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Jalen Hurts vor dem NFL Draft: Vom Supertalent zur Randfigur - und wieder zurück?

Von Jan Dafeld
Jalen Hurts lief in der vergangenen Saison für die Oklahoma Sooners auf.
© getty

Bei den Alabama Crimson Tide galt Jalen Hurts vor nur wenigen Jahren noch als eines der größten College-Talente des Landes. Vor dem NFL Draft ist er unter den Quarterback-Prospects allerdings nur noch eines von vielen. Doch Hurts bringt nach wie vor besondere Qualitäten mit sich - und könnte schon früh eine Rolle in der NFL finden.

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Wenn aktuell über die besten Quarterbacks im Draft 2020 diskutiert wird, fällt zwangsläufig der Name von Joe Burrow, dem Superstar und Heisman-Gewiner der vergangenen College-Saison. Tua Tagovailoa, bis vor einem Jahr noch als das größte Quarterback-Talent der Draftklasse gehandelt, wird ebenso genannt wie Justin Herbert, der ebenfalls nahezu garantiert in der ersten Runde des Drafts ausgewählt werden wird.

Auch Jordan Love, der noch ungeschliffene Rohdiamant der Utah State Aggies, könnte bereits am ersten Tag des Drafts sein NFL-Team finden.

Ein Name wird in diesem Zusammenhang allerdings kaum genannt: Jalen Hurts.

Jalen Hurts: Superstar bei Alabama

Es ist eine äußerst ungewohnte Situation für den 21-Jährigen. Hurts ist es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen und umworben zu werden: Bereits auf der High School avancierte er in Texas zu einem Star, er wurde als Vier-Sterne-Talent (auf einer Skala von eins bis fünf) eingeschätzt, zahlreiche der großen Colleges umwarben ihn. Hurts, selbst seit jeher mit enormem Selbstvertrauen ausgestattet, entschied sich für die erfolgreichste Football-Schule von allen: Alabama.

Trotz großer und namhafter Konkurrenz wurde Hurts gleich in seiner Freshman-Saison zum Starter der Crimson Tide ernannt - als erster Alabama-Quarterback seit mehr als 30 Jahren. Der damals 18-Jährige, dem bei seinem ersten Snap für Alabama gleich ein Fumble unterlaufen war, führte sein Team von Sieg zu Sieg, Alabama gewann 14 Spiele in Serie, erst im National Championship Game unterlag man Deshaun Watson und den Clemson Tigers. Hurts stellte neue Schulrekorde für Touchdowns (36) und Rushing Yards eines Quarterbacks (954) auf.

"Ich bin von einem seltenen Schlag. Ich war und bin anders als alle anderen", so Hurts. "So wie ich war, wie ich erzogen wurde, wie ich gespielt habe und wie ich mit anderen Personen interagiert habe." Das Supertalent galt als introvertiert und unnahbar.

"Viele Leute dachten, er wäre ein Idiot", meint Alabams Athletiktrainer Scott Cochran. Und Mike Locksley, Hurts' Offensive Coordinator 2017 und 2018 ergänzt: "Ich würde nicht sagen, dass er ruhig ist, vielmehr handelt er stets kalkuliert. Du hast nie das Gefühl, dass du mit einem 18-jährigen Kind redest."

"Sie sind sehr ähnlich", erklärte Hurts' Vater, Averion Hurts Senior, das Verhältnis zwischen seinem Sohn und Alabamas Head Coach, dem großen Nick Saban. "Sie können beide Arschlöcher sein. Aber auf eine gute Art und Weise: Sie kommen zum Punkt, ohne Emotionen."

Jalen Hurts: Im größten Spiel auf die Bank gesetzt

In Hurts' zweiter Saison gewann Alabama elf seiner zwölf Regular-Season-Spiele, im Halbfinale der Playoffs nahmen die Crimson Tide sogar eindrucksvoll Rache an Clemson. Doch ihr Quarterback wackelte mehr und mehr., von seinem ersten zu seinem zweiten Jahr am College hatte er sich eher marginal entwickelt. Ausgerechnet im Championship Game gegen Georgia, mit dem gesamten Land als Zuschauer, wurde Hurts auf die Bank gesetzt.

Nach einer enttäuschenden ersten Halbzeit (3/8 Pässe für 21 Yards, Halbzeitstand 0:13) übernahm der hochtalentierte Tua Tagovailoa als Starting Quarterback und führte Alabama tatsächlich noch zu einem 26:23-Erfolg in der Overtime. Es war der Beginn von Tagovailoas großer Zeit als Alabamas Quarterback, für Hurts war es dagegen der Anfang vom Ende.

"Ich kann mich noch erinnern, wie er mir an meinem Schreibtisch gegenübersaß", erzählt Locksley. "Es war das erste Mal, dass ich den Jungen hatte weinen sehen. 'Wie gehe ich damit um? Ich habe mehr als 20 Spiele gewonnen und jetzt bin ich nicht mehr der Starter. Wie soll ich damit umgehen'"?

Jalen Hurts lief in der vergangenen Saison für die Oklahoma Sooners auf.
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Jalen Hurts lief in der vergangenen Saison für die Oklahoma Sooners auf.

Jalen Hurts blüht in Oklahoma erneut auf

Obwohl Hurts seine Degradierung ohne öffentliches Murren akzeptierte, dürfte jedem der Beteiligten klar gewesen sein: Dies war keine Konstellation für die Ewigkeit. Hurts sollte Alabama im Anschluss an die Saison als Backup verlassen, doch er bekam zum Abschied nochmal seinen großen Moment. Im SEC Championship Game ersetzte Hurts den angeschlagenen Tagovailoa und führte Alabama zu einem Comeback-Sieg und einem Platz in den Playoffs - ausgerechnet gegen die Georgia Bulldogs, gegen die Hurts einst seinen Starterposten verloren hatte.

"Ich bin so stolz auf diesen Jungen und was er in diesem Jahr gemacht hat", zeigte sich Saban im Anschluss an das Spiel, den Arm um Hurts gelegt, voll des Lobes: "Ich kann es gar nicht in Worte fassen." "Sie werden immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben", sagt der Quarterback heute über die Crimson Tide. Auch zu Tagovailoa pflegt er bis heute ein gutes Verhältnis. "Diese Beziehung wird nie enden. Ich bleibe das gesamte Jahr über mit ihm in Kontakt."

Hurts schloss sich schließlich den Oklahoma Sooners an, wo er das schwere Erbe von Baker Mayfield und Kyler Murray, zwei Heisman-Gewinner und Nummer-eins-Picks, antrat. Lincoln Riley, Head Coach der Sooners, ist überzeugt: Hurts entschied sich unter anderem für Oklahoma, weil er den Starterposten dort nicht garantiert bekam. Das einstige Supertalent wollte ein QB-Duell - und dieses diesmal für sich entscheiden.

Doch Hurts wurde in Oklahoma mehr als nur der Starter: Er verbuchte mehr als 3800 Passing Yards, mehr als 1200 Rushing Yards und über 50 Touchdowns, zudem führte er die NCAA in Yards pro Pass an und führte Oklahoma bis ins Halbfinale der Playoffs. Der dritte Heisman-Gewinner in Serie für die Sooners wurde der 21-Jährige aufgrund der Fabelsaison von Burrow zwar nicht, belegte aber immerhin den zweiten Platz in dem Voting.

Jalen Hurts: Nicht auf einer Stufe mit Burrow, Tua und Co.?

Warum wird Hurts im Draft also eher auf einer Stufe mit Jake Fromm und Jacob Eason statt mit Burrow und Tagovailoa gehandelt?

Hurts leidet nach wie vor unter den gleichen Schwächen, die ihn bereits seit seiner Freshman-Saison verfolgen. Das Lesen komplexerer Defenses bereitet ihm häufig Probleme, er gilt daher als Quarterback, der seinen Reads nicht immer vertraut und zu oft zu Scrambles ansetzt, auch sein Verhalten in der Pocket ist ausbaufähig. All das sind Schwachstellen, die in der NFL zu deutlich mehr Problemen führten dürften als auf dem College-Level.

Und doch bringt Hurts zweifelsohne interessante Fähigkeiten mit. Er verfügt über eine gute Armstärke und das wohl beste athletische Profil aller Quarterbacks in der diesjährigen Draftklasse. Seine Leistungen bei der NFL Combine sowie beim Senior Bowl sorgten für Aufsehen.

Jim Nagy, Mitausrichter des Senior Bowls, der Hurts einst eine Karriere als Running Back voraussagte, meint heute: "Er macht Fortschritte als Quarterback, er hat tolle Führungsqualitäten und eine andere Einstellung - voll fokussiert. Ich würde ihn mit Dak Prescott vergleichen."

Jalen Hurts: Flexible Rolle in der NFL?

Tatsächlich ist der Vergleich mit Prescott der wohl beliebteste unter Scouts und Draft-Experten. Anders als der Cowboys-Quarterback würde Hurts aller Voraussicht nach zwar nicht als Starter in seine Rookie-Saison gehen, er könnte aber als flexibel einsetzbarer zweiter Quarterback in einer ähnlichen Rolle wie Taysom Hill in New Orleans durchaus früh wertvoll sein. Bereits in seiner Junior-Saison bei Alabama erhielt Hurts über spezielle Packages trotz seiner Backup-Rolle noch ordentlich Spielzeit.

Dies könnte Hurts auch für Teams, die in naher Zukunft keinen neuen Starting Quarterback suchen, interessant machen. So werden unter anderem die New York Giants, bei denen Prescotts ehemaliger Coach Jason Garrett als Offensive Coordinator tätig ist, sowie die Las Vegas Raiders als mögliche Stationen für ihn genannt.

Vor vier Jahren wurde Prescott im Draft mehr als 100 Picks nach Jared Goff und Carson Wentz ausgewählt, heute gilt er als der vielleicht beste Spieler des Trios. Wer weiß: Vielleicht ergeht es Hurts ähnlich - und er wird in einigen Jahren doch wieder in einer Reihe mit Burrow und Tagovailoa genannt werden.