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NFL Rookie Head Coaches nach sechs Wochen: Ist Brandon Staley der modernste Head Coach der NFL?

Von Jan Dafeld
campbell
© getty

Ein Drittel der NFL-Saison 2021 liegt hinter uns. Zeit einen Blick auf die Rookie-Head-Coaches in ihren ersten Spielen in der NFL zu werfen. Wer überzeugte bislang, wer blieb hinter den Erwartungen zurück? Und wie sind die langfristigen Aussichten der sieben neuen Coaches? Wir geben einen Überblick.

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NFL Rookie Head Coaches im Check

Dan Campbell (Detroit Lions)

Die meiste Aufmerksamkeit erregte Campbell bislang weniger durch Entscheidungen auf dem Feld, sondern vielmehr durch Auftritte abseits des Rasens. Vor der Saison ging der neue Lions-Coach mit seiner "Kniescheiben-Rede" in der NFL-Bubble viral, nach der bitteren Niederlage seines Teams bei den Vikings sorgte erneut eine Pressekonferenz von Campbell für Aufsehen: Diesmal zeigte er sich unmittelbar nach dem Spiel sichtlich emotional und mit Tränen in den Augen.

Festhalten lässt sich: Nachdem Campbells Auftritte in der Saisonvorbereitung noch eher belächelt worden waren, hat sich der 45-Jährige in den ersten Wochen der Saison durchaus Respekt erarbeitet - sowohl in den Medien als auch innerhalb seines Teams. Detroit spielt Woche für Woche hart, die Spieler kämpfen und lassen ihren Coach nicht im Stich. Nach den Vorjahren mit Matt Patricia an der Seitenlinie ist das keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Das Problem: Bislang ging das Team sechsmal als Verlierer vom Feld. Sportlich sind die Lions aus Coaching-Sicht bislang kaum zu bewerten. Es fehlt schlicht und ergreifend an Talent im Kader. Neben den Texans und den Jets ist ligaweit wohl kein Team ähnlich schwach besetzt wie Detroit. Die Receiver-Gruppe ist die wahrscheinlich schlechteste der NFL, die Offensive Line spielt längst nicht auf dem erhofften Niveau und wird nach dem Saisonaus von Center Frank Ragnow nur noch schwächer werden und Quarterback Jared Goff sieht kaum wie die langfristige Lösung in der Motor City aus.

Offensive Coordinator Anthony Lynn überraschte zu Beginn der Saison noch mit einigen kreativen Designs im Run-Game, Campbell selbst fiel durch einige mutige Entscheidungen bei Fourth Downs sowie seiner erklärten Offenheit gegenüber Analytics positiv auf. Darüber hinaus lassen sich offensiv bislang allerdings nur wenige Rückschlüsse ziehen. In den letzten Spielen setzte Detroit bei langen Third Downs auffallend häufig auf Screens, es fehlt offensichtlich das Vertrauen in das eigene Personal.

Dass Campbell in Detroit Teil eines längeren Rebuilds sein würde, schien spätestens nach dem Trade von Matthew Stafford zu den Los Angeles Rams unausweichlich. In dieser Saison dürfte es für ihn somit vor allem darum gehen, das Vertrauen des eigenen Teams zu gewinnen und zumindest zwei, drei Spiele im weiteren Saisonverlauf für sich zu entscheiden. Im kommenden Jahr könnten die Lions mit einem Top-Rookie (und einem neuen Quarterback?) im Team dann den nächsten Schritt nach vorne machen. Dann wird sich Campbell auch sportlich mehr beweisen müssen.

David Culley (Houston Texans)

Wenn Campbells Arbeit in Detroit sportlich nur schwer zu bewerten ist, was soll dann erst über Culley in Houston gesagt werden? Die Saison der Texans stand von Beginn an eindeutig im Zeichen eines Übergangsjahrs und des Anfangs eines radikalen Rebuilds. Der Trade von Bradley Roby zu den Saints unterstrich dies nochmal.

Und angesichts dieser Umstände lässt sich festhalten: Die Texans haben sich bislang durchaus teuer verkauft. Im ersten Saisonspiel gelang Culley und seinem Team gleich der erste Saisonsieg - und damit ein Sieg mehr als manche Experten der Franchise aus Texas zugetraut hatten. Gegen die Browns und die Patriots sah Houston zudem lange alles andere als chancenlos aus und das, obwohl Quarterback Tyrod Taylor die zweite Hälfte gegen Cleveland sowie das gesamte Spiel gegen New England verletzungsbedingt verpasste.

Culley selbst fiel nach der Niederlage gegen die Panthers zwar mit etwas beunruhigenden "Establish the run!"-Zitaten auf und vercoachte sich gegen die Browns zwischenzeitlich ziemlich übel, gleichzeitig zeigte er sich bei mehreren Fourth-Down-Entscheidungen aber auch mutig und seines Status als Underdog bewusst, zudem bewiesen Culley und sein Coaching-Staff, dass sie durchaus auch in der Lage sind, Gameplans zu entwerfen, die ihrem Quarterback das Leben under Center erleichtern.

Taylor dürfte in den kommenden Wochen sein Comeback für die Texans feiern, das Team spielt in dieser Saison unter anderem noch gegen die Dolphins, die Jaguars und die Jets. Dass Houston in dieser Spielzeit noch mehr als einen Sieg sammeln können wird, erscheint somit durchaus im Bereich des Möglichen.

Culley wirkte von Beginn an ein wenig wie ein Strohmann als Head Coach, der nach nur einem Jahr ohne viel Aufsehen entlassen werden kann, sodass ein neuer unverbrauchter Coach den Rebuild mit einem neuen jungen Quarterback einleiten kann. Gewinnen die Texans im weiteren Saisonverlauf noch zwei oder drei Spiele, könnte sich Culley aber durchaus noch länger auf dem Sitz in Houston halten.

Urban Meyer (Jacksonville Jaguars)

Turbulente Monate liegen hinter Meyer und den Jaguars. Turbulenzen, die Meyer sich größtenteils selbst zuzuschreiben hat. Innerhalb eines halben Jahres verpflichtete sein Team Chris Doyle, einen Fitnesstrainer, dem zuvor mehrfach Rassismus vorgeworfen worden war und der kurz darauf wieder zurücktrat. Und er nahm Tim Tebow als Tight End unter Vertrag. Meyer sorgte mit Kommentaren über den Impfstatus seiner Spieler für eine NFL-Untersuchung und war direkt an dem fragwürdigen Trade beteiligt, mit dem Vorjahres-Erstrundenpick C.J. Henderson zu einem Spottpreis nach Carolina getradet wurde.

Nach der Niederlage der Jaguars bei den Bengals sorgte der Head Coach dann für die vorläufige Kirsche auf dem Eisbecher des Chaos, indem er nicht mit seinem Team zurück nach Florida flog - eine bislang nie dagewesene Entscheidung eines NFL-Head-Coaches - und sich wenige Tage später für peinliche Videos, die ihn in einer Bar gemeinsam mit einer jungen Frau zeigten, entschuldigen musste. Dass ausgerechnet Meyer, der erfahrenste aller neuen Head Coaches, sich den mit Abstand größten Fehltritt abseits des NFL-Rasens leistete, ist alarmierend, angesichts von Meyers Vorgeschichte am College bei Ohio State und Florida aber auch nicht vollkommen überraschend.

Sportlich lief es fünf Wochen lang nicht viel besser für Meyer und die Jaguars. Supertalent Trevor Lawrence erwischte einen holprigen Start in seine NFL-Karriere, erhielt in dem Scheme von Offensive Coordinator Darrell Bevell und Quarterbacks Coach Brian Schottenheimer allerdings auch nur wenig Hilfe. Dass Jacksonville trotz der schweren Verletzung von Travis Etienne zunächst nur sporadisch auf Running Back James Robinson setzte, warf darüber hinaus Fragen auf. Fragen, die umso berechtigter erscheinen, nachdem Robinson sich in den letzten Wochen als der gefährlichste und explosivste Spieler innerhalb der Offense präsentierte.

Immerhin: Durch den hauchdünnen Sieg über die Dolphins in London beendeten die Jaguars nicht nur ihre mittlerweile 20 Spiele andauernde Niederlagenserie, sondern sorgten zur Abwechslung auch mal wieder für positive Schlagzeilen. Nach der Bye Week des Teams wartet allerdings ein durchaus harter Spielplan auf Jacksonville. Eine Siegesserie sollte man daher nicht unbedingt erwarten.

Meyer brachte von Anfang an moralische Fragezeichen mit sich, das großes Argument für ihn war von Beginn an der Erfolg, den er bislang bei jeder seiner Stationen hatte. Stellt sich dieser Erfolg - nicht zwingend in Form von Siegen, aber beispielsweise in einer positiven Entwicklung von Lawrence - in den kommenden Wochen und Monaten nicht ein, wird der Job des 57-Jährigen ernsthaft in Gefahr geraten.

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