NFL: Madden 22 Review - Willkommen im woken Nike-Wunderland!

Marcus Blumberg
20. August 202110:06
Patrick Mahomes und Tom Brady sind die Cover-Athleten von Madden 22.EA Sports
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Das Videospiel Madden 22 ist da und vespricht vor allem Franchise-Fans eine noch realistischere Experience. Doch wird das Endprodukt den Versprechungen auch gerecht? SPOX-Redakteur Marcus Blumberg macht den Test.

Alle Jahre wieder bringt EA Sports eine neue Version der beliebten Footballsimulation "Madden NFL" heraus. In Madden 22 stellt sich einmal mehr die Frage, ob es sich um ein mindestens 70 Euro teures Kader-Update handelt oder es tatsächlich mal innovativ wird?

Der erfahrene Madden-Spieler wird beim ersten Betrachten von Madden 22 zwar eine überarbeitete Aufmachung sehen, was bestimmte Menüs angeht, doch insgesamt fühlt sich das alles ziemlich bekannt an. Die Spielmodi etwa sind im Grunde genau die gleichen wie im Vorjahr mit Exhibition, Franchise, Ultimate Team, Face of the Franchise, The Yard und Superstar KO.

Neu ist lediglich die "Madden Championship Series", was im Grunde nichts anderes ist als ein kompetitiver Online-Turniermodus von The Yard, offenbar mit Preisen. Letzteres ließ sich allerdings zur Zeit dieser Review noch nicht testen.

Doch was ist nun eigentlich der zentrale Punkt dieses Spiels? Ist es der Franchise-Modus, der im Vorfeld des Spiels als stark verbessert promotet wurde? Oder doch eher das Ultimate Team, was wie bei der FIFA-Serie wohl die Haupteinnahmequelle dieser Spiele-Franchise ist?

Schaut man genauer hin, könnte man fast meinen, dass The Yard im Vordergrund stünde. Der eigene Avatar ist ein zentraler Teil des Hauptmenüs und wird sowohl beim 6-gegen-6-Spiel auf dem Parkplatz und anderen Locations genutzt als auch im Face of the Franchise. Genau genommen sind beide Modi miteinander verknüpft - gelingt in FOTF etwa ein Fortschritt, wird dieser auf den Avatar für The Yard übertragen. Das kann zum Beispiel die Outfits beeinflussen, die getragen werden können.

Patrick Mahomes und Tom Brady sind die Cover-Athleten von Madden 22.EA Sports

Madden 22: Face of the Nike Franchise

Insgesamt scheint sich jedoch an The Yard wenig geändert zu haben. Wie im Vorjahr sind doppelte Pässe immer noch möglich, was so ziemlich das einzig faszinierende an diesem 6-on-6-Modus war und ist.

Face of the Franchise jedoch ist irgendwie noch eine ganze Ecke anstrengender geworden. Nicht, weil es schwierig zu spielen wäre, sondern auf Story-Ebene. Es geht damit los, dass der Spieler jetzt für seinen Avatar eine von vier Positionen auswählen kann - Quarterback, Wide Receiver, Running Back oder Linebacker.

Diese Auswahl allein zeigt schon, dass die Defense und vor allem die Kontrolle dieser weiterhin fernab von befriedigend ist in Madden. Es bleibt ein Graus.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass sowohl QB als auch RB die volle Teamkontrolle erlauben, während WR und LB lediglich im "Player-Lock" funktionieren - man kontrolliert hier nur den jeweiligen Spieler.

Ist diese Entscheidung getroffen, wird zunächst mal ein Spielertyp ausgewählt, der die Statur und die grundsätzlichen Skillsets festlegt. Beim QB gibt es etwa "The General" (Typ Brady), "The Magician" (Mahomes) oder "Lightspeed" (Jackson) zur Auswahl. Hierauf aufbauend lässt sich der eigene Spieler im weiteren Verlauf des Spiels immer weiter verbessern durch Spielleistungen, Trainings und andere Möglichkeiten. Anschließend wird direkt das College ausgewählt - zur Auswahl stehen neun Power-5-Schulen samt ihrer Originaltrikots. Wenig zufällig werden all die zur Auswahl stehenden Colleges von Sportartikelhersteller Nike ausgerüstet.

Was danach passiert, ist ein ultraschneller Durchlauf der College-Karriere. Es gibt zwei kurze Trainingseinheiten, bei denen aber schnell klar wird, was die eigentliche Motivation von EA für die generelle Aufmachung dieses Modus gewesen sein mag. Es wirkt alles wie ein langwieriger Werbespot von Nike!

Madden 22: Am Ende gibt es einen Schuhdeal

Die ersten Trainings finden auf einem Platz statt, der essentiell mit Nike-Logos zugekleistert ist. Kurz darauf gibt es noch zwei einzelne Unterredungen mit einem Coach, der fragt, in welchen Bereichen man sich verbessern möchte - mental oder physisch? EIn Klick auf die jeweilige Option bringt einen Boost im Spiel für die jeweilige Kategorie - ja, so einfach geht das!

Und schon ist das Ende der College-Karriere gekommen. Es wird das Halbfinale im College Football Playoff gespielt, anschließend das Finale.

Eine junge schwarze Frau stellt sich danach dem Spieler als Agentin vor, die durch den Draftprozess führt. Dieser sieht ein "The Yard"-Event entweder in Hawaii oder irgendwo mit Nike-Sponsorship vor. Am Ende dessen gibt es noch ein privates Workout bei den Jets mit drei Einheiten und schon wird der Spieler von den Jets gedraftet - wobei ich jetzt nicht getestet habe, ob es immer die Jets sein müssen ...

Nach dem Draft gibt es dann freilich noch eine weitere Cut-Scene, in der ein Schuhdeal abgeschlossen wird - den Hersteller könnt Ihr Euch vermutlich nun schon denken.

Und hier sind wir dann auch schon am Punkt Realismus. Für eine Simulation werden nämlich einige Freiheiten genutzt. Warum etwa würden die Jets im Jahr 2021 einen QB draften, nachdem sie mit Zach Wilson ohnehin schon ihren Franchise-QB früher gezogen haben und der auch im Kader steht?

Madden 22: Bikini-Model an die Coaching-Front!

Ùnd der Offensive Coordinator ist irgendein Hawaiianer und nicht etwa Mike LaFleur aus dem wahren Leben. Doch den Vogel abgeschossen hat EA mit der Besetzung des Defensive Coordinators. Es handelt sich hierbei um eine junge Frau, die höchstens Anfang 20 sein kann und im Prinzip Figur-technisch auch als Cheerleader oder Bikini-Model durchgehen würde.

In welcher Welt ist das die Beschreibung für einen NFL-Coordinator im Jahr 2021? Das soll nicht heißen, dass Bikini-Models nicht gute Coaches in der NFL wären, jedoch entspricht das aktuell eben einfach nicht der Realität, warum sieht sich EA also gezwungen, es hier in die Story einzupflegen?

Was im Übrigen danach kommt, ist eigentlich nur noch kalter Kaffee, Schema F aus den Vorjahren.

Stichwort kalter Kaffee oder auch alter Wein in neuen Schläuchen: Das Gameplay hat sich seit dem Vorjahr im Grunde gar nicht verändert. Die uns vorliegende Vorabversion des Spiels für die Playstation 5 spielt sich eigentlich genauso wie die Vorjahres-Next-Gen-Version. Das ist per se nicht schlecht, heißt jedoch auch, dass die bekannten Defizite geblieben sind. Immer noch laufen etwa viel zu viele Receiver auf Screens oder Outroutes nahe der Seitenlinie einfach ins Aus oder haben Probleme mit Contested Catches.

Was neu ist, sind Momentum-Swings, die spezielle Features für Teams, die gerade in Schwung sind, freischalten. Bei manchen Teams kann bei Momentum auf ihrer Seite der Druck auf den Gegner so groß werden, dass die Play-Design-Grafiken beim Gegner entweder falsch angezeigt oder "scrambelt" dargestellt werden. Oder der Controller vibriert stark, während das Bild wackelt. Sicherlich ein nettes Feature, um Druck und Lärm noch besser zu simulieren.

Die Spike-Animation nach einem Touchdown allerdings funktioniert weiter eher schlecht als recht, während bemerkenswerter Weise das Protest-Knien nach einem Score nicht mehr Teil des Spiels ist - zu woke soll's dann also doch nicht sein.

Das Momentum ist bei Washington, sodass die Play-Designs der Patriots-Offense stark verzerrt angezeigt wird.EA Sports

Madden 22: Das ist neu im Franchise Mode

Doch genug der Vorrede, Zeit für den Franchise-Modus, der bekanntlich verbessert wurde, wie die Promo für das Spiel versprach.

Im Grunde genommen ist dieser Modus so wie immer. Er hat Neuerungen, doch diese werden vermutlich niemanden vom Hocker reißen.

Es gibt nun am Anfang jeder Spielwoche die "Weekly Strategy". Hierbei handelt es sich um ein neues Menü, das die Festlegung des Trainings für die Woche ermöglicht. Worauf liegt der Fokus? Was kann der kommende Gegner besonders gut, worauf sollte sich das Team konzentrieren? Um diese Entscheidungen zu erleichtern, werden Statistiken - und auch Next Gen Stats - zum Gegner eingeblendet, anhand derer die Strategie festgelegt wird.

Zudem wird die Trainingsintensität festgelegt - wird mit vollen Pads trainiert oder doch eher kontaktlos? Entsprechend ändert sich dann auch das Fitnesslevel der Spieler. Und das wiederum hat dann auch Einfluss auf das jeweils folgende Spiel.

Weggefallen ist dafür aber die Möglichkeit, die Trainingseinheit mit den festgelegten Schwerpunkten auch selbst zu absolvieren. Diese wird nun einfach simuliert, was dem Ganzen etwas Nähe zum Spiel nimmt. Ein "freies Training" ist jedoch weiter möglich.

Zudem werden nun nicht nur Saisonziele festgelegt, die Coaching Staff Points einbringen, sondern auch wöchentliche Ziele, die recht frei wählbar sind.

Ebenfalls ganz stolz scheint EA auch auf besagte Coaching Staffs zu sein, denn nun können mit diesen Staff Points die Fähigkeitsbäume der Coaches erweitert werden - was genau das letztlich aber bringt, ist mir zumindest nicht klar geworden in der Kürze der Zeit. Es soll aber zu besseren Ratings des Teams in den verbesserten Bereichen führen.

Bruce Arians sieht in Madden 22 sehr realistisch ausEA Sports

Madden 22: Der stabile Status Quo

Die üblichen Dinge darüber hinaus wie Trades, Free Agents, Kaderkontrolle und dergleichen scheinen jedoch wie immer auszusehen. Ebenso das Draft-Scouting, das wie gehabt über das Klicken von Buttons zum Freischalten von Scoutberichten nicht hinausgeht.

Nicht unerwähnt bleiben soll MUT, was jedoch ebenfalls wie immer daher kommt mit zahlreichen Modi im Single- und Multiplayer-Bereich. Nichts Wildes, viel Standard-Stuff.

Was bleibt also unterm Strich von dieser Madden-Version? Nun, die Next-Gen-Grafik ist weiter großartig, die Spieler und Coaches mit gescannten Gesichtern sehen fast echt aus und das Gameplay ist nicht schlechter geworden. Weiterhin gibt es alle Stadien im Spiel, inklusive den zweien in London sowie in Mexiko. Zudem werden die Kader zum Saisonstart und über die Saison hinweg auf Stand gehalten.

Aber darüber hinaus? Wer auf Nike und Bikini-Models als Defensive Coordinator steht, sollte sich hier abgeholt fühlen, ansonsten stellt sich jedoch schon die Frage, ob die mindestens rund 70 Euro wirklich gut investiert sind, wenn man die Vorjahresversion schon hat und eigentlich nur ein bisschen zocken will. Im Vorjahr hieß das Fazit an dieser Stelle, dass die Revolution ausgeblieben sei. In diesem Jahr lässt sich nicht mal von klaren und sinnvollen Veränderungen berichten. Status Quo gewahrt, mehr nicht. Schade eigentlich.

Madden NFL 22 ist ab Freitag in gängigen Geschäften und Versandhäusern für Playtation 5, Playstadion 4, Xbox Series X (und S), Xbox One und PC zur unverbindlichen Preisempfehlung von 79,99 Euro (Next Gen) respektive 59,99 Euro (PC) erhältlich. Zusätzlich gibt es das Spiel auch in den Onlineshops der jeweiligen Plattformen.