In Woche 6 der NFL-Saison setzten die Houston Texans gegen die Kansas City Chiefs ein Ausrufezeichen. Die Minnesota Vikings schafften einen Kantersieg über die Philadelphia Eagles und die Sam Darnold feierte eine überzeugende Rückkehr für die New York Jets. Zudem legten die Seattle Seahawks ein sehenswertes Comeback in Cleveland hin.
Die Chiefs haben ihr zweites Spiel in Folge verloren - und beide kamen vor heimischen Fans. Darauf deutete zu Beginn wenig hin: Patrick Mahomes (19/35, 273 YDS, 273 YDS, 3 TD, INT) dominierte das Spiel anfangs wie er wollte und legte Rückkehrer Tyreek Hill (5 REC, 80 YDS, 2 TD) einen spektakulären Touchdown auf - Hill, bei einem Free Play durch eine Strafe gegen die Defense, fing den Ball über einem Verteidiger in der Luft stehend. Mahomes hatte generell früh im Spiel mehrere herausragende Pässe, ein toll designter Screen öffnete den Weg zum nächsten Touchdown und die Texans waren früh in einem Loch.
Doch hat auch Houston seinerseits eine der explosivsten Offenses, angeführt von Deshaun Watson. Watson (30/42, 280 YDS, TD, 2 INT; 10 ATT, 42 YDS, 2 TD) und die Texans-Offense hatten nach einem frühen Fumble von Carlos Hyde bei den weiteren fünf Drives der ersten Hälfte drei Touchdowns und ein Field Goal, sowie dazwischen eine Interception von Watson. Die allerdings blieb ohne Folgen, weil direkt danach Mahomes 16 Sekunden vor der Halbzeitpause kurz vor der eigenen Endzone fumbelte - was Houston mit dem letzten Touchdown der ersten Hälfte bestrafte.
Auffällig war allerdings vor allem, dass die Chiefs-Offense nach einem sehr holprigen Duell gegen die Colts in der Vorwoche in der zweiten Hälfte erneut Probleme hatte: KC legte direkt einen 10-Play-Touchdown-Drive hin, an dessen Ende Hill komplett offen in der Endzone war; das waren aber die letzten Punkte nach der Halbzeitpause. Watson warf noch eine furchtbare Interception in die Chiefs-Endzone, ansonsten aber dominierte Houston die zweite Hälfte.
Aus Chiefs-Sicht ist Panik nach wie vor nicht angebracht; doch zwei aufeinanderfolgende zumindest phasenweise durchwachsene Spiele der Offense sind zumindest ein Schuss vor den Bug. Das große Problem allerdings ist die Chiefs-Defense, die die Offense konstant dazu zwingt, punkten zu müssen. Das ist zwar die generelle Einstellung von Andy Reid und Patrick Mahomes, doch selbst für dieses Duo kann das nicht jede Woche funktionieren.
Erneut mussten die Browns dabei auf ihre beiden Top-Cornerbacks Denzel Ward und Greedy Williams verzichten, die infolge ihrer Oberschenkelverletzungen zwar unter der Woche erstmals wieder trainiert hatten, das Spiel gegen Seattle kam allerdings noch zu früh. Doch auch die Seahawks hatten kritische Ausfälle zu verzeichnen, Guard D.J. Fluker und Left Tackle Duane Brown fehlten gegen die starke Defensive Line der Browns.
Fernab all dieser Ausfälle war es die zuletzt einmal mehr gescholtene Browns-Offense, die früh für die Ausrufezeichen sorgte: Nach einem langen Kickoff-Return fand Nick Chubb (20 ATT, 122 YDS, 2 TD) schnell die Endzone, im zweiten Drive spielten die Browns ein langes Fourth Down erfolgreich aus und Mayfield (22/37, 249 YDS, TD, 3 INT) lief in die Endzone - gefolgt von einem 31-Yard-Touchdown von Ricky Seals-Jones wenig später. Die Seahawks-Defense war früh komplett zahnlos im Pass-Rush, hatte Löcher in Coverage und wackelte auch in der Run Defense enorm.
Zwei Probleme gab es dann aber doch für die Browns: Die eigene Offense blieb nicht so fehlerfrei, Mayfield warf zwei Picks spät in der ersten Hälfte, darunter einen tief in der Red Zone, und ermöglichte so einen späten, langen Drive für die Seahawks kurz vor der Pause - und Seattles Offense hielt Schritt.
Russell Wilson (23/33, 295 YDS, 2 TD) bestätigte seine MVP-Form mit mehreren explosiven Plays von Beginn an, D.K. Metcalf hatte früh einige kritische Catches und es wäre noch mehr möglich gewesen, hätte Pete Carroll nicht einmal mehr sein konservatives Gesicht gezeigt: Ein Punt von der 39-Yard-Line der Browns, ein Field Goal von der 2-Yard-Line der Browns - diese Probleme treten Woche für Woche auf.
Auch deshalb war es am Ende enger als nötig. Die Seahawks, bei denen Tight End Will Dissly mutmaßlich schwer verletzt raus musste, standen sich einmal mehr mit einem Fumble selbst im Weg, doch war das kein Vergleich zu dem, was Cleveland wenig später machte: Die Browns hatten 1st&Goal innerhalb der 10-Yard-Line und Kitchen ließ zunächst zwei Pässe werfen, nur um dann die Challenge Flag wegen des Spots des Balls zu werfen - die Flagge flog aufs Feld, als Chubb gerade in die Endzone marschierte. Kitchens verlor die Challenge und beim 4th Down stoppte Seattle Chubb. Es war in der Summe ein besseres Spiel der Browns-Offense, Cleveland stand sich aber zu häufig selbst im Weg und kontrollierte defensiv die Line of Scrimmage trotz mehrerer Ausfälle in der O-Line nicht ansatzweise so gut wie erhofft.
Minnesota Vikings (4-2) - Philadelphia Eagles (3-3)
Die Vikings legten los wie die Feuerwehr - und knüpften in mehrerlei Hinsicht an das an, was sie letzte Woche gegen die Giants gezeigt hatten. Minnesota attackierte die schwache Eagles-Secondary, gerne auch mit Play Action, und legte Big Play auf Big Play auf: Thielen eröffnete die Punktejagd, doch es war die Stefon-Diggs-Show: Diggs (7 REC, 167 YDS, 3 TD) fing Touchdown-Pässe über 62 und 51 Yards bei Eins-gegne-Eins-Matchups, er ist der erste Vikings-Spieler mit zwei Touchdowns über mindestens 50 Yards in einem Spiel seit Randy Moss. Philadelphias Secondary wirkte phasenweise komplett verloren.
Der Game Plan der Eagles dagegen warf zunächst einige Fragen auf: Philly kam trotz der starken Vikings-Front sowie der anfälligen Secondary dahinter zunächst mit einem Run-lastigen Plan in die Partie, und es dauerte, ehe Carson Wentz (26/40, 306 YDS, 2 TD, INT) den Ball endlich häufiger erhielt. Dann aber kamen die Eagles erstaunlich schnell zurück in die Partie: Ein toller Touchdown zu Running Back Miles Sanders, der mehrfach vertikal im Passspiel eingesetzt wurde, gefolgt von einem Touchdown-Drive früh im dritten Viertel mit einem sehenswerten Touchdown-Pass auf Jeffery.
Und so kippte das Spiel mehr und mehr in die Richtung der Eagles, die mit einem äußert merkwürdigen Fake Field Goal Sekunden vor der Halbzeitpause noch mögliche Punkte unnötig liegen gelassen hatten. Es entwickelte sich ein Schwergewichtskampf zwischen zwei guten Teams, in dem Philadelphia eine eklatante Problemzone aber nicht geschlossen bekam: Wieder und wieder erhielt Diggs Eins-gegen-Eins-Matchups - und Cousins fand ihn zum dritten Mal in der Endzone.
Das war im Endeffekt eine zu große Baustelle. Philadelphia wird die Secondary adressieren müssen, will man dieses Jahr ganz oben mitspielen - dieser Eindruck manifestiert sich immer mehr. Gleichzeitig stand sich die Offense am Ende mit Strafen, einem Fumble durch Wentz sowie einem Pick zum Abschluss selbst im Weg. Die Vikings, bei denen das Run Game sogar zusätzlich besser funktionierte als erwartet, hatten in der Summe den besseren Game Plan parat.
"Tank Bowl" war vermutlich die Bezeichnung, die dieses Spiel im Vorfeld am häufigsten erhalten hatte - dabei sind beide Teams in ihrer generellen Ausrichtung gänzlich unterschiedlich unterwegs: Washington hofft, dass man den Quarterback der Zukunft in Dwayne Haskins gefunden hat, das Team hat junge, talentierte Spieler um die herum sich der Kern für die nächsten Jahre bilden soll und Head Coach Jay Gruden wurde nach der fünften Niederlage im fünften Spiel entlassen. Die Dolphins dagegen haben eine Offseason hinter sich, in der der Kader systematisch heruntergewirtschaftet wurde. Zusätzlich fiel Nummer-1-Cornerback Xavien Howard verletzt aus.
Rein sportlich passierte dann früh das, was man für diese Partie noch am ehesten erwarten konnte: Washingtons Defensive Line dominierte die schlechteste Offensive Line der Liga. Bei den ersten sieben Pass-Versuchen hagelte es drei Sacks und einen Pressure, nach zwölf Dropbacks - inklusive vier Sacks für -26 Yards - hatte die Dolphins-Offense -26 Passing-Yards.
Der erste wirklich erfolgreiche Drive gehörte wenig später Washington. Einige gute Runs von Adrian Peterson (23 ATT, 118 YDS), am Ende stand der Touchdown nach einer spektakulären Route von Terry McLaurin. Doch war das keineswegs der Start für eine dominante Partie der Redskins. Miami coachte zumindest saggressiv auch in 4th-Down-Situationen, während die Redskins-Offense abgesehen vom Touchdown-Drive kaum ein Lebenszeichen von sich gab - und dennoch schien es wie die Vorentscheidung, als McLaurin der Dolphins-Secondary Mitte des dritten Viertels nochmals für seinen zweiten Touchdown davonlief.
Doch Miami hatte noch ein Ass im Ärmel, und das war der Quarterback-Tausch: Ryan Fitzpatrick ersetzte den glücklosen Josh Rosen - und prompt kamen die Dolphins zu ihren ersten Punkten in einer zweiten Halbzeit dieses Jahr! Und mehr noch: Washingtons Offense war weiter komplett abgemeldet, während Miami Rückendwind hatte - und in den Schlusssekunden das Feld runter marschierte! Fitzpatrick (12/18, 132 YDS, TD) fand DeVante Parker Sekunden vor dem Ende zum Touchdown und Miami ging auf die 2-Point-Conversion - und mit einem sehr fragwürdigen Play-Call verpassten die Dolphins den Last-Minute-Sieg. Coach Flores bestätigte nach der Partie, dass Rosen in Woche 7 wieder startet.
Gegen ein Bengals-Team, das in der Vorwoche über weite Strecken mit dem Run Game der Cardinals komplett überfordert gewesen war, legte Baltimore genau so los, wie man es erwarten musste: Insbesondere Lamar Jackson (21/33, 236 YDS; 19 ATT, 152 YDS, TD) lief früh fast nach Belieben durch die Bengals-Defense, Baltimores Run Game generell war dominant zum Start in die Partie.
Allerdings wurde daraus nicht etwa früh auch eine deutliche Angelegenheit auf dem Feld. Cincinnati hatte das Spiel mit einem 92-Yard-Kickoff-Return-Touchdown durch Brandon Wilson eröffnet, doch in der Folge kam von der Offense nicht viel. Andy Dalton (21/39, 235 YDS, INT) hatte ein paar sehenswerte Pässe, konnte aber hinter einer weiter von Verletzungen geplagten Offensive Line weiter keine Konstanz in die Offense bringen, während das Run Game ebenfalls wieder einmal nicht funktionierte.
Baltimore, ohne den verletzten Marquise Brown, ging zwar in Führung, machte aber lange den Deckel nicht drauf; obwohl Jackson mit 111 Rushing-Yards in der ersten Halbzeit den zweitbesten Wert für einen Quarterback in der ersten Hälfte aller Zeiten aufstellte. Nur Mike Vick (127 gegen die Saints 2006) rangiert noch davor.
Am Ende stand er sogar bei 152 Rushing-Yards, damit ist er der einzige Quarterback neben Vick, Colin Kaepernick und Tobin Rote mit 150 Rushing-Yards in einem Spiel. Das Spiel plätscherte in der zweiten Hälfte dahin, Spannung kam angesichts der dominanten Ravens-Defense aber nie auf. Die Ravens bauten ihre Führung nur mühsam aus, doch hatte man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass die Bengals ernsthaft nochmals rankommen könnten.