Welche Quarterbacks werden tatsächlich wechseln? Können die New England Patriots sofort wieder angreifen? Wo ist der Markt in dieser Offseason stark besetzt, und könnte die Liga vor einer historischen Free Agency stehen? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet in seiner Kolumne Eure Fragen.
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Quarterback-Ranking: Wer wechselt, wer bleibt?
Samu: Rating von 1-10: Wie wahrscheinlich ist es, dass folgende QBs bei einem anderen Team spielen werden als letzte Saison: Gardner Minshew, Dak Prescott, Jameis Winston, Cam Newton, Mitch Trubisky, Drew Lock, Matt Ryan.
Das Quarterback-Karussell in der Free Agency wird unheimlich spannend sein, auch weil potenziell Deshaun Watson oder sogar Russell Wilson alles durcheinanderbringen können - und der Draft ein paar Wochen später mit einer exzellenten Spitzengruppe aufwarten kann. Das könnte einige Kandidaten auf dem Markt zu echten Schnäppchen machen.
Ich gehe die Namen der Reihe nach durch, wobei "1" bedeutet, dass ich mir einen Wechsel absolut nicht vorstellen kann, und "10" heißt, dass der Quarterback in meinem Kopf bereits woanders spielt
Dak Prescott, Dallas Cowboys
Just in der vergangenen Nacht hat sich diese Personalie in Luft aufgelöst. Dak Prescott hat bei den Cowboys einen neuen Vierjahresvertrag unterschrieben und bleibt somit auf lange Sicht in Texas!.
Wechselwahrscheinlichkeit: 0.
Gardner Minshew, Jacksonville Jaguars
Einer der interessanteren Namen in diesem Jahr, der bisher noch etwas unter dem Radar fliegt was den Quarterback-Markt angeht. Die Jaguars werden aller Voraussicht nach mit dem Nummer-1-Pick ihren neuen Quarterback auswählen und könnten dann Minshew sicher auch als Backup halten. Das aber ehrlicherweise wäre fast eine Ressourcenverschwendung, denn ich könnte mir vorstellen, dass Jacksonville für Minshew auf dem Trade-Markt ein durchaus interessantes Asset erhalten kann.
Minshew mag nie ein Elite-Quarterback werden, aber er hat eine solide Baseline und auch Upside. Er arbeitet gut durch die Pocket, er liest das Feld schnell und er hat Highlight-Würfe im Repertoire. Plus: Minshew ist extrem günstig. Sein Cap Hit im Falle eines Trades für das aufnehmende Team würde bei 850.000 Dollar 2021 und 965.000 Dollar 2022 liegen. Überflüssig zu erwähnen, dass das mit Abstand der günstigste Starting-Quarterback wäre.
Gerade ein Team wie die Chicago Bears sollte hier dringend mal anfragen.
Wechselwahrscheinlichkeit: 7.
Jameis Winston, New Orleans Saints
Winston hat letztes Jahr mutmaßlich auf Geld verzichtet, um ein Jahr in New Orleans hinter Drew Brees und unter Sean Payton zu lernen. Ob sich das sportlich auch bemerkbar macht, wird sich zeigen - aber wir können davon ausgehen, dass er schon letztes Jahr nicht den stärksten Markt hatte und in diesem Jahr scheint der QB-Markt nochmal härter umkämpft, gerade auch aufgrund der starken Draft-Klasse.
Will sagen: Winston hätte vermutlich nicht allzu viele Optionen - und ich denke auch, dass er sich sein nächstes Team sehr sorgfältig aussuchen muss. Denn falls Winston zu einem Team wie Chicago oder Philadelphia wechselt und dort die Saison in die Hose geht, könnte das sehr gut die letzte Start-Chance gewesen sein, die Winston bekommt. Deswegen vermute ich, dass er letztlich mit einem Einjahresvertrag in New Orleans bleibt, wo er jetzt mit Scheme und Trainerstab vertraut ist, und wo er dann auch vor Taysom Hill starten wird.
Wechselwahrscheinlichkeit: 3.
Cam Newton, New England Patriots
Am ehesten die Kategorie "50/50" in dieser Liste. Die Patriots sind und bleiben für mich eine große Wundertüte in dieser Offseason. Newtons Saison gerade als Passer war ziemlich schwach, doch Bill Belichick scheint viel von dem einstigen MVP zu halten, schätzt ihn für seine Mobilität und könnte der Meinung sein, dass ein signifikant verbessertes Receiving Corps Newton auch wieder auf ein anderes Level heben würde. Die Tendenz für mich geht Richtung Wechsel, und doch würde mich ein Verbleib mit einem sehr überschaubaren Vertrag nicht überraschen.
Wechselwahrscheinlichkeit: 6.
Mitch Trubisky, Chicago Bears
Es gibt Gerüchte, dass die Bears Trubisky vielleicht doch nochmal halten, als Übergangslösung, als Sicherheitsnetz, falls man im Draft keinen der eigenen Wunschkandidaten bekommt, wie auch immer. Ich sehe es nicht. Für GM Ryan Pace und Head Coach Matt Nagy wird 2021 eine sehr kritische Saison, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie darin potenziell nochmal auf Trubisky zurückgreifen werden. Nicht nur, weil er nicht die sportliche Qualität hat, sondern weil es für die beiden auch irgendwo darum geht, jetzt einen klaren Cut auf der Quarterback-Position zu vollziehen.
Wechselwahrscheinlichkeit: 9.
Drew Lock, Denver Broncos
Ich vermute nicht, dass Drew Lock das Team wechselt - auch wenn das im Zuge des Matt-Stafford-Trades wohl eine durchaus realistische Option war. Was ich mir eher vorstellen könnte, ist, dass die Broncos eine ernsthafte Alternative ins Team holen und Lock an die kurze Leine legen. Das könnte eine Option wie Ryan Fitzpatrick oder Tyrod Taylor sein, es könnte aber natürlich auch über den Nummer-9-Pick im Draft passieren.
Wechselwahrscheinlichkeit: 2.
Matt Ryan, Atlanta Falcons
Ryan würde einen gigantischen Dead-Cap-Hit hinterlassen; einen Trade in dieser Offseason könnte ich mir nur vorstellen, wenn die Falcons wirklich einen tiefgreifenden Umbruch vornehmen, und das vermute ich nicht. Der neue Head Coach Arthur Smith bringt eine zumindest in Teilen vertraute Offense mit, Ryan sollte noch einige gute Jahre im Tank haben. Ein QB-Pick an 4 würde mich nicht wundern - meine Vermutung ist aber eher, dass Atlanta nochmals ein Playoff-Fenster über die nächsten zwei bis drei Jahre mit Ryan, Julio Jones und Co. öffnen will.
Wechselwahrscheinlichkeit: 2.
TMC: Welches Team kann mit wenigen Moves in der Free Agency von "Worst to First" gehen?
Die 49ers wären hier der einfachste Kandidat, einfach weil San Francisco letztes Jahr mit einem derart dezimierten Kader auskommen musste, dass dieses Team selbst ohne Free Agency deutlich stärker daherkommen wird.
Aber warum nicht ein spannenderes Konstrukt entwerfen - mit den Jacksonville Jaguars!
Für diese "Worst to First"-Fragen muss man natürlich immer die Division berücksichtigen. Ich erwarte einen Sprung von den Cincinnati Bengals, aber in einer Division mit Baltimore, Cleveland und Pittsburgh ist ein Sprung gleich an die Spitze extrem schwer. Gleiches gilt für die Atlanta Falcons, die sich aber eben mit Titelverteidiger Tampa Bay sowie einem Panthers-Team im Aufwind und einer Wundertüte in New Orleans herumschlagen müssen. Auch die Jets haben massive Ressourcen - müssen sich aber eben auch vor allem mit den Bills in der eigenen Division herumschlagen.
Jacksonville kommt aus einer 1-15-Saison, ich halte das Talent im Kader aber schon jetzt für besser als das. Auch hier muss man sehen, an welchem Punkt dieser Kader steht: Die Jaguars hatten letztes Jahr gerade defensiv ein unheimlich junges Team, Spieler wie Josh Allen, K'Lavon Chaisson und C.J. Henderson sollen perspektivisch die Eckpfeiler dieser Defense werden, und ich denke, das können sie auch. Noch aber sind sie nicht an diesem Punkt.
Offensiv gibt es gute Bausteine in der Offensive Line, sowie zwei gute Receiver in D.J. Chark und Laviska Shenault, doch vor allem muss man hier natürlich berücksichtigen, was für enorme Ressourcen Jacksonville in dieser Offseason hat. Kein Team hat mehr Cap Space als die Jaguars und kein Team hat in meinen Augen mehr Draft-Kapital: Jacksonville hat innerhalb der Top-100 jeweils den ersten Pick in den Runden eins bis vier, sowie zusätzlich Pick Nummer 25 in der ersten und Pick Nummer 45 in der zweiten Runde. Das ist absolut enorm.
Wir alle gehen davon aus, dass mit dem Nummer-1-Pick der Quarterback der Zukunft kommt. Aber mit dem gigantischen Cap Space können sich die Jaguars ansonsten in eine Position bringen, um im Draft weniger Needs abdecken zu müssen, und eher das jeweils verfügbare Top-Talent zu nehmen. Jacksonville sollte im Rennen um einen der Top-Receiver auf dem Free-Agent-Markt mitbieten, sollte versuchen, den besten verfügbaren Left Tackle zu bekommen - vielleicht auch Orlando Brown via Trade aus Baltimore -, sollte versuchen, einen Slot-Corner zu verpflichten und in die Defensive Line investieren.
Und die Division ist eben eine ziemliche Wundertüte. Houston muss man fast abschreiben für 2021, die Colts könnten krachend daran scheitern, Carson Wentz wieder in die Spur bringen zu wollen und die Titans verlieren ihren Offensive Coordinator sowie mutmaßlich ihren Nummer-2-Receiver und Tight End Jonnu Smith, und der Edge-Rush ist defensiv noch immer ein größeres Problem.
Letztlich hängt es davon ab, wie schnell - mutmaßlich - Trevor Lawrence einschlägt. Aber kein Team ist in dieser Offseason in einer besseren Position, einen kompletten Turnaround hinzulegen, als die Jaguars.
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Free Agency: Wo ist der Markt 2021 besonders stark?
MartaMunkel: Wie würdest du insgesamt die Spitze und Tiefe der Klassen untereinander ranken. Welche sind in der FA breit besetzt und bei welchen "droht" eine Überbezahlung mangels dünn besetzen Markt?
Safety gehört für mich weit oben auf die Liste, und hier sehe ich auch weiterhin eine mögliche Marktineffizienz, die man ausnutzen kann. Wenn man einfach nur die derzeit aktiven Verträge in der NFL betrachtet, ganz simpel geordnet nach dem möglichen Gesamtvolumen, dann findet man in der Top-20 bei den Verteidigern genau einen Safety: Washingtons Landon Collins.
In der Top-35 sind es deren zwei, Tennessees Kevin Byard kommt dort noch dazu. Kein Safety kassiert im Schnitt pro Jahr mehr als 15 Millionen Dollar, hier rangiert Arizonas Budda Baker (14,750 Mio. Dollar Durchschnittsgehalt) an der Safety-Spitze. Unter allen Defense-Positionen steht er auf Platz 31.
Pass-Rusher und Cornerbacks dominieren diese Listen. Während ich zustimmen würde, dass diese beiden Positionen die wichtigsten Defense-Positionen sind, sehe ich dennoch die Safety-Position in puncto Wert nach wie vor unterschätzt.
Insbesondere die Safeties, die das Passspiel auf mehreren Ebenen beeinflussen können, wie etwa Kansas Citys Tyrann Mathieu (Platz 41 unter Verteidigern was durchschnittliches Jahreseinkommen angeht) haben einen immensen Wert für eine Defense - solange sie richtig eingesetzt werden. Und die Free-Agent-Klasse ist einmal mehr sehr tief auf der Position.
Justin Simmons wurde erwartungsgemäß per Tag bereits vom Markt genommen, Marcus Maye scheint mit den Jets in fortgeschrittenen Gesprächen zu sein. Vielleicht erhält auch er übergangsweise den Tag. Doch selbst dann gibt es mit Anthony Harris, John Johnson, Marcus Williams, oder eine Kategorie dahinter Keanu Neal, Malik Hooker, Xavier Woods, Tre Boston und Jaquiski Tartt eine massive Auswahl auch an verschiedenen Safety-Spielertypen.
Free Agency: Starke Edge-Rusher- und Receiver-Gruppen
Über die Safeties würde ich nur die Edge-Gruppe setzen. Ich gehe davon aus, dass Shaquil Barrett nicht auf den Markt kommt, aber dahinter gibt es Spieler wie Carl Lawson, Jadeveon Clowney, Bud Dupree, Leonard Floyd, Trey Hendrickson, Matthew Judon, Romeo Okwara, Yannick Ngakoue, Olivier Vernon, Justin Houston. Eine enorme Breite auf einem beachtlichen Level, mit zusätzlich "High-Risk-High-Reward"-Kandidaten wie Haason Reddick oder auch Aldon Smith dahinter.
Das Treppchen komplettieren auf dem dritten Platz die Wide Receiver. Ja, Chris Godwin, Allen Robinson und vermutlich auch Kenny Golladay kommen vielleicht nie oder nur per Trade auf den Markt. Doch selbst dahinter ist diese Gruppe stark.
Wer Speed braucht, findet den mit Will Fuller, oder für weniger Geld mit Nelson Agholor, Kenny Stills oder Damiere Byrd. Wer einen Slot-Receiver braucht, kann JuJu Smith-Schuster, Keelan Cole, Adam Humphries oder Curtis Samuel verpflichten. Wer eine klassische Outside-Nummer-2 sucht, könnte bei Corey Davis oder Marvin Jones fündig werden. Und dann gibt es noch die Kategorie "ehemaliger Superstar, der in die Jahre gekommen ist": A.J. Green, Sammy Watkins, T.Y. Hilton, DeSean Jackson, Antonio Brown.
Relativ weit hinten sehe ich die Outside Cornerbacks. Man kann hier darauf hoffen, dass Richard Sherman, Xavier Rhodes oder Patrick Peterson noch ein gutes Jahr im Tank haben, aber ansonsten gibt es William Jackson - und sonst nicht viel. Und Jackson könnte sehr gut einfach in Cincinnati bleiben. Der Rest sind aus verschiedenen Gründen Risiko-Spieler, wie Jason Verrett oder Ronald Darby.
Den letzten Platz belegen für mich aber die Running Backs. Ja, ich würde generell nur sehr, sehr selten wirklich Geld in einen Free-Agent-Back investieren. Dieses Jahr sehe ich abgesehen von Aaron Jones und mit Abstrichen noch Chris Carson nur sehr wenige. Kenyan Drake und James Conner sind tiefer Durchschnitt, deren Qualität kann leicht via Draft viel günstiger gefunden werden. Am ehesten fände ich hier noch James White und Duke Johnson für ihre Receiving-Fähigkeiten interessant.
FRunner08: Die Patriots haben großen Bedarf an QB und WR und sind mit ihrer Defense immer noch gut bis sehr gut aufgestellt: was wäre für dich ein mögliches FA-Szenario, um direkt wieder angreifen zu können? Cap Space ist zurzeit ausreichend vorhanden.
Cap Space ist definitiv vorhanden, die Patriots werden in der Top 5 in puncto Cap Space in die Free Agency gehen. Und trotzdem würde ich argumentieren, dass es sehr schwer sein wird, sofort wieder anzugreifen.
Natürlich ist auch das Definitionssache. Wenn "wieder angreifen" bedeutet, dass die Patriots 2021 um einen Playoff-Platz spielen und realistische Chancen auf ein Wildcard-Ticket haben sollen, dann ja, das halte ich für machbar. Soll es aber bedeuten, dass New England 2021 in den Kreis der ernsthaften Titelanwärter aufsteigen kann, dann sehe ich das wiederum nicht.
Zunächst einmal ist die Liste der Baustellen enorm. Der Großteil der Defensive Line wird Free Agents, zwei wichtige Stützen der Offensive Line mit David Andrews und Joe Thuney werden Free Agents, und dann haben wir noch gar nicht von den beiden größten Baustellen gesprochen: Das Waffenarsenal und die Quarterback-Position.
Die Patriots müssten ihr Receiving-Corps signifikant verbessern und bräuchten zusätzlich ein deutliches Quarterback-Upgrade, um sofort wieder ganz oben mitspielen zu können. Und irgendwann gehen eben auch in New England die Ressourcen aus. Tradet man mehrere Top-Picks für einen der Quarterbacks, die vielleicht verfügbar sind? Dann fehlen die Ressourcen, um im Draft Baustellen anzugehen.
New England könnte seine Offensive Line zusammenhalten und vielleicht noch einen der verfügbaren Top-Receiver verpflichten, hätte dann aber immer noch diverse Baustellen auf Tight End, Quarterback und auch was so etwas wie den Receiving Back (White und Burkhead werden Free Agents) angeht. Es sind schlicht sehr viele Baustellen, um sie alle in einer Offseason zu schließen.
Ein realistisches Szenario, um zumindest wieder ein Playoff-relevantes Team zu werden, könnte so aussehen: Ein Trade für Marcus Mariota, einen der Top-Receiver verpflichten, im Draft offensive Waffen sowie die Offensive Line priorisieren und defensiv versuchen, mit einigen Übergangslösungen die Defensive Line anzugehen. Das könnte zu 9, vielleicht 10 Siegen und einem Wildcard-Ticket reichen.
Doch die Frage lautet dann, ob man das überhaupt so will? Oder wäre New England nicht vielleicht besser beraten, einen kontrollierten Umbruch einzuleiten? Indem man Stephon Gilmore ein Jahr vor Vertragsende für ein gutes Draft-Asset tradet, indem man keine Ressourcen in einen Quarterback-Übergangslösungs-Trade investiert. Dieser Kader wird eine Verjüngung brauchen, und perspektivisch wird es eine langfristige Quarterback-Lösung brauchen. Die Patriots könnten ihre Ressourcen auch dafür nutzen, sich eher mittel- und langfristig wieder in Position zu bringen, um tatsächlich bald wieder ganz oben angreifen zu können.
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Steht die NFL in diesem Jahr vor einer historischen Free Agency?
Ben, Moe: Inwiefern wird sich diese Free Agency von den letzten unterscheiden?
Ich denke schon, dass wir einige andere Herangehensweisen beobachten werden. Der offensichtliche Punkt ist selbstredend, dass nach jahrelangem, konstantem Wachstum der Salary Cap erstmals fallen wird, mutmaßlich um rund 15 Millionen Dollar.
Das wird einerseits zu einigen kritischen Personalentscheidungen führen - vielleicht traden die Saints deshalb Marshon Lattimore, vielleicht geben die Eagles neben Zach Ertz auch einen Spieler wie Derek Barnett ab -, andererseits aber wird der Markt für Spieler, die jetzt Free Agents werden, auch deutlich schwieriger sein.
Es gibt weniger Teams, die größeren finanziellen Spielraum haben, und Teams werden weniger bereit sein, die gewohnten Top-Preise zu bezahlen. Wenn also ein Spieler wie Will Fuller seine Optionen sondiert, wird er vermutlich einige kurzfristige Optionen bei stärkeren Teams sowie Verträge mit mehr langfristigen Sicherheiten bei schwächeren Teams erhalten. Letztere aber werden sich mutmaßlich nicht, wie gewohnt, an den Top-Verträgen seiner Positionsgruppe orientieren.
Für diese Kategorie Top-Spieler könnte es also durchaus lukrativ sein, einen Einjahresvertrag zu unterzeichnen, auf langfristige Garantien zu verzichten, um sich so bei einem starken Team mit einer guten Saison für einen noch viel größeren Zahltag in der Free Agency 2022 in Position zu bringen.
Diese Dynamik wird hochspannend sein. Sollten mehrere Spieler einen solchen Schritt wählen, könnte das eine Art Dominoeffekt haben. Womöglich sehen wir dann in der NFL tatsächlich so etwas wie die Entstehung kurzfristiger Superteams.
Niklas B: Was sollten die Chargers deiner Meinung nach in Free Agency und Draft machen, um Justin Herbert die besten Umstände zu geben?
Ich hab diese Frage ein wenig auch aus repräsentativen Gründen mit reingenommen, denn es gibt aktuell auffallend viele Teams in einer ähnlichen Situation, für die diese Offseason unheimlich wichtig und weichenstellend werden kann. Dazu gehören neben den Chargers die Bengals mit Joe Burrow, die Dolphins mit Tua Tagovailoa, die Cardinals mit Kyler Murray und auch die Giants mit Daniel Jones.
Insbesondere für die Giants, aber auch für Miami geht es darum, in der kommenden Saison eine Entscheidung zu treffen. Bleibt man bei Tua und Jones? Und umso wichtiger kann es für eine Organisation sein, möglichst ideale Umstände zu kreieren, wie es etwa auch die Broncos letztes Jahr für Drew Lock gemacht haben. Damit man eben nicht nach mehreren Jahren an dem Punkt steht wie die Jets jetzt, wo diskutiert wird, ob Sam Darnold nur das Opfer der Umstände war und eigentlich viel besser ist.
Gute Umstände für den Quarterback zu kreieren sorgt für Gewissheit in der Quarterback-Entscheidung, und das ist extrem viel wert.
Die Chargers, Bengals und Cardinals wähnen sich da einen Schritt weiter und sehen sich mit Herbert, Kyler Murray und Joe Burrow für die Zukunft aufgestellt. Doch der Ansatz in puncto Roster Building ist ja unverändert, auch wenn das Motiv vielleicht etwas anders ist: Herbert, Murray und Burrow sind nur für begrenzte Zeit so günstig wie jetzt, und dieses Fenster gilt es, möglichst aggressiv zu bespielen.
Für Herbert und Burrow spezifisch muss man auf die Offensive Line schauen. Burrow war schon als Rookie exzellent darin, den Ball schnell loszuwerden und Herbert war als Rookie einer der besten Quarterbacks ligaweit im Umgang mit Pressure. Doch auf Letzteres sollte man nicht konstant bauen, und bei Ersterem war festzustellen, dass Burrow trotz seiner schnellen Entscheidungen konstant unter Druck geriet.
Bei den Chargers wird man drei, vielleicht sogar vier Starter in der Line austauschen müssen, um für Herbert eine konstantere Pocket zu kreieren. Idealerweise stabilisiert Herbert sich dann auch hier, und die Chargers können mit noch mehr Zuversicht in die Zukunft blicken. Das muss die oberste Priorität in L.A. sein. Murray spielte in der vergangenen Saison bereits hinter einer soliden Line, für die Cardinals sollte in dieser Offseason auch ein Jahr nach dem Trade für DeAndre Hopkins das Waffenarsenal im Vordergrund stehen.
Kevin Penning, Marco Warlies: Alex Smith möchte seine Karriere fortsetzen. Welche Teams sollten bei ihm anfragen?
Darüber, dass Smith' Story fantastisch ist, müssen wir nicht diskutieren. Dass er es tatsächlich nochmal nicht nur einfach zurück, sondern zum Comeback als Starting-Quarterback eines NFL-Teams geschafft hat, ist absolut aller Ehren wert.
Rein sportlich muss man nach der vergangenen Saison aber auch so ehrlich sein, zu sagen, dass er an diesem Punkt eben nicht mehr viel mehr ist als ein solider Game Manager, respektive ein High-End-Backup und eine exzellente Locker-Room-Präsenz, gegebenenfalls auch als Mentor für einen jungen Quarterback.
Letzteres ist für mich auch sein größter "Value" für ein NFL-Team mit Blick auf die kommende Saison. Ich könnte mir vorstellen, dass die Jacksonville Jaguars - jetzt mit Smiths Ex-College-Coach Urban Meyer am Ruder - ein idealer Spot für ihn wären. Meyer kennt ihn bestens, und Smith könnte dann - mutmaßlich - Trevor Lawrence unter seine Fittiche nehmen, ohne dass irgendwer Zweifel daran hätte, wer in Woche 1 startet.