Woche 4 der diesjährigen NFL-Saison dürften sich Bill Belichick, Tom Brady und zahlreiche Fans der New England Patriots rot im Kalender angestrichen haben. Nicht weniger als die Rückkehr des verlorenen Sohnes steht schließlich auf dem Spielplan!
Quarterback-Legende Tom Brady, gemeinhin als der GOAT bekannt, kehrt an den Ort zurück, an dem er sich über mehr als 20 Jahre eben jenen semi-offiziellen Titel verdient hat. Nur wird er dieses Mal anders als früher keinen silbernen Helm, sondern einen kupferfarbenen tragen. Es wird ein ungewohntes Gefühl sein. Für alle Beteiligten.
Wirklich in der glorreichen Vergangenheit schwelgen wollen die zwei Protagonisten des Sonntagabends (Nacht auf Montag, ab 2.20 Uhr live auf DAZN) jedoch nicht. Es ist einfach nicht ihre Art.
Belichick hatte wenig überraschend nicht wahnsinnig viel zu Bradys Rückkehr zu sagen. Er stellte lediglich in seinem wöchentlichen Auftritt in der "The Greg Hill Show" auf WEEI klar: "Nun, ich denke, dass wir darüber schon alles gesagt haben." Gemeint war Bradys sensationeller Abgang aus Foxborough im Frühjahr 2020. "Es waren viele Faktoren, die da reingespielt haben - er schaute sich seine Optionen an und traf dann seine Entscheidung. Wir waren keine so gute Option wie Tampa. Sie müssten ihn zu all dem befragen, aber es ging nie darum, dass wir ihn nicht mehr wollten. So viel ist sicher."
Tom Brady: "Belichick war ein großartiger Mentor"
Und auch Brady selbst ließ sich nicht viel entlocken. Er sagte in seinem Podcast "Let’s Go!" von SiriusXM Radio über Belichick lediglich: "Ich war 20 Jahre dort und offensichtlich war er ein großartiger Mentor für mich." Brady fügte an: "Und ja, es gab definitiv einige großartige Lektionen, die ich von ihm bekommen habe. Er ist ein großartiger Footballcoach und er leistet großartige Arbeit für sein Team."
Von Belichick hat Brady offenkundig unter anderem gelernt, nicht allzu viel über die Medien zu kommunizieren und der schreibenden Zunft keine Munition zu liefern. Eine Lektion, die in Badys Umfeld jedoch nicht angekommen ist.
Bradys Vater, Tom Brady Sr. jedenfalls stimmte kürzlich andere Töne an. Im Podcast "Patriots Talk" von NBC Sports Boston sagte er: "Belichick wollte ihn loswerden." Und ergänzte: "Tommy ist sehr glücklich, dass er gegangen ist, denn es war ziemlich offensichtlich, dass das Patriots-Regime das Gefühl hatte, dass es an der Zeit für ihn war, weiterzuziehen."
Es waren Kommentare, von denen sich Brady Jr. allerdings betont distanzierte.
Tom Brady: Physio kritisiert Belichick scharf
Bradys langjähriger Begleiter und kontroverser Physio, Alex Guerrero, bot derweil noch schwerere Geschütze auf und attackierte Belichick frontal: "Ich als Außenseiter denke, dass sich Bills Emotionen oder Gefühle mit dem Alter nie weiterentwickelt haben", sagte er dem Boston Herald. Was er damit meinte? "Ich denke, als Tom Ende 30 oder Anfang 40 wurde, hat Bill immer noch versucht, ihn wie einen 20-jährigen Burschen, den er gedraftet hat, zu behandeln. Und alle Spieler, denke ich, haben gemerkt, dass Tom einfach anders ist."
Und: "Er ist älter, also sollte er anders behandelt werden. Und keinen Spieler hätte es gestört, wenn Tom anders behandelt worden wäre. Das ist typisch Bill. Er hat sich nie weiterentwickelt. Man kann einfach einen 40-Jährigen nicht wie einen 20-Jährigen behandeln. Das funktioniert nicht."
Bislang reagierte Belichick auf diese Äußerungen nicht, sagte aber bereits 2020 zum Thema Weiterentwicklung: "Über die letzten 20 Jahre war alles, was wir gemacht haben, mit dem Gedanken im Hinterkopf, wie wir die Situation am besten für Tom Brady gestalten können." Eine weitere aktuelle Reaktion ist realistisch auch nicht zu erwarten. Vielmehr sprach er seinem früheren Schützling ein Lob aus: "Schauen Sie, ich habe so viel Respekt und Anerkennung für all das, was Tom hier auch für mich und unser Team geleistet hat", schränkte dann aber auf seine typische Art ein: "Wir bereiten uns gerade darauf vor, gegen Tampa Bay anzutreten und darauf liegt unser Fokus."
Dass Brady ausgerechnet im Gillette Stadium, wo er und New England über zwei Jahrzehnte stets eine Macht waren, den All-Time-Passing-Yard-Rekord (Regular Season) von Drew Brees brechen wird - ihm fehlen 68 Yards -, scheint dabei jedoch niemanden so recht zu interessieren. Überhaupt geht Brady selbst nicht von einer Feierstunde zu Ehren seiner aus: "Ich würde keinen allzu freundlichen Empfang erwarten", sagte er im Podcast zu Jim Gray. "Ich denke die Fans werden dort sein, um ihr Team anzufeuern. Und ihr Team sind die Patriots."
Tom Brady vs. Patriots: Zwei Bestmarken auf dem Spiel
Zudem dürfte die Stimmung in beiden Lagern nach den Leistungen der vergangenen Wochen überschaubar sein. Die Patriots stehen bei 1-2 und laufen Gefahr, auch ihr drittes Heimspiel der Saison zu verlieren - mit Brady als Starting QB verloren sie nur zweimal insgesamt drei Heimspiele in einer Saison (2002, 2006). Die Bucs wiederum kassierten ihre erste Saisonniederlage bei den Rams und sahen ihrerseits ziemlich behäbig aus.
Nun kommt es zum ersten Duell zwischen Brady und den Patriots, in dem sich nun erstmals Belichick wird fragen müssen, wie genau man Brady denn stoppen kann. In zahllosen Trainings dürfte dies schon schwer genug gewesen sein, nun kommt es zum Ernstfall. Gelingt Brady dagegen ein Sieg, wäre er erst der vierte Quarterback nach Brett Favre, Peyton Manning und Drew Brees, der alle 32 NFL-Franchises geschlagen hätte.
Belichicks erster Ansatz dürften enge Coverage und ein guter Pass Rush sein, so wie es die Rams vor einer Woche gemacht hatten. Und dann gilt es, den Run zu stoppen, auf den die Bucs nach wie vor immer noch (zu) häufig setzen.
Auf der anderen Seite wird Tampa exotische Blitzes Richtung Mac Jones, Bradys mutmaßlichem Erben, schicken, wie es schon die anderen Teams bisher mit Erfolg getan hatten. Auf dem Papier verfügen die Bucs weiter über deutlich mehr Feuerpower auf Receiver sowie Tight End - auch Rob Gronkowski wird erstmals gegen die Patriots auflaufen, obgleich seine Rückkehr nicht ganz so viele Schlagzeilen im Vorfeld der Begegnung bestimmt.
Gelingt es den Patriots daher nicht, einen brillanten defensiven Game Plan auf die Beine zu stellen, dann wird den Heimfans am Ende ein gewohntes Bild geboten werden: Das eines siegreichen Tom Brady.