Teams können im Draft nicht alle Baustellen adressieren - manchmal wollen sie das aber auch gar nicht, oder anders formuliert: Teams können in Mannschaftsteilen, welche Fans oder Medien als potenzielle Problemzone ansehen, vielmehr eine Chance erkennen.
Das kann dann zu von außen unerwarteten Draft-Entscheidungen führen - und es hinterlässt ein klares Bild, zumindest für die kurzfristige Perspektive. Doch welche Routiniers gehen aus dem Draft in ihrer Rolle besonders gestärkt hervor? Wer hat vom Team intern offensichtlich das Vertrauen ausgesprochen bekommen?
NFL Draft 2021: Diese Veterans gehen gestärkt hervor
Zack Moss und Devin Singletary (Running Backs, Buffalo Bills)
Bei zwei Teams schien an den Tagen vor dem Draft klar, dass früh ein Running Back kommen sollte: Pittsburgh und Buffalo. Doch während die Steelers dieser Gerüchtelage in Person von Najee Harris gerecht wurden, investierten die Bills erst doppelt in die Edge-Rusher-Position und dann zweifach in die Offensive Line.
Einen Running Back drafteten die Bills letztlich gar nicht, und angesichts der Tatsache, dass Buffalo Devin Singletary in der dritten Runde 2019 und dann Zack Moss in der dritten Runde 2020 gedraftet hatten, schienen die Gerüchte auch schwer nachvollziehbar. Und auch von den Running-Back-Typen, welche die Bills haben, scheint das Team gut aufgestellt zu sein.
Singletary ist der agilere Back, der Tackling-Versuchen ausweichen kann. Moss der Back mit exzellenter Balance durch Kontakt, der so durch enge Räume navigieren und Plays durch Kontakt machen kann. Unter allen Backs mit mindestens 100 Runs beendete Singletary die Saison in puncto Yards nach Kontakt pro Run auf Platz 14, Moss auf Platz 26.
Als zusätzliches Speed-Element wurde Matt Breida in der Free Agency verpflichtet, die Bills sind im Backfield gut aufgestellt, haben im Draft in die Line investiert und schematisch kreiert Buffalo zudem viele leichte Boxes für seine Backs. Damit bleibt es eine Rotation in einer guten Situation - in der allerdings eben kein Erstrunden-Rookie an die Spitze gesetzt wurde.
Sam Darnold (Quarterback, Carolina Panthers)
Als die Carolina Panthers an Position 8 an der Reihe waren, gab es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Die Panthers hätten einen Receiver wie Devonta Smith nehmen können. Sie hätten in ihre Offensive Line investieren können, alle Verteidiger waren noch zu haben - und eben auch zwei der Top-5-Quarterbacks. Justin Fields und Mac Jones waren noch auf dem Board.
Die Panthers entschieden sich mit Cornerback Jaycee Horn für einen anderen Weg, und das nicht nur im Draft: Direkt nach der ersten Draft-Runde zog Carolina die Fifth-Year-Option in Darnolds Vertrag, womit Darnold für 2022 18,85 Millionen Dollar garantiert erhält. Es ist ein Zweijahresplan für den einstigen Nummer-3-Pick in Charlotte - mindestens.
Der Draft hat unterstrichen, dass die Panthers mit dem Darnold-Experiment zumindest für diese zwei Jahre All-In gehen wollen. Bereits der Trade - ein Sechstrunden-Pick in diesem und ein Zweit- sowie Viertrunden-Pick im nächsten Jahr - legte das nahe, die Entscheidung in Runde 1 und dann die Option auf das fünfte Vertragsjahr untermauerten es eindrucksvoll.
Zusätzlicher Bonus: Mit Wide Receiver Terrace Marshall (Runde 2), Tackle Brady Christensen und Tight End Tommy Tremble (beide Runde 3) hat Carolina zudem gleich auch in die Umstände um Darnold investiert.
Josh Reynolds (Wide Receiver, Tennessee Titans)
Reynolds kommt aus seiner produktivsten NFL-Saison bislang. 81 Targets sah er in der vergangenen Saison bei den Rams, in seinen ersten drei NFL-Spielzeiten waren es derer 129. Folgerichtig stellte er auch persönliche Bestmarken, was Catches (55) und Yards (683) angeht, auf.
Reynolds ist groß, hat Speed, hat eine gewisse Physis nach dem Catch, hat verlässliche Hände - und ist ganz offensichtlich der neue Nummer-2-Receiver der Tennessee Titans.
Die Titans gehen aus dieser Offseason mit inzwischen bekannten offensiven Fragezeichen. Offensive Coordinator Arthur Smith ist weg, genau wie Tight End Jonnu Smith - und eben Nummer-2-Receiver Corey Davis.
Das einzige halbwegs ernsthafte Investment in die Receiver-Gruppe abgesehen von Reynolds war Dez Fitzpatrick, den die Titans in der vierten Runde drafteten. Ein Receiver mit gutem Speed, aber auch Qualitäten nach dem Catch. Und nachdem Tennessee die Liga im Vorjahr in der Nutzung von 12-Personnel anführte, darf man davon ausgehen, dass ohne Jonnu Smith auch mehr 3-Receiver-Sets Einzug erhalten.
Myles Gaskin (Running Back, Miami Dolphins)
Myles Gaskin hatte eine mehr als solide zweite Saison in Miami. In seinem ersten Jahr als Starter spielte der 24-Jährige im Passspiel - wenn auch primär bei Screens und Dumpoffs - eine Rolle (41 Catches, 388 Yards, 2 Touchdowns, 1,88 Yards pro gelaufener Route), vor allem aber präsentierte er sich als sehr konstanter Runner.
Gaskin arbeitete meist gut durch Kontakt, er nimmt schnell Tempo auf und kreiert so nach dem Catch, aber auch am Boden, er konnte mit guter Vision hinter einer alles andere als guten Offensive Line Yards kreieren. Kurzum: Gaskin deutete zumindest an, dass er ein 3-Down-Back sein kann, in jedem Fall aber macht er klar, dass er mehr Chancen bekommen sollte.
Bei den Dolphins hielten sich dennoch Gerüchte, wonach Najee Harris das ausgemachte Ziel für die erste Runde sein sollte - doch ähnlich wie bei den Bills entpuppte sich das als Fehlinformation. Miami draftete keinen Running Back bis ganz spät in der 7. Runde (Gerrid Doaks, Pick 244), während die Dolphins gleichzeitig Matt Breida und DeAndre Washington in der Free Agency gehen ließen.
Neuzugang Malcolm Brown ist somit die einzige echte Konkurrenz für Gaskin im Backfield. Durchaus denkbar, dass Brown dabei eher die Short-Yardage-Rolle übernimmt, während Gaskin sich in die Pole Position für die klare Starter-Rolle gespielt hat.
Parris Campbell (Wide Receiver, Indianapolis Colts)
Campbells NFL-Karriere war bislang wahrlich nicht von Glück geprägt. Als Rookie 2019 musste Campbell Eingriffe am Fuß, der Leiste und der Hand über sich ergehen lassen, letztes Jahr erfolgte eine Knie-Operation infolge einer früh in der Saison erlittenen Verletzung, die Spielzeit war für Campbell somit nach nur zwei Spielen beendet.
Nach zwei Jahren in der NFL hat der 23-Jährige also vier Operationen und einen Touchdown vorzuweisen - Zeit, das zu ändern! Und offensichtlich glauben die Colts daran: Indianapolis investierte seinen enormen Cap Space in der Free Agency nicht in einen der verfügbaren Wide Receiver, und auch im Draft hielt man auf der Receiver-Position bis Runde 7 die Füße still.
Lediglich der eigene Free Agent T.Y. Hilton wurde zurückgeholt, ein Konkurrent oder gar Ersatz für Campbell im Slot, um Carson Wentz noch mehr Feuerkraft zu geben, war jedoch nicht mit dabei. Und Hilton selbst hatte letztes Jahr bereits eine durchwachsene Saison. Umso deutlicher ist: Indianapolis vertraut darauf, dass die beiden jungen Receiver Michael Pittman und eben Parris Campbell den nächsten Schritt machen können.
Henry Ruggs (Wide Receiver, Las Vegas Raiders)
Nelson Agholor war der klare Deep Threat der Raiders in der vergangenen Saison. Agholor, eine der positiven Überraschungen ligaweit 2020, hatte bei 82 Targets eine durchschnittliche Target-Tiefe von 15,7 Yards, mit Abstand der höchste Wert seiner Karriere. Genau wie 2,04 Yards pro gelaufener Route (vorher nie über 1,65). Bei Pässen über mindestens 20 Yards hatte nur Tyreek Hill (8) mehr Touchdowns als Agholor (6).
Die Patriots ließen sich Agholor in der Folge in der Free Agency einiges kosten, und auch wenn Las Vegas mit John Brown eine Alternative holte: Es ist klar, dass Henry Ruggs, den die Raiders letztes Jahr als ersten Wide Receiver überhaupt im Draft auswählten, diese Rolle einnehmen soll.
Genau das war auch seine Rolle bei Alabama. Ruggs ist mit seinem Straight-Line-Speed in erster Linie ein vertikaler Receiver und so dürften ihn die Raider auch noch viel mehr einsetzen. Ruggs hat letztes Jahr nur 43 Targets erhalten, die aber schon mit einer durchschnittlichen Tiefe von 17,3 Yards. Das wird jetzt noch mehr seine Rolle sein. Die Raiders haben im Draft keinerlei Ressourcen in ihr Receiving Corps gesteckt.
Jared Goff (Quarterback, Detroit Lions)
Wenn Jared Goff letztes Jahr unter Druck stand, brachte er laut PFF 45,7 Prozent seiner Pässe für 4,7 Yards pro Pass an, bei vier Touchdowns und sieben Interceptions. Aus sauberer Pocket? 74,8 Prozent angekommene Pässe, 8,1 Yards pro Pass, 18 Touchdowns, sechs Picks.
Man kann und muss fraglos über die Wide-Receiver-Gruppe in Detroit diskutieren und auch die Frage, in wie weit Goff mit dem Schritt von Sean McVay zu Anthony Lynn zurechtkommt, steht im Raum. Was aber keine Frage sein sollte, ist die Offensive Line.
Mit Penei Sewell als womöglich letztem Puzzleteil haben die Lions Goff eine potenzielle Top-5-Line vor die Nase gesetzt. Goff sollte konstant Zeit in der Pocket haben, was für deutlich mehr Stabilität in seinem Spiel sorgen sollte. Den besten Tackle im Draft und keinen Quarterback zu nehmen ist der ultimative Hinweis darauf, dass die Lions Goff eine echte Chance geben wollen.
Goff selbst bestätigte diesen Eindruck aus seiner Sicht jüngst im Gespräch mit Reportern: "Ich denke, das ist ein schöner Vertrauensbeweis. Zudem war ich Teil ihrer (Head Coach Dan Campbell und GM Brad Holmes, d. Red.) ersten Entscheidung als Team. Das freut mich und gibt mir ein gutes Gefühl."