Und wieder einmal endete die Saison der Detroit Lions irgendwo im Nirgendwo. Das Team schwankte zwischen Lichtblicken und Enttäuschungen und fand sich schlussendlich im Niemandsland der Liga wieder. Matthew Stafford zeigte zwar ein ums andere Mal, warum er zu den besten Quarterbacks der Liga gehört, doch war der Supporting Cast erneut nicht gut genug, um regelmäßig Spiele für sich zu entscheiden.
Es ist die alte Leier in Motor City. Wieder einmal brachte es das Team aus Michigan nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus. Nachdem Detroit im Vorjahr dank einer neuen Rekordzahl von 4th-Quarter-Comebacks in einer Saison die Playoffs erreichte, um hier wieder einmal beim ersten Versuch zu scheitern, langte es in der 2017er Saison nur für eine ausgeglichene Bilanz.
Zu viel für die Gemüter von Geschäftsführer Bob Quinn und dem Stab der Verantwortlichen in Michigan. Head Coach Jim Caldwell musste die Koffer packen. Sein Nachfolger sollte ein Mann mit einem Profil sein, welches eine Siegermentalität ausstrahlt. Und wo könnte man einen solchen Kandidaten in der NFL besser finden als bei den New England Patriots?
Matt Patricia: Erstmals NFL-Head-Coach
Nach sechs Jahren als Defensive Coordinator bei der erfolgreichsten Franchise der aktuellen NFL-Ära nahm Matt Patricia die Herausforderung an, nun selbst federführend die Leitung eines NFL-Teams zu übernehmen. Das übergeordnete Ziel bei der Verpflichtung scheint klar. Die Lions sollen endlich auch in den Playoffs erfolgreichen Football spielen.
Patricia verbuchte in seiner Zeit als Patriots-Coordinator seit 2012 elf Playoff-Siege mit streckenweise hervorragenden defensiven Leistungen. Im Vergleich dazu wartet seine neue Franchise seit nunmehr 28 Jahren auf einen Sieg nach der Regular Season.
Zur Verfügung stehen Patricia für diese Aufgabe ein Franchise-Quarterback, eine breit besetzte Secondary und sogar das Backfield und die Offensive Line bieten endlich Grund für Optimismus. Das Wide-Receiver-Corps wird von Marvin Jones und Golden Tate angeführt. In der Defensive Line spielt Star-End Ezekiel Ansah die kommende Saison unter dem Franchise Tag und wird seinen Wert im Hinblick auf die nächste Free Agency in die Höhe schießen lassen wollen.
Detroit: Mit dem Weg der Patriots
Die Mentalität und Arbeitsethik soll ab sofort generalüberholt werden, Patricia gab an seinem neuen Arbeitsplatz von Beginn an einen Ton vor, der nicht allen Spielern schmecken dürfte. Weil er seine Spieler nach Fehlern als Strafe zum Laufen schickt, glaubte ein Kolumnist in Detroit zuletzt sogar, dass Patricia bereits Gefahr laufe, die Bindung zu den Spielern seines neuen Teams zu verlieren.
Diese verliert man in der NFL allerdings nicht, wenn man Spiele gewinnt. Und in dieser Disziplin waren die Patriots zuletzt nun einmal nicht ganz so schlecht. Die Lions also wollen den Weg der Patriots gehen. Nicht nur in Sachen Trainingshärte, auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.
Cornerback Darius Slay verweigerte zuletzt jegliche Aussage über das Team und verwies lediglich auf Head Coach Patricia: "Er hat uns ausdrücklich gewarnt", so Slay über die neuen Patriot-ähnlichen Verschwiegenheitsmethoden bei den Lions. "Die sind verdammt streng!"
Seine Spieler sollen in erster Linie ihren Job erledigen und darauf können sie sich Patricias Meinung zufolge eben am besten konzentrieren, wenn sie sich praktisch zu nicht-redenden Robotern transformieren. Ein Weg, der der NFL und den Fans in Detroit vermutlich nicht ganz so gut gefällt, doch wenn sich die Resultate nur annähernd an Patriot-ähnliche Züge angleichen, dann wird dies sicher zu verkraften sein.
Wie viel Patriots- steckt in der Lions-Defense?
Genauso wird es zu verkraften sein, dass Patricias Defense in New England im vergangenen Jahr laut den Metriken von Football Outsiders auf dem vorletzten Platz abgeschlossen hat. Denn gerade in der entscheidenden Schlussphase der Saison erinnerte die schlecht gestartete Defense der Pats wieder an die aus vergangenen Jahren und ließ zwar Yards, aber wenige Punkte zu.
Vor allen Dingen in Sachen Aggressivität konnten sie als Team überzeugen. Die Patriots sammelten mit 42 Sacks in der abgelaufenen Saison den ligaweit siebtbesten Wert, stellten dabei aber keinen einzigen Spieler, der individuell mehr als 6,5 sammelte. Der vermeintlich beste Linebacker, Dont'a Hightower, verpasste die letzten elf Saisonspiele zudem allesamt verletzungsbedingt. Die Lions im direkten Vergleich: Nur 35 Sacks (Platz 20).
Bei den Lions wird in der kommenden Saison eine weitaus flexiblere Defense zu erwarten sein, die nicht, wie in der Vergangenheit so oft, konstant auf eine Four-Men-Front bauen wird. Schon in den ersten Open-Practice-Einheiten und den Minicamps deutete Patricia mehrheitlich Formationen mit fünf oder mehr Defensive Backs auf dem Feld an. Ein Bild, an das sich Patriots-Fans gut erinnern können.
Nur wenige Teams haben eine derart gut und breit besetzte Secondary wie Detroit, die es Patricia einfach machen dürfte, auf viele schnelle Formationen zu setzen. Neben den Cornerbacks Slay, Nevin Lawson, Teez Tabor, Jamal Agnew und DeShawn Shead werden auch die Safeties Glover Quin, Quandre Diggs, Tavon Wilson, Tracy Walker und Miles Killebrew ausreichend Spielzeit sehen.
Ziggy Ansah unter dem Franchise Tag
Sucht man nach weiteren Vergleichen zwischen der kommenden Lions-Defense und der, der Patriots der letzten Jahre, so wird Star-Defense-End Ansah vermutlich eine Rolle übernehmen, die der von Trey Flowers ähnlich kommt. Ansah wird dann aus der Position spielen können, die ihm am natürlichsten gelegen ist: Außerhalb des gegnerischen Offensive Tackles aufgestellt.
Ansah wird ohnehin eine der Personalien sein, die in dieser Saison unter besonderem Fokus stehen. Nach dem Frist-Ablauf für langfristige Verträge für Spieler unter dem Franchise Tag besteht für die Lions die Gefahr, den Star, der in dieser Saison Garantien in Höhe von 17,1 Millionen Dollar sieht, schon bald beinahe ohne Gegenwert zu verlieren.
Detroit Lions: Das lachhafte Running Game
Zu verlieren haben die Lions hingegen gerade in einer Disziplin wenig: Ihrem Running Game. Auf der offensiven Seite konnte Stafford in den letzten Jahren performen wie er wollte, Unterstützung erhielt er auf dem Boden so gut wie keine. Seit Reggie Bush im November 2013 gab es keinen Lions-Running-Back mehr, der für mehr als 100 Yards in einem Spiel gelaufen ist.
In der vergangenen Saison gab es kein Team, welches weniger Yards pro Laufversuch, weniger Rushing-Yards pro Spiel und weniger Erfolg in Short-Yardage-Situationen hatten. Die Lions waren in diesen Bereichen sogar so schlecht, dass sie im späteren Saisonverlauf kaum noch den Versuch unternahmen, wirklich über das Running Game zu attackieren.
Bei 3rd- oder 4th-Down-Situationen für weniger als 3 Yards bis zum First Down liefen sie nur 16 Mal, haben stattdessen aber 26 Mal den Weg über den Pass gesucht. Detroit hat in Short-Yardage-Situationen also fast doppelt so häufig gepasst. Und es wird nicht besser: Von den 16 Laufversuchen in diesen Situationen haben nur sieben zum Erfolg geführt. Also weniger als 50 Prozent. Unglaublich!
Lions: Vier Running-Backs für ein Halleluja
Bob Quinn hatte ganz offensichtlich genug davon, sodass die Lions in der Offseason gleich doppelt in die Position investierten. Während Back-to-Back Super-Bowl-Sieger LeGarrette Blount via Free Agency kam, wurde in Kerryon Johnson der Hoffnungsträger im Draft ausgewählt, der die Probleme für Offensive Coordinator Jim Bob Cooter langfristig lösen soll. Neben Blount und Johnson werden auch Theo Riddick und Ameer Abdullah weiterhin zur Verfügung stehen.
Cooter lässt das Backfield der Lions essenziell aus drei Rollen spielen. Einen ersten Rusher, der fast die Hälfte der Carries bekommt. Einen Third-Down-Receiving-Spezialisten, der mehr Targets als Rushes erhält und einen Backup mit limitierter Spielzeit.
Dem Vernehmen nach soll Rookie Johnson direkt in der Rolle des Lead-Backs starten, während aber auch Blount viele Touches erhalten wird. Blount allerdings stehen die mangelnden Receiving-Fähigkeiten im Weg. Er hat in den letzten drei Jahren 21 Receptions gehabt. Johnson hatte alleine in der letzten Saison 24 Targets für Auburn.
Die am leichtesten zuzuordnende Rolle ist die Position von Riddick. Er hat schon in der letzten Saison 62 Prozent der Targets für Running Backs erhalten und wird weiterhin die Rolle-als Receiving-Spezialist einnehmen, während es für Abdullah schwer werden dürfte, Snaps in der Offense zu sehen.
Rookie Johnson vom Ton bei den Lions überrascht
Hohe Aufmerksamkeit wird des Weiteren von Anfang an auf Rookie Frank Ragnow liegen. Der neue Center muss eine Line aufwerten, die 2017 in Sachen Adjusted Line Yards und Power Success auf dem letzten und in der Kategorie Stuffed auf dem vorletzten Platz abschloss.
Dies sind Disziplinen, in denen wohl nicht ausschließlich das mangelnde Talent zu den verheerenden Ergebnissen führte, sondern wohl auch die Arbeit unter der Woche. Und diese Arbeit wird unter der neuen Marschroute bei den Lions sicher anders aussehen. Das ist offenbar schon am Tonfall von Patricia zu spüren. Rookie-Running-Back Johnson jedenfalls gab sich überrascht: "Das sind professionelle Athleten", so der 21-Jährige bezüglich des Umgangs mit den Spielern. "Diese Männer 30, 35, 25 Jahre alt."
Detroit Lions: Die Art und Weise ist egal
Soll an der Mentalität von Spielern in diesem Alter gearbeitet werden, so ist ein derartiger Ton offenbar von Nöten. Keiner wird es besser wissen als jemand, der unter diesen Bedingungen derart erfolgreich gearbeitet hat wie Patricia in den letzten sechs Jahren unter Bill Belichick bei den Patriots.
Patricia soll die Siegermentalität der Patriots auf Detroit übertragen. Für eine Franchise, die seit 1991 auf einen Playoff-Sieg wartet, kann die Art und Weise wie dies geschieht, letztlich eigentlich egal sein. Kann der Head Coach allerdings trotz seiner Methoden keine Siege erringen, dürfte er allerdings tatsächlich früh Gefahr laufen, sein Team zu verlieren.
Den Übertrag der Patriots-Mentalität auf eine andere Franchise ist eine Herausforderung, an der sich vor Patricia schon andere Ex-Koordinatoren aus dem Belichick-Regime vergebens versucht haben. Führt die harte Gangart nicht zum erhofften Erfolg, so wird die Akzeptanz ausbleiben. Auch im Falle Patricia. Es heißt schließlich nicht umsonst, dass Belichicks Methoden einzig und allein deshalb Anklang finden, weil sie Resultate hervorbringen.