SPOX-Redakteur Marcus Blumberg beantwortet Eure Fragen zum Spieltag.
Die Tennessee Titans ohne Derrick Henry
FRunner08: Nach der Lobhudelei nun die Ernüchterung: Derrick "The GOAT" lief die letzten zwei Spiele für weniger als 3 Yards pro Run. Dazu kein TD. Wie sind die Titans zu erklären? Zwei tolle Siege, trotz gemäßigtem REC-Corp (Julio verletzt), aber natürlich mit Rückkehrer AJ BROWN!
Die Frage mag nun etwas obsolet sein, da sich Derrick Henry bekanntermaßen schwer am Fuß verletzt hat und womöglich den Rest der Saison verpassen wird. Doch lässt sich relativ leicht erklären, warum Henry speziell gegen die Chiefs nicht mehr so effizient gelaufen ist wie zuvor.
Ein Blick auf die All-22-Tapes verrät, dass die Gegner - die Chiefs, aber auch die Colts in Woche 8 - gegen Henry in aller Regel auf sogenannte Stacked Boxes setzen, sprich: Sie überladen den Bereich nahe der Line of Scrimmage mit mehr Verteidigern als die sieben, die normalerweise dort stehen in Base-Defenses. Das macht dann auch Henry hin und wieder das Leben schwer.
Natürlich sei erwähnt, dass das keine Seltenheit für ihn ist. Im Gegenteil: Laut der Metrik "Defenders in the Box Over Expected" von FiveThirtyEight.com liegt Henry auf Rang zwei der NFL mit 0,57 DBOE - er sieht also im Schnitt einen halben Verteidiger mehr nahe der Line als zu erwarten wäre.
Dies ist allerdings das Los eines erfolgreichen Running Backs - er wird viele Runs haben, die ins Nichts führen und die dann in Highlight-Videos nicht auftauchen. Henry allerdings hat eben auch immer explosive Runs, die spektakulär aussehen und seinen Lauf-Schnitt erhöhen. Eine Charakteristik, die auch auf Adrian Peterson zutrifft, der Henry nun ersetzen soll. Und jene explosiven Runs blieben eben aus in den vergangenen Spielen. Das heißt aber nicht, dass die Liga nun etwas herausgefunden hätte, was sie vorher nicht wusste.
Tennessee Titans: Derrick Henry hilft auch, ohne selbst zu glänzen
Und dass Tennessee zuletzt dennoch Erfolg hatte, hing eben auch mit den defensiven Tendenzen gegen sie zusammen. Wenn man acht oder mehr Spieler in die Box stellt, dann agiert man eben auch ohne Sicherheitsnetz dahinter. Sprich: Die Defensive Backs müssen Man Coverage spielen und mit Safety-Hilfe ist auch nur bedingt zu rechnen. Und wenn jemand Man Coverage schlägt, dann Wide Receiver A.J. Brown, der seit seiner Rückkehr von der Oberschenkelverletzung wieder groß aufspielt. Gleiches ist von einem fitten Julio Jones ebenfalls zu erwarten.
Was bei den Titans obendrein dieser Tage gut funktioniert, ist der Pass Rush, der im Vorjahr noch brach lag und nun durchaus zu einer Stärke wurde. Die Line bringt es derzeit auf eine Adjusted Sack Rate von 6,6 Prozent, womit sie auf Rang 11 der Liga liegt. Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 3,9 Prozent (Rang 31).
Wie nicht zuletzt die Siege über die Chiefs und Bills gezeigt haben, ist es Gold wert in der heutigen NFL, Pass Rush erzeugen zu können, ohne zu blitzen. So kann man dann gerade gegen Offenses wie die genannten mit Zone Coverage und zwei tiefen Safetys deren Big-Play-Potenzial signifikant verringern und solche Teams dazu zwingen, ein Spiel zu spielen, was ihnen nicht unbedingt liegt.
Die große Frage für die Titans nach dem Henry-Ausfall ist jetzt, inwiefern das gegnerische Defenses dazu verleiten wird, in Zukunft wieder mit leichteren Boxes zu spielen und dann eventuell Brown zu doppeln, also mit Safety-Hilfe zu covern, um dessen Kreise einzudämmen. Hier wäre dann eine baldige vollständige Genesung von Jones von Vorteil.
Wichtig wird aber in jedem Fall sein, die übliche Herangehensweise in der Offense auch ohne Henry beizubehalten. Das gilt in erster Linie für die zahlreichen Play-Action-Spielzüge, mit denen Ryan Tannehill seit Jahren den größten Schaden anrichtet. Denn Play Action funktioniert nun mal unabhängig von der Qualität des Run Games sehr gut in der NFL.
Die New Orleans Saints ohne Jameis Winston
Henry_b_m, OnLy_L_P, reukauf_tino, theLord1888: Was machen die Saints jetzt? Ist das Cap überhaupt da, um noch einen Backup QB zu holen?
Es gab sehr viele Fragen zu den Saints, die den Rest der Saison auf Quarterback Jameis Winston verzichten müssen. Vorneweg: Die Option, einen Free Agent zu holen, gibt es nicht. Und ein Trade vor der Deadline am Dienstag war auch fast ausgeschlossen. Laut Over The Cap haben die Saints aktuell lediglich noch Cap Space in Höhe von rund 892.000 Dollar.
Doch braucht es überhaupt externe Hilfe? Meiner Meinung nach eigentlich nicht, denn im Grunde steht das aktuelle Gerüst der Saints. Ob da nun Winston mit angezogener Handbremse - im Vergleich zu seinen finalen zwei Jahren in Tampa Bay warf er den Ball im Schnitt zwei Yards kürzer pro Passversuch - oder eben Trevor Siemian kurze Pässe auf Alvin Kamara wirft oder jenem den Ball per Hand-Off reicht, mag da keine entscheidende Rolle spielen. Zudem besteht nach Winstons Verletzung auch wieder die Chance, dass Sean Payton sich dazu entschließt, Taysom Hill wieder mehr ins Spiel einzubeziehen - vorausgesetzt, dass dieser seine Gehirnerschütterung und die Folgen davon auskuriert. Jener spielte seit Woche 5 nicht mehr und steht immer noch im Concussion-Protokoll.
Doch mit Hill oder ohne bleibt dieses Team eines, dass eher aufs Run Game und kurze Pässe setzt. Die Offensive Line ist eine große Stärke des Teams, während das Run Game durch den Trade für Mark Ingram (von Houston) nochmal gestärkt wurde. Entsprechend wird darauf auch weiterhin der Fokus liegen, zumal das Receiving Corps gerade ohne Michael Thomas, dessen Rückkehr weiter in den Sternen steht, eines der schwächsten der NFL ist.
Payton versteht es wie wenige andere Coaches, sich an den Stärken seines Teams zu orientieren und das bedeutet in diesem Fall, eher konservativ zu spielen. Der Fokus liegt auf Sicherung des Balls, Ballkontrolle und guter Defense. Jene ist laut Football Outsiders mit -16,3 Prozent DVOA derzeit die dritteffizienteste der Liga und zeigte das auch gegen die Buccaneers.
Was das Kräfteverhältnis der NFC betrifft, gehörten die Saints schon vor Winstons Verletzung nicht zu den Topteams, entsprechend ändert sich daran nun auch nichts. Doch aufgrund ihrer genannten Stärken sind sie definitiv ein Wildcard-Anwärter und ein unangenehm zu spielender Gegner.