugelassen, lediglich Buffalo (3) war hier besser und auch bei Pässen über 20 Yards (43) rangiert Atlantas Defense noch in der Top-10.

Jeffery und Foles: Eagles-QB selbstkritisch

Die Eagles werden ihren offensiven Game Plan um das Run Game herum aufbauen (29,6 Runs pro Spiel in der Regular Season, Rang 6) und haben mit Ertz und Agholor sehr gute Waffen für den Slot und das generelle Underneath-Passing-Game. Hier werden aller Voraussicht nach die entscheidenden Plays passieren - doch Philadelphia braucht das Downfield-Game als Teil der Offense, um die Defense so häufig wie möglich aus der Box zu halten. Atlanta verfügt defensiv über jede Menge Geschwindigkeit auf dem Linebacker-Level und viel Qualität in der Secondary.

Auf die Eagles-Offense wartet also in jedem Fall eine schwere Prüfung, selbst mit Wentz wäre das der Fall - die starke Rams-Offense bekam das im Wildcard-Duell zu spüren. Und Foles selbst weiß, was er zu tun hat; zuletzt gab er sich offen kritisch was seinen Draht zu Receiver Alshon Jeffery angeht: "Ich muss ihm einfach den Ball geben. Ich vertraue ihm, ich habe ihn lange genug spielen sehen. Es geht wirklich nur darum, dass ich ihm eine Chance gebe - denn er wird die Plays machen. Er ist ein toller Receiver, das ist meine Verantwortung."

Man müsse, weiß Pederson aber auch, "Dinge finden, bei denen sich Foles wohlfühlt und die seinem Selbstvertrauen helfen. Wir müssen das Run Game wieder ins Rollen bringen, das wird seinem Selbstvertrauen helfen. Und wir müssen den Ball bei First und Second Down schneller aus seiner Hand bekommen. Diese Basics müssen wieder passen."

"Behandelt, als wären wir die Cleveland Browns"

Nimmt man all diese Faktoren zusammen - Foles' weitestgehend schwache Auftritte in den letzten Wochen der Saison, die Probleme bei Downfield-Pässen und bei Third Down, die historische Quote bei den Buchmachern, die deutlich verbesserte Falcons-Defense auf der anderen Seite - könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass die Eagles mehr oder weniger chancenlos in die Partie am Samstagabend gehen. Und damit würde man einem starken Team Unrecht tun.

"Jeder denkt, dass wir das schwächste Team in den Playoffs sind, und das ist okay", brachte es Right Tackle Lane Johnson auf den Punkt. "Wenn die Leute uns unterschätzen wollen, von mir aus. Wir werden ja am Samstag sehen, was passiert. Wir wissen, was die Leute sagen. Was mich gestört hat, war, dass wir damals (kurz nach der Wentz-Verletzung, d. Red.) bei 12-2 standen und man uns behandelt hat, als wären wir die Cleveland Browns. Wir können die Meinung der Leute über uns verändern."

Denn bei allen Fragezeichen, die der unfreiwillige Quarterback-Tausch mit sich bringt, gilt auch: Die Eagles hatten in der Regular Season eine Elite-Front und insbesondere eine der besten Defensive Lines - möglicherweise die beste überhaupt - in der NFL. Philly ist hier vor allem gegen den Run extrem dominant, verteidigte über weite Strecken aber auch den Pass sehr gut. Allerdings sind Fehler hier tabu, Auftritte wie beim 34:29 gegen die Giants im ersten Spiel nach der Wentz-Verletzung darf es von der Defense in den Playoffs nicht geben.

Wie attackieren die Eagles die Atlanta Falcons?

Das bedeutet ganz konkret, dass Philadelphia mit seiner Defensive Line das Spiel bestimmen muss. Atlanta fand gegen die Rams immer wieder vereinzelt Erfolge im Run Game, während Matt Ryan dem herausragenden Aaron Donald oftmals auswich und außerhalb der Pocket glänzte und die Defense kaum etwas zuließ. Die beste Chance für die Eagles, eine Wiederholung dieses Szenarios zu verhindern, ist ein dominanter Auftritt der Defensive Line. Insbesondere auf den Guard-Spots ist Atlanta hier schlagbar, Philly sollte die Guards mit Stunts und Blitzes attackieren.

Die wahre Aggressivität im Game Plan der Eagles und vor allem in der Umsetzung auf dem Platz dürfte so auf der defensiven Seite des Balls zu beobachten sein. Offensiv muss das Run Game früh ins Rollen kommen, Philadelphia sollte hier versuchen, seine athletischen Linemen auf die schnellen aber in dem Szenario physisch klar unterlegenen Falcons-Linebacker zu bekommen. Mit LeGarrette Blount und Jay Ajayi verfügen die Eagles über die Running Backs, um hieraus Kapital zu schlagen - Blount war in dieser Saison noch immer einer der besten Running Backs in puncto Yards nach Gegnerkontakt.

"Unter dem Strich ist es mir lieber", gab Lane Johnson dann sogar zu, "wenn die Leute uns an uns zweifeln, als wenn sie uns alle auf die Schultern klopfen würden." Die Motivation jedenfalls wird kein Problem sein: Die Stimmung rund um das Team, bei den Fans und den Eagles-nahen Medien kippte in eine andere Richtung, als die Quoten der Buchmacher bekannt wurden.

Dass die Falcons als Nummer-6-Seed als Favorit gehandelt werden, hat bei den Eagles-Anhängern, die nicht gerade für ihr zahmes Gemüt bekannt sind, eine Trotzreaktion hervorgerufen. Das Stadion wird laut sein, sehr laut, und es wird an Philadelphias Defense liegen, auch daraus möglichst früh Kapital zu schlagen. Nur dann nutzt es auch tatsächlich etwas, wenn Nick Foles - um in Pedersons Appell zu bleiben - "er selbst" ist.