Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 5 in der NFL

Von Adrian Franke
11. Oktober 202110:30
SPOX-Redakteur Adrian Franke fasst für euch Woche 5 zusammen.getty
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Woche 5 hatte einige der verrücktesten Momente dieser Saison zu bieten: Die Browns schieben die Chargers zum Touchdown in die Endzone, in Cincinnati gibt es ein unfassbares Kicker-Drama, Trey Lance gibt sein Starter-Debüt - und sehen wir das Ende der Russell-Wilson-Ära in Seattle?

Nachdem die Seahawks bereits am Donnerstagabend den Kürzeren im Division-Duell gegen die Rams gezogen hatten, blieb das Thema dennoch präsent; die Verletzung von Russell Wilson spült in Seattle so einige Storylines auf den Tisch.

Am Sonntag verteidigten die Cardinals dann ihren Status als einziges ungeschlagenes Team der Liga, auch wenn es gegen die 49ers sehr knapp war - und die Verletzungen von Maxx Williams und Center Rodney Hudson muss man beobachten. Beide sind kritisch für die Pass-Protection, und ihren Ausfall spürte man deutlich. Es war ein unheimlich physisches Spiel, dass sich diese beiden Teams lieferten, vielleicht das physischste Spiel, das ich bisher in dieser Saison gesehen habe.

Das Sunday Night Game war ein bitterer Weckruf für die Chiefs - es war das erste Mal, dass ich den Eindruck hatte, dass die Offense wirklich hektisch unterwegs ist und falsche Entscheidungen traf: Die Chiefs konnten den Ball am Boden so gar nicht bewegen, und das nachdem sie gerade die Eagles-Front komplett dominiert hatten. Mahomes verfehlte mehrere Würfe, die er so nicht verfehlt. Und es bleibt dabei, dass seine Risiko-Pässe dieses Jahr fast durchweg abgefangen und somit bestraft werden. Ich würde so weit gehen, dass es angesichts der vielen kleinen Fehler das schwächste Spiel war, an das ich mich von Mahomes individuell betrachtet erinnern kann.

Die Offense, die trotz ihres Rufs auch von vielen kurzen Pässen lebt, hatte so nie einen Rhythmus, und es ist klar, dass dieses Team sich das aktuell nicht leisten kann. Ich hatte letzte Woche im Power Ranking argumentiert, dass die Chiefs-Offense so gut ist, dass ich erwarte, dass sie die Defense mitschleppen kann - und dass die Defense irgendwann auch wieder etwas stabiler auftreten wird. Letzteres muss mittlerweile schon fast per positiver Regression kommen, die Defense aktuell ist absurd schlecht. In der Run-Defense, aber auch in Coverage. Fundamentale Dinge wie Tackling klappen einfach nicht.

An Ersteres glaube ich auf die Saison betrachtet immer noch, auch nach dem schlechtesten Mahomes-Spiel zumindest mal der jüngeren Vergangenheit. Aber ein wackliger Auftritt wie dieser gegen ein sehr komplettes Bills-Team ist dann schon automatisch eine Pleite.

Los geht's heute mit dem Division-Rivalen der Chiefs; denn in Los Angeles erhebt sich eine neue Football-Macht.

Die Chargers: Eine neue Macht erhebt sich

Es ist ein Teil der Gleichung, dass Justin Herbert die Bedenken hinsichtlich einer möglichen Regression bisher pulverisiert. Herbert ist gegen den Blitz fast nochmal stärker, und bei Third und Fourth Down führt er bisher alle Quarterbacks in puncto Expected Points Added an. Der Deep Ball und die Big Plays kommen nach wie vor zur Genüge. Hier gibt es noch weitere Punkte - am morgigen Dienstag kommt übrigens mein erstes Quarterback-Ranking für diese Saison -, aber die Kernbotschaft ist: Herbert spielt in der Summe sogar noch besser als letztes Jahr.

Darüber hinaus ist jedoch offensichtlich, dass die Chargers offensiv einen immer besseren Rhythmus finden. Ekeler binden sie immer besser in ihr Passspiel ein und kreieren Mismatches, gegen die Browns gab es auch einige sehr schöne Screen-Designs. Der schon jetzt größte Gewinner der neuen Offense ist Mike Williams. Die Chargers finden Wege, vertikal Big Plays via Scheme zu kreieren und dann Herberts Arm für die tiefen Pässe zu nutzen. Dazu diese starke Offensive Line, die mittlerweile auch am Boden Räume kreiert.

Die Chargers sind schon jetzt ein größerer Herausforderer für Kansas City innerhalb der AFC West als ich es vor Saisonstart vermutet hatte. Und die Raiders und Broncos müssen sich für die mittelfristige Zukunft etwas einfallen lassen, wie sie ihrerseits die Hände an einen Top-10-Quarterback bekommen. Andernfalls droht ein langes Jahrzehnt in der eigenen Division.

Wo liegt Clevelands realistisches Potenzial?

Beide Teams präsentierten sich am Sonntag in ihren In-Game-Entscheidungen auch gewohnt clever, nicht nur mit diversen Fourth-Down-Entscheidungen. Als die Chargers am Ende kurz vor der Endzone an der Uhr drehen wollten, schoben die Browns kurzerhand Running Back Austin Ekeler selbst in die Endzone. Dass die Chargers hier nicht einfach abknieten, um dann mit auslaufender Uhr den Game Winner zu kicken, war zumindest kurios. Diese Teams sind gekommen, um zu bleiben, beide haben ohne Frage den Head Coach dafür.

Die Chargers aber haben den Vorteil, auch den Elite-Quarterback bereits in ihren Reihen zu haben.

Es würde mich keineswegs wundern, wenn wir dieses Duell tief in den diesjährigen AFC-Playoffs wiedersehen würden. Und umso spannender für die Storyline dann wäre, dass im Duell dieses Mal beide Teams sehr stark innerhalb ihrer Identität agierten. Die Browns dominierten, trotz einiger Ausfälle, offensiv die Line of Scrimmage, während die Chargers Probleme damit hatten, einen Zugriff auf das Run Game zu erhalten. Nick Chubb ist so gut.

Kaum ein Team kann das so ausnutzen wie Cleveland, aber ein neues Thema ist es für diese Chargers-Defense nicht: L.A. spielt viel aus seinen 2-High-Looks mit Post-Snap-Rotationen der Safeties, und will somit auch aus einer leichten Box den Run verteidigen. Das aber klappt nur, wenn man reaktionsschnelle und explosive Safeties hat - und wenn man Defensive Linemen hat, die mehr als eine Gap spielen können.

Cleveland lief für 230 Yards und 6,6 Yards pro Run sowie insgesamt drei Touchdowns. Baker Mayfield hatte einige Wackler, alles in allem war es aber ein Spiel ohne größere Fehler, in dem er den Ball gut verteilte und seine Rolle innerhalb der Offense spielte.

Doch am Ende war Cleveland das erste Team überhaupt in der NFL-Geschichte, welches mehr als 40 Punkte sowie mehr als 500 Yards auflegte und ohne eigenen Turnover blieb, und das Spiel dennoch verlor. Und dennoch, so hart es im Zusammenhang dieses Spiels klingt, wurde Clevelands Offense in der zweiten Hälfte zu häufig gestoppt.

Die Browns sind ein Top-Team mit einer klaren Identität, vielleicht das ausgeglichenste Spiel in der NFL aktuell. Der große Zweifel bleibt der Quarterback. Nicht, weil Mayfield schlecht wäre - aber weil in der AFC-Spitze mit Mahomes, Jackson, Allen und eben Herbert vier Top-Quarterbacks in den Playoffs warten, die jederzeit Spiele dominieren und gewinnen können. Bei Mayfield bin ich da deutlich skeptischer.

Das Ende der "Wilson-Offense" in Seattle?

Ich weiß natürlich, dass Pete Carroll viel Kritik eingesteckt hat über die letzten Jahre. Und das in meinen Augen durchaus berechtigt, ich habe mich ja selbst einige Male in die Reihen der Kritiker gestellt. Hier will ich aber mal kurzzeitig von seinem Game Management und von seiner generellen Philosophie was die Identität des Teams - nach wie vor ein Fokus auf die Defense und das Run Game - weg gehen; in diesen beiden Punkten bin ich sehr häufig deutlich anderer Meinung, aber sich daran immer wieder aufzureiben bringt uns ja auch nicht weiter.

Was wir aber mal klar festhalten müssen: Carroll, der vielleicht die herausragende Defense dieses Jahrtausends mitgeprägt und einen ligaweiten Trend eingeleitet hat, sucht seit einigen Jahren sein defensives Mojo. Und da spreche ich nicht von einigen Fehlern hier und da, ich spreche von der Defense, die seit 2019 auf Platz 19 in zugelassenen Expected Points Added pro Play und auf Platz 24 in defensiver Success Rate steht.

Eine Defense, von der Carroll nach der Niederlage gegen die Rams zugeben musste, dass die Spieler in den Spielen Fehler machen, an denen sie gezielt im Training arbeiten. Die ihre Basic-Coverages nicht konstant hinbekommt. Eine Defense, die zwei Erstrunden-Picks in Jamal Adams investiert hat, und abgesehen von einer exzellenten Rolle als Blitzer nach wie vor auf der Suche nach dem idealen Platz für den Safety zu sein scheint. Während Adams auch schlicht und ergreifend in Man Coverage gegen Tight Ends - eine seiner Spezialitäten noch zu Jets-Zeiten - teilweise verloren wirkt.

Mit dem wochenlangen Ausfall von Russell Wilson werden diese Probleme in meinen Augen nochmal stärker in den Fokus rücken. Denn jetzt fehlt die Offense, um die Defense mitzutragen, und dass wir jetzt seit Jahren auf Seattles Defense in diesem Licht schauen, spricht weder für das Kader-Management, noch für das defensive Coaching in Seattle.

Seahawks: Ist "Let Russ cook" noch zutreffend?

Aber wir müssen auch über die Offense sprechen, und spezifisch über Russell Wilson. Ich hatte das bereits einige Male - zumindest seit Woche 2, nachdem ich das Auftaktspiel in Indianapolis (zu?) positiv eingestuft hatte - in dieser Saison angemerkt: Der Offense fehlt die Baseline. Zu abhängig von den Big Plays, eine Art Rhythmus selbst nur innerhalb eines Drives war bisher viel zu häufig nur dann festzustellen, wenn Seattle aufs Tempo drückte. Die aufeinander aufbauenden Konzepte und in sich stimmigen Designs blitzten nur vereinzelt auf.

Das ist kein neues Muster. Das war ein Thema mit Darrell Bevell, es war ein Thema mit Brian Schottenheimer, und es ist jetzt über die ersten Wochen der Shane-Waldron-Ära ein Thema. Und es ist nicht so, als wäre es immer exakt die gleiche Diskussion gewesen, häufig überschattete die "Pete Carroll will den Ball laufen vs. Let Russ Cook"-Thematik ohnehin alles.

Aber der Kern der Problematik war gleich: Die Offense hatte keine Grundlage, keine schematische Baseline, auf die sie notfalls zurückfallen konnte, um offensiv eine gewisse Schlagzahl aufrecht zu erhalten. Und dann waren es häufig die Highlight-Plays von Wilson - nicht selten außerhalb der Struktur, spät im Down - welche die Offense gefährlich machten. Also, "Let Russ cook", und dann ist Seattle ein Titelkandidat!

Oder?

Wilson ist ein Elite-Quarterback, und seit nunmehr vier Jahren gehört er in diesen Kreis. Aber selbst in der vergangenen Saison, als er nach der ersten Saisonhälfte endlich bereit schien, sich ein paar MVP-Stimmen abzuholen, weil er fantastisch war, fiel sein Spiel in der zweiten Saisonhälfte auseinander.

Seahawks ohne Wilson: Geno Smith als Experiment

Wilson ist ein Elite-Quarterback, weil er in der "Boom-or-Bust"-Frage vermutlich mehr und spektakulärer als irgendein anderer Quarterback über die letzten zehn Jahre auf der "Boom"-Seite gelebt hat. Das Problem damit ist, dass es selbst für Wilson schwer ist, dieses Level konstant aufrecht zu erhalten.

Was dann immer wieder - in verschiedenen Schemes, in verschiedenen Umständen - aufgefallen ist, ist dass die Offense in ein Loch fällt, wenn Wilson nicht auf höchstem Level spielt und wenn Defenses die explosiven Plays minimieren.

Es gibt keine schematische Baseline, welche funktioniert und in diesen Fällen greift, und dieses Jahr ist das vielleicht die extremste Ausprägung davon bislang: Three-and-Out, oder Big Plays, in dieser Welt lebt die Seahawks-Offense dieses Jahr. Vielleicht findet Waldron noch einige Ansätze, um hier einen Ausgleich zu kreieren, aber was nach einem Play-Desginer-Problem klingt, ist vielleicht auch einfach ein Quarterback-Problem.

Vielleicht müssen wir weniger über Schottenheimer-, Bevell- und Waldron-Offense sprechen, und mehr über die Wilson-Offense und darüber, welche Limitierungen Wilson, bei all der unbestrittenen Qualität, die er hat, eben mitbringt. Und dann muss man darüber sprechen, ob man sich vielleicht nicht sogar noch mehr auf Wilsons Big-Play-Fähigkeiten einlässt, und den Versuch, der Offense anderweitig mehr Struktur zu geben, was die Vogelperspektive auf diese Offense angeht für gescheitert erklärt.

Wie geht es zwischen den Seahawks und Wilson weiter?

Wilson wird den Seahawks jetzt für einige Wochen fehlen, nach 149 Starts in Folge seit Beginn seiner Karriere endet diese eindrucksvolle Serie. Während ich das aus sportlicher Sicht extrem bitter und schade finde, weil es die Seahawks doch deutlich weniger explosiv und aus Gesamt-Liga-Perspektive interessant macht, bin ich schon gespannt, ob wir aus schematischer Perspektive eine effizientere, wenn auch weniger explosive Offense sehen könnten.

Aber die übergreifende Frage in Seattle ist jetzt natürlich: Ist die Wilson-Ära damit fast vorbei? Nachdem die vergangene Saison bereits von Trade-Debatten geprägt war, wird die laufende Saison wohl eher kein sportlicher Erfolg werden. Und wo stehen Wilson und die Seahawks dann?

Sieht Wilson vielleicht woanders eine größere Chance, in der zweiten Hälfte seiner Karriere nochmal zeitnah ein Titelfenster aufzustoßen und drängt doch auf einen Trade? Und will vielleicht sogar Pete Carroll seine Offense in eine andere Richtung lenken?

Die kommenden Wochen werden ein Vorgeschmack darauf sein, wie es ohne Wilson aussehen könnte. Meine Vermutung ist, dass die Erkenntnisse einige Augen öffnen könnten. Und ich denke ultimativ auch nicht, dass es das Ende der Wilson-Ära ist. Er wollte, nach allem was wir wissen, Shane Waldron als neuen Coordinator. Wäre die Saison enttäuschend verlaufen und die offensive Entwicklung ausgeblieben, wäre die Diskussion eine andere. Wilsons Ausfall legt die Erkenntnisse gewissermaßen auf Eis und verzögert alles. Meine Vermutung ist, dass beide Seiten im kommenden Jahr in eine "Last Dance"-ähnliche Saison gehen könnten.

Und Carrolls Perspektive? Ich habe jetzt viel über Wilson geschrieben, aber ich würde auch klar sagen, dass Carroll so wie er nach wie vor spielen will - mit einer starken Defense, welche er aber nunmehr seit mehreren Jahren nicht mehr hatte, sowie einer prominenten Rolle des Run Games - einen Quarterback wie Wilson braucht, um damit in der heutigen NFL konkurrenzfähig zu sein.

Bengals-Offense, Toney, Lance: Einige Notizen im Schnelldurchlauf

  • Die Bengals Offense ist stark - und hat ein Limit: Erst einmal freut es mich, dass diese absurde Preseason(!)-Storyline schon längst wieder zu den Akten gelegt werden kann: Ja'Marr Chase ist ein toller Receiver, und die Connection zu Joe Burrow ist offensichtlich. Teilweise ist es schon auffällig, wie intensiv Burrow seinen einstigen College-Receiver sucht. Auffällig fand ich gegen die Packers auch, wie häufig ich mir in verschiedenen Varianten notierte, dass die Bengals viel von Burrow aus der Pocket verlangen, und das noch immer hinter einer wackligen Offensive Line. Green Bay bekam gerade in der ersten Hälfte viel Druck aus dem 4-Men-Rush auf Burrow, mehrfach schlug auch der Linebacker-Blitz ein und mir fehlen die Ideen, wie die Offense schematisch damit umgehen möchte. Burrow hatte seine Fehler, die Interception beim Rollout zeigte auf, dass seine Armstärke eben nicht auf allerhöchstem Level ist, und die Interception in Overtime war offensichtlich ein Abstimmungsfehler mit Tyler Boyd und sah dann richtig hässlich aus. Aber einmal mehr hatte Zac Taylor einige kuriose Play-Calls in seinem Köcher, und die klare Identität seiner Offense suche zumindest ich nach wie vor vergebens. Die Line ist eine offensichtliche Schwachstelle, aber bei Taylor liegt für mich weiterhin die Limitierung einer talentierten Offense.
  • Kadarius Toney ist angekommen: Ja, zugegeben, der Schlag spät im Spiel - auf den Helm, noch dazu, eine Dummheit besonderer Ausprägung - war wenig ruhmreich. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kadarius Toney ein absolutes Breakout-Spiel gegen die Cowboys hatte. Ich hatte mir relativ zufällig erst Ende der Woche noch Toneys Auftritt in der Vorwoche gegen die Saints angeschaut, und war positiv überrascht. Die Explosivität war zu sehen, Toney kreierte auf die gleiche Art und Weise Separation wie schon zuvor im College. Und ich fand es auch ermutigend, wie er in jenem Spiel eingesetzt wurde. Doch gegen die Cowboys packte Jason Garrett zumindest in dieser Hinsicht nochmal eine ganze Schippe drauf: Toney wurde überall eingesetzt, im Kurzpassspiel, aber auch Outside bei vertikalen Konzepten. Und er sorgte für einige spektakuläre Plays, zeigte seine Agilität, und verzeichnete zehn Catches für 189 Yards. Nicht nur falls Barkley jetzt abermals ausfallen sollte, wären die Giants gut beraten, sich etwas Inspiration bei Teams wie Kansas City zu holen, um ein effektiveres Kurzpass-YAC-Spiel aufzuziehen, und so der Offense eine höhere Baseline zu geben. Toney ist dafür wie gemacht. Und dass er mehr kann, war diesen Sonntag zu sehen.
  • Wie bitter kann eine Niederlage sein? Die Detroit Lions scheinen dieser Tage auf der Suche nach neuen Schmerzgrenzen zu sein. Dan Campbells Aggressivität gegen die Vikings wurde nicht belohnt, nachdem Detroit abermals ein enges Spiel geführt und vermeintlich mit der 2-Point-Conversion zum Abschluss die Partie bereits gewonnen hatte. Campbells Auftritt bei der Pressekonferenz im Anschluss unterstrich, wie emotional und auch wie nah er dieses Team führt, und diesen ehrlichen Moment fand ich in gewisser Weise sehr schön, auch wenn Campbell und alle Lions-Fans mit Sicherheit lieber den Sieg gehabt hätten. Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich über Detroit schreibe, dass das Team sich nicht aufgibt, dass man aus den limitierten Möglichkeiten noch viel rausholt, und dass man regelmäßig individuell deutlich bessere Teams ärgert. Campbells Art ist dabei absolut positiv, und der erste Eindruck legt nahe, dass er auch mehr ist als der "Rah-Rah-Football-Guy". Und einer meiner ersten Gedanken nach diesem Spiel war: Für Spieler kann es durchaus attraktiv sein, für einen solchen Head Coach zu spielen.
  • Warum bleibt Shanahan bei Garoppolo? Ich weiß, ich habe über dieses Thema in den letzten fünf Wochen schon häufiger geschrieben. Deshalb will ich es auch gar nicht mehr so ausführlich breittreten. Aber ich war schon überrascht, als Shanahan direkt nach der Niederlage in Arizona ankündigte, dass Jimmy Garoppolo der Starter bleibt. Die 49ers haben jetzt ihre Bye Week, insofern würde ich dementsprechend davon ausgehen, dass Garoppolo danach als Starter zurückkehrt. Ich verstehe nur nicht ganz, warum. Es war nicht so, als hätte Lance gegen Arizona die Sterne vom Himmel gespielt - aber nach der frühen Interception, wo er seinen Receiver deutlich überwarf, stabilisierte er sich als Passer zunehmend und hatte noch Pech, dass mehrere gute Pässe von ihm als Drops seiner Receiver endeten. Ohne Kittle, hinter einer Line die phasenweise dominiert wurde, gab Lance den Niners Möglichkeiten im Run Game und dadurch einen offensiven Puls. Ich kann mir ehrlich gut vorstellen, dass Garoppolo unter diesen Umständen schwächer gespielt hätte. Ich verstehe, dass das Playbook für Shanahan mit Garoppolo aktuell noch weiter offen ist. Aber Lance war keinesfalls verloren in seinem ersten Start, und an dem Punkt - verglichen mit den durchaus realen Schwachstellen, die Garoppolo ja auch mitbringt - überwiegen für mich die positiven Aspekte, Lance jetzt weiterspielen und lernen zu lassen. Es wäre ja eine andere Diskussion, wenn Garoppolo überraschend gut spielen würde. Aber an dem Punkt sind wir einfach nicht.

Die Saints müssen Winston mehr vertrauen

Es war die komplette Jameis-Winston-Achterbahn gegen Washington, schon früh im Spiel. Eine hässliche Interception gleich beim ersten Drive, gefolgt von einem 72-Yard-Touchdown auf Harris. Einem Strip-Sack beim nächsten Drive folgte ein weiterer Touchdown-Drive direkt danach, und an dem Punkt waren wir immer noch mittendrin in der ersten Hälfte.

Am Ende standen 6,7 Yards pro Play, zwölf First Downs durch die Luft und 0,27 Expected Points Added pro Pass-Play. Auf die Saison betrachtet wäre das ligaweit gesehen ein Top-8-Wert.

Und es waren wilde Plays dabei, die zu diesem Gesamt-Output führten - allen voran der 49-Yard-Hail-Mary-Touchdown in der Schlusssekunde der ersten Hälfte. Plays, die eben schwer zu wiederholen oder als Baseline für irgendetwas zu gebrauchen sind.

Aber doch sind es mit Winston immer wieder auf die eine oder andere Art - also im positiven wie im negativen Sinne - die Big Plays, die Winstons Spiel prägen.

Wenn ich mir die aktuelle Situation dieses Kaders anschaue, mit einer inkonstanten Secondary, mit einer angeschlagenen Offensive Line, mit wenigen Waffen in der Offense - hier immerhin gibt es Hoffnung durch die baldige Rückkehr von Michael Thomas - dann entsteht ein relativ klares Bild: Wollen die Saints dieses Jahr Playoffs spielen, dann müssen sie aggressiver werden.

Es gibt nicht viele Optionen, wie sie das erreichen können, um tatsächlich dem Team ein ernsthaft höheres Ceiling zu geben - vermutlich nur eine, und die lautet Jameis Winston.

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Die Winston-Achterbahn als einzige Hoffnung

Winston bringt eine enorme Varianz in seinem Spiel mit, und es war vom ersten Spiel an überdeutlich, dass Coach Sean Payton die in möglichst effektive Bahnen lenken wollte.

Das klappte gegen die Packers auch exzellent, aber vermutlich wird es nie wieder derart ertragreich funktionieren. Letzte Woche bereits spielte Winston sehr gut, aber die Saints nahmen ihm den Ball aus der Hand - mal um Taysom Hill tief attackieren zu lassen, mal um den Ball wieder mehr zu laufen -, und man könnte argumentieren, dass das sie maßgeblich das Spiel gekostet hat.

Die Saints-Teams der letzten Jahre operierten auf eine Art und Weise, die ein hohes Maß an Präzision und einen geringen Spielraum für Fehler mit sich brachte. Lange Drives, ein extrem akkurater Quarterback, viele Rädchen, die ineinander greifen. Selbst beide Seiten des Balls wirkten häufig gemeinsam in sich schlüssig.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es Payton schwerfällt, sich davon zu lösen. Winston die Zügel in die Hand zu geben, heißt auch, mit mehr Unberechenbarkeit in der eigenen Offense zu leben, und die allermeisten Coaches in der NFL mögen wenige Dinge so wenig wie Unberechenbarkeit.

Aber wenn die Saints um ein Playoff-Ticket mitspielen wollen, brauchen sie die Chance, dass sie einige High-End-Winston-Spiele bekommen. Mit Winston als unauffälligem Game Manager wird nicht mehr als eine Saison im Mittelmaß dabei herausspringen, und das Team bleibt durch die Baustellen auf beiden Seiten des Balls auch in dem Fall inkonstant.

Panthers und Broncos: Wohin geht die Reise?

Ich hatte letzte Woche über Baker Mayfield geschrieben, und die spannende finanzielle Entscheidung, die hier bevorsteht. Mayfield ist ganz offensichtlich ein Produkt des Schemes und profitiert enorm von Kevin Stefanskis Offense - gleichzeitig hat er bewiesen, dass er diese Offense auf sehr hohem Level umsetzen kann, was selbstredend ernsthaften Value hat. Aber wie bewertet man das am Verhandlungstisch? Vergibt man dafür Top-3-Quarterback-Geld?

Diese Dynamik wird noch spannend zu beobachten, während parallel Lamar Jackson in Baltimore aus der gleichen Quarterback-Klasse ebenfalls seinen Vertrag noch nicht erhalten hat - nachdem, ebenfalls aus der 2018er Klasse, Josh Allen nach einer herausragenden Saison bereits abgeräumt hat. Aber vor allem thematisiert es einen übergreifenden Punkt: Gibt es überhaupt so etwas wie eine Quarterback-Mittelklasse in der NFL? Und was ist die wert?

Oder anders gefragt: Wenn man keinen der Elite-Quarterbacks hat, oder zumindest einen Quarterback im Dunstkreis dieser Spitzengruppe, welcher in einzelnen Spielen nach oben klettern kann - müsste man dann nicht immer aggressiv auf der suche nach einem ebensolchen Quarterback sein? Oder ist das zu sehr in Extremen gedacht, und das Quarterback-Mittelmaß hat seine Daseinsberechtigung?

Dann nämlich, wenn man einen guten Kader hat, und kompetitiv sein will? Vielleicht darauf spekulieren, dass in besseren Umständen ein Sam Darnold sein Potenzial ausschöpft? Vielleicht darauf hoffen, dass mit einer Elite-Defense und sehr guten Playmakern ein Game Manager Teddy Bridgewater reicht, um einen Märchen-Playoff-Run hinzulegen?

Nicht jeder kann einen Top-Quarterback haben, es gibt nur wenige Kandidaten, die dafür überhaupt in Frage kommen. Und keine Franchise wird mit einem guten Kader einfach eine Saison wegwerfen, weil man keinen Top-Quarterback in Aussicht hat.

Panthers und Broncos in der Realität angekommen

Aber diese ersten Wochen der Saison waren auch wieder ein warnender Hinweis darauf, wie fragil ein solches Konstrukt sein kann. Weil es immer schwieriger wird, auf dem Rücken einer dominanten Defense Woche für Woche Spiele zu gewinnen, oder mit einem reinen Game Manager gerade so gut genug zu sein, dass man oben mitspielen kann.

Das wird vor allem dann deutlicher, wenn man es mit besseren Gegnern zu tun hat. Wenn der Quarterback das Spiel gewinnen muss, zumindest zwei, drei kritische Scoring Drives in der Crunchtime hinlegen muss.

Bei Sam Darnold und den Panthers war das bereits letzte Woche zu sehen, als Carolina gegen Dallas in einem Shootout mitgehen musste. Die Panthers kamen in mehr offensichtliche Passing-Situationen, und Darnold machte Fehler. Dann war er zu spät mit seinen Entscheidungen, dann wackelte er sichtbar.

Ein Shootout war es gegen die Eagles nicht, aber es war konstant ein enges Spiel und die Panthers konnten den Ball nicht konstant laufen. Gegen eine Defense, deren Front ihn unter Druck setzte, machte er zu viele Fehler und kostete sein Team letztlich das Spiel. Der Pass kurz vor der eigenen Endzone nach außen wäre selbst dann eine fragwürdige Entscheidung gewesen, wenn der Ball angekommen wäre - er unterwarf ihn aber und Slay konnte ein Play machen. Ein weiterer Pick war über die Mitte klar in Coverage, Darnold machte viele Fehler in diesem Spiel, insbesondere unter Druck waren es die zu viele Patzer.

Die Broncos derweil hatten in Person von Teddy Bridgewater bereits vor dessen Probleme gegen Baltimore auffällige Probleme, und waren dann gegen Pittsburgh lange offensiv abgemeldet, ehe es spät doch nochmal eng wurde.

No Quarterback, no Party

Beide diese Teams waren mit 3-0 in die Saison gestartet, beide mit relativ simplen Schedules, und beide stehen jetzt nach fünf Wochen deutlich realistischer da. Beide können unangenehme Gegner sein, aber beide werden Probleme haben, oben mitzuspielen, geschweige denn einen Playoff-Run gegen die Elite ihrer Conference hinzulegen.

Was zur Quarterback-Frage zurückführt.

Ein richtiges Problem wird es aber dann, wenn man anfängt, um einen dieser Quarterbacks ernsthaft ein Titelfenster anzupeilen. Dann nämlich ist die Gefahr extrem hoch, sich ins Liga-Mittelmaß zu befördern. Dann gewinnt man zu viele Spiele, um hoch zu picken, und der Salary Cap lässt im Vergleich auch immer weniger große Sprünge in der Free Agency zu.

Was dann wieder zur Einstiegsfrage zurückführt. Wenn es riskant ist, mit einem Mittelmaß-Quarterback in den Kader zu investieren, wo zieht man als Team die Grenze? Sollten die Panthers Stephon Gilmore einen neuen Vertrag geben, oder wäre es mittel- und langfristig die falsche Entscheidung, um Darnold herum einen Contender-Kader aufzubauen?

Meine Tendenz geht klar Richtung Letzterem. Was dann wiederum die Frage zulassen würde: Auch wenn ein Bridge-Quarterback manchmal unvermeidlich ist und sogar sinnvoll sein kann, gibt es wenig Grund dafür, sich aus Roster-Building-Sicht darauf einzulassen. Denn die Lektion aus der Frühphase dieser Saison ist einmal mehr: No Quarterback, no Party.