NFL Mailbag Week 3: Diese Stars könnten noch getradet werden

Von Adrian Franke
29. September 202110:15
SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen zu Woche 3 in der NFL.getty
Werbung
Werbung

Was macht das Liga-Mittelmaß aus - und wie kommt man da wieder raus? Welche Spieler könnten in den kommenden Wochen noch getradet werden? Und was fällt bei der Patriots-Offense auf?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet wie gewohnt eure Fragen zum Spieltag. Auch diese Woche gibt es wieder einige zusätzliche Antworten im Video-Mailbag.

Los geht's mit einem Thema, das mehrere Teams in der Liga betrifft: Wie rutscht man eigentlich ins Liga-Mittelmaß - und, fast noch wichtiger, wie kommt man da wieder raus?

NFL Mailbag: Das verhasste Liga-Mittelmaß

Samu, MurphysLawyer: Du hast vor einigen Monaten bei den Bears noch von einem sportlichen "Niemandsland" gesprochen. kein Elite-QB, aber eine teure Defense die "zu gut" ist, einen hohen Draftpick zu bekommen. Sehen wir genau das vielleicht diese Saison bei den Steelers? Und mit dem wohl anstehenden totalen Kollaps von Big Ben, wie fest sitzt Mike Tomlin noch im Sattel?

Was den Tomlin-Teil der Frage angeht, denke ich, lässt sich das schnell beantworten: Tomlins Stuhl wackelt nicht, selbst wenn die Saison dieses Jahr komplett in die Hose geht. Und das nicht nur, weil er im April einen neuen Vertrag unterschrieben hat. Tomlin hatte noch nie eine negative Bilanz, die Steelers sind eine der stabilsten Franchises in dieser Hinsicht in der NFL, und ich gehe fest davon aus, dass man Tomlin den Übergang von Roethlisberger zu dessen Nachfolger zutraut.

Reingenommen habe ich die Frage vor allem für den ersten Teil, und weil man hier durchaus ein Muster feststellen kann.

Eine der wichtigsten Aufgaben eines GMs ist in meinen Augen das Self-Scouting, also die Analyse des eigenen Kaders, das realistische Einschätzen des eigenen Kaders, und dann das Treffen von Entscheidungen basierend auf dieser Einschätzung. Sind wir im Titelfenster? Sind wir im Rebuild? Welche Schritte müssen vorgenommen werden, um in unserem aktuellen Zustand den nächsten Schritt zu machen?

Die Teams, die im Niemandsland der NFL ankommen, kommen häufig eher von oben nach unten als andersherum, sprich: Es sind Teams, die hohe Ambitionen hatten, ihre Chance auf ein Titelfenster aber überschätzt haben, und dann irgendwann mit einem guten Kader und einem Quarterback-Fragezeichen dastehen.

So wie die Eagles dieses Jahr, die noch die Ausläufer eines Super-Bowl-Teams mit jährlichen Playoff-Ambitionen auf der einen, den offensiven Umbruch inklusive Quarterback-Suche auf der anderen Seite haben. Oder die Colts, die sich ein sehr gutes Gerüst aufgebaut haben, das aber jetzt nach und nach bezahlt werden muss - und eine Quarterback-Antwort gibt es bislang nicht.

Denver hatte jetzt einen sehr guten Saisonstart, alle drei Broncos-Gegner bislang (Giants, Jaguars, Jets) sind aber auch noch sieglos. Wie viel dieser Start wert war, wird sich dementsprechend erst zeigen müssen, und die Gefahr ist sicher auch hier gegeben, dass Bridgewater im Endeffekt das hohe Anfangslevel nicht beibehalten kann, und ein ansonsten starker Kader den Anschluss nach ganz oben wieder verliert.

Chicago war über mehrere Jahre in diesem Zustand, als man noch hoffte, dass Mitch Trubisky die Antwort sein kann. Und auch da sehen wir die Ausläufer nach wie vor, der Kader ist überteuert und hat gleichzeitig mittlerweile mehrere gravierende Lücken; die einzige perspektivische Hoffnung war letztlich die Tatsache, dass in einer Pre-Draft sehr stark eingeschätzten Quarterback-Klasse Justin Fields den Bears in den Schoß fiel.

Aber das ist letztlich - Uptrade hin oder her - auch Glück, und Stand jetzt sieht die Quarterback-Klasse im kommenden Draft deutlich weniger attraktiv aus. Für Teams, die im Mittelmaß angekommen sind, geht es letztlich darum, eine solche Chance zu ergreifen.

Vor allem aber: Unter dem Strich ist es immer der Quarterback. Man kann eine Elite-Defense aufbauen, die aber hat meist einen kurzfristigen Peak und wird nicht langfristig auf diesem Level sein. Man kann eine starke Receiver-Gruppe aufbauen - wie sie die Steelers beispielsweise haben -, das kann einem Matchup-Vorteile geben und individuelle Plays ermöglichen, aber es ist keine wöchentliche Baseline.

Man kann eine gute Offensive Line aufbauen, wie sie etwa Washington hat, aber auch dann braucht man immer noch einen Quarterback, der hinter dieser Line auch funktioniert; und wenn man wirklich oben mitspielen will, braucht man einen Quarterback, der in den einzelnen kritischen Momenten bestehen und Drives bei langem Third Down aufrechterhalten kann. In der modernen NFL kommt es immer auf den Quarterback zurück, und solange man keinen Top-Quarterback hat, sollte es das oberste Ziel sein, diesen zu finden. Auch wenn man einen soliden Starter hat, wie es die Chiefs damals für Mahomes machten, oder die 49ers jetzt für Trey Lance.

Letztlich ist das die mit Abstand beste Chance darauf, konstanten Erfolg zu haben. Und natürlich gibt es weitere kritische Bausteine um diesen Quarterback herum. Aber umgekehrt betrachtet ist die Gleichung relativ einfach: Der "einfachste" Weg, um ins Liga-Mittelmaß zu rutschen, ist, wenn man seine Quarterback-Situation falsch einschätzt und in ein Titelfenster investiert, das überhaupt nicht da ist.

Lange Antwort, aber im Kern: Ja, Pittsburgh hat seine Quarterback-Situation falsch eingeschätzt und seine Top-Draft-Ressource in einen Running Back investiert. Das ist generell ein fragwürdiges Investment, wenn man aber nicht mehr im Titelfenster ist, umso mehr. Die Defense ist - wenn in Bestbesetzung - viel zu gut, um einen hohen Draft-Pick zu ergattern, genau wie die offensiven Playmaker.

Das ist unter dem Strich der schleichende Schritt ins NFL-Mittelmaß wie im Bilderbuch. Um dieses Abrutschen aufzuhalten, braucht Pittsburgh eine neue Quarterback-Hoffnung. Und auf der Suche nach dieser sollte man so aggressiv sein wie es eben nötig ist.

Seattle das schlechteste Team der Division? Der Video Mailbag

Sind die Seahawks das schlechteste Team in der NFC West? Was lässt sich aus der verrückten AFC West schlussfolgern?

Welches sind die besten Defenses in der NFL bislang? Wann muss Ben Roethlisberger auf die Bank? Und wer pickt Nummer 1 im kommenden Draft?

Die Antworten gibt's im Video-Teil des Mailbags!

Daniel: Was sollen die Pats mit der immer noch schwachen, aber viel zu teuren Offense machen?

Die Patriots-Offense hatten wir ja bereits nach Woche 1 als Thema, und für mich sind es die gleichen Probleme, die die Pats jetzt über die ersten drei Spiele begleiten:

  • Die Offensive Line ist längst nicht so dominant wie man im Vorfeld der Saison hoffen durfte.
  • Man hat zwar viel Geld in die beiden Tight Ends investiert, so wirklich gefährlich bekommen sie das Passspiel aber noch nicht über Jonnu Smith und Hunter Henry aufgezogen.
  • Mac Jones macht seine Rookie-Fehler, aber mit Blick auf die Rookie-Quarterback-Landschaft bisher ist er definitiv schon weiter als Lawrence, Wilson und Co. Trotzdem wird er in puncto Play-Calling extrem an der kurzen Leine gehalten.

Die Saints haben dann auch noch die beiden Mittel, mit denen New England den Ball konstanter bewegen wollte - Early Down Runs und Play Action - sehr konsequent verteidigt, teilweise waren sie bereits bei Jones, wenn der gerade erst den Play-Action-Handoff antäuschen wollte.

Was ich außerdem auffällig fand, war, dass die Patriots in einigen kritischen Momenten die Underneath-Räume nicht ausreichend besetzten. Jones musste so mehr schwierige Würfe anbringen als nötig gewesen wäre.

Ich denke, dass man Jones mehr zumuten kann, aber nicht in der Richtung, Second-Reaction-Plays zu machen oder die Offense zwangsläufig vertikaler zu öffnen. Gegen die Saints hat er sogar auffällig viele tiefe Bälle versucht, wenn auch nahezu ohne Erfolg. Natürlich kam einiges davon dann auch, als die Patriots bereits im hoffnungslosen Aufhol-Modus waren.

Wo ich aber viel mehr Spielraum für die Patriots sehe, ist der Umgang mit Early Downs. Weg von den Runs, weg von den Screens und hier das Playbook für Jones öffnen: Mit Option-Routes Underneath, Pass-Konzepten, die ihn den 8-12-Yard-Bereich attackieren lassen. Da sehe ich am ehesten den Rhythmus für die Offense mit Mac Jones, und da wäre auch die logische Rolle für die Tight Ends.

Bisher ist die Offense vorhersehbar, und ich finde nicht, dass man Jones bestmöglich hilft. Aktuell muss er viel zu viele Plays bei Third Down machen, und das ist so gar nicht sein Spiel. Die Patriots sollten sich von der Vorstellung eines dominanten Run Games verabschieden und Jones mehr Kontrolle Underneath bei Early Down geben.

Welche Spieler könnten auf dem Trade-Markt sein?

FRunner08: Siehst du jetzt schon mögliche Trades für die nächsten Wochen?

Noch ist Zeit bis zur Deadline, bis zum 2. November dürfen die Teams Trades durchführen; und wenn ich gerade darauf schaue, wie viele Teams, die mit Ambitionen in die Saison gegangen waren, aktuell eine ganz andere Gefühlslage erfahren, vermute ich, dass wir einen aktiven Trade-Markt bis dahin bekommen.

Ich denke da an die Steelers, deren Saison gerade rapide den Bach runter geht, und die Spieler wie JuJu Smith Schuster oder Joe Haden abgeben könnten, um Draft-Kapital zu sammeln - welches man für einen neuen Quarterback vermutlich brauchen wird. Oder an die Falcons, die endlich den radikalen Rebuild einleiten müssen; Grady Jarrett, Dante Fowler, Deion Jones, falls man hier veritables Draft-Kapital bekommen kann, sollte das absolut auf dem Tisch sein.

Eben die Teams, die sich in eine Situation manövriert haben, wo man einen neuen Quarterback braucht, der allerdings nicht in Sicht ist, während der Kader insgesamt betrachtet noch eine Stufe vor dem kompletten Umbruch steht.

Die andere Seite der Trade-Medaille sind die Teams, die so weit weg sind, in ihrem Umbruch die "andere Seite" zu erreichen, dass sie sich von Spielern trennen sollten, die jetzt noch Value haben, aber dem Team nicht mehr helfen werden, wenn man wieder im Aufwind ist. Houston lebt ja bereits seit einer Weile in dieser Welt und hat mehrere Veterans bereits abgegeben und dabei Gehalt übernommen, um einen höheren Pick zu erhalten.

Brandin Cooks, WR, Houston Texans: Für mich der offensichtlichste und auch potenziell der größte Impact-Name auf dieser Liste. Über die ersten drei Spiele hat Cooks bereits 32 Targets und 322 Receiving-Yards auf dem Konto - und die Situation in der Texans-Offense ohne Tyrod Taylor ist ziemlich trostlos.

Cooks für sich betrachtet ist immer noch ein gefährlicher Big-Play-Receiver, den ich gerne in einer Offense sehen würde, die ihn auch dementsprechend einsetzt. Kansas City fiel mir als erstes ein, die Chiefs bräuchten einen Outside Receiver, das hat, bei allen individuellen Fehlern und defensiven Problemen, der Saisonstart auch gezeigt.

Bei den Texans würde ich außerdem Mark Ingram und David Johnson auch ins Rennen werfen. Und natürlich wird Deshaun Watson auch noch diskutiert werden bis zur Deadline; hier kann ich mir aber noch immer nicht wirklich vorstellen, wie ein solcher Trade in puncto Kompensation aussehen würde, angesichts der Probleme abseits des Platzes, die rund um Watson erst einmal aufgearbeitet werden müssen.

Denzel Mims, WR, New York Jets: Hier würde mich in erster Linie interessieren, was hinter den Kulissen abgeht. Mims war zuletzt zwei Mal inactive ohne ersichtlichen Grund - Mims trainierte auch mit den Startern unter der Woche -, und es ist nicht so, als hätten die Jets ein Überangebot an spektakulären Receivern.

Das ist auch anderen Teams aufgefallen, das NFL Network berichtete am Samstag, dass die Jets Trade-Anfragen für den Receiver bekommen haben - diese aber bislang ablehnen. Vielleicht gibt es hier einen Grund, den wir alle nicht kennen. Aber wenn die Jets Mims aktuell nicht zutrauen, einer durch die Bank weg wackelnden Jets-Offense zumindest ein paar Plays zu geben, dann könnte es im Interesse beider Seiten sein, einen Neustart anzupeilen.

Ich mochte Mims vor seinem Draft letztes Jahr, ein großer, explosiver X-Receiver, der enorme Upside mitbringt und der sich für seine Größe sehr gut bewegt. Teams wie die Saints oder auch die Chiefs könnten hier die Fühler ausstrecken.

Stephon Gilmore, CB, New England Patriots: Klar, Gilmore muss erst einmal wieder fit werden. Er wird infolge seiner Oberschenkelverletzung zumindest die ersten sechs Spiele verpassen. Aber die Saison in New England plätschert so vor sich hin, Gilmores Vertrag läuft nach der Saison aus, nachdem sich beide Seiten in der Offseason nicht einigen konnten.

Gilmore ist 31 Jahre alt und wenn ich die vergangene Offseason in Kombination mit dem bisherigen sportlichen Saisonverlauf in Foxboro zusammenaddiere, dann wäre Gilmore für mich ein logischer Trade-Kandidat - und Teams, die dieses Jahr oben mitspielen wollen, aber Cornerback-Hilfe brauchen, gibt es zur Genüge. Tampa, Seattle, San Francisco, unter anderem.

Melvin Gordon, RB, Denver Broncos: Der Uptrade im Draft, um sich Javonte Williams zu sichern, war ein typischer "Neues Regime"-Move. Mit Melvin Gordon waren die Broncos an sich noch gut - und nicht gerade günstig - aufgestellt, dennoch entschied man sich dazu, große Draft-Ressourcen in einen neuen Back zu investieren. Einen Back zudem, der sich mit Gordon was das Skillset angeht nur bedingt ergänzt, und eher als klarer Ersatz anzusehen ist.

Das bringt Gordon unweigerlich auf diese Liste. Auch er hat einen auslaufenden Vertrag und könnte dementsprechend ein "One-Year-Rental" für einen Playoff-Anwärter sein. Baltimore kommt direkt in den Sinn, das wäre für mich auch ein exzellenter Scheme-Fit.

Weitere Kandidaten: Steelers-Receiver James Washington könnte woanders eine größere Komplementär-Rolle erhalten. Falls die Steelers die Saison irgendwann aufgeben, wäre JuJu Smith-Schuster auch eine Option, der Receiver hatte nur für ein Jahr im Frühjahr unterschrieben. Cornerback Cameron Dantzler scheint in Minnesota in Ungnade gefallen zu sein, nach einer guten Rookie-Saison sollte er Trade-Value haben. Gleiches gilt für den einstigen Raiders-Top-Pick Clelin Ferrell.

Schweinson, T.Henrich: Was ist los mit Washingtons Defense? Warum ist die so schwach?

Bei Washingtons Defense ist denke ich einfach der Punkt gekommen, an dem wir darüber sprechen müssen, wie fragil defensive Dominanz ist - und dass Washington über die ersten Wochen der Saison dafür ein ziemlich gutes Beispiel abgibt.

Letztes Jahr hatte Washington die drittbeste Defense nach zugelassenen Expected Points Added pro Play, und das maßgeblich aufgebaut auf einer spektakulären Front. Genau wie die Steelers, die nach EPA pro Play die zweitbeste Defense stellten, getoppt nur noch von den Rams.

Es ist nicht so, als wäre die Front im Vakuum betrachtet schlecht dieses Jahr - aber sie ist eben nicht so dominant wie letztes Jahr. Insbesondere Young und Sweat machen noch nicht so konstant Druck wie letztes Jahr, und dann ist der Effekt auf die weitere Defense multipliziert. Dann werden die Schwachstellen in der Secondary entblößt, dann ist man anfälliger gegen den Run, und man diktiert Spiele einfach nicht mehr so dominant.

Das fiel schon gegen die Giants auf, als Washington anfangs das Spiel scheinbar kontrollierte, und dann aber dieser Zugriff auf das Spiel Washington immer stärker durch die Hände glitt.

Ich denke, die Defense wird sich wieder stabilisieren, Washington hat bisher auch gegen Justin Herbert, Josh Allen und Daniel Jones - der ein exzellentes Spiel vor einer Woche hatte - gespielt.

Es würde mich nicht wundern, wenn die Defense zum Saisonende wieder in die Top 10 geklettert ist, aber Dominanz über mehrere Jahre würde ich grundsätzlich nicht erwarten; das gibt es in der heutigen NFL schlicht quasi nicht mehr.