In der NFL gewinnt man (nachhaltig) mit Offense, und dabei primär mit dem Passing Game - welche Teams könnten in der kommenden Saison mit ihrer Offense dominieren? Das Ziel dieser Ausgabe der SPOX-NFL-Kolumne ist es, den Ist-Zustand mit einer Priese Prognose zu versehen, um die potenziellen Top-10-Offenses für die kommende Saison zu prognostizieren.
Ein Team, das dabei nicht im Ranking auftaucht, aber nicht unerwähnt bleiben sollte, sind die Green Bay Packers. Green Bay hat eine Top-15-Offensive-Line, einen echten Nummer-1-Receiver und in Aaron Rodgers einen der potenziell besten Quarterbacks der Liga - wenn er sein Potenzial wieder konstant auch aufs Feld bringen kann, was über die letzten vier Jahre, aus verschiedenen Gründen, zu selten der Fall war.
In der Summe gibt es bei Green Bay sehr viele sehr elementare Fragezeichen, wenn man Rodgers, die Receiver-Fragezeichen abseits von Davante Adams und vor allem Matt LaFleur berücksichtigt. LaFleur hatte in Tennessee einen sehr Run-lastigen Ansatz und deutete das auch in Green Bay bereits an. Wie gut funktioniert seine Chemie mit Rodgers? Wie effizient ist sein Play-Calling? Und wie ist er als Leader?
Gehen wir bei allen Teams vom absoluten Best-Case-Szenario aus, gehören die Packers in die Top-10. Vielleicht sogar in die Top-5.
NFL Top 10 Offenses 2019 - die Plätze 10 bis 7
10. Cleveland Browns
Quarterback: Unheimlich beeindruckende Rookie-Saison von Baker Mayfield, der bei "normalem" Entwicklungsverlauf im zweiten Jahr noch einen klaren Schritt nach vorne machen sollte. Mayfield ist ein akkurater Pocket-Passer, der mit Antizipation wirft und einen sehenswerten Deep Ball wirft.
Play-Calling/Scheme: Die Veränderung während der vergangenen Saison, als Freddie Kitchens übernahm, war bemerkenswert. Kitchens gelang es schnell, mit Motion und effizienten Route-Kombinationen über die Play-Designs zu gewinnen, während er es Mayfield gleichzeitig endlich erlaubte, die Mitte des Feldes mit unter anderem David Njoku und Duke Johnson zu attackieren. Kitchens hat einen sehr vielversprechenden ersten Eindruck hinterlassen - kann er den bestätigen?
Offensive Line: Guard Kevin Zeitler abzugeben war ein Risiko, Vorjahres-Zweitrunden-Pick Austin Corbett muss jetzt zeigen, dass er diese großen Fußstapfen füllen kann. Joel Bitonio und JC Tretter innen sowie Chris Hubbard auf Right Tackle bilden ohne Zeitler das Gerüst der Line; neben Corbett ist auch Greg Robinson, der auf Left Tackle gehalten wurde, eher als Fragezeichen denn als sichere Lösung zu betrachten.
Waffen: Als ob die Mayfield-Kitchens-Kombination nicht in vielerlei Hinsicht spannend genug wäre, ist mit dem Trade für Odell Beckham auch das Waffenarsenal der Browns eine eigene Story, die den Top-10-Platz rechtfertigt. Beckham ist einer der drei, vier besten Wide Receiver der Liga und sollte mit seinen Fähigkeiten nach dem Catch glänzend zu Mayfield und der Kitchens-Offense passen.
Mit Jarvis Landry im Slot, Rashard Higgins Outside, Antonio Callaway als Speedster, David Njoku als einem der aufstrebenden jungen Tight Ends und einem voll besetzten Backfield um Nick Chubb, Duke Johnson (sofern der nicht noch getradet wird) und Kareem Hunt haben die Browns ein in der Breite und der Spitze spektakulär besetztes Skill-Position-Corps.
9. Pittsburgh Steelers
Quarterback: Rein was die Pocket-Passer angeht, gehört Big Ben zweifellos weiterhin in die Top-10; eine starke zweite Saisonhälfte letztes Jahr unterstrich das. Roethlisberger ist weiterhin einer der gefährlichsten Downfield-Passer der Liga, in puncto Accuracy und Decision-Making stabilisierte er sich während der vergangenen Saison merklich. Er muss wieder konstanter werden, dass er das höchste Niveau noch im Tank hat, war allerdings zu sehen.
Play-Calling/Scheme: Randy Fichtner hat in seinem ersten Jahr als Offensive Coordinator gute Arbeit geleistet. Die Steelers waren extrem Pass-lastig, blieben dabei aber vor allem in der zweiten Saisonhälfte zumeist effizient. Die Steelers spielten mehr Empty Formations als irgendein anderes Team und setzen auch immer wieder auf Air-Raid-Elemente. Das vertikale Passspiel hat dabei nach wie vor eine große Rolle und Fichtner konnte immer wieder offene Pässe für Roethlisberger kreieren.
Offensive Line: Alejandro Villanueva, Ramon Foster, Maurkice Pouncey, David DeCastro - kaum eine Offensive Line kann qualitativ mit Pittsburghs vier Top-Linemen mithalten. Matt Feiler auf Right Tackle ist die einfache auszumachende potenzielle Schwachstelle, die gegnerische Defenses fraglos weiter testen werden.
Doch in der vergangenen Saison, als Feiler auch ehe die Steelers Marcus Gilbert nach Arizona tradeten bereits zehn Spiele absolvierte, hatte Pittsburgh eine Top-5-Line, und das sollte aufgrund der individuellen Qualität der vier Stars auch in diesem Rahmen bleiben. Wenngleich der Verlust von O-Line-Coach Mike Munchak erst einmal aufgefangen werden muss.
Waffen: Man mag von Antonio Brown als mögliche Belastung für die Team-Chemie halten, was man will - sportlich haben die Steelers durch den Trade mit den Raiders einen Top-5-Receiver verloren. Das zu kompensieren wird eine Herkulesaufgabe; Brown ist nicht nur ein Spieler, der individuell den Unterschied ausmachen und Spiele an sich reißen kann. Er ist auch ein Spieler, der Defenses dazu zwingt, Coverages anzupassen, ihre Safeties anders einzusetzen, kurz: der Räume für seine Mitspieler schafft.
Das wird sich bemerkbar machen. Teams werden zunächst vermutlich ihre Coverages stärker auf JuJu Smith-Schuster fokussieren, auch wenn der in seiner Big-Slot-Rolle bleibt. Outside sollen Donte Moncrief, James Washington und perspektivisch Diontae Johnson Browns Lücke schließen - im Verbund. Die Tight-End-Position ist schwächer als im Vorjahr und im Backfield ist Le'Veon Bell nun endgültig weg. Kann James Conner als Receiver noch ein gravierenderer Faktor werden?
8. Los Angeles Chargers
Quarterback: Pre-Snap gehört Rivers weiterhin zur klaren Liga-Spitze und insbesondere in der Mitte des Feldes ist er einer der akkuratesten und gefährlichsten Quarterbacks der Liga. Rang 3 in Football Outsiders' DVOA-Ranking spiegelt das ebenfalls wieder. Rivers kann mit seiner Spielintelligenz und seinem Verhalten in der Pocket Schwachstellen im Blocking überspielen, und das könnte auch 2019 wieder notwendig sein.
Play-Calling/Scheme: Ken Whisenhunt leistet als Offensive Coordinator in Los Angeles gute Arbeit. Die Chargers haben eine gute offensive Balance, dahingehend, dass Whisenhunt seine verschiedenen Waffen gut einbindet: Die Chargers spielen überdurchschnittlich viel 12-Personnel-Sets sowie vor allem 22-Personnel und sind aus beiden Personnel-Groupings überdurchschnittlich explosiv. Whisenhunt mit seinem ausgeprägten Underneath-Passing-Game und Rivers funktionieren zusammen mit den Waffen in L.A. sehr gut zusammen.
Offensive Line: Hier zerbröselte der Keks für die Chargers in den vergangenen Playoffs, und eine Wiederholung in der kommenden Saison scheint alles andere als ausgeschlossen. Left Guard Dan Feeney ließ letztes Jahr die meisten QB-Pressures aller Guards zu (46), Right Tackle Sam Tevi die drittmeisten aller Offensive Tackles (61).
Die Probleme in Teilen der Offensive Line waren das konstante Negativ-Thema bei den Chargers letztes Jahr, und was sofortige Starter-Hilfe angeht, haben die Chargers nichts gemacht. Wie viel können Rivers und die Play-Designs davon maskieren?
Waffen: Mit Hunter Henry sowie dem Backfield zurück bei 100 Prozent haben die Chargers ein interessantes Arsenal mit vielseitigen Waffen. Melvin Gordon und Austin Ekeler waren als Running-Back-Duo ein wichtiger Teil der Offense, ehe die Verletzungen zuschlugen. Henry bringt alles mit, um ein Top-10-Tight-End zu sein, Keenan Allen ist einer der besten Route-Runner und einer der gefährlichsten Receiver in der Mid-Range.
Gleichzeitig hat sich Mike Williams letztes Jahr als der Big-Body-Deep-Threat etabliert, den die Chargers im Kopf hatten, als sie Williams 2017 in der ersten Runde gedraftet haben. Und in Travis Benjamin hat L.A. zusätzlich einen Speedster und Deep Threat, den man noch variabler einsetzen könnte, als es letztes Jahr der Fall war. Die Kombination aus Quarterback und dem Waffenarsenal schiebt die Chargers ohne Frage in die Top-8.
7. Los Angeles Rams
Quarterback: Welche Art Quarterback ist Jared Goff? Nehmen wir das letzte Jahr als Grundlage, dann könnte das Fazit so in etwa aussehen: Goff ist ein Quarterback, der ein funktionierendes Scheme glänzend auf dem Feld umsetzen kann und bisweilen auch darüber hinauswächst - der gleichzeitig allerdings nicht konstant genug Plays selbst "kreieren" kann, wenn das Scheme nicht gewinnt. Gleichzeitig ist Goff aber auch noch jung und wird sich weiterentwickeln. Macht er den Schritt hin zu einem Top-8-Quarterback, wird die Rams-Offense klettern.
Play-Calling/Scheme: Sean McVay hat sich letztes Jahr als der junge Play-Caller etabliert - bis dann im letzten Saisondrittel und insbesondere im Super Bowl seine Offense ein Stück weit entschlüsselt wurde, ohne dass er mit einem konkreten Plan B hätte antworten können. In Teilen wurde das bereits gegen Detroit in Woche 13 deutlich, vor allem die darauf folgenden Spiele gegen Chicago und Philadelphia legten Probleme offen.
Teams, die die Rams und Jared Goff mit tiefen Zone-Safeties insbesondere bei Early Downs dazu zwangen, konstant die Underneath-Routes anzuspielen und so die Big Plays weitestgehend eliminierten, bereiteten L.A. nachhaltige Probleme. Es wird sehr spannend sein zu sehen, wie McVay darauf reagiert; zunächst bekommt er die verdienten Vorschusslorbeeren mit der Annahme, dass ihm neue Ansätze neben seinem 11-Personnel-Play-Action-Spiel einfallen werden.
Offensive Line: Der Abgang von Rodger Saffold in der Free Agency sowie die Entlassung von Center John Sullivan bringt erstmals seit Beginn der 2017er Saison wieder größere Veränderungen in der Rams-Line mit sich. L.A. hatte hier, abgesehen von der Entlassung von Jamon Brown nach dessen Sperre zu Beginn der vergangenen Saison, über zwei Jahre beachtliche Stabilität; und die Rams brachten insbesondere letztes Jahr eine der zwei, drei besten Offensive Lines auf den Rasen.
Joseph Noteboom ersetzt Saffold auf Left Guard, für den vakanten Center-Spot ist aktuell Brian Allen eingetragen. Der Viertrunden-Pick aus dem Vorjahr hatte letztes Jahr ganze 37 Snaps, Noteboom (3. Runde 2018) 79. Die Rams haben in den vergangenen Jahren weitsichtig gedraftet, auch der diesjährige Drittrunden-Pick Bobby Evans könnte nach der kommenden Saison dann Andrew Whitworth beerben. Zunächst einmal müssen dieses Jahr aber zwei der jungen Mid-Round-Picks zeigen, ob die Line das unheimlich hohe Niveau halten kann.
Waffen: Die Verletzung von Cooper Kupp hat den Rams letztes Jahr richtig wehgetan, gemeinsam mit Robert Woods und Brandin Cooks ist das eines der besten Wide-Receiver-Trios in der NFL. Die Tight Ends sind solider Durchschnitt. Was etwas fehlt, ist die Kadertiefe insbesondere hinter den drei Starting-Receivern.
Spannend wird es in L.A. im Backfield. Todd Gurleys Knieprobleme scheinen doch ernster zu sein als es von Team-Seite aus kommuniziert wird; der Trade nach oben im Draft, um Darrell Henderson zu bekommen, lässt ebenfalls darauf schließen. Beide passen als Runner perfekt in das Rams-Blocking-Scheme - doch was können beide zeigen, sollte die Line ein, zwei Schritte zurück machen?