Mit dem Start der diesjährigen Free-Agency endete für Teddy Bridgewater ein leidiges Kapitel. Es war das erste seiner NFL-Karriere. Es war eines, das andeutete, zu was Bridgewater zu leisten im Stande ist und eines, das zeigte, dass sein Körper für die NFL-Belastung womöglich nicht geschaffen ist.
Bridgewater bekam in Minnesota noch einen letzten Gänsehaut-Moment, als er in Week 15 beim Spiel gegen die Cincinnati Bengals nochmal für eine Serie auf das Feld kam, doch war die Rückkehr gleichbedeutend mit dem Abschied von der stets positiv-gestimmten Fan-Gemeinde der Vikings. Sie, die immer an die Rückkehr des prädestinierten Franchise-Quarterbacks geglaubt hatte, sagte Lebewohl und wünscht ihm auch für sein neues Kapitel alles Gute.
Dieses neue Kapitel führt Bridgewater nach New York. Dorthin, wo Stars und Sternchen residieren. Dorthin, wo einst der "erste Superstar" der modernen NFL auf das Feld trat. Dorthin, wo man seit Jahren nach Konstanz auf der Quarterback-Position lechzt. An diesem Ort soll der von einer dermaßen gravierenden Knieverletzung gezeichnete Bridgewater seine zweite Chance bekommen, sich zunächst aber in einem Dreikampf um die Position Under Center durchsetzen.
"Der beste Ort, um meine Karriere fortzusetzen"
Die Jets statteten Bridgewater mit einem Ein-Jahres-Vertrag über 5 Millionen Dollar Basisgehalt und einem Signing Bonus über 500.000 Dollar aus. Der Betrag, mit dem er auch in Sachen Dead Money zu Buche steht. Ein für die Franchise kommoder Vertrag, der ihnen zum einen die Möglichkeit gibt, den Quarterback im Falle eines missglückten Comeback-Versuches zu günstigen Konditionen zu entlassen, ihn zu traden oder die Chance offen lässt, dass Teddy bei Erfolg zum absoluten Steal-Deal wird.
"Das Team bewegt sich in die richtige Richtung und besteht aus einem tollen Coaching Staff und einigen Jungs, die sich in der Liga unbedingt beweisen wollen", beschrieb Bridgewater die neue Umgebung. "Als Typ, der die gleiche Einstellung an den Tag legt, denke ich, dass dies der beste Ort für mich ist, um meine Karriere fortzusetzen."
Bridgewater bekommt es bei den Jets mit der Konkurrenz bestehend aus dem 39-jährigen Josh McCown und dem dritten Pick des diesjährigen Drafts, dem 19 Jahre jüngeren Sam Darnold, zu tun. Ist Coach Todd Bowles von einer dieser beiden Optionen als Starter überzeugt, so könnte Bridgewaters Stint am Hudson River noch vor Beginn der Regular Season schon wieder vorbei sein. Klar ist aber auch, dass die Alternative Bridgewater den Jets etwas bietet, das die anderen beiden nicht haben.
McCown überraschte in der abgelaufenen Spielzeit mit gutem und konstantem Spiel und brachte eine Ruhe in den Quarterbacks-Room, den die Jets seit längerer Zeit vermisst hatten. Allerdings startete er in seiner 15-jährigen Karriere noch nie in allen 16 Spielen einer Saison und bietet so gut wie keine Upside. Gerät der Veteran unter Druck, so hat er schon im letzten Jahr Probleme in Sachen Genauigkeit gehabt. Gang Greens O-Line hatte nach Pro Football Focus 2017 die siebtniedrigste Pass-Blocking-Effizienz der gesamten Liga und ist auch nach den Verpflichtungen von Spencer Long und Travis Swanson weiterhin als Baustelle zu bezeichnen.
Darnold hingegen müsste in der Preseason schon überragende Leistungen abrufen, damit die Jets ihn voreilig auf NFL-Terrain werfen würden. Ein eher unwahrscheinliches Szenario. Grundsätzlich tut die Franchise gut daran, ihren First-Round-Pick so lange wie möglich zurück zu halten. Verläuft die Saison aber von Beginn an unglücklich und gerät Coach Bowles in der Folge unter starken medialen Druck und Zugzwang, so wäre er nicht der erste Coach, der einen noch unreifen Quarterback wohl eher aus persönlichen Beweggründen in den Ring werfen würde.
Teddy Bridgewater: Der Mittelweg
Bridgewater hingegen stellt für die Jets den Mittelweg dar. Das zumindest denkt der ehemalige Jets-Quarterback Chad Pennington.
"Erstmal denke ich, dass McCown von enormer Bedeutung dafür war, dass man in der letzten Saison Stabilität auf der Quarterback-Position bekommen hat", erklärte er auf der Jets-Website: "Dann hat man Bridgewater geholt und gleichzeitig den Luxus, dass man Darnold nicht zu früh in das kalte Wasser werfen muss. Ich denke, dass die Jets in einer tollen Situation dafür sind, zu evaluieren, welcher Quarterback dem Team für den Moment die beste Produktion geben kann."
Ein fitter Bridgewater, der an seine Leistungen von vor der schweren Knieverletzung, die einem steilen Karriereaufstieg während dem Training Camp 2016 einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht hat, anknüpfen kann, könnte die Jets sogar zurück ins versprochene Land führen. Schon in seiner zweiten Kampagne schaffte er dies mit den Vikings, als die Franchise nach einer 11-5-Saison überraschend in die Playoffs einzog. Und der damalige Kader sah noch ganz anders aus als der aktuelle.
Spieler wie Stefon Diggs oder Adam Thielen waren weit von ihren Leistungen entfernt, die sie in der abgelaufenen Saison gezeigt hatten. Die Offensive Line spielte zum Haareraufen und Adrian Peterson bot die einzige Entlastung in der Run-First Offense. Bridgewater warf nach Pro Football Focus dennoch einen ligaweiten Bestwert von 79,3 Prozent Adjusted Completions und die fünftbeste Adjusted Completion Percentage gegen Pressure.
Ist Teddy zu vorsichtig für New York?
Eine hohe Adjusted Completion Percentage ist häufig gleichbedeutend mit einem eher konservativen Spielstil. Dies ist auch bei Bridgewater der Fall. Mehr als die Hälfte der Passing Yards in seiner gesamten Karriere sind nach dem Catch zustande gekommen. In seiner letzten komplett absolvierten Saison 2015 waren es sogar nur 45,2 Prozent seiner Passing Yards, die vor einer Reception in der Luft waren.
Die Jets gehen mit einer breiteren Offense in die neue Saison. Neben den Optionen der letzten Spielzeit, Jermaine Kearse, Robby Anderson und Bilal Powell, wurden mit Isaiah Crowell, Thomas Rawls, Terrelle Pryor Sr. und Clive Walford weitere Verstärkungen verpflichtet. Die Rückkehr von Quincy Enuwma wird außerdem erwartet.
Allerdings entspricht die Philosophie der Jets-Offense nicht unbedingt dem Spielstil, den Bridgewater zu Vikings-Zeiten praktiziert hat. Nur 1.589 Yards standen bei den Männern in Grün in der abgelaufenen Spielzeit nach dem Catch zu Buche und damit der achtniedrigste Wert der Liga. McCowns Passing Yards kamen zu 57,2 Prozent vor dem Catch zustande. Ein signifikant höherer Wert als 2015 bei Bridgewater.
Nun liegt es am Neuzugang, sich über die OTAs zu beweisen, sein Spiel an die Philosophie der Jets zu adaptieren oder dem Coaching Staff genügend Gründe zu geben, die Offense mehr um seine Fähigkeiten herum aufzubauen. Und siehe da: Offenbar war der erste Eindruck positiv, denn Medienberichten zufolge habe er in der ersten Woche absolut überzeugt.
Bridgewater hinterlässt in OTAs sehr guten Eindruck
Die New York Daily berichtete, dass Bridgewater gleich am ersten Tag die beste Leistung aller drei Quarterbacks an den Tag gelegt habe. ESPN schrieb, dass er die ganze Woche gut gespielt und sein Stil sich im Quarterback-Mix der Jets durchsetzen könne. NFL-Insider Tom Pelissero gab darüber hinaus an, von Bridgewaters Teamkollegen gehört zu haben, dass der Arm sogar stärker ausgesehen habe als vor der Verletzung.
Egal, wie Bridgewater performen mag. Er weiß, dass er nicht der Auserwählte seiner neuen Franchise ist. Früher oder später wird Darnold das Heft des Handelns übernehmen. Er weiß, dass er sogar schon nach August nicht mehr für dieses Team spielen könnte. Starke Leistungen in den OTAs steigern logischerweise seinen Trade-Wert. Und er weiß, dass sein Körper ihn zu jeder Zeit wieder aus seinem Comeback-Versuch reißen könnte.
"Wenn ich von meiner Verletzung etwas gelernt habe, dann, dass ich ein Mensch bin", gab Bridgewater zuletzt preis. "So verrückt es klingen mag: Ich habe immer versucht mir einzureden, dass mich die Verletzung nicht zurückhalten kann. Aber ich habe herausgefunden, dass ich ein Mensch bin. Der Plan, den man sich selbst macht ist nicht immer wie der Plan, den Gott für einen bereit hält. Man findet heraus, wer man wirklich ist."
Teddy Bridgewaters Karriere-Statistik
Jahr | Team | Spiele | Comp | Att | Pct | Yds | Avg | TD | Int |
2014 | Vikings | 13 | 259 | 402 | 64,4 | 2.919 | 7,3 | 14 | 12 |
2015 | Vikings | 16 | 292 | 447 | 65,3 | 3.231 | 7,2 | 14 | 9 |
2017 | Vikings | 1 | 0 | 2 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Gesamt | 551 | 851 | 64,7 | 6.150 | 7,2 | 28 | 22 |
Bridgewater: Die ultimative Wildcard
Auch Ex-Coach Mike Zimmer stellte nach dem Ende der vergangenen Saison klar: "Insgesamt gab es im Sport 24 vergleichbare Verletzungen. Nur in der Hälfte aller Fälle kam der Spieler zurück und ich glaube keiner innerhalb von 24 Monaten."
Bridgewaters repariertes Knie wird vor dem ersten Preseason-Spiel nicht unter wettkampfgerechten Bedingungen getestet. Sollte es dann halten, stellt er zweifelsohne eine wahnsinnig interessante Option für New York dar.
Quarterbacks sind in der NFL die wertvollste Ware. Teddy ist aktuell die ultimative Wildcard. Für eine Franchise, die seit Jahren nach Qualität auf der Quarterback-Position sucht, ist die potenzielle Auszahlung für das investierte Risiko enorm groß.
Im besten Szenario wird Bridgewater in New York ein gut produzierender Starter, während Darnold im Hintergrund auf seine Ära vorbereitet wird. Die Jets würden auf der wichtigsten Position im Football dann gleich zwei wertvolle Optionen haben.
Für Teddy kann die Karriere dann doch noch ein Happy-Ending nehmen. Und gibt es einen besseren Ort dafür als in New York?