Malcolm Butler mag sich einen Fehltritt - welcher Natur auch immer - rund um den Super Bowl geleistet haben. Er war aber auch der stabilste Patriots-Cornerback über die letzten Jahre und ist ein ausgezeichneter Man-Cover-Corner.
Danny Amendola ist in die Jahre gekommen, keine Frage. In den Playoffs aber hat er jetzt mehrfach gezeigt, inklusive der vergangenen Saison, dass Tom Brady und die Patriots auf ihn zählen können, wenn es darauf ankommt.
Nate Solder ist kein Top-5-Left-Tackle, aber er ist ein solider, verlässlicher Spieler auf einer Position, auf der diese Attribute ganz besonders wichtig sind. Und er war jetzt über mehrere Jahre Bradys Blindside-Protector, dazu gehört die vergangene Saison, in der New England mehr Downfield-Konzepte einbaute und Brady angesichts seines Alters umso besser geschützt werden muss.
Und Dion Lewis? Der war neben Rob Gronkowski zuletzt die größte Mismatch-Waffe in New England. Ein Running Back, der auch als Receiver gehörigen Schaden anrichten und auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden kann. Via Pre-Snap-Motion konnte er so dabei helfen, Coverages zu enttarnen, während er gleichzeitig auch ein zunehmend besserer Runner wurde.
All diese vier Spieler sind weg. Lewis und Butler unterschrieben in Tennessee, Amendola bei Division-Rivale Miami und Solder zog es zu den Giants. Ein einheitliches Muster bei allen vieren: Alle kassieren bei ihren neuen Teams entschieden mehr, als sie in New England bekommen haben und bekommen hätten.
Free Agency: Patriots wollen nicht mitbieten
Etwas detaillierter: Amendola erhält in Miami in der kommenden Saison mehr, als in mehreren Jahren bei den Pats zusammen genommen, Butler wird wie ein Nummer-1-Corner bezahlt und die Giants haben Solder mal eben zum bestbezahlten Offensive Lineman der NFL gemacht.
Das sind einerseits Reflektionen des Markts - insbesondere in der Offensive Line gab es nicht viel zu holen - andererseits aber auch ein jährliches Free-Agency-Phänomen: Gute Spieler, die auf den Markt kommen, werden überbezahlt.
Die Patriots sind ein Team, das bei diesem Spiel nur zu gerne aussetzt.
Fraglos war die vergangene Saison hier eine Ausnahme, hat New England vor einem Jahr doch mit Cornerback Stephon Gilmore einen der dicksten Free-Agency-Fische 2017 an Land gezogen. In diesem Jahr aber sieht man nichts anderes, als ein Free-Agency-Vorgehen, wie es sich Bill Belichick wünscht: geprägt von Geduld und Cleverness.
New England: Compensatory Picks und Trades
Schon jetzt kann man getrost davon ausgehen, dass die Patriots bei den Compensatory Draft Picks aus diesem Jahr ganz vorne mit dabei sind. Das liegt einerseits an den teuren Verträgen, welche die Ex-Patriots anderswo bekommen haben, andererseits aber auch daran, dass sich New England selbst auf dem freien Markt kaum verstärkt hat.
Mit Adrian Clayborn wurde die dringende Edge-Baustelle adressiert, Running Back Jeremy Hill und Tackle Matt Tobin sind günstige Rotationsspieler. Da neben dem Gehalt auch die Einsatzzeit in die Compensatory-Formel einfließt, wird New England klar auf der Plus-Seite herauskommen.
Dieser Ansatz geht Hand in Hand mit Belichicks Vorliebe für Trades, die auch im Vorjahr eindrucksvoll sichtbar wurde - und Trades, ein netter Zusatz, zählen nicht in die Compensatory-Formel. Mit Kony Ealy, Dwayne Allen und Brandin Cooks schlug Belichick auf diese Art und Weise im vergangenen Frühjahr gleich drei Mal zu, auf die gleiche Zahl kommt New England dieses Jahr schon jetzt. Und die Verstärkungen machen schon fast erschreckend viel Sinn.
Patriots-Trades: Patterson, Shelton und McCourty als gute Verstärkungen
Der jüngste Trade für Cordarrelle Patterson legte nahe, dass Matthew Slater das Team verlassen würde. Stattdessen gelang es New England, Slater ebenfalls zu halten und so haben die Patriots nicht nur den wohl besten Kick-Returner der Liga in Patterson. Slater und Patterson gemeinsam sind ohne jede Frage das beste Gunner-Duo in der NFL.
Kaum ein Team legt ansatzweise so viel Wert auf das Special Team wie Belichick und die Patriots, das Vorgehen hier unterstreicht das. Einen ähnlich großen Einfluss dürfte der Trade für Danny Shelton haben: Shelton gibt den Patriots eine massive Präsenz an der Defensive Line, ein Spieler, der Räume schafft und seine Position hält.
Im Scheme der Browns war das nicht mehr gefragt, bei den Patriots ist es genau das, was New England in der Interior Line braucht. Shelton und Malcom Brown werden es Gegnern in der kommenden Saison jedenfalls sehr schwer machen, durch die Mitte zu laufen. Shelton und Clayborn sollten in der 4-3-Base-Front für deutlich mehr Stabilität und Gap-Kontrolle sorgen, eine der zentralen Vorgaben unter Belichick.
Der Dritte im Bunde ist Jason McCourty. Der wird nicht nur mit seinem Bruder - Patriots-Safety Devin McCourty - vereint, McCourty hatte in Cleveland zuletzt auch eine sehr gute Saison. Er ist ein anderer Cornerback-Typ als Malcolm Butler, sollte aber, für deutlich weniger Geld, gut in die Nummer-2-Rolle hinter Gilmore passen.
Die Patriots Draft Picks im Überblick:
Runde | Pick | Overall-Pick |
1 | 31 | 31 |
2 | 11 | 43 |
2 | 31 | 63 |
3 | 31 | 95 |
4 | 36 | 136 |
6 | 36 | 210 |
7 | 1 | 219 |
New England zwischen Free Agency und Draft: Baustellen bleiben
All das soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Patriots noch Baustellen haben. Die Tackle-Position steht hierbei ganz oben auf der Prioritätenliste, insbesondere, falls es New England nicht gelingt, wenigstens einen der beiden eigenen Free-Agent-Tackles Cameron Fleming und LaAdrian Waddle noch zu halten. Die Pats haben in der vergangenen Regular Season 587 Pässe geworfen, der siebthöchste Wert.
Die 84 zugelassenen QB-Hits dagegen rangieren im Mittelfeld (Rang 18), was einerseits Bradys exzellentem Pocket-Verhalten, andererseits aber auch einer sich im Laufe der Saison verbesserten Offensive Line zuzuschreiben ist. Soll das Downfield-Game weiter einen ähnlich großen Anteil haben, wird New Englands Offensive Line erneut ins obere Liga-Drittel gehören müssen.
Die gute Nachricht dabei: Im Gegensatz zu einigen früheren Jahren aber hat New England dieses Mal Draft-Kapital - und gerade gegen Ende der ersten Runde könnte es einige gute Tackle-Prospects geben. Die Patriots verfügen über vier Picks in den ersten drei Runden, darunter 31 und 43 Overall.
Die Patriots-Offense: Edelman ändert alles
Die weiteren Abgänge offensiv aber werden weniger ins Gewicht fallen, als man möglicherweise auf den ersten Blick denken könnte. Das Comeback von Julian Edelman bietet über Amendola gar ein Upgrade und gibt Brady seinen wichtigsten Receiver, mit dem er eine bessere Chemie und Abstimmung hat als mit jedem anderen Passfänger, zurück.
Lewis wird mit einer Kombination aus Rex Burkhead - der gerade einen neuen Vertrag unterschrieben hat - und Jeremy Hill aufgefangen. Lewis' und Amendolas Rollen im Return Game werden durch Patterson aufgefangen.
Und so sind die Pats unter dem Strich individuell schlechter, als noch vor drei Wochen, daran gibt es kaum einen Zweifel. Allerdings war es unter Belichick noch nie der Ansatz, das individuell am stärksten besetzte Team der Liga zu sein. Die Aufteilung des diesjährigen Salary Caps bestätigt das, wichtiger ist es, dass die entsprechenden Rollen - unter anderem defensive Gap-Kontrolle, offensive Option-Routes nach korrektem Lesen der Defense - zuverlässig ausgeführt werden.
Unter dem Strich geht New England mit einigen konkreten Needs in den Draft, Tackle und Linebacker gehören sicherlich dazu. Doch ist die Lage in Foxboro auch jetzt schon weit von dem Panik-Level entfernt, den manch einer den Patriots gerne zuschieben würde.