NFL Mailbag: Diese Teams kommen in die Playoffs

Von Adrian Franke
20. Oktober 202110:00
Russell Wilson wird erstmals in seiner Karriere ein NFL-Spiel verpassen.getty
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Wer kommt in die Playoffs? Haben die Broncos einen Fehler gemacht? Und was machen wir mit den Packers nach sechs Spielen? Außerdem: Ist Kirk Cousins ein Top-10-Quarterback?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet wie gewohnt Eure Fragen zum Spieltag. Auch diese Woche gibt es wieder einige zusätzliche Antworten im Video-Mailbag.

Los geht's mit dem ersten Blick auf das Playoff-Picture: Welche Teams schaffen dieses Jahr den Sprung in die Postseason? Wer darf realistisch hoffen?

NFL Mailbag: Welche Teams kommen in die Playoffs?

Josua, Lasse Scholz: Welche Teams betrachtest du nach etwas mehr als einem Drittel der Regular Season als sichere Playoff-Teilnehmer?

Sehr guter Zeitpunkt in der Saison, um hier eine erste sehr vorsichtige Prognose zu wagen. Ich hab dafür die Teams in Kategorien unterteilt, um einigermaßen Abgrenzungen zu haben, was die Einschätzungen der Teams auf die weitere Saison angeht.

Und nur um das hier klar zu machen: Im Gegensatz zu einem Power Ranking ist das natürlich in erster Linie Prognose für die weitere Saison, und nur in Maßen eine Darstellung des Ist-Zustandes. Und noch ein Hinweis: Die Teams sind nach aktueller Bilanz, nicht nach Wahrscheinlichkeit sortiert.

Prognose: Welche Teams kommen sicher in die Playoffs?

Arizona Cardinals (6-0): Das war ein eindrucksvoller Auftritt in Cleveland, angesichts all der Umstände, die Arizona in dieser Woche das Leben schwergemacht haben. Die Cardinals haben eine Top-5-Offense, Murray spielt wie ein MVP-Kandidat - und die Defense ist für sich betrachtet bislang eine positive Überraschung. Gut möglich, dass die Rams Arizona noch überholen, aber als Wildcard-Team sehe ich die Cardinals mindestens dabei

Dallas Cowboys (5-1): Ähnliche Argumentation wie bei den Bills. Die Cowboys spielen wahnsinnig stark aktuell, und die Division ist nicht gut. Dallas sollte den Division-Titel weit vor dem Ende der Regular Season in der Tasche haben.

Green Bay Packers (5-1): Und Nummer 3 im Bunde. Die Packers gehen bisher ernsthaft angeschlagen durch die Saison; ist die Offensive Line erst einmal wieder intakt und erhält die Defense Jaire Alexander zurück, erwarte ich nochmal eine andere Version dieses Teams. Für den Moment 5-1 zu stehen ist also in jedem Fall eine gute Ausgangslage, und weil die Vikings Woche für Woche mit dem Feuer spielen, fehlt mir auch hier der Druck von hinten in der eigenen Division.

Tampa Bay Buccaneers (5-1): Die Honeymoon-Phase der Panthers ist vorbei, vielleicht kann Jameis Winston ja mit den Saints noch etwas reißen. Aber die Bucs sind mit weitem Abstand das talentierteste Team in dieser Division und Tom Brady spielt wie ein MVP-Kandidat. Tampa sollte bis zum Schluss um den Nummer-1-Seed zumindest mal mitspielen können.

Baltimore Ravens (5-1): Baltimore hat kommende Woche das AFC-North-Topspiel auf dem Zettel, dann kommen die Cincinnati Bengals nach Baltimore. Ich hatte es am Montag ja schon geschrieben, die Ravens sind für mich aktuell das gefährlichste Team in der NFL, weil diese Offense nochmal komplett andere Herausforderungen mitbringt als noch letztes Jahr. Und die Ravens haben immer noch einige Ausfälle, gerade auf der anderen Seite des Balls. Baltimore habe ich als Division-Sieger auf dem Zettel.

Los Angeles Rams (5-1): Es läuft noch nicht alles rund in L.A., aber auf dem Rücken eines 5-1-Starts lassen sich Probleme ja durchaus etwas entspannter angehen. Stafford hatte diese Woche gegen die Giants einige spektakuläre Pässe in seinem Arsenal, mir fehlt bei Stafford noch ein wenig die Konstanz - aber die Playmaker auf beiden Seiten des Balls können in jedem Spiel den Unterschied ausmachen. Ich traue den Rams auch ohne Frage zu, Arizona bis zum Saisonende an der Spitze der Division abzulösen. Das direkte Rematch steigt am 13. Dezember im Monday Night Game.

Buffalo Bills (4-2): Die Bills sind für mich derzeit das kompletteste Team zumindest in der AFC, und tendenziell auch in der gesamten NFL. Und dazu kommt, dass die eigene Division einfach ziemlich schwach daherkommt. Buffalo sollte die AFC East frühzeitig gewinnen.

Los Angeles Chargers (4-2): Dämpfer in Baltimore, das kann passieren. Auch gute Spieler und gute Teams haben mal einen schlechten Tag. Ich sehe die Chargers mit Herbert und dieser Offense und einer Defense, die nicht jede Woche am Boden so dominiert werden wird wie gegen Cleveland und Baltimore, bis zum Schluss im Division-Rennen mit den Chiefs und mindestens mit dem Trostpreis einer Wildcard.

Kansas City Chiefs (3-3): Wenn man auf das Playoff-Picture schaut und die Teilnehmer prognostiziert, muss man ja die Parameter im Hinterkopf behalten. Es wird in jedem Fall drei Wildcard-Teams in der AFC geben, und irgendwo müssen die ja herkommen. Im Süden verorte ich hier keines, und im Osten tendenziell auch eher nicht.

Also würden dann die AFC North und die AFC West drei zusätzliche Playoff-Tickets unter sich ausmachen, und selbst falls die Chiefs am Ende die Division nicht gewinnen - und aktuell bleibe ich ehrlich gesagt dabei, dass Kansas City die Division gewinnt - sind sie für mich klar besser als der Rest der AFC West und auch als die Teams hinter Baltimore in der AFC North. Ja, die Defense ist ein Problem, ich habe Kansas City mit dieser Offense trotzdem weiterhin klar mit dabei.

Playoff-Rennen: Wer hat die besten Chancen hinter den Top-Teams?

Cincinnati Bengals (4-2): Die Bengals sind ein ernstzunehmender Playoff-Kandidat dieses Jahr! Ja, ich bin und bleibe skeptisch was Zac Taylor angeht, diese Offense ist schematisch so simpel und eindimensional - aber die Spieler lassen es funktionieren. Und die Defense ist eine kleine positive Überraschung. Ich sehe die Bengals noch nicht bereit für den Division-Titel, aber mittlerweile habe ich sie als Wildcard-Team mit dabei.

Cleveland Browns (3-3): Die Verletzungen sammeln sich in Cleveland. Chubb fehlt jetzt erst einmal, Mayfield hat sich gegen Arizona erneut die Schulter ausgekugelt und auch in der Line gab es jetzt einige Ausfälle. Im Kern sehe ich Cleveland aber weiterhin mit einem enorm hohen Floor, mit einer extrem talentierten Defense und mit einem Coaching Staff, der dieses Team als Wildcard in die Postseason führen wird.

In der AFC werden die Steelers Anfang Dezember noch im Playoff-Rennen sein. Pittsburgh steht 3-3 und hat einige machbare Spiele über die nächsten Wochen, und das AFC-Mittelfeld ist aktuell nicht sonderlich stark. Als Playoff-Team habe ich die Steelers aber nicht auf dem Zettel, da würde ich eher den Raiders zutrauen, Cleveland oder Cincinnati den dritten Spot streitig zu machen. Die weitere Saison in Las Vegas allerdings ist nach den Gruden-Vorfällen eine komplette Wundertüte für mich.

In der AFC South wird denke ich nur der Division-Sieger in die Playoffs kommen, und während Tennessee in meinen Augen immer noch das höhere Ceiling hat - der Sieg gegen Buffalo hat das untermauert -, treten die Colts zunehmend stabiler auf und die Rückkehr von T.Y. Hilton hatte einen spürbaren Effekt. Indianapolis hat auch den angenehmeren Rest-Schedule, was hier der Tie-Breaker werden könnte.

In der NFC habe ich drei Teams im Rennen um die letzten beiden Wildcard-Tickets auf dem Zettel. Die Saints sind hier mein Favorit, gefolgt von den Vikings - und dann ist die Frage, ob Seattle im Rennen bleiben kann bis Russell Wilson zurückkommt, oder ob die 49ers vielleicht das Ruder noch herumreißen können. Wenn ich außerhalb der oberen Gruppe auf ein NFC-Wildcard-Team tippen müsste, dann wäre es New Orleans.

Video-Mailbag: Ist Carson Wentz eine positive Überraschung?

Ist Carson Wentz eine positive Überraschung? Sind die Cardinals jetzt endgültig ein Contender? Ist Kirk Cousins ein Top-10-Quarterback?

Wie sind die Lions zu retten? Und wackelt der Stuhl von Dolphins-Coach Brian Flores nach der Niederlage gegen die Jaguars in London?

Die Antworten gibt's im Video-Teil des Mailbags!

OnLy_GB: Die Packers stehen 5-1 ohne mich zu überzeugen. Ist es, wegen der Ausfälle, eher positiv zu sehen, oder sollte man den Record trotz der Verletzten relativieren?

Die Packers sind für mich das klassische Team, das ich jetzt nach dem ersten Saisondrittel nicht überanalysieren würde. Diese Woche-1-Pleite gegen die Saints ist gefühlt Monate her, und hat ehrlicherweise für mich kaum noch Aussagekraft, wenn ich die Packers derzeit bewerte. Gegen die Steelers war es sicher enger als Packers-Fans lieb war, und gegen Detroit war das Spiel länger offen als man im Vorfeld vielleicht gedacht hat.

Aber unter dem Strich waren es hochverdiente und relativ ungefährdete Siege, genau wie der gegen die Bears diese Woche. Und schwächere Teams ungefährdet schlagen, das ist für mich immer noch ein Qualitätsmerkmal guter Teams.

Das Bears-Spiel war jetzt das erste Mal seit Woche 1, dass die Offensive Line ernsthafte Probleme hatte - dafür hatte Aaron Rodgers ein gutes Spiel und Green Bay ist immer noch eines der besten Teams, wenn es darum geht, Yards durch die Luft trotz überschaubarer Receiving-Qualität außerhalb von Adams zu kreieren. Auch die Rückkehr von Marquez Valdes-Scantling wird die Offense zusätzlich öffnen.

Insofern, mit Blick auf die Frage könnt ihr mich klar in die zweite Kategorie schieben. Rodgers spielt nicht auf seinem Vorjahres-MVP-Level, aber die Packers sind im erweiterten Contender-Kreis, sie sollten ihre Division klar gewinnen - und ich vermute, dass Green Bay in der zweiten Saisonhälfte mit zunehmend gesundem Kader gefährlicher werden wird.

Mailbag: Müssen wir die Seahawks bereits abschreiben?

papa_phiiiil: sind die Seahawks schon abgeschrieben? Wie sollen sie den kommenden Draft ohne Erstrunden-Pick angehen?

Die beiden Drives zu Beginn der zweiten Hälfte gegen Pittsburgh, als Seattle plötzlich den Ball laufen konnte, waren ein kleiner Lichtblick; aber generell hat man schon gesehen, wie limitiert diese Offense und damit das ganze Team ohne Russell Wilson ist. Wilson wird noch zumindest zwei weitere Spiele verpassen, zwei Heimspiele gegen die Saints und gegen Jacksonville, direkt danach warten Green Bay und Arizona.

Die Befürchtung liegt also nahe, dass Seattle Anfang Dezember irgendwo rund um 4-7 steht. Dann wird der Schedule deutlich angenehmer, 9-8 ist für mich durchaus eine realistische Prognose. Und das könnte dann gerade so für die letzte Wildcard reichen, allerdings hat Seattle schon den direkten Vergleich gegen Minnesota verloren.

Die Saints kommende Woche zu schlagen wäre in diesem Gedankengang somit immens wichtig, um zumindest einen direkten Tie-Breaker gegen einen Wildcard-Konkurrenten in der Tasche zu haben.

Abgeschrieben habe ich sie also noch nicht und wir alle wissen, dass Wilson jederzeit einen absurden Run starten kann - und plötzlich sind die Seahawks das Wildcard-Team, gegen das niemand spielen will. Aber mit Blick auf die gesamte Konstellation und wie sich die Saison weiterentwickeln könnte, ist das Duell gegen New Orleans so wichtig, wie ein Woche-7-Spiel nur sein kann.

Was die übergreifende Perspektive angeht, ich hatte ja letzte Woche schon gesagt, dass ich nicht denke, dass wir gerade das Ende der Russell-Wilson-Ära erleben, und dabei bleibe ich. Bitter ist, dass sich die Seahawks mit einem Elite-Quarterback zum wiederholten Male wie ein Team in einem Übergangsjahr anfühlen, und das spricht einfach für schlechtes Roster Building.

Mit der Art und Weise, wie diese Saison jetzt gelaufen ist, erwarte ich einen letzten Run in der kommenden Saison mit Wilson. Was das mit Blick auf die kommende Offseason bedeutet, aus Seahawks-Sicht würde ich alles versuchen, um Wilson entgegenzukommen. Wenn das bedeutet, aus dem geringen Draft-Kapital noch etwas in einen Trade für einen Nummer-3-Receiver oder einen Offensive Lineman zu investieren, würde ich das ebenfalls machen.

Denn, sind wir ehrlich: Wenn Wilson die Seahawks dann irgendwann verlässt, wird dieses Team vor einem kompletten Rebuild stehen. Und der wird dann vermutlich mehrere Jahre dauern.

JH12: Kann man jetzt schon sagen, dass der Weg, den Denver im Frühjahr eingeschlagen hat, gescheitert ist? Keinen Quarterback zu holen, hoffen, dass die Defense dominiert und die offensiven Playmaker die nötigen Plays machen? Oder kann man die Verletzungen als Entschuldigung nehmen?

Wer meine Kolumnen und Analysen regelmäßig liest, wird ja wissen, wie ich hierzu stehe. Ich hatte Denver in der Offseason deutlich für die Herangehensweise auf der Quarterback-Position kritisiert, mehrfach.

Darauf zu hoffen, dass ein bekanntermaßen durchschnittlicher Quarterback vielleicht eine Saison spielen kann, die "gerade so gut genug" ist, um mit einer Elite-Defense und Top-Playmakern einen Run hinzulegen - das ist für mich das "Prinzip Hoffnung" in der Kaderplanung.

Und ja, Bridgewater kam ursprünglich nur als Sicherheitsnetz, um eine Absicherung zu haben, falls man Drew Lock rausnehmen muss. Dass dieser Schritt aber bereits vor Saisonstart passierte, müsste ja unterstreichen, wie wacklig Locks Standing intern schon im Frühjahr gewesen sein muss, wenn der Quarterback, der in diesem Duell zumindest potenziell eine langfristige Lösung sein kann, nicht einmal die Saison als Starter beginnt.

Wo aber auch ich daneben lag, ist jene Defense. Nicht, dass die Broncos hier schlecht wären, aber sie sind eben eher oberer Durchschnitt - und nicht dominant, wie ich es vor Saisonstart vermutet hatte. Vor allem lassen sie zu viele Big Plays durch die Luft zu, und das insbesondere ist etwas, das ich überhaupt nicht erwartet hatte. Davon, das Team tragen zu können, ist die Defense aktuell weit entfernt.

Verletzungen spielen natürlich eine Rolle, gerade wenn wir auf die offensiven Playmaker schauen. Bridgewater spielt vielleicht sogar ein bisschen besser als ich vermutet hatte. Doch die traurige Realität in Denver, wenn ich die weitere Saison und darüber hinaus Stand heute prognostiziere, sieht in meinen Augen so aus: Nach der Saison ist Vic Fangio raus, und der neue GM George Paton bekommt "seine" Head-Coach-Wahl. Irgendein Team erhält dann in Person von Fangio ein gewaltiges Defensive-Coordinator-Upgrade.

Aber der Broncos-Kader stagniert im Niemandsland. Zu gut, um wirklich schlecht zu sein, zu schlecht, um wirklich gut zu sein. Und aus diesem Treibsand herauszukommen, das wird die oberste Aufgabe für Paton sein. Von Woche zu Woche denke ich aber mehr, dass Fangio nicht mehr Teil dieser Mission sein wird.