Joe Burrow gilt als klarer Favorit auf den ersten Pick insgesamt im NFL Draft 2020. Geradlinig und ohne Hindernisse verlief der Weg des Quarterbacks der LSU Tigers bis hierhin aber keineswegs. Der Freizeit-Superheld musste einige Umwege gehen, um es bis an die Spitze der Footballwelt zu schaffen.
Bei vielen angehenden Star-Quarterbacks, die letztlich zum First-Overall-Pick im NFL Draft heranwachsen, gibt es diese gerade Karrierelinie. Sie beginnen als Top-Athleten in der High School, spielen meist mehr als nur einen Sport und werden dann eben von den Top-Colleges rekrutiert, wo sie schließlich drei bis vier Jahre als Starter überzeugen und den Sprung in die NFL schaffen. Was anschließend passiert, ist freilich alles andere als in Stein gemeißelt. Den Peyton Mannings dieser Welt stehen ebenso viele Tim Couchs oder JaMarcus Russells gegenüber.
Im Fall von Joe Burrow jedoch verlief diese Linie nur bedingt geradlinig. Sicher, auch er war ein Top-Baseballspieler auf der High School und führte sein Footballteam zu einer State Championship. Aber der Sprung aufs College gab seiner bis dahin erfolgreichen Karriere einen gewissen Dämpfer.
2015 begann seine College-Karriere bei Ohio State. Keine schlechte Szenerie für Burrow, schließlich wuchs er im Bundesstaat Ohio auf. Doch so richtig in Schwung kam seine Karriere dort nicht. Und eigentlich wollte er ja auch für Nebraska spielen, doch die Cornhuskers zeigten kein Interesse. Für die Buckeyes schließlich begann er als Redshirt und kam erst 2016 zu ersten Einsätzen, aber nur als Backup und Randnotiz im Team. J.T. Barrett war der Starter unter Head Coach Urban Meyer und als der endlich weg war, entschied sich Meyer im Frühjahr 2018 für Dwayne Haskins (mittlerweile bei den Washington Redskins) als neuen Starting Quarterback. Der nächste Rückschlag für Burrow, der danach das Weite suchte.
Burrow wuchs als dritter Sohn von Jimmy Burrow, der in zweiter Ehe mit seiner Robin nochmal Vater wurde, auf. Seine bisherigen Söhne aus erster Ehe, Jamie und Dan, gingen da schon auf die High School beziehungsweise aufs College. Jimmy arbeitete als Coach an seiner Alma Mater Nabraska, ehe er 2005 mit Head Coach Frank Solich an die Ohio University als Defensive Coordinator wechselte. Entsprechend wurde Joe schon früh mit Football in Verbindung gebracht. Seine zwei Brüder ebenso, doch aufgrund des großen Altersunterschieds fungierten diese eher als Quasi-Onkel für den kleinen Joe.
Joe Burrow wechselt dank der Brüder zu LSU
Eben diese eher elterliche Beziehung führte dann auch dazu, dass beide sich mit Joe zusammensetzten und nach dem erneuten Rückschlag bei Ohio State einen Plan für das weitere Vorgehen schmiedeten. Sie erstellten im Prinzip eine Präsentation mit Pro- und Contra-Argumenten für andere Schulen, die Burrow in Erwägung ziehen sollte. Schließlich fiel die Wahl auf Louisiana State (LSU), das seit Jahren schon keinen wirklichen Top-Quarterback mehr hervorgebracht hatte und eher durch seine Defense und das Laufspiel bekannt war.
Der Transfer wurde dadurch erleichtert, dass Joe durch sein Redshirt-Jahr bereits im vierten College-Jahr war und sich kurz vorm Abschluss befand. Als sogenannter Graduate Transfer durfte er nahtlos das College wechseln und musste nicht die übliche Sperrfrist von einem Jahr bei einem Schulwechsel gemäß NCAA-Regeln abwarten, um zu spielen. Und so wurde Burrow direkt zum Starter für LSU.
Wirklich spektakulär verlief diese Zeit aber nicht. Die verhältnismäßig späte Ankunft in Baton Rouge erschwerte die Eingewöhnung ebenso wie das traditionell eher unspektakuläre Spiel der Tigers. Burrow fungierte folglich eher als Game Manager und spielte nicht mehr als solide. Die Tigers sorgten allerdings für eine faustdicke Überraschung durch ihren Sieg über die Nummer 2 im AP-Ranking, Georgia. Lange währte die Euphorie darüber jedoch nicht, gab es doch auch eine empfindliche Klatsche gegen den Erzrivalen Alabama. Burrow und LSU steigerten sich jedoch über die finalen vier Partien der Saison und schlossen die Saison versöhnlich mit einem Sieg im Fiesta Bowl - einer der größten College Bowls im Kalender - gegen Central Florida samt Glanzleistung Burrows (21/34, 394 YDS, 4 TD, INT) ab. Es war bis dahin Burrows mit Abstand bestes Spiel des Jahres und eine Art Omen für das, was im Jahr 2019 folgen sollte.
"Wir haben es uns vorgestellt. Aber es für möglich zu halten und es dann auch noch zu erleben, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Zu sehen, was Joe getan hat, ist nicht überraschend. Aber gleichzeitig fühlt es sich nicht real an", sagte Jamie Burrow Wochen vor der Heisman-Wahl 2019 gegenüber The Athletic. Die Rede war von einer Wahnsinnssaison des schließlich mit der Heisman Trophy ausgezeichneten Burrows. Joe Burrow hatte alle Erwartungen pulverisiert, er übertraf alle Vorhersagen und jegliche Draft-Projektionen von vor der Saison.
Joe Burrow führt LSU zur nationalen Meisterschaft
Burrow spielte eine Fabel-Saison für den ungeschlagenen (15-0) nationalen Meister LSU und brach dabei zahlreiche SEC- und sogar NCAA-Saison-Rekorde: Er kam auf 5671 Passing Yards mit 60 Touchdowns (6 INT) und komplettierte 76,3 Prozent seiner Pässe. Hatten ihn Experten vor Saisonbeginn noch als möglichen Viert- oder Fünftrundenpick eingestuft, so ist er jetzt der klare Favorit auf den First-Overall-Pick im Draft. Doch was hatte sich geändert?
Abgesehen von Burrows großartigen Anlagen und seiner Fähigkeit, das Feld zu scannen und Defenses zu lesen, hatte er dieses Mal das ganze Jahr über Zeit, sich mit seinen Teamkollegen einzuspielen. Zudem wurde das Offensiv-Genie Joe Brady als Passing Game Coordinator eingestellt. Jener hatte zuvor zwei Jahre als Assistent unter Sean Payton für die New Orleans Saints gearbeitet und führte die Offense der Tigers Scheme-technisch auf ein anderes Level, fand mit Burrow freilich auch den idealen Quarterback vor, um genau dies auch zu realisieren. 2020 heuerte Brady schließlich als Offensive Coordinator unter dem neuen Head Coach Matt Rhule - zuvor Baylor University - bei den Carolina Panthers an.
Hinzu kam Burrows großes Selbstbewusstsein und diese Aura, die sich auf die Teamkollegen übertrug. Dazu passt eine zuweilen exzentrische Ader: Vor seinem letzten Heimspiel in Death Valley - es war Senior Night, also die Verabschiedung der Spieler in ihrem letzten Jahr im Team - lief er mit einem speziellen Namenszug auf dem Rücken auf: "Burreaux", in Anlehnung an die französischen Wurzeln Louisianas und speziell Baton Rouges und ließ sich frenetisch von den Massen feiern. Wie ein Comicheft-Superheld, wenn man so will. Auch das gehört zu ihm, traf man ihn neben dem Platz doch gern mit T-Shirts aus der Marvel- und speziell X-Men-Welt an.
Noch eine Schippe drauf legte er dann nach dem Gewinn der nationalen Meisterschaft gegen Clemson und lief mit einer Siegerzigarre durch die Katakomben des Louisiana Superdomes in New Orleans. Ein Bild für die Ewigkeit in der langen Geschichte LSUs.
Bereits im Frühjahr 2019 im Rahmen der Manning Passing Academy, ein Sommerprogramm für College-Quarterbacks von der aus Louisiana stammenden Manning-Familie um Vater Archie sowie den beiden so berühmten Söhnen Peyton und Eli Manning, sagte Burrow: "Ich denke, wir werden viele Punkte erzielen und ich denke nicht, dass es viele Leute gewohnt sind, dass LSU 40, 50 oder 60 Punkte pro Spiel macht. Aber ich denke, dass wir diese Fähigkeit haben."
Fokus für Burrow lauf auf Teamerfolg, nicht auf dem Draft
Mehr noch: "Ich denke, wir werden eine der besten Offenses im Land haben", gab sich Burrow selbstbewusst und sollte damit absolut Recht behalten. Wer nun aber glaubt, Burrow wäre dieser immense Aufstieg zu Kopf gestiegen, liegt komplett falsch. Burrow betonte vielmehr schon in besagtem Camp gegenüber The Athletic, wie unwichtig ihm sein Draftstock sei: "Ehrlich gesagt hilft dir vor allem das Teamziel, ihn zu verbessern. Leute, die nur darauf fokussiert sind, in die NFL zu kommen, sind diejenigen, die am Ende runterfallen, denn sie vergessen ihr Team. Auf der anderen Seite sieht man Spieler, die eine National Championship gewinnen, für viele Yards werfen und ihre Teamkollegen besser machen." Letzteres gilt unzweifelhaft für Burrow.
Burrows Draftstock könnte nun - rund drei Wochen vor dem Draft - kaum höher sein. Sein kommendes Team scheint zwar noch nicht in Stein gemeißelt - die Cincinnati Bengals aus seinem Heimat-Bundesstaat Ohio haben den ersten Pick, es gibt jedoch Gerüchte, dass die Miami Dolphins mit einem Top-Angebot diesen Pick noch loseisen könnten -, doch dass Burrow am 23. April als erster Pick verkündet wird , dürfte nahezu garantiert sein.
Für Burrow ist das kommende Team aber ohnehin nicht allzu wichtig. Er betonte im Rahmen der NFL Combine, dass er für jeden spielen werde, der ihn letztlich auswählt. Damit widersprach er zugleich Gerüchten, die suggerierten, dass er nicht für CIncy würde spielen wollen - wie sich etwa Eli Manning einst gegen die San Diego Chargers sträubte.
Und wenn es die Bengals werden, so ist sich Burrows einstiger Jugendcoach Don Cooley sicher, wird er die "Zukunft des Bengals-Footballs verändern", wie er FOX19 verriet. Die Organisation wartet seit 30 Jahren auf einen Playoff-Sieg.
imago imagesJoe Burrow: College-Statistiken bei Ohio State und LSU
Saison | College | Spiele | Passquote | Yards | Touchdowns | Interceptions | Passer Rating |
2015 | Ohio State (Redshirt) | - | - | - | - | - | - |
2016 | Ohio State | 5 | 78,6 | 226 | 2 | 0 | 169,9 |
2017 | Ohio State | 5 | 63,6 | 61 | 0 | 0 | 110,2 |
2018 | LSU | 13 | 57,8 | 2894 | 16 | 5 | 133,2 |
2019 | LSU | 15 | 76,3 | 5671 | 60 | 6 | 202,0 |