Der Draft rückt immer näher und noch mehr als sonst ruht in diesem Jahr der Fokus auf den Quarterbacks: Die Qualität hier ist nicht nur in der Spitze ungewöhnlich tief, auch äußerst unterschiedliche Spielertypen stechen heraus. Das sorgt in der Summe für eine wahnsinnig spannende Quarterback-Klasse, in seiner wöchentlichen NFL-Kolumne nimmt SPOX-Redakteur Adrian Franke die fünf Top-Kandidaten ausführlich unter die Lupe.
NFL Draft: Quarterbacks-Analyse im Überblick
Josh Rosen, UCLA, Draft Report:
Die Dynamik, die sich in den vergangenen Wochen rund um Josh Rosen entwickelt hat, hat mit Football eigentlich wenig zu tun - und könnte seinen Draft-Aktien dennoch einen mehr als empfindlichen Schlag verpassen. Nachdem Rosens ehemaliger College-Coach Jim Mora bereits gesagt hatte, dass Cleveland mit dem ersten Pick eher Sam Darnold nehmen sollte, weil der besser nach Cleveland passe, legte Mora jüngst nach.
Im Gespräch mit dem Monday Morning Quarterback erklärte Mora: "Josh muss intellektuell herausgefordert werden. Andernfalls langweilt er sich. Er ist ein Millennial, er will den Grund hinter den Dingen wissen. Josh hat viele Interessen. Wenn man seine Konzentration und seinen Fokus für ein paar Jahre ausschließlich auf Football richten kann, dann kann er die Welt erobern. Er hat viel Potential, er ist ein guter Junge."
Man könnte auch sagen: Moras Statement steht sinnbildlich für ein großes Problem in der NFL. Warum sollte es schlimm sein, wenn ein Spieler abseits des Platzes andere Interessen hat? Warum sollte gerade das potenzielle Gesicht der Franchise nicht auch ein unabhängiger Kopf mit eigenen Gedanken sein? Es ist die Angst der alten Garde, dass ein Spieler Dinge hinterfragen und ohne "Ich bin nur Football"-Scheuklappen in der NFL bestehen, gar erfolgreich sein könnte.
Rosen hat ohne jede Frage die Mittel, um genau das zu erreichen. Kein Quarterback in dieser Draft-Klasse ist technisch auch nur ansatzweise so weit, keiner ist näher dran an einem NFL-Quarterback. Der einstige Tennis-Spieler bewegt sich mit subtilen und gleichzeitig runden Bewegungen sowie schnellen Füßen in der Pocket, er liest das Feld und die Defense. Dabei agiert Rosen geduldig und gibt seinen Receivern eine Chance, die Route-Konzepte auch umzusetzen.
Wenn man schon den intellektuellen Ansatz wählen will, dann sollte man den zumindest auch aufs Sportliche übertragen: Rosen agierte bei UCLA häufig hinter einer löchrigen Offensive Line, ohne nennenswertes Run Game sowie mit anhaltenden Drop-Problemen, umso wichtiger wurde seine Fähigkeit, das Spiel und die Defense schneller zu lesen, auf bestimmte Coverages oder Pass-Rushs zu reagieren, sich einen schnellen Release anzueignen und die Augen Downfield zu halten.
Auch erwischt er Defenses immer wieder auf dem falschen Fuß, etwa bei einer Auswechslung. Eine Aaron-Rodgers-Spezialität, mit dem Rosen schon zusammengearbeitet hat.
Die Konsequenz daraus: Rosen ist schon jetzt in der Lage, Verteidiger mit seinen Augen oder kleinen Bewegungen zu manipulieren, er verarbeitet Dinge schnell, setzt sie schnell um und passt Spielzüge teilweise auch vor dem Snap an.
Würde man sich nur ein Tape von Rosen anschauen wollen - wozu ich generell nie rate - dann wäre es das gegen Texas A&M: Nach anfänglichen Schwierigkeiten (vor allem mit Inside Pressure hat Rosen häufiger noch Probleme) sowie wenig Unterstützung durch die eigene Defense führte A&M bereits mit 44:10. Rosen trieb UCLA zu einem spektakulären Comeback und drehte die Partie tatsächlich noch. 45:44 hieß es am Ende.
Josh Rosens College Statistiken:
Jahr | Spiele | Completions/Pässe | Pass% | Yards | Yards/Attempt | Touchdowns | Interceptions |
2015 | 13 | 292/487 | 60 | 3.669 | 7,5 | 23 | 11 |
2016 | 6 | 137/231 | 59,3 | 1.915 | 8,3 | 10 | 5 |
2017 | 11 | 283/452 | 62,6 | 3.756 | 8,3 | 26 | 10 |
Zusammenfassung: Josh Rosen, drei Schwächen und Stärken:
Stärken:
- Mechanisch der beste Quarterback im Draft - auch mit Blick auf die jüngere Vergangenheit. Bewegungen sind extrem flüssig, Fußarbeit herausragend, Rosen bringt sich selbst permanent in Position, um zu passen.
- Rosen liest das Feld dabei schon sehr gut, seine Pässe kommen meist mit Antizipation, akkurat und dem richtigen Timing. Dabei und deshalb trifft er auch regelmäßig engste Fenster über die Mitte und gibt seinen Receivern die Chance, Yards nach dem Catch zu produzieren.
- Bewegt sich gut in der Pocket, bringt Erfahrung under Center mit, änderte Spielzüge an der Line of Scrimmage je nach Aufstellung der Defense.
Schwächen:
- Verletzungshistorie könnte einige Teams etwas abschrecken, Rosen hatte im College bereits mehrere Gehirnerschütterungen sowie eine Schulterverletzung.
- Reads und Accuracy müssen noch konstanter werden. Vor allem im Deep-Passing-Game ist Rosen noch sehr inkonstant, hier hat er eine enorme Bandbreite. Wird gelegentlich zu aggressiv, gerade über die Mitte.
- Inside Pressure ist ein Problem. Auf Tape ist immer wieder sichtbar, dass sich Rosen nicht sonderlich wohl fühlt, wenn er sich aus der Pocket bewegen muss.
Drop-Percentage 2017 (laut Pro Football Focus): 11,01 Prozent.
Sam Darnold, USC, Draft Report:
Wer die Draft-Vorberichterstattung bislang eher oberflächlich verfolgt hat, der dürfte inzwischen zu dem Schluss gekommen sein, dass Sam Darnold der beste Quarterback im Draft sein muss. Die allermeisten Mocks nämlich sehen ihn beim First Overall Pick nach Cleveland, spätestens seitdem er auch bei seinem Pro Day im Regen überzeugte. Für viele Experten ist Darnold der Nummer-1-Quarterback im diesjährigen Draft.
Diese Einschätzung teile ich überhaupt nicht.
In meinen Augen war Darnolds Tape vielmehr eines der frustrierenderen QB-Tapes in diesem Jahr. Nicht etwa, weil Darnold schlecht wäre, sondern eher, weil man das Potential immer wieder sieht - diese Momente aber wie ein Teaser fungieren, dem das Gesamtprodukt dann nicht gerecht wird.
Was ich damit meine: In Darnolds guten Momenten sind seine Accuracy sowie das Ball Placement spektakulär. Dann geht er durch seine Reads, legt sich die Defense mit kleineren Bewegungen in der Pocket zurecht und feuert einen nahezu perfekten Ball in den Lauf seines Receivers. Hier erkennt man komplett, wo der Hype herkommt.
Das Problem dabei allerdings ist die Tatsache, dass Darnold diese Dinge mitnichten konstant abrufen kann und stattdessen genauso in der Lage ist, einen Drive oder auch ein Spiel komplett wegzuwerfen.
Denn zwei Dinge springen bei Darnolds Tape nur so ins Auge: Die Tendenz, mit furchtbaren Read-Fehlern Interceptions zu werfen sowie zu späte Pässe, die oft zu (Beinahe-)Turnover führen und - das ist ein weiterer alarmierender Part - in Darnolds Technik begründet sind. Eine zu ausladende Wurfbewegung in Kombination mit schlechter Beinarbeit ist mit Blick auf die NFL eine Kombination, die so manchem Coach einen kalten Schauer über den Rücken jagen dürfte.
Diese Dinge können repariert werden, das aber wird Zeit brauchen. Darnold hat ohne Frage Potential und ist in seiner Entwicklung deutlich weiter als etwa Josh Allen. Um ein NFL-Starter und Nummer-1-Pick, der diesem Status gerecht wird, zu werden, hat er technisch aber noch viel Arbeit vor sich.
Sam Darnolds College Statistiken:
Jahr | Spiele | Completions/Pässe | Pass% | Yards | Yards/Attempt | Touchdowns | Interceptions |
2015* | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
2016 | 13 | 246/366 | 67,2 | 3.086 | 8,4 | 31 | 9 |
2017 | 14 | 303/408 | 63,1 | 4.143 | 8,6 | 26 | 13 |
*) Wurde in seinem Freshman-Jahr als Redshirt geführt.
Zusammenfassung: Sam Darnold, drei Schwächen und Stärken:
Stärken:
- In punkto Reads schon sehr weit, Darnold manipuliert Verteidiger mit seinen Augen und ist ein guter Passer auch außerhalb der Struktur des Plays sowie aus schwieriger Plattform.
- Attackiert die Schwachstellen der Defense und ist ein guter On-the-Move-Passer. Gunslinger-Mentalität und -Skillset ist insbesondere hier ein großer Vorteil.
- Seine Accuracy ist in guten Momenten die beste dieser Klasse.
Schwächen:
- Accuracy allerdings ist massiv inkonstant. Hier hat Darnold auch bedingt durch eine mitunter wilde Fußarbeit in Kombination mit schlechtem Timing was Dropback und Route angeht viel zu häufig heftige Wackler in seinem Spiel, das gilt auch für seine Reads. Darnold scheint teilweise Verteidiger schlicht zu übersehen, teilweise scheint er seinen Arm zu überschätzen.
- Das führt zu hässlichen Turnovern. Es ist kein Fehler, dass sich Darnold in der vergangenen Saison insgesamt 13 Picks sowie 9 verlorene Fumbles geleistet hat.
- Ein Teil bei den (Beinahe-)Interceptions, wo der Wurf zu spät zu kommen scheint, ist auch Darnolds Wurfmechanik. Hier zeigt er mitunter eine sehr ausladende Wurfbewegung, die zu einem unnötig langen Release führt.
Drop-Percentage 2017 (laut Pro Football Focus): 6,81 Prozent.
Baker Mayfield, Oklahoma, Draft Report:
Man konnte die vergangene College-Football-Saison nicht verfolgen, ohne auf Baker Mayfield aufmerksam zu werden. Oberflächlich betrachtet aufgrund seines Temperaments: Gegen Kansas leistete sich Mayfield eine berüchtigte Geste, nachdem die Kansas-Spieler vor der Partie den Handschlag verweigert sowie sich einige Late Hits geleistet, sportlich aber keinerlei Antworten für Mayfield hatten. Nach dem Spiel gegen Ohio State rammte er die Oklahoma-Flagge in das Ohio-Logo auf dem Rasen.
Weniger oberflächlich betrachtet aber kam man auch an Mayfields herausragenden sportlichen Leistungen nicht vorbei. Mayfield war der beste Big-Play-Quarterback der vergangenen College-Saison, während er gleichzeitig eine - nicht nur statistisch und durch das Scheme gepushte - herausragende Accuracy aus der Pocket an den Tag legte.
Mit seinem spektakulären Pocket-Movement sowie seinen Scrambles erinnert er unweigerlich an Seattles Russell Wilson; Mayfield hat das Talent, Plays auszudehnen und dann, wenn die Coverage einbricht, einen Dolch durch das Herz der Defense zu jagen.
Seine emotionale Art, die eher Quarterback-untypische Statur und die spektakulären Big Plays sorgten schnell für Vergleich zu Johnny Manziel, doch sind die vor allem eines: faul.
Das hat primär zwei Gründe. Mayfield ist, im Gegensatz zu Manziel, kein One-Read-Scrambler. Mayfield vielmehr geht konstant durch seine Reads und sucht zuerst den Pass, anstatt blind loszulaufen, wenn sein Wunsch-Read zu ist. Er hat große Freiheiten an der Line of Scrimmage, Mayfields Pocket-Spektakel hat so gesehen Methode und einen Sinn.
Darüber hinaus ist Mayfield weit von dem Risiko-Passer, der Manziel im College war, entfernt. Sein Ball Placement ist toll, Mayfield findet und bedient offene Receiver über die Mitte mustergültig, er glänzt gegen Pressure und weiß vor dem Snap sowie während des Plays ganz genau, was er sieht und was passiert. Wo bei Manziel Chaos herrschte, gibt es bei Mayfield kalkuliertes Risiko.
Baker Mayfields College Statistiken:
Jahr | Spiele | Completions/Pässe | Pass% | Yards | Yards/Attempt | Touchdowns | Interceptions |
2014 | 8 | 218/340 | 64,1 | 2.315 | 6,8 | 12 | 9 |
2015 | 13 | 269/395 | 68,1 | 3.700 | 9,4 | 36 | 7 |
2016 | 13 | 254/358 | 70,9 | 3.965 | 11,1 | 40 | 8 |
2017 | 14 | 285/404 | 70,5 | 4.627 | 11,5 | 43 | 6 |
Zusammenfassung: Baker Mayfield, drei Schwächen und Stärken:
Stärken:
- Pocket-Movement ist das beste dieser Klasse. Mayfield geht dabei durch seine Reads, weicht Pass-Rushern genauso subtil wie effizient aus und verschafft entweder sich selbst - Mayfield ist ein gefährlicher Scrambler - oder seinen Receivern Zeit. Mayfield gibt ein Play nur selten auf, erinnert dabei häufig an Russell Wilson. Dabei erzwingt er den Wurf (meist) nicht, sondern wartet, bis sich eine Lücke auftut.
- Auch als Passer über die Mitte macht niemand in dieser Klasse Mayfield etwas vor. Mayfield liest die Defense schnell und weiß, wo sich mögliche Lücken auftun. Run Pass Options waren für Oklahoma so eine gefährliche Waffe, genau wie Pässe zu den Tight Ends und Running Backs über die Mitte. Dabei täuscht Mayfield Verteidiger auch gezielt mit seinen Augen.
- Accuracy ist eine enorm wichtige Eigenschaft für Quarterbacks auf dem Weg in die NFL und Mayfield glänzt in diesem Bereich. Zeigt immer wieder spektakuläres Ball Placement und bringt Pässe zwischen zwei Verteidiger oder perfekt in den Laufweg seines Receivers.
Schwächen:
- Der größte Kritikpunkt bei Mayfield ist die Offense, aus der er kommt: Ein enormer Screen-Pass-Anteil - 20,2 Prozent von Mayfields Pässen 2017 waren Screens - sowie Play-Designs, die ihm auch anderweitig viele offene Passoptionen geben, sind so auf die NFL nicht übertragbar. Dann wird sich auch zeigen müssen, ob bei konstant engeren Fenstern seine Armstärke ein Problem ist.
- Mayfield wird in der NFL mit weniger Risiko spielen müssen. Das gilt teilweise auch für seine Pässe, vor allem aber für seine Scrambles. Hier steckte er schon im College zu viele unnötige Hits ein, was Scouts aufgrund seiner vergleichsweise geringen Größe ohnehin als Problem sehen werden.
- Für manche Teams wird Mayfields "lautstarke" Persönlichkeit ein Problem sein, abseits des Platzes bringt er ebenfalls eine Vorgeschichte mit: Mayfield wurde im Februar 2017 wegen öffentlicher Trunkenheit festgenommen, nachdem er versucht hatte, der Polizei zu entkommen.
Drop-Percentage 2017 (laut Pro Football Focus): 9,49 Prozent.
Lamar Jackson, Louisville, Draft Report:
Lamar Jackson hätte sich den Pre-Draft-Prozess definitiv einfacher machen können. Beispielsweise, indem er sich einen Berater geholt hätte, der ihn durch die Team-Besuche navigiert, ihn darauf vorbereitet, was Teams von ihm wissen wollen und dabei hilft, Treffen mit Team-Verantwortlichen zu koordinieren. Jackson entschied sich stattdessen dafür, seiner Mutter den administrativen Part übernehmen zu lassen.
Er hätte bei der Combine oder zumindest beim Pro Day zum 40-Yard-Sprint antreten können, um seine ungeheure Explosivität auch statistisch unter Beweis zu stellen. Jackson aber entschied sich dagegen, mutmaßlich auch deshalb, weil mehrere Experten ihm in den vergangenen Wochen dazu geraten haben, sich als Wide Receiver zu versuchen und auch einige Teams bei der Combine Jackson wohl gerne in den Receiver-Drills gesehen hätten.
Für Jackson aber war schon immer klar: Er ist ein Quarterback. In Louisville wissen sie das schon lange. Als Head Coach Bobby Petrino Jackson im Training 2015 - damals war er noch nicht der Starter - als Punt-Returner ausprobierte, klingelte einem Bericht der Sports Illustrated zufolge wenig später sein Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Jacksons Mutter, die Petrino daran erinnerte, dass er, als er Jackson rekrutierte, das Versprechen abgegeben hatte, ihn nur als Quarterback einzusetzen.
Das Tape verrät, dass ein Positionswechsel keineswegs notwendig ist. Jackson ist ein Quarterback, und ein äußerst talentierter noch dazu. In jedem College-Jahr hat er sich - nicht nur statistisch - als Passer verbessert, während Petrino parallel die Offense kontinuierlich anspruchsvoller gestaltete. Die Idee, das Jackson durch die Gefahr, die er als Runner ausstrahlt, primär simple Reads hatte, ist schlicht nicht korrekt.
Vielmehr kam Louisvilles Passing-Offense der von Scouts so geliebten "Pro Style Offense" näher als die meisten Schemes im College. Heißt: Full-Field-Reads, die komplette Progression durchlaufen, Timing und Rhythmus im Passspiel und komplexe Route-Kombinationen. Selbst der Anteil der Under-Center-Formationen ging nach oben.
Petrino lässt eine Version der Erhardt-Perkins Offense spielen, wie man sie etwa von den New England Patriots kennt. Dazu gehören auch Option Routes und komplexere Reads, die vom Quarterback verlangt werden, genau wie Pre-Snap-Adjustments, die in der Verantwortung des Quarterbacks liegen. Konzepte wie diese sind NFL-Konzepte, die vom Quarterback schnelle und korrekte Reads verlangen.
Jackson hat bewiesen, dass er dazu in der Lage ist und eine der komplexeren College-Passing-Offenses beherrscht. Schuldig dagegen ist er noch den Beweis, dass er konstant mit Accuracy agieren kann. Bei Jackson wechseln sich herausragende Pässe noch entschieden zu häufig mit bitteren Fehlwürfen ab. Dabei handelt es sich primär um ein technisches Problem, welches reparierbar ist, aber Zeit brauchen könnte.
Natürlich ist Jacksons Athletik ein Faktor und das Team, das ihn draftet, wäre dumm, sich diese nicht zunutze zu machen. Doch ist Jackson keineswegs als Passer so limitiert, dass man die Offense um ihn als Runner herum aufbauen muss. Vielmehr kann man Zone Reads und Run Pass Options als wichtige Elemente einer fortgeschrittenen Passing Offense nutzen. All das aber kommt unter der Prämisse, dass NFL-Coaches Jacksons Beinarbeit Konstanz verleihen können.
Lamar Jacksons College Statistiken:
Jahr | Spiele | Completions/Pässe | Pass% | Yards | Yards/Attempt | TD | INT | Runs | Yards | TD |
2015 | 12 | 135/247 | 54,7 | 1.840 | 7,4 | 12 | 8 | 163 | 960 | 11 |
2016 | 13 | 230/409 | 56,2 | 3.543 | 8,7 | 30 | 9 | 260 | 1.571 | 21 |
2017 | 13 | 254/430 | 59,1 | 3.660 | 8,5 | 27 | 10 | 232 | 1.601 | 18 |
Zusammenfassung: Lamar Jackson, drei Schwächen und Stärken:
Stärken:
- Die unfassbare Athletik springt sofort ins Auge. Jackson ist explosiv, nimmt als Runner gute Winkel und hat die Top-Geschwindigkeit sowie die Beweglichkeit, um auch Verteidiger in vermeintlich guter Position ziemlich alt aussehen zu lassen.
- Gleichzeitig aber zeigt Jackson auch vielversprechende Züge als Passer: Er findet Lücken insbesondere in der Zone Coverage und seine Pässe kommen dann mit Antizipation. Dabei beweist er immer wieder ein hohes Verständnis für die Coverage und bewegt Verteidiger dahin, wo er sie haben will.
- Sein Ball Placement ist mitunter spektakulär, Jackson steht in der Pocket, sucht den Pass und geht durch seine Reads. Er läuft keineswegs blindlings los, wenn sein erster Read zugestellt ist: Laut Pro Football Focus kamen 73 Prozent seiner Rushing-Yards bei geplanten Runs zustande, nur 27 Prozent waren Scrambles.
Schwächen:
- Das große Thema ist die Accuracy, konkreter die inkonstante Accuracy. Im einen Moment wirft Jackson den wunderbarsten Touch-Pass, nur um im nächsten Moment einen Receiver komplett zu verfehlen. Das maßgebliche Problem dabei ist seine Beinarbeit: Jacksons Füße stehen häufig viel zu nah beieinander, aus dieser Grundstellung kommen seine Pässe ungenau. Das muss korrigiert werden, schon im College entstanden so hässliche Turnover.
- In punkto Reads ist nur eine Sache negativ aufgefallen: Jackson übersieht gelegentlich Underneath-Verteidiger, wenn er Routes dahinter liest.
- Seine Athletik erlaubt es Jackson, Plays auszudehnen und sich Zeit zu verschaffen. Allerdings neigt er dazu, es hier zu übertreiben und so unnötige Sacks zu kassieren. Auch leistete sich Jackson bei Option-Plays immer wieder mal den falschen Read und behielt den Ball, wenn er ihn an seinen Running Back hätte abgeben müssen.
Drop-Percentage 2017 (laut Pro Football Focus): 12,04 Prozent.
Josh Allen, Wyoming, Draft Report:
In einem Draft, in dem man mit Lamar Jackson ein Prospect hat, über das mehr als kontrovers diskutiert wird und bei dem mehrere Experten gar zu einem Positionswechsel raten, gehört schon einiges dazu, ein noch kontroverseres Prospect zu sein. Josh Allen schafft diese Herausforderung mühelos.
Wer sich ein wenig mit Allen beschäftigt, dem wird auch schnell klar, warum: Kein Quarterback in dieser Klasse hat die physischen Tools, die Allen mitbringt. Und umgekehrt ist auch keiner der Top-Quarterbacks so roh und so inkonstant wie Wyomings Passer. Das sorgt schnell für massiv unterschiedliche Meinungen, insbesondere wenn die Meinungen von Tape-Analysten, Insider-Analysten und NFL-Vertretern kollidieren.
Ein Problem dabei: Die Vorstellung von Allen, beziehungsweise von dem, was Allen sein kann, hat über die vergangenen Wochen das, was Allen aktuell tatsächlich ist, in der Betrachtung mancher (großer) Experten so in den Hintergrund gedrängt, dass man den Eindruck bekommt, dass aus Potential quasi schon Realität geworden ist.
Und das Potential ist enorm. Allens Armstärke ist etwa bei Out-Routes, genau wie bei Pässen in engste Fenster zu sehen und sein Downfield Game kann wundervoll anzuschauen sein. In der Pocket ist er schwer zu Boden zu bringen, seine Power und Athletik ist auch als Runner sichtbar.
Hier aber kommt man zum Knackpunkt: Armstärke ist eine der am meisten überbewerteten Quarterback-Eigenschaften. Eine gewisse Armstärke ist notwendig, keine Frage; alles darüber hinaus aber rückt schnell in den "Luxus-Bereich". Passgenauigkeit, Technik, Spielverständnis, Reads, Beinarbeit - diese Dinge sind wichtiger. Dennoch wird Armstärke teilweise noch immer extrem hoch auf der Prioritätenliste angesetzt, mit der Idee, dass man den Rest ja beibringen kann. Wurfkraft aber nicht.
Allens Inkonstanz aber stellt diese Idee auf eine harte Probe. Mitunter verfehlt er simpelste kurze Pässe, ist auf alle Distanzen ungenau. Dazu kommen massive Read-Probleme und Würfe in Coverage, schlechtes Verhalten in der Pocket und Unbeständigkeiten bei Timing und Antizipation.
Häufig verlässt er sich darüber hinaus zu sehr auf seinen Arm, vernachlässigt dabei die Technik beim Pass und unterschätzt Verteidiger, die in den Passweg springen. Derartige Pässe sieht man von Allen immer und immer wieder und man darf zumindest daran zweifeln, dass Allen eher auf seine Mechanik baut, nur weil er in der NFL möglicherweise eine bessere Protection als bei Wyoming genießt. Allen genoss gewisse Freiheiten an der Line of Scrimmage, agierte gleichzeitig aber viel aus One-Read-/Half-Field-Read-Plays heraus.
In der Summe sind das sehr viele Fragezeichen dafür, dass manche Allen schlicht ob seines Potentials als Nummer-1-Quarterback im Draft sehen.
Josh Allens College Statistiken:
Jahr | Spiele | Completions/Pässe | Pass% | Yards | Yards/Attempt | TD | INT | Runs | Yards | TD |
2015 | 2 | 4/6 | 66,7 | 51 | 8,5 | 0 | 0 | 3 | 40 | 0 |
2016 | 14 | 209/373 | 56 | 3.203 | 8,6 | 28 | 15 | 142 | 523 | 7 |
2017 | 11 | 152/270 | 56,3 | 1.812 | 6,7 | 16 | 6 | 92 | 204 | 5 |
Zusammenfassung: Josh Allen, drei Schwächen und Stärken:
Stärken:
- Unglaubliches Arm-Talent. Bringt physisch alles mit, Statur und Arm sind der Stoff, aus dem NFL-Scout-Träume sind. In der Folge beherrscht Allen - in der Theorie - jeden Wurf, und das auch von scheinbar unmöglichster Plattform.
- Allen ist ein mobiler Quarterback, der als Power-Runner auch in der NFL fungieren kann. Hier lassen sich stilistische Vergleiche zu Cam Newton ziehen, auch wenn Allen nicht auf Newtons athletischem Level ist.
- Seine Beine sind nach dem Snap konstant in Bewegung, Allen ist in der Pocket schwer zu Boden zu bringen, erinnert hier teilweise an Ben Roethlisberger in dessen ersten NFL-Spielzeiten.
Schwächen:
- Zwei zentrale Elemente, die für gutes Quarterback-Play von höchster Bedeutung sind, sind bei Allen massive Fragezeichen. Da wäre einmal die Accuracy: Allen verfehlt Receiver bei einfachsten Pässen genau wie bei Rollouts oder auch bei Downfield-Pässen. Seine Inkonstanz hier ist mehr als frustrierend, nicht selten hat man den Eindruck, dass es eine 50/50-Frage ist, wo der Ball landet.
- Der andere Aspekt sind die Reads. Regelmäßig hat Allen schlimme Read-Fehler, häufig bedingt dadurch, dass er mit dem Augen an einem Ziel klebt. Das führte nicht selten zu unschönen Interceptions.
- So schwer er in der Pocket auch zu stoppen ist, Allen übertreibt es hier bisweilen. Teilweise verlässt er eine saubere Pocket überhastet, teilweise hält er den Ball zu lange fest, beim Versuch, das Play auszudehnen. So kassiert er zu viele unnötige Sacks.
Drop-Percentage 2017 (laut Pro Football Focus): 7,84 Prozent.
NFL Draft 2018: Quarterback-Ranking
Dieser Draft ist mit Blick auf die Quarterbacks aus zweierlei Gründen enorm faszinierend: Einerseits bietet die Draft-Klasse eine ungewöhnliche Tiefe in der Spitze, mehrere Franchise-Quarterbacks könnten aus dem 2018er Draft hervorgehen.
Andererseits ist es auch die grundverschiedene Art der Spielertypen auf dieser Position. Lamar Jackson und Josh Rosen könnten als Quarterback-Typ kaum unterschiedlicher sein, ähnlich weit auseinander gehen Baker Mayfield und Josh Allen.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf - so sieht mein Ranking der Top-Quarterbacks im diesjährigen Draft aus:
1. Josh Rosen, UCLA
Mir ist völlig egal, dass Rosen neben Football auch anderweitige Interessen hat und sich mit anderen Dingen beschäftigt. Wenn überhaupt begrüße ich das sogar. Technisch und mechanisch ist Rosen kilometerweit vor allen Quarterbacks in dieser Klasse und diese Dinge sind in der NFL, wenn das Spiel viel schneller und die Konkurrenz viel stärker sind, am schwersten zu erlernen.
Wenn ich mich für einen Quarterback dieser Klasse entscheiden müsste, dann wäre es Rosen.
2. Baker Mayfield, Oklahoma
Mayfields Tape hat mir von allen Quarterbacks den meisten Spaß bereitet. Sein Pocket-Movement ist spektakulär und wird ihm in der NFL früh helfen, Mayfield geht durch seine Reads und ist herausragend gegen Pressure. Mayfields Pässe kommen sehr genau, er liest die Defense schnell und macht wahnsinnig viele kleine Dinge richtig.
Eine berechtigte Kritik bei Mayfield ist die Frage danach, wie spezifisch das Scheme in der NFL auf ihn angepasst werden muss und wie er agiert, wenn die vielen offenen Würfe - sei es durch die zahlreichen Screens oder auch anderweitig - so nicht gegeben sind. Gleichzeitig aber hat er im College immer wieder bewiesen, dass er auch engste Fenster trifft und auch glänzt, wenn die Play-Designs mal nicht greifen.
3. Lamar Jackson, Louisville
Ohne Frage der aufregendste, spektakulärste Quarterback im diesjährigen Draft. Jackson wird - ähnlich wie auch etwa Mayfield - stärker als die anderen Kandidaten vom Scheme abhängen, in das er kommt: Run Pass Options und Zone Reads müssen nicht die Basis seiner Offense sein, sollten aber einen ordentlichen Anteil haben.
Falsch ist die Annahme, dass Jackson kein guter Passer sein kann oder, dass er nur simple Reads im College hatte. Gerade Letzteres könnte kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein, in der Louisville-Version der Erhardt-Perkins Offense hatte es Jackson vielmehr mit Option Routes und Full Field Reads zu tun. Die große Frage ist: Kann sein NFL-QB-Coach die Fußarbeit korrigieren und konstant machen? Dann sind Jackson nach oben kaum Grenzen gesetzt.
4. Sam Darnold, USC
Darnolds Analyse fiel mir am schwersten, den Hype sehe ich nur sehr bedingt: Es gibt die absoluten Highlight-Plays auf der einen, aber auch komplette Debakel auf der anderen Seite. Darnold glänzt insbesondere, wenn er die Struktur des Plays verlässt und zeigt da durchaus Gunslinger-Eigenschaften.
Gleichzeitig führt wacklige Fußarbeit aber zu massiver Accuracy-Inkonstanz, während er mit seinen Reads teilweise vogelwild daneben liegt. Das Potential ist fraglos da, die klare Nummer 1, zu der Darnold von vielen im Vorfeld des Drafts gemacht wird, ist er in meinen Augen aber nicht.
Stattdessen sehe ich Rosen und Mayfield als das Top-Duo, mit einem Cut dahinter zu Jackson und Darnold, gefolgt von einem weiteren klaren Leistungsabfall.
5. Josh Allen, Wyoming
Ich habe große Schwierigkeiten damit, Allen eine erfolgreiche NFL-Karriere zu prognostizieren. Das physische Potential ist ohne jede Frage enorm und größer als bei allen Konkurrenten im diesjährigen Draft: Allens Arm ist unglaublich, die Physis generell ist ein Scout-Wunschtraum. Allen erinnert vereinzelt an Cam Newton und Carson Wentz, in der Pocket ist er nur schwer zu Boden zu bringen und als Runner ist er ebenfalls gefährlich.
Das große Aber: Die Accuracy ist unfassbar inkonstant, bestenfalls. Allen verlässt die saubere Pocket teilweise überhastet, alles wirkt wild und Off-Script. Auf die kurze und mittlere Distanz hilft ihm die Armstärke zudem überhaupt nicht, hier fehlt ihm eine Regulierung und teilweise wirft er in klare Coverage. Vor allem die Accuracy-Thematik ist auch technisch ein ernsthaftes Problem und ich bin skeptisch, dass sich das in der NFL signifikant regulieren lässt. Allen ist nicht der hoffnungslose Fall, zu dem ihn manche machen. Von einem NFL-Quarterback ist er allerdings trotzdem noch sehr weit entfernt.