NFL Mailbag: Das sind die besten Neuzugänge dieser Saison

Von Adrian Franke
27. Oktober 202110:30
SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen zu Woche 7 in der NFL.getty
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Welche Free-Agency-Verpflichtungen entpuppen sich bisher als Volltreffer - und wo könnten Teams danebengegriffen haben? Außerdem: Welche Teams stellen aktuell die besten Defenses in der NFL? Und wie geht es weiter für die San Francisco 49ers?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet wie gewohnt Eure Fragen zum Spieltag. Auch diese Woche gibt es wieder einige zusätzliche Antworten im Video-Mailbag.

Los geht's mit einem ersten Free-Agency-Zwischenfazit: Welche Teams hatten hier ein gutes Händchen - und wer könnte einen teuren Fehler begangen haben?

Die besten und schlechtesten Free-Agency-Neuzugänge

MikeZ: Welches sind deine Top und Flop 5 Free Agent Verpflichtungen bis jetzt?

Free Agency: Die Top-5-Verpflichtungen bisher

Trey Hendrickson, Edge (von den Saints zu den Bengals): Keine Frage, ich war beim Hendrickson-Deal sehr skeptisch. 2020 war seine mit Abstand beste Saison, in einer Saints-Front, in der er nur die dritte Geige spielen musste. Für 15 Millionen Dollar pro Jahr in Cincinnati plötzlich den Pass-Rush zu tragen schien mir eine riskante Wette zu sein - Stand heute aber lagen die Bengals genau richtig.

Hendrickson hat jetzt schon 36 Quarterback-Pressures auf dem Konto, seine persönliche Saison-Bestmarke (50 im vergangenen Jahr) könnte er bereits vor Woche 10 einstellen. Er ist der Schlüssel zu einer Bengals-Front, die generell deutlich über den Erwartungen spielt, und scheint tatsächlich den Sprung zum Nummer-1-Pass-Rusher geschafft zu haben.

J.J. Watt, DL (von den Texans zu den Cardinals): Es war eine Überraschung, als J.J. Watt im Frühjahr verkündete, dass er nach Arizona geht. Teams, die näher dran schienen an einem Playoff-Run, wurden eher gehandelt, Arizona überzeugte ihn - nicht zuletzt mit einem Zweijahresvertrag über 28 Millionen Dollar.

Doch was Watt seitdem leistet, gibt den Cardinals-Verantwortlichen bis dato Recht: Seine 28 Quarterback-Pressures werden unter Interior Linemen nur von Aaron Donald (34) und Kenny Clark (29) übertroffen. In mehreren Spielen war er bereits der eine Stabilisator für Arizonas Run-Defense und Watt bringt in diese weitestgehend junge Defense einen Leadership-Faktor, der letztes Jahr gefehlt hat. Watt 23 Millionen Dollar zu garantieren, war definitiv ein Risiko, über die ersten sieben Spiele ist er sein Geld jedoch definitiv wert.

Casey Hayward, CB (von den Chargers zu den Raiders): Ein Stück weit kann man die Vorgehensweise der Chargers sogar verstehen. Hayward ist 32 Jahre alt und kam 2020 aus seiner mit Abstand schwächsten Saison. Die Chargers trennten sich von ihm - und Division-Rivale Las Vegas könnte rückblickend zumindest einen großen Obstkorb nach L.A. schicken.

Für gerade einmal 2,5 Millionen Dollar unterschrieb Hayward schließlich bei den Raiders - und ist bisher einer der besten Cornerbacks dieser Saison. Hat über sieben Spiele gerade einmal zehn Catches zugelassen, dabei noch keinen Touchdown und steht bei vier Pass-Breakups. Hayward ist ein maßgeblicher Grund dafür, dass diese lange so desolate Raiders-Secondary einen Quantensprung hingelegt hat.

Matt Judon, Edge (von den Ravens zu den Patriots): Ein Schnäppchen war Judon nicht gerade, 54,5 Millionen Dollar umfasst sein Vierjahresvertrag in New England im Gesamtvolumen, 32 Millionen davon sind garantiert. Seitdem ist Judon die Konstante in der Pats-Front, er ist der gefährlichste Pass-Rusher in New England und steht bereits bei 29 QB-Pressures. New England hat einige fragwürdige Moves in der vergangenen Offseason gemacht, dieser hier zählt nicht dazu.

De'Vondre Campbell, ILB (von den Cardinals zu den Packers): Als die Packers Campbell spät in der Offseason verpflichtet haben, hatte ich sinngemäß gesagt, dass er damit direkt der beste Linebacker in Green Bay ist. Was damals mehr als ein Statement bezüglich der Packers-Linebacker-Gruppe gedacht war, kann heute auch mit Fug und Recht andersherum interpretiert werden.

Campbell spielt eine wirklich gute Saison, vielleicht die beste Saison seiner bisherigen NFL-Karriere. Er ist der Kopf dieser Front Seven, er ist extrem verlässlich in Coverage und ein Fels in der Run-Defense. Hatte letztes Jahr in Arizona nach gutem Start deutlich abgebaut, einen solchen Sprung hätte ich ihm nicht ansatzweise zugetraut. Der Rest der Liga offenbar auch nicht - Campbells Deal über zwei Millionen Dollar ist eines der größten Schnäppchen der vergangenen Offseason.

Knapp dahinter: A.J. Green, Wide Receiver (Cardinals), Yannick Ngakoue, Edge (Raiders), Cordarrelle Patterson, RB (Falcons), Haason Reddick, Edge (Panthers), Chidobe Awuzie, CB (Bengals).

Free Agency: Die Enttäuschungen bisher

Wichtig hier vorwegzuschieben: Keiner dieser Spieler ist natürlich schon abzuhaken, dafür ist die Saison bisher zu kurz. Aber gerade wenn wir auf einige der teuersten Deals schauen, die vielleicht ohnehin schon im März eher skeptisch beäugt wurden, dann fällt vor allem Bud Dupree negativ auf. Der Edge-Rusher, der aus Pittsburgh nach Tennessee kam, kassierte unter allen Spielern, die in der Offseason via Free Agency das Team wechselten, den teuersten Gesamtvertrag (5 Jahre, 82,5 Millionen Dollar) sowie die dritthöchsten Garantien (35 Millionen Dollar).

Dupree verpasste bereits drei Spiele in dieser Saison, was die Bewertung noch unschärfer macht. Doch in den vier Spielen, die er absolvierte, sahen sich die Skeptiker bestätigt: Dass der 28-Jährige in Pittsburgh eben primär Produkt des Schemes und der Mitspieler war, und in einer tragenden Rolle Probleme bekommen würde. Neun Quarterback-Pressures stehen bisher zu Buche, Dupree gewinnt zu selten als Pass-Rusher und ist zudem bestenfalls Durchschnitt gegen den Run. Die Titans-Front funktioniert im Gesamtzusammenspiel, aber für diese Rolle hätte man keinen 82-Millionen-Dollar-Edge gebraucht.

Auffällig ist auch, dass einige der größeren Cornerback-Neuverpflichtungen bisher eher nicht so gut aussehen. Das betrifft William Jackson in Washington, der bisher wie ein Downgrade zu Ronald Darby wirkt - ich hatte aus Washington-Sicht auf das Gegenteil gehofft. Es betrifft aber auch Kyle Fuller in Denver, der überraschenderweise bei den Broncos unter seinem Ex-Bears-DC Vic Fangio so gar nicht funktioniert.

Auf der offensiven Seite des Balls bin ich heute skeptischer als noch vor acht Wochen was den Tight-End-Doppelschlag der Patriots angeht; vielleicht wäre es ausreichend gewesen, Hunter Henry zu holen. Jonnu Smith bekam den größeren Vertrag, und wirkt bisher eher wie ein Mitläufer in der Offense.

Einen echten Impact hatte ich mir auch von Will Fuller erhofft. Dessen Saison ist bisher dann doch leider von Verletzungen geprägt, acht Targets und vier Catches für 26 Yards stehen über zwei Einsätze zu Buche. Anstelle der Dolphins würde ich hier bis zur Deadline einen Trade-Partner suchen.

Video-Mailbag: Chiefs-Probleme gehen weit über Mahomes hinaus

Die Panthers scheinen in einer Sackgasse angekommen - wie kommt Carolina dort wieder raus? Wie sieht die Zukunft bei den New York Giants aus? Und müssen wir kritischer auf die Kader-Zusammenstellung bei den Chiefs schauen?

Außerdem: War Baltimores Niederlage gegen Cincinnati nur ein Ausrutscher? Und ist die NFC-Spitze der AFC-Spitze mittlerweile enteilt?

Die Antworten gibt's im Video-Teil des Mailbags!

nicom1995: Status quo bei den Niners? Wieder ein Heimspiel verloren. Wie geht es nun weiter?

Nicht einmal Kyle Shanahan ist noch bereit dazu, sich klar zu Jimmy Garoppolo zu bekennen, das wäre also ein erster Takeaway für mich. Das ist natürlich irgendwo Kaffeesatzleserei, aber seine Aussagen nach der Niederlage gegen die Colts klangen für mich so, als wäre der Wechsel hin zu Trey Lance nicht mehr weit weg.

Wer meine Kolumnen während dieser Saison verfolgt hat, der weiß ja, dass ich schon seit Saisonstart der Meinung bin, dass Lance spielen sollte. Die Niners sind kein Titelkandidat und das waren sie für mich auch nicht vor Woche 1, gleichzeitig gibt es ein gutes Gerüst in diesem Team - eigentlich die idealen Voraussetzungen, um einen Rookie-Quarterback, der dringend Spielzeit braucht, heranzuführen.

Und noch zwei Punkte dazu: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Lance in seinem bisher einzigen Start gegen Arizona natürlich seine Fehler machte, aber alles andere als verloren wirkte. Gleichzeitig spielt Garoppolo schlecht, und damit sehe ich wenige Argumente, warum man den wackelnden Routinier drin lässt, statt den Youngster seine Fehler machen und lernen zu lassen. Das würde einer ansonsten eher verlorenen Saison zumindest eine gewisse Perspektive und Nachhaltigkeit geben.

Das leitet auch direkt über zu meiner Antwort auf diese Frage: Spätestens mit dieser Niederlage - auch wenn die Umstände am Sonntagabend fraglos ihren Effekt hatten - sollte Shanahan der Realität ins Auge blicken, dass diese Saison nicht mit einem Playoff-Run enden wird. Dafür ist die Division zu stark, die Conference in der Spitze zu stark und vor allem sind die eigenen Probleme zu groß. Garoppolo, ein inkonstantes Run Game, eine schwache Secondary, unter anderem.

Wenn Lance wieder fit ist, wäre jetzt der Moment gekommen, um die Augen endgültig auf die Zukunft zu richten. Vielleicht kann man Garoppolo ja sogar bis zur Deadline nächste Woche noch traden? Ich würde Lance jetzt starten lassen und ab sofort allen Fokus weg von der diesjährigen Saison und auf die mittel- und langfristige Zukunft richten.

Mailbag: Das sind die Top-5-Defenses in der NFL

Nico: Power Rankings sind ja immer sehr Offense-lastig. Wer sind denn aktuell deine Top-Defenses und was zeichnet sie aus?

Ich hatte letzte Woche in meinen Takeaways zum Spieltag bereits in Ansätzen darüber geschrieben, dass ich mit Blick auf die bisherige Saison den Eindruck habe, dass wir Defenses vielleicht anders angehen müssen als noch vor einigen Jahren. Zu viele Teams haben zu viele gefährliche Waffen im Passspiel, sodass die Defenses, die über ihre Secondary aufgebaut sind, Man Coverage spielen und mit dem Blitz agieren statt reagieren wollen, mehr und mehr Probleme bekommen.

Die Ravens gegen die Bengals wären das jüngste Beispiel dafür, dass eine solche Defense auch mal gegen die Wand fahren kann, wenn ihre Cornerbacks - und nicht einmal einer der ligaweit Besten seines Fachs in Marlon Humphrey - eben einfach die gegnerischen Receiver nicht Eins-gegen-Eins decken können.

Mit der offensiven Entwicklung zu immer besser besetzten 3-Receiver-Sets, sowie dem Trend bei einigen Teams zu 4-Receiver-Sets, ist es einfach immer schwieriger, auf diese Art und Weise zu verteidigen. Und wenn dann der Pass-Rush davon abhängig ist, dass er via Blitzing auf Touren kommt, dann kann eine Defense sehr hohe Ups und Downs haben.

Diese Aussage ist natürlich generell zutreffend auf Defenses in der heutigen NFL. Defenses sind schlicht abhängiger davon, gegen welche Offense sie spielen, als umgekehrt, und so ist eine größere Streuung automatisch drin. Meine aktuelle Top 5 würde so aussehen:

1. Buffalo Bills: Die kompletteste Unit auf dieser Seite des Balls aktuell. Die Bills haben einen guten Pass-Rush mit einer tiefen Defensive-Line-Rotation, sie haben Linebacker mit Reichweite, ein exzellentes Safety-Duo, und die Cornerbacks spielen deutlich besser als letztes Jahr. Buffalo mag keine Elite-Defense haben, wenn wir es mit den dominanten Units der vergangenen Jahre vergleichen. Aber die Bills haben wenige Schwachstellen, und das ist eine Kernkompetenz für gute Defense.

2. Los Angeles Rams: Die Rams leben natürlich ein Stück weit von der enormen individuellen Qualität von Aaron Donald in der Front und Jalen Ramsey, den sie dieses Jahr nochmal deutlich mehr herumschieben als zuvor schon, in der Secondary. Das gibt L.A. extrem viel Spielraum aus schematischer Perspektive, aber sie haben auch gute Komplementär-Spieler daneben. Die Safeties sind stark im Run-Support, Darious Williams ist ein solider Nummer-2-Corner, die Defensive Line ist gegen den Run gut genug, damit die Rams aus 2-High-Strukturen agieren können.

3. Cincinnati Bengals: Cincinnati belegt aktuell Platz 1 (!) nach Dropback Success Rate, die Front spielt wirklich gut, und das Safety-Duo sowie Cornerback Chidobe Awuzie sind mindestens genauso große Überraschungen. Ich habe die Bengals relativ gleichauf mit Arizona, was ich für sich betrachtet vor Saisonstart nicht gedacht hätte - und beide diese Defenses hatte ich definitiv nicht in der Konversation um einen Top-5-Platz.

4. Arizona Cardinals: Neben den Bengals sicher die große Überraschung auf dieser Liste. Nach zugelassenen Expected Points Added pro Play ist nur die Bills-Defense besser, Top-5 in Dropback Success Rate. Ja, die Run-Defense hat hier und da Löcher, aber Watt ist ein extrem stabilisierender Faktor, Markus Golden spielt eine exzellente Saison, Budda Baker und auch Jalen Thompson geben der Secondary Stabilität und sind sehr gut darin, aus der Tiefe nach vorne zu kommen um Run-Gaps zu stoppen - und dann spielt Byron Murphy eine exzellente Saison. Arizona hat nicht den Floor, den die Rams oder die Bills haben, aber bislang, auch durch ein in sich sehr schlüssiges Scheme von Vance Joseph, ist die Defense eine positive Überraschung.

5. Carolina Panthers: Mit Shaq Thompson und Stephon Gilmore als Verstärkungen vielleicht schon für das nächste Spiel wird die Panthers-Defense sich auch wieder stabilisieren. Eine Defense, die so furios in die Saison gestartet war, zuletzt dann etwas nachließ, aber dabei auch zunehmend in bittere Situationen von der eigenen Offense gebracht wurde. Ich mag die Aggressivität und die Flexibilität in den Pass-Rush-Designs; die Frage ist, ob Carolinas Defense selbst mit vielleicht bald wieder steigender Formkurve am Ende der Saison als Top-5-Defense dastehen kann, wenn die Offense so weiterspielt wie zuletzt.

In Lauerstellung: New Orleans Saints, Minnesota Vikings.

Dennis, Harry higgens, Erwin Villavicencio, Jens: Sind die Bengals for real?

Sehr viele Nachfragen dazu - verständlicherweise - nach dem deutlichen Sieg gegen Baltimore. Ich hatte am Montag schon ein wenig über Cincinnati geschrieben. Was ich sehr ermutigend aus Bengals-Sicht fand, war die Tatsache, dass sie in diesem Spiel endlich auch mal ein paar schematische Antworten hatten.

Letztes Jahr hatten die Ravens mit ihren Blitzes Burrow und die gesamte Offense auseinandergenommen, und es war klar, dass sie das diese Woche auch wieder versuchen würden - gegen eine noch immer überschaubare Offensive Line. Und gerade früh im Spiel stand Burrow auch sehr viel unter Druck, und ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Bengals-Fan hier schon eine böse Vorahnung hatte.

Aber die Bengals fanden Antworten. Split-Back-Looks, Tight End als Unterstützung, Cincinnati ging das Risiko ein, die Box noch voller zu machen, um Burrow so aber eine reelle Chance zu geben, durch die Pocket zu navigieren und den Routes eine Chance zu geben, sich zu entwickeln, die Cincinnati aus Empty so nicht gehabt hätte. Burrow zerlegte Baltimores Blitz für 16,3 Yards pro Pass, 244 Passing-Yards insgesamt und zwei Touchdowns bei einer Interception. Die Ravens blitzten ihn bei fast 40 Prozent seiner Dropbacks.

Über die unerwartet starke Defense habe ich ja bereits hier gerade und auch schon am Montag geschrieben, aber vielleicht ein weiterer Knackpunkt ist diese komplett offene AFC-Spitzengruppe. Es wird immer klarer, dass es eine sehr breite Spitzengruppe ist, ohne das eine Team oder auch zwei, drei Teams, die klar dominieren - und dann kommt der Rest. Falls es dabei bleibt, wird das auch für sehr offene Playoff-Partien sorgen.

Und dann gehören die Bengals für mich eben zu diesen Teams, die oben mitspielen können, und die an einem guten Tag auch in den Playoffs Spiele gewinnen können. Insofern, mit Blick auf die offensive Qualität, auf die überraschend gute Defense und nach einem Statement-Sieg gegen die Ravens, in dem auch Zac Taylor eines seiner besseren Spiele hatte, würde ich mit Blick auf den Kampf um Playoff-Plätze sagen: Ja, die Bengals sind for real.