Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 15 in der NFL

Von Adrian Franke
21. Dezember 202010:30
SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt euch am Montagmorgen mit seinen Lehren zum NFL-Sonntag auf den neuesten Stand.getty
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Wie gut sind die Buccaneers kurz vor den Playoffs wirklich? Wie konnten die Saints Mahomes und die Chiefs limitieren? In Philly lässt derweil Jalen Hurts Carson Wentz vergessen, und die Bears haben eine echte Playoff-Chance. SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag auf Stand mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Sonntag, alle Recaps vom Sonntag gibt es hier.

Top 10 - die Takeaways zu Week 15 in der NFL

1. Die Saints-Defense unterstreicht eine Chiefs-"Schwäche"

Es wäre übertrieben zu sagen, dass die Saints die Chiefs-Offense gestoppt haben. Patrick Mahomes verzeichnete über 250 Passing-Yards sowie drei Touchdowns und Kansas City lief für 179 Yards. Die Chiefs-Offense hatte 92 (!) Plays - das ist die Einstellung des Franchise-Höchstwerts von 2012, mehr Plays hatte Kansas City laut Pro Football Reference noch nie in einem Spiel.

Und doch kamen alle langen Drives bis auf einen erst nach der ersten Hälfte, als Kansas City offensiv häufiger durchbrach. Als die Saints Cam Jordan und später auch Trey Hendrickson verloren. Auch Safety Marcus Williams verletzte sich im Laufe der Partie.

Doch insbesondere der 4-Men-Rush war wieder einmal so etwas wie das Kryptonit der Chiefs-Offense. Denn gerade in der ersten Halbzeit war gehörig Sand im Getriebe, Mahomes hatte 21 Passversuche, bei denen er den Ball 2,5 Sekunden oder länger hielt - nur sieben dieser Bälle brachte er an, er kassierte dabei 13 Pressures und drei Sacks. Die Saints setzten Mahomes in der ersten Hälfte bei 41 Prozent seiner Dropbacks ohne Blitzing unter Druck.

New Orleans, sonst eigentlich durchaus Blitz-freudig, stellte sich hier merklich um und vertraute auf seinen 4-Men-Rush. Damit spielten die Saints die Chiefs genau so, wie man es im Idealfall - sofern es der eigene Kader hergibt - umsetzen sollte; es ist der Weg, der Kansas City nicht erst seit diesem Jahr am ehesten Probleme bereitet.

Ein 4-Men-Rush, der an der Line of Scrimmage gewinnt, zwei tief platzierte Safeties, und fünf Spieler dazwischen in Coverage. Die Safeties helfen, die Big Plays zu verhindern, die Underneath-Coverage soll Mahomes dazu bringen, den Ball länger zu halten, sodass der 4-Men-Rush durchkommen kann. Diese vielen 2-High-Looks erklären auch, warum die Chiefs so viel (und so erfolgreich) liefen. Dieser Ansatz kreiert Räume Underneath, Kansas City stresste die wenigen Box-Verteidiger zudem einige Male mit Run Pass Options noch mehr.

Aber es ist immer noch besser als die Alternative, nämlich sich durch Big Play auf Big Play zerlegen zu lassen.

New Orleans spielte das in der ersten Halbzeit nahezu perfekt - doch die eigene Offense schlug daraus kein Kapital. Drew Brees hatte lange ein desolates Spiel, dazu ließ das Special Team einen möglichen Touchdown liegen. Und doch machte die Defense genug, sodass die Partie eng blieb und New Orleans bis zum Schluss eine Chance hatte. Mehr kann man gegen die Chiefs kaum verlangen.

2. Die Probleme der Bucs gehen nicht weg

Die Probleme der Bucs sind keine neue Erkenntnis. Im Gegenteil. Auf den Punkt zusammengefasst: Die Offense ist super unflexibel und unkreativ. Eine irre hohe Anzahl an First-Down-Runs, eine wahnsinnig statische Offense, die wenig Motion beim Snap und wenig Play Action nutzt. In mehrfacher Hinsicht eine Oldschool-Offense, die darauf baut, dass Brady aus der Pocket heraus Defenses seziert.

Letzteres wäre als Prämisse durchaus noch vertretbar, doch fehlt Brady dafür das High-Percentage-Kurzpassspiel, das er bei den Patriots hatte. Es fehlt die Abstimmung mit den Receivern bei Option Routes und bei Konzepten, bei denen Receiver und Quarterback die Defense vor und nach dem Snap lesen müssen, um auf einer Wellenlänge zu sein. Die Idee der Bucs von einem Kurzpassspiel sind zu häufig Bälle zu den Running Backs in die Flat oder deutlich vor der Line of Scrimmage - und diese Backs heißen eben nicht mehr James White und Rex Burkhead.

Und was zu Saisonbeginn noch funktionierte, weil die individuelle Qualität in der Offense eben unheimlich groß ist, wurde immer schwieriger. Weil Bradys Deep Balls - in der Frühphase der Saison noch deutlich zuverlässiger - teilweise erschreckend waren. Und auch weil Defenses es immer häufiger schafften, Brady unter Druck zu setzen.

Tampa entkommt Falcons-Pleite haarscharf

Das ist die Überleitung zum Falcons-Spiel, und hier ist vor allem erwähnenswert, dass die Bucs sich sogar etwas anpassten, etwa was ihre Vorgehensweise bei First Down anging: Hier setzte Tampa mehr auf den Pass, und das dann im Laufe der Partie auch durchaus erfolgreich.

Doch auch Atlanta gelang es, Brady unter Druck zu setzen, gerade bei Third Down auch mit dem Blitz. Hier wurden die bereits angesprochenen Probleme offensichtlich: Wo Brady bei den Patriots Blitzes zerstörte und immer Antworten in der Hinterhand hatte, fehlt dieses Element bei den Bucs noch viel zu häufig. Das ist nachvollziehbar, musste er doch ein neues System lernen und auch mit seinen Receivern dieses blinde Verständnis erst entwickeln.

Allerdings sind wir an einem Punkt in der Saison, an dem dieses Defizit nicht mehr hinnehmbar ist; nicht, wenn die Bucs in den Playoffs Alarm machen wollen. Denn bei aller individueller Qualität, die Risse im Fundament sind offensichtlich. Brady spielt inkonstanter, und die Defense, auf die sich Tampa zu Saisonbeginn häufig stützen konnte, war zuletzt häufiger anfällig. Zum ersten Mal in seiner Karriere lag ein Brady-Team in zwei Spielen einer Saison mit mindestens 17 Punkten zur Halbzeit zurück

Es spricht für Tampa, dass die Bucs dieses Spiel noch drehten, die zweite Hälfte gegen Atlanta war deutlich besser. Brady und Evans wirkten entschieden mehr auf einer Wellenlänge, das designte Kurzpassspiel funktionierte besser, Brady selbst spielte deutlich besser und Atlantas Offense hatte zu viele Ungenauigkeiten nach der Pause, sodass die Führung zusammenschmolz und schließlich weg war.

Tampa kann nach wie vor Teams in Phasen eines Spiels überrennen, allein durch die individuelle Qualität. Doch die strukturellen Baustellen bleiben ein zu konstantes Thema, als dass man es ignorieren könnte. Gerade mit Blick auf die Gegner, die in den Playoffs warten.

3. Die Jets gewinnen - und verlieren doch

Man kann bei diesem Rams-Jets-Spiel hervorragend über die Psychologie diskutieren. Haben die Rams die Jets unterschätzt? Gut möglich. War das anstehende Matchup mit den Seahawks schon im Hinterkopf? Denkbar.

Gleichzeitig aber muss man auch über rein sportliche Themen sprechen, die bei den Rams dieses Jahr immer wieder zu beobachten waren. Dass die Offense häufig auf des Messers Schneide agiert, mit wenig Spielraum für Fehler, weil viel mehr vom Run Game und den kurzen Pässen abhängt.

Die Jets waren am Sonntag das deutlich physischere Team. Sie dominierten die Line of Scrimmage, sie brachten die Rams aus ihrer Komfortzone, indem sie L.A. aus dem Run Game zwangen und dann Druck auf Goff machten, der wiederum selbst jede Menge Fehler machte. Es unterstreicht nochmals, wie fragil diese Rams-Offense sein kann. Etwas, das mit Blick auf die Playoffs ein Thema sein wird.

Und natürlich muss man auch über die Jets sprechen. Jene Jets, die so lange auf sicherem Kurs für den Nummer-1-Pick schienen - und plötzlich nur noch den zweiten Pick innehaben werden, wenn sie am Montag auf die Draft-Reihenfolge schauen.

Keine Franchise will das 0-16-Stigma, und die Spieler auf dem Feld interessiert der nächste Draft Pick ohnehin nicht - wer weiß, wer von ihnen überhaupt das Feld mit den Rookies des kommenden Drafts teilen wird. Gleiches gilt für die Coaches. Und auch hier will niemand mit einer 0-16-Saison in Verbindung gebracht werden, da muss man nur bei Hue Jackson nachfragen. Gut für diese Spieler und Coaches, dass sie nach den Auftritten der vergangenen Wochen nochmal so einen Auftritt in sich hatten.

Die Fans werden das selbstredend anders bewerten.

Wenn Jacksonville jetzt gegen die Bears und die Colts, die beide noch im Playoff-Rennen sind, verliert, haben die Jags den Nummer-1-Pick sicher; der leichtere Schedule wäre in dem Fall der Tie-Breaker mit den Jets, sollten beide bei einem Sieg stehenbleiben. Und dann wird es eine sehr spannende Offseason-Diskussion geben, darüber, wie groß der Dropoff nach Trevor Lawrence ist. Ob die Jets überhaupt mit dem Nummer-2-Pick einen Quarterback nehmen sollten. Und wie sie ihre Ressourcen anderweitig nutzen könnten, um den Rebuild anzugehen.

4. Lock, Bridgewater - Allen: Wann gibt man einen QB auf?

Die beiden Spiele in der Nacht von Samstag auf Sonntag rückten eine zentrale Frage für mich in den Mittelpunkt: Wann sollten Teams einen Quarterback aufgeben?

Da waren die Buffalo Bills als das vermeintlich strahlende positive Beispiel auf der einen Seite; ein Team, das auch nach zwei Jahren und trotz erheblicher Schwachstellen in elementaren Bereichen an Josh Allen festhielt, und dafür aktuell belohnt wird.

Die Bills haben fantastische Arbeit in puncto Kaderzusammenstellung geleistet und über die letzten drei Jahre die Offensive Line, das Wide Receiver Corps und das Backfield komplett neu aufgebaut. Und Allen selbst hat individuell betrachtet eine merkliche Entwicklung hingelegt.

Aber hier kommen schon zwei seltene Punkte zusammen: Wenige Teams schaffen es, den offensiven Kader und den Trainerstab so perfekt aufeinander abzustimmen und um den Quarterback herum zu bauen - und selbst wenn man das ausklammert, ist Allens Entwicklung, dieser enorme Sprung im dritten Jahr, gerade auf der Quarterback-Position, die absolute Ausnahme im Vergleich.

Nur sehr selten macht ein Quarterback nach zwei solchen Jahren, wie sie Allen zu Beginn seiner Karriere hatte, einen derartigen Sprung im dritten Jahr. Das ist wichtig für den Hinterkopf, ehe man Allen als neuen Standard für die Entwicklung eines physisch talentierten, anderweitig aber sehr rohen Quarterbacks anwendet.

Die Broncos und Drew Lock: Eine Alternative muss her

Teams werden gerade bei Quarterbacks immer hoffen. Und an ihrem vermeintlichen Hoffnungsträger, vor allem wenn der selbst gedraftet wurde, festhalten. Dabei ist die Situation auch fraglos schwieriger: Ein hoch gedrafteter Receiver oder Cornerback kann nach zwei enttäuschenden Jahren zur Nummer 2 degradiert werden - bei einem Quarterback geht das nicht. Nur einer spielt, und der muss dann auch den Großteil der Snaps im Training mit den Startern bekommen.

Das führt zu Buffalos Gegner am Sonntag, den Broncos. Denver wird über die kommenden Wochen eine kritische Entscheidung treffen müssen: Gibt man Drew Lock, dessen Sample Size zusammengerechnet nur etwas mehr als eine volle Saison ist, nochmals das Vertrauen? Oder schaut man sich in der Offseason nach einer ernsthaften Alternative um?

Drei Gedanken dazu:

  • An diesem Punkt sollte Locks Startplatz keineswegs in Stein gemeißelt sein. Das rechtfertigen seine Leistungen selbst bei einer optimistischen Prognose nicht. Es sind und bleiben einzelne Highlights, die Lock setzt, die grundlegenden Probleme sind und bleiben unverändert. In der Hinsicht erinnert er ein wenig an Sam Darnold.
  • Falls Denver in der Offseason einen Quarterback scoutet, bei dem sie besseres Potenzial erkennen als bei Lock, sollten sie unbedingt versuchen, diesen auch zu bekommen.
  • Sollten die Broncos an Lock als Starter festhalten wollen, muss zumindest eine ernsthafte Alternative her, wie etwa ein Jameis Winston oder ein Marcus Mariota. Ein Quarterback, der Mitte der Saison übernehmen könnte, sollte das Lock-Experiment scheitern, ohne dass die Saison damit de facto beendet wird.

Andernfalls nämlich würde man noch eine Saison komplett wegwerfen. Und das ist das große Thema: Auf jeden Josh Allen kommen zahlreiche Mitchell Trubiskys, Blake Bortles, Blaine Gabberts, (vielleicht Sam Darnolds?) und Jake Lockers. Quarterbacks, an denen Teams zu lange festhielten, um dann ein Jahr zu spät zu merken, dass man den Kader ins Niemandsland manövriert hat. Und dann einen Umbruch zu schaffen ist unglaublich schwierig.

Die Panthers sollten sich nach Quarterbacks umschauen

Die andere Quarterback-Kategorie mit viel Diskussionspotenzial steht unter der Leitfrage: "Ist unser Starter gut genug, oder sollten wir ein Upgrade suchen?" Der Vertreter dieser Kategorie am späten Samstagabend war Teddy Bridgewater, dessen Carolina Panthers in Green Bay verloren.

Bridgewater ist ein guter Game Manager. Er setzt die Struktur der Offense mit einer stabilen Baseline verlässlich um. Mehr aber eben auch nicht, das war gegen Green Bay wieder deutlich zu sehen. Bridgewater kreiert nicht außerhalb der Struktur, oder wenn die Pocket um ihn herum nicht hält, er muss im Timing und im Play-Design funktionieren, und das gibt der Offense nach oben klare Begrenzungen.

Bridgewater und die Panthers hatten den Ball in dieser Saison acht Mal je zum Ende des Spiels, mit der Chance, die Partie auszugleichen oder zu gewinnen. Carolina hat alle acht Spiele verloren. Und natürlich wäre es mehr als unfair, all das Bridgewater anzulasten - aber es steht irgendwo eben sinnbildlich für die Limitierungen, die mit Bridgewater einhergehen. Man will das Spiel nicht in seine Hände legen müssen.

Das bringt die Debatte für mich auf den Punkt: Um mit Bridgewater zu gewinnen, um ganz oben anzugreifen, braucht man ideale Umstände - und die sind schwer konstant aufrecht zu erhalten. San Francisco könnte ein mahnendes Beispiel in dieser Hinsicht werden (oder schon sein?), die Bears vor zwei Jahren mit Trubisky ebenfalls.

Wie erstrebenswert sollte es also sein, an der Baseline, die ein Teddy Bridgewater mitbringt, festzuhalten? Sicher, es gibt das durchaus reelle Risiko, dass man sich verschlechtert; aber was ist das bestmögliche Szenario, wenn man weiter um einen Quarterback wie Bridgewater aufbaut? Vielleicht die Aussicht, dass man irgendwann mal ein so starkes Team aufgebaut hat, dass das Quarterback-Defizit im Vergleich zu den Top-Teams in dieser Hinsicht nicht zu schwer ins Gewicht fällt.

Die wahrscheinlichere Alternative sind Jahre im Mittelmaß, im oberen Mittelmaß. Vielleicht auch die eine oder andere Playoff-Teilnahme als Wildcard-Team. Das ist nicht schlecht, keineswegs - nur kann es wirklich der richtige Weg sein, bewusst darum aufzubauen?

5. Die Patriots: Ende der Dynastie als logische Konsequenz

An diesem Punkt war es nur noch eine Frage der Zeit, und dennoch ist es erwähnenswert: Zum ersten Mal seit 2008 verpassen die New England Patriots die Playoffs, nachdem Buffalo am Samstagabend bereits den Divisiontitel perfekt gemacht hatte, besiegelte die Pats-Pleite in Miami auch das rechnerische Aus für New England im Playoff-Rennen.

Aber letztlich war es auch fast schon die logische Schlussfolgerung einer Offense, die ins Niemandsland unterwegs war, die ganze Offseason über. Die nur Role Player und Nummer-3-Receiver holte. Die auf Rookie Tight Ends setzte. Die die Quarterback-Position nicht anging, bis ihr Cam Newton in den Schoß fiel. Und die Cam und der Offense nicht die Defense zur Seite stellen konnte, von der eine ebenfalls limitierte Patriots-Offense etwa im Vorjahr noch profitiert hatte.

Das war auch gegen Miami deutlich zu sehen. New England fehlte dieses Jahr schlicht die Qualität in der Front, es gibt nicht die dominanten 2-Gapping-Tackles, die Räume freischaffen und Run Plays limitieren. Es gibt nicht die erfahrenen, spielintelligenten Linebacker. Und gegen Miami war New England einmal mehr extrem verwundbar gegen den Run.

Miami war als das Team mit den wenigsten Yards pro Run in die Partie gegangen, gegen die Patriots übertrumpften die Dolphins diesen Wert um fast zweieinhalb Yards. Miami war das physisch stärkere Team und gewann so das Spiel auf dieser Seite des Balls auch, während es im Passspiel die erwarteten Probleme gab. Angesichts all der Ausfälle, angesichts der Herausforderung, die Belichicks Defense noch immer durch die Luft mitbringt.

Die Dolphins sind weiter im Playoff-Rennen, das ist für dieses junge Team bereits ein Erfolg. Und wenn Miami gegen die Raiders (definitiv machbar) und die Bills (möglich) den Ball ebenfalls laufen kann, dann wird das noch ein enger Kampf um dieses letzte Wildcard-Ticket.

6. Die Browns sind gekommen, um zu bleiben

Die Browns marschieren mit großen Schritten in Richtung Playoffs, Cleveland steht aktuell auf dem fünften Seed und hält alle Trümpfe in der eigenen Hand. Allein der erste Einzug in die Postseason seit 2002 ist für diese Franchise genauso ein enormer Erfolg wie der erste Winning Record seit 2007.

Entscheidend ist aber die Tatsache, dass diese Saison nicht irgendwie glücklich zustande kam. Cleveland hat seine Spiele nicht durch defensive Touchdowns oder Big Plays im Special Team in entscheidenden Momenten oder Turnover-Glück gewonnen. Die Browns haben unter Kevin Stefanski eine klare Identität entwickelt und die trägt das Team, im Verbund mit einer dominanten Offensive Line. Die Defense hat Playmaker im Pass-Rush und einen Nummer-1-Corner.

Und: seit einigen Wochen nun schon spielt Baker Mayfield wirklich gut. Das war auch gegen die Giants zu beobachten, als das Run Game gegen die starke Front der G-Men so gar nicht funktionierte. Aber Mayfield zeigt seit einer Weile die Präzision, die ihn im College auch so ausgemacht hat. Und er fühlt sich scheinbar von Woche zu Woche wohler innerhalb dieser Offense.

Cleveland beendet in diesem Jahr einige unfassbar lange Durststrecken. Aber noch wichtiger ist: Das ist kein Zufall. Cleveland ist gekommen, um zu bleiben.

7. Jalen Hurts lässt Carson Wentz vergessen

Früh im Spiel gegen Arizona wirkte es so, als wäre der Jalen-Hurts-Hype schnell auch wieder abgekühlt. Hurts verfehlte früh mehrere Pässe, verschuldete einen Safety, war wacklig, sobald er über den ersten Read hinausgehen musste. Und all das nachdem im Laufe des Sonntags Meldungen über Wentz' Unzufriedenheit kursiert waren.

Aber schon in der ersten Halbzeit war das Ball Placement überaus eindrucksvoll, wenn Hurts seinen Read hatte. Und sein Spiel wurde immer besser. Er blieb ruhig auch in schwierigen Situationen, und auch wenn seine Reads weiter relativ simpel waren: Hurts vermied immer noch mehrere Sacks, er kreierte einige Plays, er war ein Faktor als Runner. Baseline in der Struktur, X-Faktor als Athlet.

Was wiederum einmal mehr unterstrich, wie viel besser die Offense - trotz aller Limitierungen - mit Hurts, verglichen mit Wentz, läuft. Und aktuell ist schwer vorstellbar, dass Wentz in dieser Saison den Startplatz noch zurückerhält. Im Gegenteil, man muss konstatieren, dass Philly die Division aktuell vielleicht anführen würde, hätte man den Quarterback-Tausch eher vollzogen. Und man muss sich ernsthaft über Wentz' Zukunft Gedanken machen.

Die Cardinals - bei weitem nicht zum ersten Mal in dieser Saison - standen sich derweil mehrfach selbst im Weg. Zwei Turnover in der Red Zone, Murrays Fumble tief in der eigenen Hälfte, mehrfach defensive Breakdowns bei langen Third Downs. Mit all diesen Handicaps, mit drei eigenen Turnovern mehr als der Gegner, so verliert man in der NFL viele Spiele.

Mit dem Sieg hält Arizona Chicago auf Distanz, vor allem aber ist es aus offensiver Sicht erwähnenswert, dass die Cardinals aus struktureller Sicht Fortschritte zeigen. Das war gegen die Giants bereits zu beobachten, auch gegen die Eagles attackierte Arizona die Mitte besser, konnte mehr über das vertikale Passspiel auflegen, bewegte Hopkins mehr herum.

Ein Sieg über die 49ers würde Arizona die Tür für die Postseason weit aufstoßen. Das Playoff-Ticket lösen würden die Cardinals damit vermutlich aber noch nicht, denn falls Chicago seine beiden letzten Spiele (Jacksonville, Green Bay) gewinnt, und die Cardinals nur einen ihrer beiden ausstehenden Gegner (49ers, Rams) schlagen, würde der Tie-Breaker durch den besseren Record gegen je von Arizona und Chicago gespielte Teams zugunsten der Bears ausfallen.

8. Die Seahawks müssen auf ihre Balance aufpassen

Seattle hätte gegen Washington beinahe ein Spiel noch aus der Hand gegeben, das niemals auch nur eng werden darf. Die Seahawks führten nach einem schnellen Touchdown-Drive zum Start der zweiten Hälfte mit 20:3, und hätten dieses Spiel souverän über die Zeit bringen müssen. Dwayne Haskins hatte einen üblen Start in diese Partie, Washingtons Offense konnte den Ball lange überhaupt nicht bewegen.

Aber, und das zog sich schon auf dem Weg zu dieser 20-Punkte-Führung wie ein roter Faden durch Seattles Spiel: Die Seahawks setzten gegen Washingtons starke Front auf viele sehr schnelle Pässe sowie noch mehr Runs. Und insbesondere bei Early Down funktionierte das Run Game tatsächlich besser als die Pässe.

Am Ende wachte die Defense dann doch gerade noch rechtzeitig auf, zwei Sacks beendeten letztlich Washingtons Chancen auf einen späten Sieg. Aber dass es überhaupt dazu kam, lag auch daran, dass Seattle mehr und mehr auf reine Risikominimierung schaltete, und es wird spannend sein zu sehen, mit welcher Identität und mit welchem grundlegenden Ansatz Seattle in die Playoffs gehen wird, welche die Seahawks mit diesem Sieg sicher haben.

Die Offense hat schon in den vergangenen Jahren definitiv die Tendenz gezeigt, zu vorsichtig zu werden, gerade in dieser Phase der Saison. Und diese Tendenz ließ sich über die letzten Wochen bereits beobachten. Während sich die Defense stabilisierte, wurde die Offense ein wenig Run-lastiger bei Early Down, wurde das Passspiel seltener vertikal, wurde mehr auf Sicherheit als auf Explosivität gesetzt.

Das war zu einem gewissen Grad verständlich, hatte Wilson doch zwischenzeitlich eine wirklich schwierige Phase mit sehr vielen unnötigen Turnovern. Seattle ist jetzt nur an einem kritischen Punkt, und das Spiel gegen Washington versinnbildlichte das perfekt. Es gilt, vor den Playoffs die richtige Balance zu finden.

9. Texans vs. Colts als Sinnbild für den schmalen Grat

Houston gegen Indianapolis in dieser Saison war ein gutes Beispiel dafür, wie eng nicht nur Freude und Leid in der NFL beieinander sein können, sondern auch wie wacklig ein Narrativ über ein Team sein kann. Vor zwei Wochen hätte Houston das Spiel spät gewinnen können - Deshaun Watson fumbelte den Ball aber eineinhalb Minuten vor dem Ende kurz vor der Colts-Endzone, Indianapolis rettete seine 6-Punkte-Führung.

Dieses Mal war es Slot-Receiver Keke Coutee, dem - sieben Punkte im Rückstand - scheinbar auf dem Weg Richtung Endzone der Ball aus der Hand geschlagen wurde. Turnover, Game Over. So steht am Ende ein Colts-Team, das den Ball wieder einigermaßen gut laufen konnte, bei dem Rivers weiter sehr stabil spielt, T.Y. Hilton inzwischen auch in der Saison angekommen ist und dessen Defense Watson einmal mehr gehörig unter Druck setzte. Dass Watson die Texans dennoch im Spiel hielt, unterstreicht einmal mehr seine Qualität.

Die Colts können in den Playoffs gefährlich sein, weil sie unangenehm sind. Gut gecoacht auf beiden Seiten des Balls, mit einem erfahrenen Quarterback, guten Waffen und stabilen Lines offensiv wie defensiv. Aber der Abstand zu einem 8-6-Record und einem Platz außerhalb der Playoff-Tickets ist so schmal, ein Sinnbild für die NFL.

10. Die Bears wissen, wer sie sind

Es war ein vorgezogenes Playoff-Spiel, das sich die Bears und Vikings lieferten. Der Sieger würde Kontakt zu den Wildcard-Plätzen halten, der Verlierer sich de facto aus dem Playoff-Rennen verabschieden.

Minnesota versuchte, den Fuß auf dem Gaspedal zu halten, spielte früh ein kurzes Fourth Down aus - doch der Run durch die Mitte ging nirgendwohin. Zwei Minuten vor dem Ende hielt Mike Zimmer die Punt-Unit abermals an der Seitenlinie, dieses Mal fand Cousins' Pass nicht sein Ziel. Minnesota versuchte auch nicht stur, den Run durchzudrücken, sondern warf mehr bei Early Downs.

Während diese Entwicklungen bei Zimmer genauso erwähnenswert wie erfreulich sind, war die eigene Defense schlicht zu anfällig. Chicago konnte den Ball unheimlich gut laufen, was wiederum in einen weiteren Bears-Blickwinkel überleitet: Chicago findet - besser spät als nie könnte man sagen - eine Art offensive Identität.

Sicher, die drei letzten Spiele gegen Detroit, Houston und jetzt Minnesota sind nicht der defensive Maßstab, an dem man sich messen sollte. Doch es lag nicht nur daran, dass die Bears den Ball plötzlich laufen können. Chicago setzt mit Trubisky wieder stärker auf Rollouts, man findet mehr Motion in der Offense, Run Pass Options sind prominent vertreten. Die Line spielt besser als mit Foles. Und Trubisky spielt nicht gut, aber er setzt die Offense auf einer Art Baseline um, die es Matt Nagy wiederum erlaubt, mehr über die Play-Designs zu kommen. Ein Hauch von 2018.

Das sollte niemanden täuschen. Trubisky ist einer der schlechtesten Starting-Quarterbacks in der NFL - auch gegen Minnesota hätte er beinahe drei Minuten vor dem Ende eine üble Interception geworfen - und nicht die langfristige Lösung. Aber vielleicht haben die Bears pünktlich zum Schlussspurt im Rennen um die Playoff-Tickets genügend offensive Feuerkraft zusammengebastelt, um Arizona das letzte Ticket noch zu klauen.