Super Bowl LV steht fest: Tom Brady und die Tampa Bay Buccaneers empfangen im ersten Heim-Super-Bowl aller Zeiten Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs! Den Green Bay Packers und Buffalo Bills bleibt nur die Zuschauerrolle - doch was bleibt sonst nach dem Championship Sunday? Welche Erkenntnisse könnten längerfristige Auswirkungen haben? Und wie könnte die Meldung aus Detroit vom Samstagabend die Quarterback-Landschaft verändern?
SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag mit seinen wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Wochenende auf Stand.
1. Der Sieg der Chiefs: Was andere Teams kopieren könnten
In der NFL wird gnadenlos kopiert, immer.
Als die Seahawks mit ihrer Cover-3-Defense so enormen Erfolg hatten, dauerte es nicht lange, ehe einstige Seahawks-Coaches anderswo angeheuert wurden - und andere Defenses entsprechend umgestalteten. Die Fourth-Down-Aggressivität der Philadelphia Eagles auf dem Weg zum Super-Bowl-Titel hatte eine Signalwirkung für den Rest der Liga; mittlerweile sind zahlreiche Teams deutlich mutiger, wenn es um das Ausspielen eines vierten Versuchs geht.
Das aktuellste Beispiel dürften die Outside-Zone-Play-Action-Offenses sein. Maßgeblich geformt im Shanahan-Coaching-Tree, sind die San Francisco 49ers und die Los Angeles Rams zwei Paradebeispiele für diese Art offensive Basis.
Doch unter anderem in Tennessee, Green Bay, Cleveland, Minnesota und jüngst auch Chicago haben sich Nachahmer und neue Schüler des Coaching-Trees gefunden, die diesen sehr Quarterback-freundlichen Ansatz auf ihre Art und Weise umsetzen.
Die schiere Dominanz, mit der Kansas Citys Offense nun schon seit Jahren durch die Liga pflügt und die auch gegen die Bills zu bestaunen war, bleibt dabei allerdings offenbar eine Ausnahme. Und sicher, Patrick Mahomes, Andy Reid, Travis Kelce und Tyreek Hill, dieses Quartett kann man nicht "nachahmen", weil jeder dieser vier einzigartige, herausragende Qualitäten hat, die zudem im Zusammenspiel funktionieren.
Aber was ist mit einigen grundlegenden Prinzipien, bei der Kaderzusammenstellung, aber auch bei der Spielweise? Was sticht hier heraus?
Die Chiefs-Offense: Diese Lehren lassen sich ziehen
- Speed: Geschwindigkeit ist ganz klar Trumpf in dieser Offense. Tyreek Hill ist mehr als nur schnell, wenn er vertikal attackiert; er hat auch eine spektakuläre Beschleunigung und ist unheimlich agil. Diese Kombination macht ihn so gefährlich, aber die Chiefs sind Meister darin, Hills Speed auf verschiedene Art und Weise in den Game Plan einzubauen. In Form der Jet Sweeps, End Arounds und dergleichen, und dann in den gleichen Designs als Ablenkung. Als Motion-Spieler, um anderswo Räume zu kreieren. Bei tiefen Over-Routes, um die Mitte des Feldes zu öffnen. Keine Offense schafft es besser als die Chiefs mit Hill und Mecole Hardman, Speed vielseitig zu nutzen, um Defenses auf verschiedene Wege unter Druck zu setzen. Hier sollten sich die allermeisten Teams etwas abschauen können.
- Playmaker: Selbst wenn es einer Defense gelingt, Hill und Kelce phasenweise auszuschalten, haben die Chiefs noch immer Waffen dahinter - mal ganz davon abgesehen, dass Hill und Kelce auf ihrer Position ligaweit beide je ganz weit oben anzusiedeln sind. Dann gibt es eben einen Mecole Hardman, dessen Geschwindigkeit bei jedem Play ebenfalls ein Defense-Killer sein kann. Oder einen Sammy Watkins, der nicht die Nummer 2 oder gar der Top-Receiver sein muss. Er ist die dritte, vierte, fünfte Option im Passspiel und bekommt dementsprechend häufiger auch vorteilhafte Matchups. Titel in der heutigen NFL werden in der Offense gewonnen, diese Saison hat das eindrucksvoll untermauert. Und um dazu in der Lage zu sein, braucht man mehrere und unterschiedliche offensive Playmaker. Hier haben noch sehr viele Teams Nachholbedarf, während drei der besten Receiving Corps in der NFL (Buffalo, Tampa Bay, Kansas City) gerade in den Championship Games standen.
- Flexibilität: Nur mit den entsprechenden Playmakern ist es möglich, offensiv flexibel aufzutreten. Gegen die Bills versuchte Mahomes nur einen einzigen Pass mit einer Target-Tiefe von mehr als 20 Yards, und der kam nicht einmal an. Weil Buffalo sich defensiv auf das vertikale Passspiel fokussierte, attackierte Kansas City eben Underneath und mit mehr Rollouts und Jet Sweeps nach außen. In der Red Zone gibt es eine Vielzahl an kreativen Play-Designs für diese Offense, und wenn ein Gegner mehr Man Coverage spielt und blitzt, hat Andy Reid in seinem Playbook ein ganzes Arsenal an gefährlichen Screen-Pässen. Die Fähigkeit, seine Offense an alles anpassen zu können, was die gegnerische Defense anbietet, macht Kansas City unheimlich schwer ausrechenbar.
- In der Mitte liegt die Kraft: Man kann durchaus argumentieren, dass Kelce aktuell die gefährlichste Waffe in der Mitte des Feldes in der NFL ist. Und die Chiefs wissen, dass sie hier am meisten Schaden anrichten können, mal mit schnellen Comeback-Routes, mal mit tiefen Post-Routes, mal mit Hi-Lo-Konzepten. Das war auch gegen Buffalo eindrucksvoll zu sehen: Mahomes brachte laut Next Gen Stats bei In-Breaking-Routes neun von elf Pässen für 159 Yards und zwei Touchdowns an. Die 14,5 Yards pro Pass stechen die 6,1 Yards pro Pass bei allen anderen Routes deutlich aus.
Die Chiefs hatten bislang in der Mahomes-Ära 63 volle Playoff-Drives, Kneeldowns ausgeschlossen; bei diesen Drives verzeichnen sie im Schnitt (!) 3,75 Punkte, eine absurde Quote und ein ganz guter Hinweis darauf, was es braucht, um dieses Team zu stoppen: Allen voran eine Offense, die in einem Shootout mitgehen und 40 Punkte aufs Scoreboard bringen kann.
Die Bills haben viel zu wenig getan, um dieses Spiel zu gewinnen. Insbesondere die Offense blieb gegen eine extrem variable Chiefs-Defense, die exzellente Coverage spielte, viel zu blass. Coach Sean McDermott hätte außerdem klar sein müssen, dass Field Goals bei kurzen Fourth Downs tief in der gegnerischen Hälfte gegen die Chiefs nicht reichen würden.
Und doch war der zentrale Takeaway für mich die schiere Dominanz und Mühelosigkeit, mit der Kansas City auf alle Ansätze der Bills-Defense Lösungen fand und stets dort attackieren konnte, wo die Bills gerade eine Lücke offenbarten.
Diese Flexibilität auf derart hohem Level umsetzen zu können ist eine glasklare Eigenschaft einer Elite-Offense.
2. Die Packers-Niederlage: Irre bitter, weil selbst verschuldet
Die 2019er Green Bay Packers waren ein Team, das über seinen Verhältnissen lebte. 13 Siege standen am Ende der Regular Season, derart dominant hatte sich die Saison nur sehr selten angefühlt und im Championship Game bei den San Francisco 49ers bekam man dann auch deutlich die Grenzen aufgezeigt.
2020 war anders. Statt Regression gab es einen enormen Fortschritt, insbesondere in der Offense. Matt LaFleur war in dieser Saison einer der besten Play-Caller der Liga, Aaron Rodgers spielte eine herausragende Saison und Davante Adams war ohne jeden Zweifel der beste Wide Receiver der vergangenen Saison.
Umso bitterer war es dann, zu sehen, wie dieses Team sich zu einem gehörigen Teil selbst um ein Ticket zum Super Bowl brachte. Das war ein Team mit Super-Bowl-Kaliber, dessen Defense in den letzten 15:24 Spielminuten drei Punkte zuließ, zwei weitere Pässe abfing und dennoch in zwei Wochen zuschauen muss, wenn die Buccaneers den ersten Super Bowl zuhause austragen.
Viele werden sich nach dem Spiel an der kritischen Strafe gegen King - ein richtiger Call, der bitter wirkte, weil die Refs das ganze Spiel über vieles hatten laufen lassen - aufhängen. Oder an Coach Matt LaFleurs Entscheidung, 2:05 Minuten vor dem Ende acht Punkte im Rückstand das Field Goal zu kicken, statt Fourth-and-Goal von der 8-Yard-Line auszuspielen.
Auch hier ist der Frust verständlich, und ich hätte diesen vierten Versuch ausgespielt und versucht, die Partie dann mit anschließender 2-Point-Conversion auszugleichen. Lieber Rodgers und der Offense eine Chance geben, so tief in der Red Zone doch in die Endzone zu kommen, als der eigenen Defense zu vertrauen, dass ein halbwegs schneller Stop mit maximal einem zugelassenen Field Goal gelingt.
Doch einen defensiven Stop hätte es so oder so gebraucht, ganz so eklatant war LaFleurs Entscheidung also nicht. Einen Touchdown, die 2-Point-Conversion und dann einen defensiven Stop ohne zugelassene Punkte hinzubekommen wäre an diesem Punkt fraglos unwahrscheinlich gewesen und hätte dann ja erstmal auch nur für die Overtime gereicht. Dennoch wäre der Weg für mich der erfolgsversprechende angesichts der Gesamtsituation gewesen.
Championship Game: Packers lassen eine riesige Chance liegen
Auch LaFleurs Erklärung anschließend war wenig inspirierend, und dennoch: Die Packers waren überhaupt nur in dieser Situation, weil man sich selbst permanent im Weg gestanden hatte.
Der Drop von Davante Adams in der Endzone. Rodgers, der sich kurz darauf auf Adams fixierte und den zum Touchdown offenen Allen Lazard übersah. Wacklige Offensive Tackles, der Drop von EQ St. Brown bei der 2-Point-Conversion, zwölf Spieler auf dem Feld, der Fumble von Aaron Jones, grobe individuelle Schnitzer in Coverage: Dieses Spiel hat Green Bay verloren, weil die Packers deutlich unter den eigenen Möglichkeiten spielten.
Das macht die Pleite eben so bitter. Tampa Bay war weit von einer fehlerfreien Partie entfernt, auch wenn die Bucs eine eindrucksvolle erste Hälfte spielten. Doch als die Fehler kamen, konnte Green Bay auch daraus zu selten Kapital schlagen: Auf die zweite und auf die dritte Brady-Interception folgte je ein schnelles Three-and-Out, während Tampa beide Packers-Turnover direkt in Touchdowns ummünzte.
Es passte ins Gesamtbild eines vor allem selbstverschuldet gebrauchten Tages. Green Bay ließ dieses Mal einfach zu viel liegen.
3. Die Verlierer: Strohfeuer - oder gekommen, um zu bleiben?
Den Bills und Packers bleibt im Super Bowl nur die Zuschauerrolle - und damit beginnt der Offseason-Prozess. Wohin geht die Reise für Buffalo und Green Bay? Die gute Nachricht: Beide sollten 2021 direkt nochmal angreifen und um einen tiefen Playoff-Run mitspielen können.
Aber welche übergreifenden Fragen stehen bei beiden im Mittelpunkt? Welche Problemfelder müssen beide Seiten in Angriff nehmen, um vielleicht in der kommenden Saison noch einen Schritt weiter gehen zu können?
Green Bay Packers: Der letzte Run mit Aaron Rodgers?
Rodgers' Ärger nach dem Spiel war absolut nachvollziehbar. Rodgers war natürlich frustriert und die Art und Weise, wie er sich auf der Pressekonferenz gab, fühlte sich kurzzeitig schon nach Abschied an. "Ich werde immer dankbar für diese Saison sein", ließ er etwa verlauten, und erklärte: "Die Zukunft von vielen der Jungs ist ungewiss, inklusive meine eigene Zukunft."
Der 37-Jährige steht noch bis einschließlich 2023 unter Vertrag, aber womöglich war es eine Anspielung darauf, dass die Packers im vergangenen Draft in der ersten Runde Jordan Love, seinen potenziellen Nachfolger, auswählten. Dass Rodgers in diesem Spiel konkret mit dem Fourth-Down-Call von LaFleur nicht sonderlich glücklich war, daraus machte er auch kein Geheimnis.
Aber angesichts der Art und Weise, wie LaFleur sich nach dem Spiel über Rodgers' Zukunft äußerte, gehe ich definitiv nicht davon aus, dass die Packers planen, ihn vielleicht abzusägen. Warum auch - Rodgers wird höchstwahrscheinlich völlig zurecht mit dem MVP-Award ausgezeichnet werden und die Packers-Offense hatte eine spektakuläre Saison.
Für mich war das eine Mischung aus Frust und der Hinweis an die Team-Bosse, dass er durchaus darauf pochen könnte, seine Zukunft in die eigene Hand zu nehmen. Und eine ehrliche Traurigkeit darüber, dass angesichts zahlreicher angehender Free Agents (u.a. Corey Linsley, Lane Taylor, Kevin King, Chandon Sullivan, Jamaal Williams, Aaron Jones, Allen Lazard, Robert Tonyan) das Team in wenigen Wochen ein deutlich anderes Gesicht haben wird und viele Spieler, die diese Packers-Saison mit geprägt haben, nicht mehr da sein werden.
Was wird ansonsten jetzt in Green Bay passieren? Meine starke Vermutung ist, dass wir das letzte Spiel von Mike Pettine als Defensive Coordinator der Packers gesehen haben; so gesehen gibt es zumindest einen Nebeneffekt, der den meisten Packers-Fans gefallen dürfte. Und ansonsten sind Veränderungen unvermeidbar; ein erster Fokus dürfte auf der Offensive Line liegen, denn wackelt die, ist das Potenzial dieser Offense deutlich geringer. Auch das hat das Spiel gegen Tampa unterstrichen.
gettyBuffalo Bills: Der Grundstein ist gelegt
Während bei den Packers die Frage am ehesten im Raum steht, wann sich das aktuelle Fenster schließt, scheint sich selbiges bei den Bills gerade erst zu öffnen.
Natürlich muss man das mit einem gewissen Maß an Vorsicht genießen: Haben wir den Peak von Josh Allen dieses Jahr schon gesehen? Kann Allen konstant ein Top-5-Quarterback sein - oder reden wir eher von einem Top-10-Quarterback, der gelegentlich in die Top-5-Gruppe rutschen kann?
Die Beantwortung dieser Fragen ist aus Bills-Sicht einer der zentralen Aspekte der kommenden Saison - für kurzfristigen, aber auch langfristigen Erfolg.
Allen hat noch immer zu viele grobe Fehler in seinem Fehl, auch wenn die Quote dahingehend dieses Jahr deutlich runter ging. Gegen die Chiefs waren einmal mehr einige davon zu sehen, mal in Form von Würfen in enge Coverage, mal, wenn er den Ball zu lange hielt: 69 (!) Yards verlor Allen gegen die Chiefs bei Sacks und Intentional-Grounding-Strafen. Gleichzeitig aber wird er noch eine Saison mit Brian Daboll bekommen, das sollte seine Entwicklung weiter vorantreiben.
Im Kern haben die Bills noch ein wirklich günstiges Jahr in Allens Vertrag, und das sollten sie ausnutzen: Buffalo braucht mehr individuelle Qualität im Pass-Rush, vielleicht noch Upgrades in der Offensive Line und auf Cornerback. 2021 sollte das Jahr sein, in dem die Bills ohne jeden Zweifel All-In gehen.
4. Trade-Markt: Diese Teams kommen für Matt Stafford in Frage
In Detroit, das wurde am Samstagabend bekannt, endet eine Ära: Matt Stafford (32) und die Lions gehen aller Voraussicht nach getrennte Wege - zumindest ist nun bekannt, dass die Lions ihren Quarterback ziehen lassen werden. Sofern es ein zufriedenstellendes Angebot gibt.
Stafford, für mich über die letzten Jahre eher einer der unterschätzten Quarterbacks der Liga, will den Rebuild hinter sich lassen und seine Karriere anderswo beenden, und Detroit will ihm keine Steine in den Weg legen. Alle Zeichen stehen auf Abschied.
Für die Lions-Perspektive ist hier die Timeline erst einmal wichtig. Stafford hat keineswegs infolge der Verpflichtungen von GM Brad Holmes und Head Coach Dan Campbell entschieden, dass er unter diesem Regime nicht arbeiten möchte - vielmehr stand diese Option bereits seit Saisonende im Raum. Die GM- und Head-Coach-Kandidaten, an denen Detroit Interesse hatte, wurden über dieses Szenario in Kenntnis gesetzt; auch Holmes und Campbell wussten also, dass sie die Lions womöglich ohne Stafford übernehmen.
Es rückt auch den Sechsjahresvertrag, den Campbell erhalten hat, nochmals in ein anderes Licht. Offensichtlich hatten die Lions bereits eine sehr konkrete Idee dahingehend, dass ein tiefgreifender Umbruch bevorsteht. Die Frage lautet jetzt: Wie extrem darf es sein? Lässt man etwa die Wide Receiver Kenny Golladay und Marvin Jones - beide werden im März Free Agents - jetzt auch ziehen? Und wie viel bekommt man eigentlich für Stafford noch?
Auch wenn man das Argument jetzt häufig liest, denke ich nicht, dass das Bekanntwerden der Trade-Absichten den Trade-Wert schmälert. Die Lions haben sich damit keineswegs verpflichtet, Stafford abzugeben. Letztlich wird es so kommen, aber Detroit sollte seinen langjährigen Quarterback jetzt nicht verschenken, nur weil man ihm den Wunsch gewährt, anderswo sein sportliches Glück zu suchen, statt bei den Lions noch einen Rebuild mitzumachen.
Ein Erstrunden-Pick und etwas aus den mittleren Runden sollte für Detroit hier schon drin sein, für einen - mindestens - überdurchschnittlichen Quarterback, der noch einige Jahre im Tank haben sollte. Meine größte Sorge wären noch eher die Rückenprobleme, die ihn zuletzt plagten.
Doch dass die Katze jetzt aus dem Sack ist, zieht in meinen Augen den Trade-Wert nicht runter - denn mehrere Bieter wird es in jedem Fall geben. Vielleicht jetzt, wo öffentlich bekannt ist, dass Stafford zu haben wäre, sogar noch mehr. In einem "normalen" Jahr wäre diese Info vermutlich eher unter der Hand bei der Combine zwischen GMs ausgetauscht worden.
Matt Stafford auf dem Trade-Markt: Diese Teams kommen in Frage
Und wohin geht es jetzt für Stafford? Natürlich könnte hier eine Vielzahl an Teams stehen. Stafford ist 32 Jahre alt und in den entsprechenden Umständen absolut ein Top-10-Quarterback. Insofern wäre er für diverse Franchises ein Upgrade, und die gesamte Offseason wird in puncto Quarterback-Karussell hochbrisant.
Man kann argumentieren, dass eine Vielzahl an Teams - Jaguars, Patriots, Colts, Washington, Chicago, Detroit, Carolina, New Orleans unter anderem - zweifellos auf Quarterback-Suche gehen wird; mit Teams wie den Jets (was passiert mit Sam Darnold?), Steelers (tritt Big Ben zurück?) oder Broncos (hält der neue GM an Lock fest?) direkt dahinter.
Stafford würde dementsprechend bei zahlreichen Teams Sinn ergeben, zumal sein Vertrag sehr Trade-freundlich ist. Ich habe mich deshalb auf meine Top 5 beschränkt:
- San Francisco 49ers: Das war das erste Team, das ich im Kopf hatte. Und es gibt sicher Fans im Niners-Lager, die darauf hinweisen würden, dass man Jimmy Garoppolo bislang für eine volle Saison hatte - und in dieser Saison war man Zentimeter vom Gewinn des Super Bowls entfernt. Das ist fraglos richtig, und Garoppolo spielte damals eine sehr gute Saison. Das aber eben auch unter nahezu idealen Umständen, was für mich auch der Kern der ganzen Debatte ist: Garoppolo ist ein idealer Game Manager für diese Offense, der aber eben auf sehr gute Umstände auch angewiesen ist.
Und natürlich helfen gute Umstände jedem Quarterback, aber die Frage ist eben: Was, wenn diese Umstände mal nicht da sind? Weil die Defense schematisch gut dagegenhält, oder einfach weil man spät im Spiel einen 10-Punkte-Rückstand aufholen muss? Stafford würde Kyle Shanahan nochmal ganz andere Möglichkeiten geben als Garoppolo und für mich wäre ein Trade für Stafford der vielversprechendste Weg für die Niners, um die nächste Chance auf einen Super Bowl zu erhalten.
Die Niners sind umso interessanter, da sie sich nahezu ohne Verluste von Garoppolo trennen können: Selbst wenn es keinen Trade-Markt gibt - und ich würde vermuten, dass man einen Mid-Round-Pick noch erhalten würde -, könnten die 49ers Garoppolo mit einem Dead Cap Hit in Höhe von 2,8 Millionen Dollar entlassen. Die 49ers würden in puncto Cap Hit 2021 in jedem Fall Geld sparen, wenn sie Garoppolo durch Stafford ersetzen.
- Indianapolis Colts: Der Rücktritt von Philip Rivers hat die Colts zu einem der größten Dominosteine im Pre-Draft-Quarterback-Markt gemacht. Indianapolis hat einen guten Kader, eine sehr gute Offensive Line, eine stabile Defense und einen kompetenten Head Coach - und jede Menge Cap Space. Über 60 Millionen Dollar, um genau zu sein. Nur die Jaguars gehen derzeit mit mehr finanziellem Spielraum in Richtung Free Agency.
Indianapolis könnte also in der Free Agency auf Shopping Tour gehen. Die 20 Millionen Dollar, die Stafford 2021 gegen den Cap kosten würde, wären hier nicht mal ein Thema. Die Colts könnten zusätzlich auch in einer Free Agency, in der einige Teams aus Cap-Gründen schwierige Entscheidungen treffen müssen, aggressiv sein und sich etwa den starken Wide-Receiver-Markt zunutze machen. Dann könnte 2021 deutlich mehr drin sein als eine Kurzvisite in den Playoffs.
- Denver Broncos: Mit George Paton übernimmt in Denver ein Mann den GM-Posten von John Elway, der Stafford nur allzu gut kennt. Paton verbrachte die letzten 13 Jahre in der NFC North, in verschiedenen Funktionen bei den Minnesota Vikings. Und die Broncos haben klargemacht, dass der neue GM nicht von Elways Gnaden abhängen, sondern selbst personelle Entscheidungen fällen wird.
Will sagen: Für Drew Lock könnte die Luft umso schneller eng werden, ohne Elway als einen mutmaßlichen zentralen Fürsprecher in seiner Ecke. Die Broncos haben einen Kader, der schnell um Playoffs und mehr mitspielen könnte - sofern die Quarterback-Frage geklärt wird.
- Washington Football Team: Eine nicht ganz unähnliche Situation wie bei den Colts. Auch Washington spielte in dieser Saison Playoff-Football, wenngleich begünstigt durch eine überaus schwache Division, und auch Washington verabschiedete sich nach einem Spiel. Doch in diesem Team ist Talent, junges Talent. Die Defensive Line ist eine der drei besten ligaweit, mindestens. Die Offensive Line war eine positive Überraschung in dieser Saison, Terry McLaurin ist ein legitimer Nummer-1-Receiver.
Die Geschichte von Alex Smith ist unglaublich, und er wird völlig zurecht den Award für den "Comeback Player of the Year" erhalten. Mit Stafford wäre in Washington aber über die nächsten drei, vier Jahre deutlich mehr möglich - und durch den Division-Sieg sind die hohen Picks im Draft ein gutes Stück weit weg. Eine persönliche Connection gibt es hier auch: Martin Mayhew, der neue GM in Washington, war von 2008 bis 2015 der General Manager der Detroit Lions. Der 55-Jährige war also auch in letzter Instanz dafür verantwortlich, Stafford 2009 zu draften.
- New England Patriots: Bei den meisten Teams kann man grob erahnen, welche Prioritäten in der Offseason im Fokus stehen werden und auf was besonders geachtet werden wird, kurzum: Wo die Reise hingehen soll.
Bei den Patriots bin ich mir nicht so sicher, und das macht eine Prognose hier auch sehr schwierig. Ich habe sie letztlich als Nummer 5 - anstelle etwa der Carolina Panthers - mit dazu genommen, weil ich bei den Patriots eher noch den Wunsch sehe, schnell nochmals ein Titelfenster zu öffnen. Die Pats haben nur Pick Nummer 15, mit einer Vielzahl an Teams vor sich, die im Draft alle Quarterbacks nehmen könnten.
Und überhaupt: Wie sehr ist Bill Belichick gewillt, mit einem jungen Quarterback nochmal neu anzufangen und wirklich einen tiefgreifenderen Umbruch vorzunehmen? Der Kader ist alt und braucht allen voran auf Wide Receiver dringend Upgrades - mit Stafford könnte man aber vielleicht noch einen Playoff-Run vor dem großen Umbruch hinlegen.
5. Super Bowl - erster Blick auf Buccaneers vs. Chiefs
Mahomes gegen Brady wird natürlich das prägende Thema für die nächsten beiden Wochen sein, mit all den Randgeschichten. Das Championship Game vor zwei Jahren, einige hochklassige Regular-Season-Duelle, die metaphorische Übergabe des Staffelstabs von der alten an die neue Generation, und so weiter.
Aus Matchup-Sicht geht für mich der ersten Blick auf die Offensive Line der Chiefs. Kansas City hat im Spiel gegen Buffalo Left Tackle Eric Fisher verloren, und eine Notiz, die ich mir beim Bucs-Packers-Spiel immer wieder gemacht habe, ging in die Richtung, wie häufig Tampa Bay mit dem 4-Men-Rush durchkam.
Tampa Bay wurde in der Regular Season gegen die Chiefs für ein Viertel böse verbrannt. Aber schon da zogen die Buccaneers im Laufe der Partie die richtigen Schlüsse und schafften es, Kansas Citys Offense vor ungewohnte Probleme zu stellen.
Sollten die Chiefs - davon ausgehend, dass mit Fisher und Mitchell Schwartz beide Starting-Tackles fehlen werden - den 4-Men-Rush nicht stoppen können, wird das womöglich ein enormes Problem für Kansas City. Es gibt kein Patentrezept gegen diese Chiefs-Offense, aber aus dem 4-Men-Rush Druck aufbauen zu können kam dem schon immer am nächsten. Tampa Bay könnte die Mittel dafür haben.
Mit Lavonte David haben die Bucs auch Underneath eine Coverage-Präsenz, um die zahlreichen Crosser von Travis Kelce ein wenig einzudämmen, während das erste Spiel gegen die Chiefs Tampa auf die schmerzhafte Art und Weise beigebracht hat, dass man Tyreek Hill nicht Eins-gegen-Eins ohne tiefe Safety-Hilfe decken kann.
Und auf der anderen Seite des Balls? Die Chiefs haben mitnichten eine Shutdown-Defense, aber gegen die starke Bills-Offense beeindruckten die Defensive Backs mit sehr langer, sehr hartnäckiger Coverage. Gelingt das auch gegen die Elite-Waffen der Bucs? Chris Jones könnte ein Schlüsselspieler in der Defense von Steve Spagnuolo, der Brady bereits einen Super Bowl verhagelt hat, werden, um Brady übe die Mitte konstant zu nerven.
Tyrann Mathieu ist der andere defensive X-Faktor bei KC. Er sollte sich mit Brady ein hochklassiges Schachspiel vor und nach dem Snap liefern - gegen die Bills konnte Kansas City erneut mit sehr vielen Coverage-Rotationen den Quarterback aus dem Konzept bringen. Bei Brady wird das deutlich schwieriger werden.