Der Draft ist vorüber, der Spielplan steht, die Vorbereitung auf die NFL-Saison 2020 nimmt nun so richtig Fahrt auf. Für so manchen dürfte die kommende Spielzeit eine ganz entscheidende werden. Wir stellen die Spieler und Coaches vor, für die in der nächsten Saison besonders viel auf dem Spiel steht.
Diese Spieler stehen 2020 besonders unter Druck
Baker Mayfield, Quarterback, Cleveland Browns
Darüber, dass Mayfields zweites NFL-Jahr eine herbe Enttäuschung war, gibt es wohl keine zwei Meinungen. Nach seiner teilweise absolut spektakulären Rookie-Saison sollte der ehemalige Sooners-Star 2019 den nächsten Schritt in seiner Entwicklung machen. Mit Odell Beckham Jr., Jarvis Landry, David Njoku und Nick Chubb als Waffenarsenal sowie Freddie Kitchens, Mayfields erklärtem Wunschtrainer, als Head Coach schienen die Umstände geradezu optimal.
Die Realität sah letztlich allerdings anders aus: Mayfield fiel in seinem Pocket-Verhalten in alte College-Muster zurück und zeigte ungewohnte Schwächen in seiner Passgenauigkeit: Seine Adjusted Completion Percentage gehörte zu den schwächsten der Liga. Und doch können die Probleme im Passspiel der Browns nicht Mayfield alleine angelastet werden. Beckham spielte angeschlagen seine vielleicht schlechteste NFL-Saison, die Pass-Protection war inkonstant und Kitchens schien mit seinen Aufgaben als Head Coach überfordert.
Noch ein Jahr werden diese Ausreden allerdings nicht gelten: Kitchens ist weg, mit Kevin Stefanski hält nun ein innovativer Offensiv-Coach mit Erfahrung in verschiedenen Systemen das Zepter in der Hand. Die Tackle-Positionen wurden mit Jack Conklin und Jedrick Wills prominent verstärkt und Beckham, der trotz einiger Trade-Gerüchte in Cleveland bleiben wird, soll zu seinem alten Niveau zurückkehren.
Für Mayfield hätte die Offseason kaum besser laufen können, dadurch steht der einstige Nummer-eins-Pick nun allerdings auch gehörig unter Druck: Personell zählt die Offense der Browns 2020 zu den besseren der Liga. Sofern Stefanski bei seinem Head-Coaching-Debüt keine Bruchlandung hinlegt, wird es also an Mayfield liegen, die vorhandenen Puzzleteile zu einer konstant funktionierenden Offense zusammenzusetzen. Gelingt dies dem 25-Jährigen erneut nicht, dürften die Rufe nach einem neuen Signal Caller in Cleveland (mal wieder) laut werden.
Josh Allen, Quarterback, Buffalo Bills
An Josh Allen scheiden sich im Jahr 2020 die Geister. Die einen, größtenteils Anhänger der Analytics-Gemeinde, sehen in dem Bills-Quarterback - sofern er in der kommenden Saison keinen gravierenden Schritt nach vorne macht - den nächsten Mitchell Trubisky, die anderen, zu großen Teilen durch die Fan-Base der Bills vertreten, halten den 23-Jährigen für einen der besten jungen Quarterbacks der NFL.
Nicht von der Hand zu weisen, ist, dass Allen sich 2019 gegenüber dem Vorjahr bereits in zahlreichen Bereichen verbessern konnte: Er agierte im Kurz- und Mitteldistanzpassspiel deutlich genauer und konnte auch seine Interceptions herunterschrauben. Doch zahlreiche klare Schwächen bleiben: Allens Deep Ball war im Vorjahr der wohl schlechteste der Liga, zudem leistete er sich auch in seiner zweiten Profisaison noch deutlich zu viele Fumbles.
Allen wird in der kommenden Saison unter Beweis stellen müssen, dass er sich auch in diesen Bereichen verbessern kann. Die Umstände könnten besser kaum sein: In Buffalo spielt er hinter einer guten Offensive Line, das Waffenarsenal der Bills zählt nach dem Trade für Stefon Diggs zu den besten der ganzen Liga. Mit Brian Daboll hat Allen zudem einen Offensive Coordinator an seiner Seite, der in der vergangenen Saison bewiesen hat, dass er seinem jungen Quarterback durch Early-Down-Pässe und klare Reads über die Mitte des Feldes das Leben erleichtern kann.
Macht Allen 2020 einen weiteren klaren Entwicklungsschritt nach vorne, dürfte er seine nach wie vor zahlreichen Kritiker zumindest vorübergehend zum Schweigen bringen. Bleibt dieser allerdings aus und die Bills-Offense trotz hoher individueller Qualität eine allenfalls durchschnittliche Unit, wird Allen auch im eigenen Fanlager sowie im Front Office der Franchise kritisch beäugt werden. Nicht nur Mitch Trubisky kann ein Lied davon singen, wie schnell diese Stimmung umschlagen kann.
Sam Darnold, Quarterback, New York Jets
Lamar Jackson hat sich zu einem der besten Spieler der Liga aufgeschwungen. Josh Rosen gilt nach zwei Jahren in der NFL bereits als gescheitert. Sam Darnold ist der dritte aus der Riege der Erstrunden-Quarterbacks aus dem Jahre 2018, für ihn wird die kommende Saison eine absolut richtungsweisende. Während Mayfield und Allen von ihren Teams überzeugende Hilfe zur Seite gestellt bekommen haben, kann sich Darnold an einem solchen Luxus allerdings kaum erfreuen.
In zwei Saisons mit ihrem vermeintlichen Quarterback der Zukunft zählten die Jets zweimal zu den schlechtesten Offensiv-Teams der Liga, Darnold vermochte es bislang keineswegs, die Offense auf ein neues Level zu heben. Seine Leistungen waren, wohlwollend formuliert, inkonstant. Und doch kann man dem 22-Jährigen kaum große Vorwürfe machen: Darnold spielte in beiden Jahren hinter einer porösen Offensive Line, das offensive Waffenarsenal zählte zu den schwächeren der Liga und auch das Scheme in New York griff ihm kaum unter die Arme.
Dementsprechend wenig Hoffnung macht der Blick auf die kommende Saison: Das Receiving Corps ist nach dem Abgang von Robby Anderson nicht besser geworden, die Offensive Line wurde zwar angegangen, inwieweit eine Unit mit Chuma Edoga oder George Fant als Right Tackle aber wirklich solide sein kann, bleibt abzuwarten. Zudem ist Adam Gase nach wie vor der starke Mann bei der Gang Green. Im Laufe der vergangenen Saison passte dieser sein System zwar so an, dass sich Darnold darin etwas wohler fühlte, seine Erfolgsbilanz aus Miami und New York stimmt jedoch kaum optimistisch.
Trotz der einmal mehr widrigen Umstände wird sich Darnold 2020 besser präsentieren müssen als in den Vorjahren. Bei Quarterbacks, die auch in ihrem dritten Jahr nicht den Sprung zu einem zumindest durchschnittlichen Starter schaffen, bleibt dieser Schritt für gewöhnlich für immer aus. Darnold wird im kommenden Jahr den Beweis erbringen müssen, dass er die langfristige Antwort auf der Quarterback-Position sein kann. Die Jets laufen Gefahr ihren einstigen Hoffnungsträger zu verbrennen.
Jarrett Stidham, Quarterback, New England Patriots
Jarrett Stidham hat in seiner NFL-Karriere noch kein einziges Spiel von Anfang an gemacht und gerade mal vier Pässe geworfen. Und dennoch dürfte die kommende Saison für den 23-Jährigen bereits eine absolut entscheidende werden. Denn bereits 2020 wird das Urteil in folgender Frage gefällt werden: Kann Jarrett Stidham in der NFL ein Starting Quarterback sein?
Als einstiger Viertrundenpick genießt er weniger Schutz als einige ehemalige Top-Talente wie Darnold oder Dwayne Haskins. Stidham wird die Patriots in diesem Jahr von sich überzeugen müssen, andernfalls dürfte die Franchise schnell zu einem anderen Quarterback für die Post-Brady-Ära übergehen.
Zumal Stidhams wenige für die Öffentlichkeit erkennbare Leistungen bislang eher wenig optimistisch stimmen: Sein College-Tape bei Auburn ist relativ arm an Highlights, bei seinem einzigen Einsatz in einem NFL-Spiel wirkte er zudem noch merklich überfordert: Stidham kassierte innerhalb weniger Minuten erst einen Sack und verantwortete anschließend bei einem völlig überworfenen Pass einen Pick Six. Immerhin: In der Preseason 2019 sah Stidham noch deutlich besser aus, seine Leistungen im Trainingscamp der Patriots waren zudem gut genug, um den erfahrenen Backup Brian Hoyer im Depth Chart zu überflügeln.
Mit Bill Belichick und Josh McDaniels hat der Youngster ein Coaching-Duo an seiner Seite, das ihm so manche Aufgaben in seiner ersten Saison als Starter erleichtern dürfte. Die Offensive Line in New England könnte gut sein, das Receiving Corps mit Julian Edelman, N'Keal Harry, Mohamed Sanu und Marqise Lee ist zumindest etwas besser als es oft gemacht wird. Die Umstände könnten also schlechter sein, Stidham bekommt bei den Patriots allem Anschein nach tatsächlich eine echte Chance. Diese wird er allerdings schnell nutzen müssen. Allzu viele Auftritte wie in der vergangenen Saison gegen die Jets wird ihm Belichick nicht durchgehen lassen.
Dwayne Haskins, Quarterback, Washington Redskins
Dwayne Haskins war in der vergangenen Saison definitiv nicht zu beneiden. Erst im Draft überraschend tief gefallen, wurde er dann bei den Redskins hinter Case Keenum geparkt, nur um in der Saisonmitte in eine dysfunktionale Offense geworfen zu werden. Unter diesen widrigen Umständen präsentierte sich Haskins zumindest solide, aufgrund einiger wirklich unglücklicher Interceptions stand letztlich dennoch die unschöne Bilanz von sieben Touchdowns bei sieben Interceptions in sieben Starts in seinem Statistik-Bogen.
Haskins wies in der vergangenen Saison glasklare Schwächen auf: Sein Pocket-Verhalten war unsicher, das Timing mit seinen Receivern stimmte zu oft nicht, zudem agierte er im Passspiel deutlich ungenauer als man es nach der Analyse seines College-Tapes erwartet hätte. Doch Haskins sorgte auch für Lichtblicke: Der 23-Jährige stellte seinen herausragenden Arm mehrfach unter Beweis und sorgte für einige spektakuläre Plays außerhalb der Pocket und der Struktur des Spielzugs.
2020 dürfte Haskins nun als Starter in die Saison gehen, viel getan, um ihrem Youngster die Umstände zu erleichtern, haben die Redskins allerdings nicht. Das Receiving Corps ist mit Ausnahme von Haskins' College-Buddy Terry McLaurin brutal dünn besetzt, hier wird Viertrundenpick Antonio Gandy-Golden sofort helfen müssen. Die Offensive Line dürfte zudem, insbesondere auf der linken Seite, gehörig wackeln. Angesichts von Haskins' eindeutigen Problemen in der Pocket dürfte das zu einigen unschönen Plays führen.
Die Gegebenheiten könnten für Washingtons Quarterback also deutlich angenehmer sein, zumal mit Kyle Allen ein weiterer Signal Caller darauf wartet, Haskins den Starterposten streitig zu machen. Eine Fabelsaison sollte man angesichts dieser Umstände wohl nicht vom einstigen Ohio-State-Star erwarten, Haskins wird aber beweisen müssen, dass er sich innerhalb der Pocket besser präsentieren kann, auch sein Kurzpassspiel sollte konstanter sein. 2020 wird seine große Chance als Starting Quarterback werden, diese sollte man keinesfalls leichtfertig vergeben.
Diese Coaches stehen 2020 besonders unter Druck
Matt Patricia, Head Coach, Detroit Lions
Als die Detroit Lions 2018 die Trennung von Head Coach Jim Caldwell verkündeten, hatte die Franchise die vorige Saison mit neun Siegen und sieben Niederlagen abgeschlossen, die Defense hatte sich in dieser Spielzeit leicht unterdurchschnittlich präsentiert. In den zwei Jahren unter dem einst als Defensiv-Guru gefeierten Matt Patricia gewannen die Lions zusammengerechnet neun Spiele, die Defense zählte in beiden Jahren zu den schlechtesten der NFL.
Viel mehr als diese Informationen braucht es eigentlich nicht, um darzulegen, wieso Patricias Stuhl 2020 zu den wackeligsten aller Head Coaches zählt. Dass der 45-Jährige überhaupt noch im Amt ist, spricht für einen gehörigen Vertrauensvorschuss der Lions-Führungsetage. In der kommenden Saison wird Patricia also erfolgreich sein und die Lions zumindest wieder in die Nähe eines Playoff-Platzes führen müssen. Daran gibt es keine Zweifel.
Immerhin: Die Vorzeichen könnten definitiv schlechter sein. Die Offense ist auf dem Papier nicht schlecht besetzt: Quarterback Matt Stafford, der fast die halbe Vorsaison verletzungsbedingt verpasste, ist wieder fit, das Receiving Corps sieht gut aus und auch die Offensive Line sollte, sofern Halapoulivaati Vatai als Right Tackle funktioniert, zumindest solide sein. Offensive Coordinator Darrel Bevell zeigte bis zu Staffords Verletzung 2019 zudem gute Ansätze als Playcaller.
Somit liegt Patricias Schicksal in seinen eigenen Händen. Trotz Zugängen von Spielern wie Trey Flowers, Justin Coleman oder Damon Harrison vermochte der ehemalige Patriots-Coach es bislang nicht, die Defense der Lions in eine zumindest durchschnittliche Unit zu verwandeln. 2020 wird mit Jeffrey Okudah, Jamie Collins und Desmond Trufant ein neuer Anlauf gestartet. Schafft es Patricia die Defense in seinem dritten Jahr endlich auf ein neues Level zu heben, sollten die Lions in der NFC North um die Playoffs mitspielen können. Bleibt dieser Schritt auch bei diesem Anlauf aus, dürfte Patricia seinen Job allerdings spätestens am Ende der Saison los sein.
Matt Nagy, Head Coach, Chicago Bears
Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Matt Nagy als einer der genialsten und talentiertesten Köpfe in der NFL galt. An der Seite von Andy Reid hatte Nagy in Kansas City eine der spektakulärsten Offenses der Liga entworfen und Alex Smith auf seine alten Tage doch tatsächlich nochmal in einen aggressiven Downfield-Passer verwandelt.
Seitdem ist jedoch viel passiert: Während die Chiefs ohne Nagy, dafür aber mit Patrick Mahomes, reihenweise eine Defese nach der nächsten pulverisierten, kam Nagys Vision in Chicago nicht ins Rollen. In seinem ersten Jahr erreichten die Bears zwar die Playoffs, verantwortlich dafür zeigte sich jedoch vielmehr die von Vic Fangio verantwortete Defense - und nicht Nagys Offense.
In der vergangenen Saison ließen die Bears offensiv dann jegliche Weiterentwicklung vermissen, tatsächlich machte Chicago sogar einen Schritt zurück, gemäß DVOA (Defense-adjusted Value Over Average) zählte Nagys Offense 2019 zu den zehn schlechtesten der Liga. Dass Nagy öffentlich mit der Einbindung des Running Games haderte und mit dem Gedanken spielte, die Playcalling-Aufgaben abzugeben, schmälerte seine Autorität zusätzlich. Natürlich ist die Tatsache, dass der 42-Jährige in Chicago mit Mitch Trubisky stets nur einen der schwächeren Starting Quarterbacks der Liga zur Verfügung hatte, auch ein Teil der Wahrheit, allerdings wurde Nagy einst extra verpflichtet, um das einstige Top-Talent zu entwickeln.
Dementsprechend düster sehen auch die weiteren Aussichten für Nagy in Chicago aus. Mit Nick Foles holte General Manager Ryan Pace zwar echte Konkurrenz für Trubisky ins Team, eine wirklich gute Starter-Option ist dieser allerdings auch nicht. Nagy muss hoffen, dass die Bears-Defense mit Khalik Mack, Robert Quinn, Eddie Jackson und Co. im kommenden Jahr erneut zu den besten der Liga zählt und das Team somit womöglich zurück ins Playoff-Rennen katapultiert. Verpassen die Bears, die sich vor einem Jahr noch im Win-Now-Modus wähnten, die Postseason ein zweites Jahr in Folge, dürfte Nagys Vision in Chicago gescheitert und somit auch seine Bears-Zeit schon wieder vorüber sein.
Bill O'Brien, Head Coach, Houston Texans
Als Bill O'Brien nach fünf guten, aber keineswegs herausragenden Jahren (52,5 Prozent Siegquote, ein Playoff-Sieg) in Houston die in der NFL völlig unübliche Macht des Head Coaches und De-facto-General-Managers in einer Person verliehen bekam, staunten die meisten Beobachter nicht schlecht. Dass O'Brien seine außergewöhliche Rolle fortan mit enormem Selbstvertrauen interpretieren und gleich mehrere sehr fragwürdige Trades einfädeln sollte, verstärkte diese Skepsis nur noch mehr.
Innerhalb eines Jahres gab O'Brien zwei Erstrundenpicks, einen Zweitrundenpick und einen Drittrundenpick sowie die Star-Spieler Jadeveon Clowney und DeAndre Hopkins ab - mit Ausnahme von Quarterback Deshaun Watson also das wertvollste Kapital der Franchise. Der Gegenwert liest sich mit Laremy Tunsil, der erst kürzlich sehr teuer verlängert wurde, Brandin Cooks, Kenny Stills, Gareon Conley und David Johnson im Gegensatz dazu doch eher überschaubar.
In der Folge seiner aggressiven Trades hat sich O'Brien somit selbst unter Druck gesetzt: Durch die zahlreichen abgegebenen Picks blicken die Texans einer äußerst vagen Zukunft entgegen, das Team muss dementsprechend jetzt erfolgreich sein, zumal Watson 2020 in das letzte Jahr seines sehr günstigen Rookie-Vertrags geht. Inwieweit Houston diesem Anspruch in der kommenden Saison aber tatsächlich gerecht werden kann, muss aktuell bezweifelt werden.
Bereits im Vorjahr waren die Texans laut DVOA ein offensiv nicht mehr als durchschnittliches Team, defensiv präsentierte sich die Franchise noch schwächer, ein Schritt zurück dürfte 2020 daher nur wenig überraschen. Sollte Houston die kommende Spielzeit mit einer schwächeren Bilanz als noch 2019 abschließen, dürfte O'Brien bei der Teamführung allerdings in Erklärungsnot kommen. Der Head Coach kann in diesem Jahr all seine Kritiker Lügen strafen. Gelingt ihm das allerdings nicht, gerät sein Job in ernsthafte Gefahr.
Anthony Lynn, Head Coach, Los Angeles Chargers
Die Los Angeles Chargers haben einen ereignisreichen Sommer hinter sich: In der Free Agency verpflichtete das Team Cornerback Chris Harris Jr. (30 Jahre), Offensive Tackle Bryan Bulaga (31 Jahre), Defensive Tackle Linval Joseph (31 Jahre), außerdem hielt man Tight End Hunter Henry mit dem Franchise Tag ein weiteres Jahr. Im Draft tradeten die Chargers dann zurück in die erste Runde, um mit Kenneth Murray seine Baustelle auf der Linebacker-Position anzugehen. All diese Moves lassen im Gesamtbild nur einen Schluss zu: Die Chargers wollen jetzt gewinnen.
Dementsprechend groß ist der Druck für Head Coach Anthony Lynn. Im Vorjahr litt das Team unter geradezu absurdem Pech in engen Spielen, neun seiner elf Niederlagen musste Los Angeles mit sieben oder weniger Punkten Unterschied hinnehmen. Es ist kein Geheimnis, dass Lynn in der kommenden Spielzeit (deutlich) mehr als die fünf Siege aus der Vorsaison einfahren müssen wird.
Das Grundgerüst dafür ist vorhanden: Die Chargers verfügen ebenso über eine herausragend besetzte Defensive Line wie eine starke Secondary, offensiv zählt das Receiving Corps trotz Fragezeichen auf der Slot-Receiver-Position zu den besseren der Liga. Doch ausgerechnet die wichtigste Position überhaupt bereitet Sorgen: Nach dem Abgang von Philip Rivers heißen die Quarterback-Optionen 2020 Tyrod Taylor, der wohl nicht viel mehr als ein solider Game-Manager sein kann, und Justin Herbert, der nach inkonstanten Leistungen am College wohl noch Zeit benötigen wird.
Angesichts der stark besetzten NFC West mit den Chiefs als amtierendem Champion sowie den verbesserten Raiders und Broncos könnten die Angriffspläne der Chargers schnell ins Wanken geraten. Verpasst das Team trotz der Investments in der Free Agency zum zweiten Mal in Folge die Playoffs, dürfte Lynn sich in Los Angeles wohl nicht mehr halten können.
Adam Gase, Head Coach, New York Jets
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Adam Gase zu den brillantesten Offensiv-Köpfen der NFL gezählt wurde. Mit ihm als Offensive Coordinator brachen die Denver Broncos 2013 zahlreiche NFL-Rekorde, Jay Cutler führte er 2015 zu dessen wohl bester Saison überhaupt. Und auch Gase' Coaching-Einstand bei den Dolphins startete mit der ersten Playoff-Teilnahme des Teams seit acht Jahren durchaus vielversprechend.
Seitdem hat Gase' Reputation allerdings stark gelitten: Seinen guten ersten Eindruck in Miami konnte er nicht bestätigen, zwei Jahre in Serie zählten die Dolphins zu den schwächsten Offensiv-Teams der Liga. Trotz seines unrühmlichen Endes in Florida ernannten die Jets ihn im vergangenen Jahr zu ihrem neuen Head Coach, nur um 2019 ebenfalls eine äußerst ineffektive Offense aufs Feld zu bringen. Ryan Tannehill, unter Gase zu einem Backup-Quarterback verkommen, spielte derweil in Tennessee groß auf und wurde sogar zum Comeback Player of the Year gewählt.
Nach drei negativ abgeschlossenen Saisons, in denen die Offense stets hinter den Erwartungen zurückblieb, muss der 42-Jährige liefern, das bedeutet: Die Offense wird sich merklich verbessern müssen, insbesondere Sam Darnold soll endlich den ersehnten Schritt in Richtung Franchise Quarterback machen. Die Umstände dafür könnten allerdings besser sein: Auf dem Papier wirkt die Offense nicht massiv verbessert. Inwieweit Gase sich und seine offensive Philosophie tatsächlich neu erfinden kann, bleibt abzuwarten.
Gase dürfte 2020 - mit Ausnahme von Doug Marrone, der in Jacksonville zunehmend wie eine reine Übergangslösung wirkt - den kleinsten Spielraum aller Head Coaches in der NFL haben. Selbst in seiner glamourösen Broncos-Vergangenheit wird Gase mittlerweile eher als Statist an der Seite von Peyton Manning als als Protagonist dargestellt. Eine vierte Saison mit einer negativen Bilanz in Serie wird sich Gase in New York wohl kaum erlauben dürfen. Dass die Jets diese hohe Erwartungshaltung rechtfertigen, muss aktuell allerdings bezweifelt werden.