Week 5 in der NFL ist vorbei und die Kansas City Chiefs bleiben weiter unschlagbar - während sich bei den Jaguars ein altbekanntes Problem zurückmeldet. Auch die Los Angeles Rams wahren ihre weiße Weste, wenngleich Seattle dennoch mit einem guten Gefühl aus dem Spiel gehen sollte. Außerdem: Alarmierend wiederkehrende Probleme bei den Eagles, und gibt es eine Rettung für die Offense der Green Bay Packers?
Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
Chiefs vs. Jaguars: Kansas Citys Designs und das Blake Bortles Problem
Kein Touchdown-Pass, zwei Interceptions - nach den ersten vier magischen Wochen war das Duell mit den Jaguars für Patrick Mahomes und die Offense der Kansas City Chiefs die erwartet schwere Aufgabe; eine Aufgabe, die KC trotzdem mit Bravour meisterte.
Die Jaguars hatten keine Angst davor, Press-Coverage zu spielen und gewannen einen ordentlichen Anteil ihrer Matchups. Trotzdem standen am Ende 439 Offense-Yards für Kansas City, eine gute Ausbeute gegen diese Defensive. Auch wenn KC offensiv nur zwei Touchdowns, beide über den Run, zustande brachte.
NFL GamepassDer erste davon gelang gleich beim ersten Drive, vielleicht Kansas Citys bester Drive dieser Partie: über zehn Plays marschierte KC 73 Yards das Feld runter, Mahomes lief nach einem Rollout selbst in die Endzone. Es war der erste Touchdown, den Jacksonvilles Defense in dieser Saison in der ersten Hälfte zugelassen hatte.
Für den Drive-Starter hatte sich Coach Andy Reid gleich wieder etwas Besonderes einfallen lassen: Ein Misdirection-Play aus einem doppelt besetzten Backfield, in dem Tyreek Hill letztlich mit Speed den End Around erhielt und gleich das erste Big Play - auch wenn es via Strafe einige Yards verlor - ablieferte.
NFL GamepassAll diese Dinge fallen beim Chiefs-Tape immer wieder auf. Wo andere Offenses - Green Bay wäre ein aktuelles, prominentes Beispiel - zu statisch daherkommen, setzt Reid extrem viel Motion und Ablenkungen ein, um die Defense immer zum Nachdenken und zu Reaktionen zu zwingen. Kaum ein Team ist besser darin, die Defense dazu zu bringen, die ganze Breite des Feldes innerhalb eines Plays zu verteidigen.
Eine andere exemplarische Szene für die vielen Gefahren dieser Chiefs-Offense war das erste Third Down der Partie: Kansas City kommt hier in einer engen Formation mit 22-Personnel (zwei Running Backs, zwei Tight Ends) heraus. Jacksonville muss also die Bedrohung eines Runs zumindest respektieren - und natürlich ist ein Play-Action-Fake eingebaut.
Die Line blockt weg von den Routes, Jacksonvilles Front läuft zwei Schritte in die Falsche Richtung - und genau so entsteht am Ende der Raum für Fullback Anthony Sherman: Der Linebacker auf seiner Seite ist am Ende zwei Schritte zu weit weg, Sherman, der eine gerade, vertikale Route läuft, fängt bei 3rd&1 einen 15-Yard-Pass.
NFL GamepassDie Rams und die Chiefs sind mit Abstand die beiden besten Teams der Liga, wenn es darum geht, enge Formationen mit Motion und Ablenkungen zu kombinieren. Für beide Teams sind es elementare Faktoren für den Erfolg ihrer Offenses. Die Chiefs vermischen das - im Gegensatz zu den Rams - zusätzlich mit jeder Menge Option-Plays; auch KC aber kann schlicht Matchups attackieren.
Ganz konkret haben die Chiefs gegen Jacksonville Eins-gegen-Eins-Matchups für Travis Kelce mit den Jaguars-Linebackern gesucht. Bei diesem langen Second Down funktioniert das so: Die Chiefs stellen drei Receiver auf die linke Seite der Formation und lassen alle Mid-Range-Routes laufen. Das zwingt Jacksonvilles Underneath-Verteidiger auch in der Zone, einige Schritte zurück zu machen.
Kelce hat so ein Eins-gegen-Eins-Duell mit dem Linebacker auf seiner Seite, den er mit einer guten Route aussteigen lässt und einen einfachen Pass fängt.
NFL GamepassDarüber hinaus ist Patrick Mahomes bereits sehr gut darin, Defenses vor und nach dem Snap zu lesen, Coverage-Umstellungen und auch Blitzer zu erkennen. Das fällt immer wieder auf, so auch gegen die Jags: Weil der Linebacker auf Kelces Seite blitzt, hat Mahomes ihn als seinen Hot Read. Bis der Safety nachrückt, ist der Ball bereits beim Tight End, während parallel die beiden tieferen Routes auf der anderen Seite wieder die Linebacker beschäftigen.
Mahomes warf in den beiden Spielen davor sieben (von 41) sowie zehn (von 48) Pässe hinter die Line of Scrimmage, sein Wurf selbst überquerte die Line also nicht. Der Großteil davon sind Screens und Dump-Offs zu den Running Backs. Diese Woche war Kansas City hier etwas eindimensionaler, Mahomes testete die gefährliche Jaguars-Defense allerdings sehr wohl tief: fünf seiner 41 Pässe flogen über 20 Yards das Feld runter.
Kansas Citys Offense letztes Jahr - als die Chiefs ja ebenfalls furios starteten - war noch stärker von den Option- und Misdirection-Elementen abhängig. Alex Smith hatte eine sehr gute Saison als Deep-Passer, aber auch, weil er sich primär auf klare Matchups fokussierte. Mahomes gibt den Chiefs eine größere Vielfalt auch aus einer "Basis"-Offense, wenn man so will, heraus und macht KC als Passer in und vor allem außerhalb der Pocket gefährlicher.
Die Chiefs sind mit ihm besser gerüstet, um die offensive Production hoch zu halten, auch wenn gegnerische Defenses im Laufe der Saison einige der Option-Elemente wieder wegnehmen sollten.
Und die Jaguars? Meine Meinung dürfte inzwischen bekannt sein. Mit Blake Bortles ist Jacksonville kein Contender, weil er die ultimative Quarterback-Achterbahnfahrt ist. Einige der Interceptions gegen die Chiefs waren hanebüchen und schlicht unentschuldbar, und diese Spiele wird man mit ihm immer wieder bekommen. Egal, wie gut die Defense ist, mit Bortles riskieren (bestenfalls) die Jaguars ihr sonst geöffnetes Titelfenster. Darauf zu setzen, dass man den "guten" Blake Bortles in den richtigen Momenten bekommt, ist, als hätte man das schönste Porzellan - und würde es auf einer Wippe lagern.
Seahawks vs. Rams: Seattles Run Game wird eine Basis
Seit Jahren gibt es aus Seattle jetzt mit Blick auf die Offense einen Tenor zu vernehmen: Das Run Game soll besser werden! Pete Carroll hat das über die letzten Jahre mehrfach ganz offen gesagt und zwar nicht nur mit Blick auf die Effizienz, sondern ganz gezielt auch was die Frequenz angeht.
Carroll - so rückständig das in der modernen NFL teilweise wirkt - will sein Team über gute Defense und ein dominantes Run Game aufbauen, so wie es in den Jahren mit Marshawn Lynch und der Legion of Boom der Fall war. Das ist auch der Grund für die Verpflichtung von Schottenheimer als neuer Offensive Coordinator; und gegen die Rams sah man erstmals in dieser Saison so richtig, wie diese Identität aussehen kann.
Seahawks: Rushing-Stats über die vergangenen Jahre:
Jahr | Run-Versuche | Liga-Platzierung Runs | Yards pro Run |
2018* | 458* | 8* | 4,3* |
2017 | 409 | 20 | 4,0 |
2016 | 403 | 20 | 3,9 |
2015 | 500 | 3 | 4,5 |
2014 | 525 | 2 | 5,3 |
2013 | 509 | 2 | 4,3 |
2012 | 536 | 1 | 4,8 |
2011 | 444 | 15 | 4,0 |
*Zahlen für die 2018er Saison aus den ersten fünf Spielen hochgerechnet auf 16 Partien
Dabei waren es nicht zwangsläufig die einzelnen Elemente, die herausstachen - vieles davon konnte man bereits in den vergangenen Wochen und sogar in der Preseason bereits beobachten. Eher das Zusammenspiel der einzelnen Teile war gegen die Rams beachtlich stark Die gute Nachricht für Seahawks-Fans: Ich glaube, es war keine Eintagsfliege.
Gegen die Rams verzeichnete Seattle 32 Runs für 190 Yards (5,9 Yards pro Run), aufgeteilt zwischen Chris Carson, Mike Davis und Tyler Lockett - und das lässt direkt stutzig werden. Erstrunden-Pick Rashaad Penny war zwar active, erhielt aber keinen einzigen Offense-Snap (einen im Special Team) und auch auf die ganze bisherige Saison gesehen war Penny der ineffizienteste der Seahawks-Backs.
NFL GamepassDie andere Überraschung: Russell Wilson hatte nicht einen Run. Das bedeutet aber nicht, dass die Seahawks ihn im Run Game nicht einsetzen würden - mit Zone Reads ist er nach wie vor ein Spieler, den Verteidiger als Runner respektieren müssen, auch wenn er den Ball, wie gegen die Rams, jedes Mal übergibt. Diese Dimension ist wichtig, um Überzahlsituationen im Blocking zu kreieren.
Auch ansonsten ist es ein vielseitiges Run Game. Eine gute Mischung aus Zone und Power, man sieht einerseits Fullback-Blocks sowie Pull-Blocker, andererseits aber auch Misdirection und Jet Sweeps. Letzteres war bei diesem Run von Lockett zu beobachten, der sehr gut geblockt und choreografiert einen 6-Yard-Raumgewinn bei First Down einbrachte.
NFL GamepassSeattle mischt diese Jet-Sweep-Looks auffällig gut mit seinen Play-Action-Paketen und zwang die Rams so, auch aus Run-Formationen den Pass im Hinterkopf zu haben. Darüber hinaus zeigte Seattle gute Blocking-Designs, um schnell Blocker auf das Linebacker-Level zu bringen, so wie bei diesem 16-Yard-Run von Carson. Und die Seahawks kombinierten das endlich auch mit einem vertikalen Passing Game, Russell Wilson warf den Ball im Schnitt von allen Quarterbacks in Week 5 am weitesten. Dieses Element hat bisher zu häufig gefehlt.
Das Play-Calling ist immer noch mitunter fragwürdig, aus anderem Blickwinkel könnte man auch sagen: passend zu den Vorstellungen von Carroll. Bei First Down lief Seattle 18 Mal, bei lediglich sieben Dropbacks. Wenn die Seahawks dann mal bei First Down passten, gab es einige der explosivsten Plays; unter anderem ein 32-Yard-Pass sowie der 39-Yard-Touchdown.
Aber, und das wiederum ist zumindest innerhalb dieser Parameter ermutigend: Seattles First-Down-Runs erreichten einen Schnitt von 5,2 Yards pro Run, ein sehr guter Wert. Und es führt zu einem übergeordneten Punkt, der nicht einfach zu etablieren ist, weil so lange das Gegenteil der Fall war: Seattles Offensive Line ist nicht schlecht, in Teilen sogar gut.
Pro Football Focus listet Seattles O-Liner mit nur einem zugelassenen QB-Pressure gegen die Rams, immer wieder waren gerade auch Inside gegen Suh und Donald Lücken im Run Game offen. Die Seahawks sind dieses Jahr eines der besten Teams in Short-Yardage-Run-Situationen und die Pass-Protection ist im Vergleich zu vergangenen Jahren auf einem merklich anderen Level.
L.A. auf der anderen Seite bekam in diesem Spiel erstmals Probleme, weil die Defense einerseits keinerlei Edge-Rush-Präsenz hat - und andererseits dann gerade Marcus Peters (weniger dramatisch, aber in die gleiche Richtung auch Aqib Talib) aufgrund seiner Aggressivität anfällig für Double Moves ist, vor allem, wenn die noch mit Play Action kombiniert werden. Es wird spannend sein zu sehen, ob andere Teams das ebenfalls ausnutzen können.
Eagles vs. Vikings: Philadelphias Offensive Line ist ein Problem
Die Philadelphia Eagles haben ein ernsthaftes Problem. Zwei sogar, wenn man ehrlich ist - die Anfälligkeiten in der Secondary, die jetzt schon die ganze Saison über ein Thema sind, sollen hier aber nicht weiter diskutiert werden; auch wenn die Tatsache, dass Philly aktuell viel zu viele Coverage-Breakdowns hat, obwohl die Eagles über eine der besten Pass-Rushing-Fronts verfügen, ohne Frage alarmierend ist.
Nicht viel weniger besorgniserregend, aber umso überraschender sind dagegen die Probleme in der Offensive Line. Philadelphias Super-Bowl-Triumph stand auf den breiten Schultern seiner beiden Lines - die Eagles waren das einzige Team der vergangenen Saison, das eine Top-3-O-Line und eine Top-3-D-Line hatte, und man könnte argumentieren, dass sie in beiden Kategorien sogar auf dem ersten Platz lagen.
Die Defensive Line ist noch immer sehr stark, hier hat sich auch nach einigen Personalwechseln nichts an der Qualität geändert. Es ist stattdessen die Offensive Line, die Sorgen macht - und das, obwohl hier personelle Kontinuität gegeben ist.
Bereits letzte Woche waren die Probleme der Line gegen Tennessees Pass-Rush ein Thema. Was gegen die Titans noch sehr kreativen und vielseitigen Pressure- und Blitz-Paketen des Gegners zugeschrieben werden konnte, war jetzt gegen Minnesota oftmals schlicht und ergreifend einfache Unterlegenheit an der Line of Scrimmage.
GamepassBei Linval Josephs langem Return-Touchdown etwa spielten die Vikings keinen Blitz, keinen angetäuschten Pressure. Die Linebacker lassen sich in Coverage fallen, vier Mann attackieren die Line. Auf der rechten Seite der Protection schieben die Vikings zwei Spieler in die gleiche Gap - und Right Tackle Lane Johnson wird blitzartig geschlagen. Daraus resultiert der Fumble.
Bereits in der Vorwoche gegen Tennessee hat Johnson, gemeinsam mit Left Tackle Jason Peters, die meisten Pressures zugelassen (4), gegen die Colts in Week 3 gehörte Johnson der alleinige Spitzenplatz (5), genau wie in Week 2 gegen die Bucs (7) und - um das Paket komplett zu machen - beim Saison-Auftakt gegen Atlanta (3).
Johnson ist eigentlich einer der besten Right Tackles in der NFL, aktuell aber ist er die große Schwachstelle einer Offensive Line, die auch in ihrer Summe weit weg von der Dominanz des Vorjahres liegt.
NFL GamepassUnd natürlich gab es auch die Blitz- und Pressure-Pakete der Vikings, die wir alle kennen: Double-A-Gap-Looks, genau wie das Überladen einzelner Seiten der Protection mit dem Blitz. Der zentrale Takeaway aber war die Anfälligkeit der Eagles auch gegen den 4-Men-Rush, und das ist etwas, das Philadelphia schnellstmöglich korrigieren muss: Wenn Wentz Pressure erhielt (17 Mal) brachte er ganze fünf Pässe für 59 Yards an den Mitspieler und kassierte drei Sacks, drei weitere Male musste er den Ball weg werfen.
Wentz bewegt sich zwar schon wieder beachtlich gut in der Pocket, gelegentlich aber hält er den Ball auch etwas zu lange - und braucht mitunter auch etwas mehr Zeit, bis er offene Receiver hat. Damit das Passspiel wieder explosiver werden kann und auch die ausgedehnten, vielseitigen Run-Blocking-Schemes vernünftig funktionieren, brauchen die Eagles ihre Line. Nach der Verletzung von Jay Ajayi, noch immer einer der besten Contact-Runner der Liga, umso mehr.
Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
Packers-Offense, Broncos, Chargers, Rosen - eure Fragen
Wall_of_Pain, Niklas Fehlemann und Taufeger: Ist das immer noch das richtige Team für Aaron, um noch einen zweiten Ring zu holen? Liegt es am Play-Calling, am Coach, oder braucht es bessere Receiver? Ist die Offense der Packers die schematisch mieseste der Liga?
Letzteres kann man, so denke ich, nicht sagen, da gibt es genügend andere Teams, die in der Hinsicht im Nirgendwo verschwinden; Cardinals, Seahawks, Cowboys sind sicher drei weitere Kandidaten. Ich bin bei den Packers vor allem so überrascht, weil wir die Route-Kombinationen und die verbesserten Play-Designs letztes Jahr gesehen haben, als Brett Hundley übernehmen musste.
Auch in puncto Run Pass Options waren die Packers ganz weit vorne mit dabei und Hundley spielte von allen Quarterbacks mit mindestens 200 Pässen prozentual die zehntmeisten Play-Action-Pässe, das Element war also ebenfalls prominent vertreten.
Und dieses Jahr? Deutlich weniger Play Action mit Rodgers, wir sehen wieder die Isolation-Routes, die Green Bays Offense so lange prägten (und die so häufig kritisiert wurden) und die generellen Play-Calls - wie etwa das Run Game gegen Detroit komplett zu ignorieren, obwohl Aaron Jones und Jamaal Williams gegen die anfälligste Run-Defense der Liga sehr gute Resultate hatten - sorgen ebenfalls für Unverständnis. McCarthys Offense, das kann man sagen, ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß.
Aber dann kommt man auch um Rodgers selbst nicht herum. Er neigt auch aktuell dazu, den Ball zu lange zu halten - hat aber durch seine Verletzung nicht die Mobilität, um diese Plays so funktionieren zu lassen. Gegen Detroit kamen jetzt auch noch ungewohnte Accuracy-Probleme dazu, die er so in der bisherigen Saison eigentlich nicht hatte. Drops von den eigenen Receivern helfen ebenfalls wenig und persönlich habe ich auch nicht den Eindruck, dass Rodgers gerade Spaß hat, in der Offense und unter den Umständen in Green Bay zu spielen. Welche Rolle auch immer das spielt; ich könnte mir vorstellen, keine kleine.
Unter dem Strich: Ich würde Rodgers unglaublich gerne in einem anderen Scheme sehen, und denke nicht, dass sich das, was wir im Kern seit Jahren zwischen McCarthy und Rodgers sehen, nochmal zu einer konstant offenen, explosiven und kreativen Offense entwickelt. Nachdem jetzt beide Coordinator ausgetauscht wurden, würde ich aber auch nicht mehr ausschließen, dass McCarthys Stuhl nach der Saison wackeln könnte, sollte es richtig schief gehen.
Lorne Malvo: Bei welchem der 1-4-Teams siehst du noch Hoffnung auf eine Kehrtwende?
Der offensichtlichste Kandidat ist sicher Atlanta, denn von allen 1-4-Teams (Arizona, Atlanta, Indianapolis, Giants, Oakland und San Francisco) haben die Falcons die klar stärkste Unit: Diese Offense gehört noch immer in die Top-10. Aber Atlanta muss ganz dringend defensive Antworten finden - was natürlich leichter gesagt als getan ist, wenn mit Allen, Neal und Jones die komplette Mitte der Defense fehlt und dann gegen Pittsburgh auch noch Grady Jarrett im Zentrum der Defensive Line ausfällt.
Ansonsten? Die Colts wären mein zweiter Kandidat. Andrew Luck gefällt mir von Woche zu Woche besser und die Defense ist in der Front explosiver und physischer, als ich erwartet hatte. Wenn sich die Offensive Line stabilisiert und das Team mehr Rhythmus bekommt, sind die Colts für sehr viele Teams in der NFL ein mehr als unangenehmer Gegner.
Für die Niners ohne Garoppolo, die Cardinals mit diversen Fragezeichen, allen voran im offensiven Coaching, und zu einem gewissen Grad auch die Raiders - gerade mit Blick auf die Defense - ist es ein Umbruchs- beziehungsweise Übergangsjahr. Die Giants haben die offensive Feuerkraft auf den Skill Positions, um besser zu sein, zumal die Defense immer mehr Richtung Durchschnitt klettert. Aber hat sie auch den Quarterback dafür? Ich glaube nicht.
Max Diiebold: Denvers Run-Defense: warum so katastrophal heute? Letztes Jahr noch Top-5. Ist die Jets-O-Line so gut? New York hatte insgesamt 323 Rushing-Yards.
Letzteres kann man zunächst einmal ausschließen: Die Jets hatten über die ersten vier Spiele eine der schlechtesten Run-Blocking-Lines, Football Outsiders listet sie auf dem drittletzten Platz und vor allem ganz konkret an der Line of Scrimmage hat New York eigentlich größere Probleme.
Es hatte tatsächlich taktische Gründe, zumindest zu einem ordentlichen Teil - und dabei war es überraschend, dass Denver keine Anpassungen vornahm. Wenn man sich vor allem die Big Plays im Run Game anschaut, dann gibt es zwei Muster, die mehrfach auffallen: es sind mehrere Runs nach außen und es sind mehrere leichte Boxes.
Gleich der lange Touchdown-Run von Crowell war gegen eine 6-Mann-Box, Denver brachte nach dem Snap noch einen Defensive Back in die Mitte dazu, der Run aber ging nach außen. Dieser Verlauf wiederholte sich mehrfach, die Outside Runs waren ein großes Problem für Denvers Defense. Die Jets-Receiver blockten hier stark und schirmten Verteidiger nach innen ab, Crowell gleichzeitig war sehr agil auf engstem Raum und gleichzeitig explosiv außen. In der Summe eine schlechte Mischung für eine unflexible Broncos-Defense.
Benjamin Seidl: Case Keenum scheint leider nicht der Mann für Denver zu sein. Welche Quarterback-Optionen haben die Broncos nun kurz- oder langfristig, auch angesichts von Keenums Vertrag?
Keenum ist ein aggressiver Passer, der gerne Risiken eingeht, das wussten die Broncos, als sie ihn verpflichtet haben. Drei seiner sechs Interceptions kamen bei Deep Balls (mindestens 20 Yards Downfield), der Garbage-Time-Touchdown zu Thomas war sein erster TD in der Range in dieser Saison.
Die Accuracy ist ein größeres Problem, und dass Keenum mit einer besseren Line als letztes Jahr in Minnesota sowie einem ebenfalls stark besetzten Waffenarsenal bisher so ineffizient war, ist schon enttäuschend. Insgesamt aber bewegen wir uns schon noch in dem Bereich, den man vor der Saison als realistische Möglichkeit in Betracht ziehen musste.
Was Keenums Vertrag angeht: Denver könnte ihn nach der Saison entlassen, wenn man bereit ist, einen Dead Cap über zehn Millionen Dollar zu schlucken. Bleibt er, beträgt der Cap Hit 21 Millionen Dollar. Bei den allermeisten Teams würde ich für Alternativen auf den Draft verweisen, gut möglich, dass John Elway aber erneut einen Routinier haben will, sollte das Keenum-Projekt nach dieser Saison bereits als gescheitert erklärt werden.
Dann sprechen wir wohl von einem Kandidaten wie Tyrod Taylor oder Teddy Bridgewater, falls Drew Brees weitermacht und Bridgewater sich mit den Saints nicht einig wird.
Moe: Hand aufs Herz: Ist Rosen wirklich so gut und vielversprechend oder momentan eher der einzige Hoffnungsschimmer? Ich habe das Spiel gegen die Seahawks gesehen und da war Rosen wirklich überzeugend und hat eigentlich stark aufgespielt. Das sind allerdings meine einzigen Eindrücke
Rosen gegen Seattle war eines der besten Rookie-QB-Starting-Debüts, das ich seit einigen Jahren gesehen habe. Die Accuracy, das Pocket-Movement, die Ruhe gegen Pressure, mehrere spektakuläre Pässe Downfield in engste Fenster - was seine individuelle Leistung angeht, konnte man nicht mehr erwarten.
Gegen die 49ers am Sonntag war gerade die Accuracy nicht mehr so da, zwei, drei Mal verfehlte er einen offenen Receiver. Aber die Werkzeuge sind allesamt da und ich bin überzeugt davon, dass Rosen die Quarterback-Antwort in Arizona ist. Das gilt umso mehr, wenn man sich seine individuellen Leistungen trotz riesiger Drop-Probleme in seinen beiden Starts, einer schlechten Offensive Line und einem wahnsinnig unkreativen Play-Calling anschaut.
Higgens64: Wird die Chargers-Franchise in L.A. gegen die Wand gefahren? Wird das Team bald wieder umziehen oder bringt erst das neue Stadion die Wende?
Ich glaube, es wird eher noch schlimmer, wenn die Rams und die Chargers erstmal umziehen. Aktuell bekommen die Chargers ja nicht einmal das kleine StubHub Center voll, im neuen, deutlich größeren Stadion werden dann vermutlich noch viel mehr Auswärtsfans sein.
Mein ursprünglicher Gedankengang bei dem Umzug war ja, dass die Chargers womöglich einen kleinen Start-Boost haben, weil sie damals das deutlich bessere Team waren. Die Machtverhältnisse sind natürlich längst gekippt und gleichzeitig sehen wir auch, dass selbst die Rams aktuell am regulären Sonntagnachmittag ihr Stadion nicht voll bekommen.
Man kann problemlos argumentieren, dass L.A. keine zwei Football-Teams braucht - und schon gar nicht in so kurzem Abstand als neues Team in der Stadt. Rams haben dabei sicher noch eine historisch größere Fan-Base und sind in näherer Zukunft das spektakulärere Team; trotzdem denke ich, dass auch sie ihr neues Stadion anfangs nicht immer voll bekommen - aber deutlich eher als die Chargers jedenfalls.
Natürlich sehen die Chargers Los Angeles als langfristige Aufgabe, einen baldigen erneuten Umzug wird es nicht geben. Aber dass Los Angeles für diese Franchise ein Fehler war, ist alles andere als eine gewagte These.