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Kansas City Chiefs: Die unterhaltsamste Offense der NFL
Einige der Besonderheiten der Chiefs-Offense hatte ich vor einigen Wochen bereits erklärt: Sie waren neben Philadelphia das Pass-lastigste Team bei langen First und langem Second (7-10 Yards) Down, was statistisch deutlich erfolgsversprechender als Runs in den gleichen Situationen ist. Sie sind glänzend darin, Tyreek Hill auch als Ablenkung einzusetzen und sie nutzen Play Action sowie Option-Elemente besser als die allermeisten Teams.
Der Auftaktsieg bei den Chargers am Sonntag war hier eine Bestätigung und mehr: Die Chiefs haben gezeigt, dass sie tatsächlich in der Lage sind, die unterhaltsamste Offense der Liga zu stellen.
Das beginnt für Coach Andy Reid bei den Option-Elementen, die auch gegen die Chargers wieder mehrfach zu sehen waren. Hier gibt es eine Triple Option:
Mahomes hat zunächst die Möglichkeit, den Ball an den Running Back im Backfield zu übergeben. Tyreek Hill läuft hinter ihm vorbei und zieht die Defense bereits in die Breite, gleichzeitig wird er so wenig später zum Option-Spieler.
Denn da Mahomes den Ball selbst behält, erhält er zu seiner linken Seite einen Blocker, zu seiner rechten Seite Hill, zu dem er den Ball pitchen kann.
Das sind keine komplexen Plays, sie geben dem Quarterback aber Sicherheit und sorgen für einfache Raumgewinne. Außerdem werden gegnerische Defenses so in der ohnehin kurzen Zeit zwischen zwei Spielen dazu gezwungen, sich auf diese Spielzüge vorzubereiten.
Das nächste Beispiel ist der lange Touchdown von Tyreek Hill, und auch hier gilt wieder: Es muss nicht kompliziert sein, um zu funktionieren.
Im Prinzip ist es eine einfache Slant-Flat-Kombination, mit einem eingebauten Play-Action-Fake. Warum aber funktioniert das? Es ist kein Geheimnis, dass die Chargers häufig Cover-3 oder eine Variation davon spielen werden. Und genau darauf zielt dieses Konzept ab.
Die angetäuschte Ballübergabe an den Running Back soll die Linebacker einen Schritt nach vorne ziehen, während die kurze Flat-Route den Underneath-Coverage-Spieler auf der Seite dazu zwingt, seine Zone abzudecken. Das öffnet den Raum für Hill in der Mitte.
Weil der Ball mit dem idealen Timing kommt, hat Hill lediglich den tief postierten Safety vor sich und der hat keine Chance im Laufduell mit einem der schnellsten Spieler der Liga.
Vor allem auffällig aber war, dass die Vorjahres-Saison, als Alex Smith plötzlich zum Downfield-Passer wurde und die Chiefs zumindest über Teile der Saison eine der aggressivsten Passing-Offenses der Liga hatten, keine Eintagsfliege war. Im Gegenteil - Kansas City war in diesem Spiel noch aggressiver.
Mahomes warf den Ball im Schnitt 14,6 Yards das Feld runter; bleibt er ansatzweise bei diesem Schnitt, könnte er eine neue Jahrzehnt-Bestmarke (aktuell: 13,4 Yards für eine Saison) aufstellen. Bei tiefen Pässen (also mindestens 20 Yards Downfield) brachte er drei von sechs für 100 Yards und einen Touchdown an.
Wie die meisten offensiv aktuell guten Teams ist Kansas City im Downfield-Passing-Game bereit, seine Routes auch in Kombination einzusetzen - zu sehen hier. Die Chiefs starten mit einem Play-Action-Fake im Backfield, und dann gibt es mehrere Überkreuzungen der Laufwege. Das zwingt die Verteidiger, um Mit- und Gegenspieler herum zu navigieren, öffnet die Tür für Abstimmungsfehler in der Zone Coverage und kann dem Quarterback anhand dem Verhalten einzelner Verteidiger einfache Reads ermöglichen.
Die Chargers waren dabei am Sonntag auch zu harmlos. L.A. brachte nur vier (!) Blitze, dabei brachte Mahomes bei drei Pässen keinen an den Mitspieler und kassierte zudem einen Sack. Ohne Blitz: 15/24, 256 YDS, 4 TD. Die Chargers waren letztes Jahr schon eines der Teams, das am wenigsten blitzt, und mit Bosa und Ingram kann man sich das natürlich auch erlauben. Aber Bosa spielte gestern nicht und es schien, als hätten die Chargers dafür keinerlei Anpassungen vorgenommen
Dennoch gilt: Die Chiefs sind mit ihren Motion-, Misdirection-, Option- und Fake-Elementen wieder auf bestem Wege, eine der aufregendsten Offenses der Liga zu werden. Dann muss sich zeigen, ob sie gegen vor allem Teams, die flexible und komplexere Zone Coverages spielen, dazugelernt haben.
Vikings vs. 49ers Analyse: Warum warf Garoppolo drei Picks?
Keine Frage: Auswärts gegen diese Vikings-Defense kann jedes Team verlieren, und natürlich konnte Jimmy Garoppolos Lauf der vergangenen Saison so nicht weiter gehen. Aber wieso genau hatte Garoppolo bei seiner ersten Pleite als NFL-Starter solche Probleme? Wie genau machte Mike Zimmer ihm das Leben schwer?
Drei Sachen fielen ganz konkret aus Sicht der 49ers auf: Im Play-Action-Passspiel hatten die 49ers einige Fehler, ohne den verletzten Jerick McKinnon waren die Running Backs signifikant weniger ins Passspiel eingebunden als sonst und Garoppolo hatte Probleme damit, den Intermediate-Bereich des Feldes (zwischen 10 und 20 Yards hinter der Line of Scrimmage) zu bedienen. Lediglich vier von acht Pässen brachte er hier an den Mitspieler. All das sind eigentlich Stärken des Shanahan-Schemes.
Doch war es auch ganz konkret der Gegner, der San Franciscos Offense vor Probleme stellte - und das mit Blitz-Paketen, die weg gehen vom Double-A-Gap-Blitz, für den Mike Zimmer so bekannt ist. Stattdessen gelang es Minnesota, San Francisco mit Overload-Blitzing mehrfach kalt zu erwischen.
Wie der Name schon sagt, wird dabei eine Seite der Offensiv-Formation überladen; die Defense attackiert also mit einem numerischen Übergewicht, im Idealfall ohne dabei mehr als fünf Rusher zu bringen. Man versucht also, die fünf Offensive Linemen so zu täuschen, dass einer letztlich beschäftigungslos ist und anderswo zwei Blocker gegen drei Angreifer (oder drei gegen vier) stehen. Minnesota setzte das oft und bevorzugt in kritischen Situationen ein, hier sieht man drei Beispiele.
Das oben abgebildete erste Beispiel ist ein langes Third Down. Zimmer stellt zunächst die Line zu, damit nicht klar ist, woher der Pressure kommt. Dann bringt er einen Defensive Back von der einen Seite, und lässt dafür einen Lineman auf der gegenüberliegenden Seite sich in Coverage zurückfallen. Somit wäre es zunächst ein 4-Men-Rush, doch der Linebacker auf der Blitzing-Seite attackiert ebenfalls. Dadurch entsteht ein 3-gegen-2-Übergewicht.
In dieser Szene wird daraus sogar ein 3-gegen-1, da Garoppolo den Blitz nicht erkennt oder zumindest keine Anpassung vornimmt, und der Running Back so auf der anderen Seite blockt, wo bereits der Tight End steht - und wo Garoppolo aufgrund der Formation womöglich den Blitz vermutete. Aus dem so überhasteten Pass entstand der Pick Six. Zimmers Idee wurde hier Wunsch-Realität auf dem Feld.
Anderes Beispiel, nahezu identisches Scheme: Wieder ist es die Mischung aus einem Linebacker und einem Defensive Back, wieder lässt sich der Defensive Lineman auf der gegenüberliegenden Seite zurückfallen.
Dieses Mal baut Zimmer aber noch einen zusätzlichen Schachzug ein, indem er einen der attackierenden Linemen die schräg gegenüberliegende Gap - anstatt die direkt vor ihm - attackieren lässt. In dem Fall erzwingt es einen vorschnellen Pass und eine Incompletion, die in einer Interception hätte enden können.
Das letzte Beispiel war dann der extrem wichtige Sack von Harrison Smith im Schlussviertel. Wieder ist es Third Down, und wieder bringt Zimmer seinen Blitz - mit dem grundsätzlich gleichen Design.
Eric Kendricks, der Middle Linebacker, täuscht nach dem Snap kurz einen Rush an und lässt sich dann zurückfallen, genau wie der Defensive Lineman auf der Nicht-Blitzing-Seite. Dort erzwingt der Blitz eine 3-gegen-2-Situation, in der Smith letztlich frei durchkommt und den Niners-Drive beendet.
San Francisco stand sich in einigen Bereichen selbst im Weg, Garoppolos zu hohe Pässe waren etwa ein konstantes Thema und kosteten ihn mutmaßlich einen potentiellen Touchdown und sorgten für einen Pick. Die Interception spät im Spiel war ein Wurf in Coverage. Doch Minnesotas Blitz-Pakete in Kombination mit der Tatsache, dass die Vikings-Defense gleichzeitig auch mit dem 4-Men-Rush mehrfach überaus erfolgreich war, war dabei ein maßgeblicher Grund für den Stotterstart des 49ers-Offense-Motors.