NFL Mailbag: Die Tennessee Titans ohne Derrick Henry

Marcus Blumberg
03. November 202110:22
Derrick Henry wird den Titans 2021 wohl nicht mehr zur Verfügung stehen.getty
Werbung

Wie geht es für die Tennessee Titans ohne Derrick Henry weiter und wie für die New Orleans Saints ohne Jameis Winston? Außerdem: Welche Starting-Quarterbacks sehen wir 2022 nicht mehr bei ihren aktuellen Teams und was macht eigentlich Jakob Johnson?

SPOX-Redakteur Marcus Blumberg beantwortet Eure Fragen zum Spieltag.

Die Tennessee Titans ohne Derrick Henry

FRunner08:Nach der Lobhudelei nun die Ernüchterung: Derrick "The GOAT" lief die letzten zwei Spiele für weniger als 3 Yards pro Run. Dazu kein TD. Wie sind die Titans zu erklären? Zwei tolle Siege, trotz gemäßigtem REC-Corp (Julio verletzt), aber natürlich mit Rückkehrer AJ BROWN!

Die Frage mag nun etwas obsolet sein, da sich Derrick Henry bekanntermaßen schwer am Fuß verletzt hat und womöglich den Rest der Saison verpassen wird. Doch lässt sich relativ leicht erklären, warum Henry speziell gegen die Chiefs nicht mehr so effizient gelaufen ist wie zuvor.

Ein Blick auf die All-22-Tapes verrät, dass die Gegner - die Chiefs, aber auch die Colts in Woche 8 - gegen Henry in aller Regel auf sogenannte Stacked Boxes setzen, sprich: Sie überladen den Bereich nahe der Line of Scrimmage mit mehr Verteidigern als die sieben, die normalerweise dort stehen in Base-Defenses. Das macht dann auch Henry hin und wieder das Leben schwer.

Natürlich sei erwähnt, dass das keine Seltenheit für ihn ist. Im Gegenteil: Laut der Metrik "Defenders in the Box Over Expected" von FiveThirtyEight.com liegt Henry auf Rang zwei der NFL mit 0,57 DBOE - er sieht also im Schnitt einen halben Verteidiger mehr nahe der Line als zu erwarten wäre.

Dies ist allerdings das Los eines erfolgreichen Running Backs - er wird viele Runs haben, die ins Nichts führen und die dann in Highlight-Videos nicht auftauchen. Henry allerdings hat eben auch immer explosive Runs, die spektakulär aussehen und seinen Lauf-Schnitt erhöhen. Eine Charakteristik, die auch auf Adrian Peterson zutrifft, der Henry nun ersetzen soll. Und jene explosiven Runs blieben eben aus in den vergangenen Spielen. Das heißt aber nicht, dass die Liga nun etwas herausgefunden hätte, was sie vorher nicht wusste.

Derrick Henry wird den Titans 2021 wohl nicht mehr zur Verfügung stehen.getty

Tennessee Titans: Derrick Henry hilft auch, ohne selbst zu glänzen

Und dass Tennessee zuletzt dennoch Erfolg hatte, hing eben auch mit den defensiven Tendenzen gegen sie zusammen. Wenn man acht oder mehr Spieler in die Box stellt, dann agiert man eben auch ohne Sicherheitsnetz dahinter. Sprich: Die Defensive Backs müssen Man Coverage spielen und mit Safety-Hilfe ist auch nur bedingt zu rechnen. Und wenn jemand Man Coverage schlägt, dann Wide Receiver A.J. Brown, der seit seiner Rückkehr von der Oberschenkelverletzung wieder groß aufspielt. Gleiches ist von einem fitten Julio Jones ebenfalls zu erwarten.

Was bei den Titans obendrein dieser Tage gut funktioniert, ist der Pass Rush, der im Vorjahr noch brach lag und nun durchaus zu einer Stärke wurde. Die Line bringt es derzeit auf eine Adjusted Sack Rate von 6,6 Prozent, womit sie auf Rang 11 der Liga liegt. Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 3,9 Prozent (Rang 31).

Wie nicht zuletzt die Siege über die Chiefs und Bills gezeigt haben, ist es Gold wert in der heutigen NFL, Pass Rush erzeugen zu können, ohne zu blitzen. So kann man dann gerade gegen Offenses wie die genannten mit Zone Coverage und zwei tiefen Safetys deren Big-Play-Potenzial signifikant verringern und solche Teams dazu zwingen, ein Spiel zu spielen, was ihnen nicht unbedingt liegt.

Die große Frage für die Titans nach dem Henry-Ausfall ist jetzt, inwiefern das gegnerische Defenses dazu verleiten wird, in Zukunft wieder mit leichteren Boxes zu spielen und dann eventuell Brown zu doppeln, also mit Safety-Hilfe zu covern, um dessen Kreise einzudämmen. Hier wäre dann eine baldige vollständige Genesung von Jones von Vorteil.

Wichtig wird aber in jedem Fall sein, die übliche Herangehensweise in der Offense auch ohne Henry beizubehalten. Das gilt in erster Linie für die zahlreichen Play-Action-Spielzüge, mit denen Ryan Tannehill seit Jahren den größten Schaden anrichtet. Denn Play Action funktioniert nun mal unabhängig von der Qualität des Run Games sehr gut in der NFL.

Die New Orleans Saints ohne Jameis Winston

Henry_b_m, OnLy_L_P, reukauf_tino, theLord1888: Was machen die Saints jetzt? Ist das Cap überhaupt da, um noch einen Backup QB zu holen?

Es gab sehr viele Fragen zu den Saints, die den Rest der Saison auf Quarterback Jameis Winston verzichten müssen. Vorneweg: Die Option, einen Free Agent zu holen, gibt es nicht. Und ein Trade vor der Deadline am Dienstag war auch fast ausgeschlossen. Laut Over The Cap haben die Saints aktuell lediglich noch Cap Space in Höhe von rund 892.000 Dollar.

Doch braucht es überhaupt externe Hilfe? Meiner Meinung nach eigentlich nicht, denn im Grunde steht das aktuelle Gerüst der Saints. Ob da nun Winston mit angezogener Handbremse - im Vergleich zu seinen finalen zwei Jahren in Tampa Bay warf er den Ball im Schnitt zwei Yards kürzer pro Passversuch - oder eben Trevor Siemian kurze Pässe auf Alvin Kamara wirft oder jenem den Ball per Hand-Off reicht, mag da keine entscheidende Rolle spielen. Zudem besteht nach Winstons Verletzung auch wieder die Chance, dass Sean Payton sich dazu entschließt, Taysom Hill wieder mehr ins Spiel einzubeziehen - vorausgesetzt, dass dieser seine Gehirnerschütterung und die Folgen davon auskuriert. Jener spielte seit Woche 5 nicht mehr und steht immer noch im Concussion-Protokoll.

Doch mit Hill oder ohne bleibt dieses Team eines, dass eher aufs Run Game und kurze Pässe setzt. Die Offensive Line ist eine große Stärke des Teams, während das Run Game durch den Trade für Mark Ingram (von Houston) nochmal gestärkt wurde. Entsprechend wird darauf auch weiterhin der Fokus liegen, zumal das Receiving Corps gerade ohne Michael Thomas, dessen Rückkehr weiter in den Sternen steht, eines der schwächsten der NFL ist.

Payton versteht es wie wenige andere Coaches, sich an den Stärken seines Teams zu orientieren und das bedeutet in diesem Fall, eher konservativ zu spielen. Der Fokus liegt auf Sicherung des Balls, Ballkontrolle und guter Defense. Jene ist laut Football Outsiders mit -16,3 Prozent DVOA derzeit die dritteffizienteste der Liga und zeigte das auch gegen die Buccaneers.

Was das Kräfteverhältnis der NFC betrifft, gehörten die Saints schon vor Winstons Verletzung nicht zu den Topteams, entsprechend ändert sich daran nun auch nichts. Doch aufgrund ihrer genannten Stärken sind sie definitiv ein Wildcard-Anwärter und ein unangenehm zu spielender Gegner.

NFL: Welche Starting-Quarterbacks werden 2022 ausgetauscht?

nemil72: Welche der Starting-QBs sehen wir nächstes Jahr nicht mehr als Starter?

Gehen wir die Liste mal durch. In der AFC dürfte Ben Roethlisberger ziemlich sicher seine letzte Saison in Pittsburgh spielen, zudem ist davon auszugehen, dass Davis Millsoder Tyrod Taylor nicht die langfristige Lösung in Houston sind. Zudem denke ich, dass auch Denver erneut eine Veränderung vornehmen und Teddy Bridgewater nicht als Starter halten wird.

In der NFC sehe ich weder Taylor Heinicke noch Ryan Fitzpatrick als künftige Starter in Washington, Jared Goff steht speziell mit der Perspektive auf den ersten Pick in Detroit vor der Ablösung und die 49ers werden wohl spätestens im kommenden Jahr Trey Lance gegenüber Jimmy Garoppolo den Vorzug geben.

Das sind für mich die klaren Streichkandidaten. Hinzu kommen noch einige Wackelkandidaten, die ich ein wenig intensiver beleuchten möchte:

Tua Tagovailoa (Miami Dolphins)

Eine QB-Wackelkandidatenliste kommt dieser Tage nicht ohne den Hawaiianer in Südflorida aus. Tua zeigte zuletzt aufstrebende Form nach der Rückkehr von seiner Rippenverletzung. Gegen die Bills am Sonntag zeigte er dann aber doch wieder die altbekannten Defizite - er hielt den Ball zu lange, war zu zögerlich und warf den Ball in der Regel zu kurz, um gerade bei 3rd Down erfolgreich zu sein. Freilich ist die Offensive Line vor ihm weiterhin ein großes Problem, für das er persönlich wenig kann. Doch er hilft eben auch nicht.

Unterm Strich würde ich Tagovailoa im Vergleich zu seiner durchwachsenen Rookie-Saison durchaus einen Fortschritt attestieren, aber eben keinen signifikanten. Es kann durchaus sein, dass Miami ihm dennoch eine weitere Chance gibt, vielleicht dieses Mal mit einer verbesserten Line, doch allzu viel Geld würde ich nicht darauf setzen. Vielmehr ist es denkbar, dass ihm erneut ein fähiger Mann an die Seite gestellt wird - sei es ein Veteran wie Fitzmagic im Vorjahr oder ein Rookie, der eine langfristige Alternative sein könnte.

Carson Wentz (Indianapolis Colts)

Kollege Adrian Franke hat bereits am Montag ausführlicher über die Wentz-Situation geschrieben und damit im Grunde eine beliebte Leser-Frage beantwortet - nein, die Colts sollten nicht den vollen Preis für Wentz zahlen, sprich: sie sollten versuchen, seine Spielzeit auf unter 75 Prozent der Offensiv-Snaps zu drücken, um den eigenen Erstrundenpick nicht an die Eagles abgeben zu müssen.

Das allerdings schließt nicht aus, dass Wentz im kommenden Jahr noch der Starter der Colts wäre, zumal sein Vertrag noch bis 2024 läuft. Die Frage wäre allerdings, ob die Colts Wentz mit einer solchen Maßnahme nicht als Leader in der Kabine verbrennen würden. Oder ob darunter das gute Verhältnis zu Head Coach Frank Reich leiden könnte. Wer sich erinnert, wird wissen, dass unter anderem Wentz' Versetzung auf die Bank spät in der Vorsaison zum Bruch mit Doug Pederson geführt hatte.

Und es ist zumindest mal keine klare Alternative zu Wentz am Horizont. Klar ist letztlich nur, dass der QB auch 2022 im Kader stehen wird, schließlich sind ihm 15 Millionen Dollar seines Gehalts in Höhe von 22 Millionen Dollar garantiert. Ab 2023 dann könnte man ihn ohne finanziellen Schaden loswerden.

Sollten die Colts die Saison mit einem Top-12-Pick abschließen, wäre die Chance auf einen Rookie-QB mit Perspektive aber immerhin größer, zumal das Gesamtgerüst des Kaders nach wie vor stabil aussieht. Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass Wentz zumindest nicht als klarer Starter in die neue Spielzeit geht.

Jalen Hurts (Philadelphia Eagles)

Das Thema Jalen Hurts habe ich vor kurzem schon mal beleuchtet. Und seither hat sich nicht gravierend viel geändert. Er hat unzweifelhaft Talent, aber wie viel Upside noch vorhanden ist zum bisher gezeigten, bleibt die große Frage. Er ist ein inkonstanter Passer, der Big-Play-Potenzial liefert. Zudem kann er auch mit den Füßen Plays machen und ist damit ein Faktor im Run Game, das generell eine Stärke der Eagles sein kann. Die Frage allerdings bleibt, ob mit ihm konstant Erfolg möglich ist. Die kommenden Wochen dürften speziell für Hurts ein längeres Bewerbungsgespräch sein, um zu zeigen, dass er der Mann für die Zukunft sein kann. Gelingt das nicht, sind die Eagles mit zahlreichen hohen Picks gespickt, um den QB der Zukunft an Land zu ziehen.

Sam Darnold (Carolina Panthers)

Auch zu den Panthers hatten wir erst kürzlich einen Artikel, in dem auch Darnold eine größere Rolle spielte. Er ist in einer ähnlichen Situation wie Wentz, wenn man so will. Auch ihn holte man mit der Hoffnung, dass ihn ein Tapetenwechsel auf ein höheres Level hieven könnte. Nach acht Wochen muss man diese Hoffnung aber eigentlich schon begraben.

Darnold ist sicherlich nicht so schlecht, wie er bei den Jets ausgesehen hat, aber er ist eben auch nicht so gut, dass man langfristig mit ihm planen sollte. Er hat sicherlich seine Momente, wird aber wohl kaum der Hauptgrund dafür sein, dass sein Team ein Spiel gewinnt. Bei ihm geht es darum, seine Fehler zu minimieren und ihn eben gewissermaßen zu verstecken. Das gelingt mit gutem Run Game, opportunistischer Defense und im Idealfall einem Superstar wie Christian McCaffrey an seiner Seite.

Bis auf McCaffrey griffen all diese Faktoren beim für mich überraschenden Sieg in Atlanta. Doch sind sie eben allesamt kein tragfähiges Konzept für einen längeren Zeitraum. Es kann sein, dass Darnold auch 2022 noch Starter ist, doch der Hauptgrund dafür wäre dann sein garantiertes Gehalt in Höhe von rund 18,9 Millionen Dollar, da die Panthers nach dem Trade ohne Not die Fifth-Year-Option seines Rookie-Deals gezogen hatten.

Jameis Winston (New Orleans Saints)

Wie schon weiter oben erwähnt, ist Winston sicherlich nicht der Heilsbringer der Saints. Er spielte bis zu seiner schweren Knieverletzung eine ordentliche Saison mit ein paar Highlights, aber eben auch mit der einen oder anderen Schwäche. Insgesamt gelang es Payton ziemlich gut, seine Fehler zu minimieren und ihn in sein auf Sicherheit bedachtes System zu pressen. Doch ist das wirklich die Art Spiel, die sich Payton für die Zukunft vorstellt? Nach den fetten Jahren mit Drew Brees denke ich das nicht.

Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass die Saints ihren soften Rebuild fortführen und vielleicht schon im kommenden Jahr einen neuen Quarterback holen werden - auch deshalb, weil es nicht garantiert ist, dass Winston nach seinem Kreuzband- und Innenbandriss zum Saisonstart schon wieder mitwirken kann. Und der "Neue" könnte durchaus auch Taysom Hill heißen, sollte der einen gehörigen Schritt machen in den kommenden Wochen und Monaten. Dieses Szenario ist nicht wahrscheinlich, aber möglich.

Mailbag: Jakob Johnson und das Problem mit Hybrid-Kickern

jhkruse87: Wie bewertest du die Saison von Jakob Johnson?

Vor der Saison war ich mir nicht sicher, ob die Patriots noch sehr viel Verwendung haben würden für unseren Deutschen. Grund dafür waren die Offseason-Verpflichtungen auf der Tight-End-Position mit Hunter Henry und Jonnu Smith.

Meine Überlegung war seinerzeit, dass New England in dieser Saison hauptsächlich in 12-Personnel, also mit 2-Tight-End-Sets auflaufen und damit keinen Fullback mehr brauchen würde. Die Realität jedoch sieht zumindest mal etwas anders aus.

Bis hierhin hält sich nämlich die Usage-Rate dieser Gruppierungen in etwa die Waage. Die Patriots liefen bislang in 19 Prozent ihrer Offensiv-Snaps in 12-Personnel und in 17 Prozent ihrer Snaps in 21-Personnel (2 Running Backs) auf. Zudem sei erwähnt, dass Johnson in 26 Prozent aller Offensiv-Snaps des Teams auf dem Feld stand.

Und wenn er auf dem Feld stand, machte er zumeist einen guten Job. Er ist hauptsächlich zum Blocken da und fällt da in der Regel nicht negativ auf. Zuletzt zeigte er auch, dass er mit Ball effizient sein kann, auch wenn diese Gelegenheiten wohl eher selten bleiben werden. Gegen die Jets in Woche 7 legte er seine bislang längste NFL-Reception über 29 Yards hin, während er bei seinem einzigen Catch gegen die Chargers nur knapp vor der Goal Line gestoppt wurde.

Die Coaches wiederum sind mit ihm sehr zufrieden, wie gerade Bill Belichick kürzlich auf einer Pressekonferenz bestätigte. Ein Grund dafür ist auch, dass der 26-Jährige auch in den Special Teams seinen Dienst überzeugend tut. Hier steht er aktuell in 42 Prozent der Snaps auf dem Feld.

Unterm Strich kann man sagen, dass Johnson zwar eine verhältnismäßig kleine Rolle im Team der Patriots hat, diese aber zur Zufriedenheit aller ausfüllt und damit seinen Platz im Kader mehr als rechtfertigt.

Was machen die Jets mit Mike White und Zach Wilson?

neoka1n, MarioFink2, Simon8are, burton77767: Nehmen wir einfach mal an Mike White liefert am Freitag Morgen und ggf 1-2 Spiele danach auch so ab. Was machen die Jets dann? White einfach wieder benchen wenn Wilson wieder fit ist?

Ich hatte ehrlich gesagt auf Fragen zu Mike White und den Jets gehofft. Insofern: Danke dafür!

White und der Sieg über die Bengals ist ein schönes Fallbeispiel für vieles in der heutigen NFL. Zum einen zeigt es, dass sogenannte "Trap Games" kein Mythos sind. Die Bengals, noch dazu ein recht junges, unerfahrenes Team, haben gerade erst die schier übermächtigen Ravens besiegt, sind entsprechend euphorisiert und haben als nächstes die Browns vor der Brust. Da kommt es dann schon mal vor, dass man die eigentlich aktuelle Herausforderung, in dem Fall die Jets, ein wenig aus den Augen verliert und in die Falle tappt.

Und das allein spielte denke ich eine große Rolle bei der Vorstellung der Jets und Mike White. Hinzu kommt - und diese Beobachtung lässt sich zum Beispiel auch im Baseball mit noch unbekannten Pitchern machen -, dass in der NFL das Advanced Scouting so detailliert und etabliert ist, dass man sich voll darauf verlässt und darauf vertraut, schlicht alles über einen Gegner zu wissen. Seine Art zu spielen, seine Tendenzen, wie er unter Druck reagiert und so weiter.

Bei White hingegen gibt es einfach kein Tape, dass diese Dinger verrät. Sicherlich hätte man sich altes Videomaterial aus seiner Collegezeit bei South Florida (2013-2014) oder Western Kentucky (2016-2017) anschauen können, aber wer weiß, was vom damaligen Spieler noch übrig geblieben ist? Und Preseason-Tape verrät in der Regel auch recht wenig. Es war nun mal Whites erster Start in der NFL und sein zweites Spiel überhaupt, nachdem er erst in der Vorwoche erstmals für den verletzten Zach Wilson ins Feuer geworfen wurde.

Und sicherlich machte er seine Sache gerade gegen Cincy sehr gut. Man wirft nicht einfach mal so für 400 Yards und 3 Touchdowns gegen eine bis dahin ziemlich gute Defense. Keine Frage! Aber White ist nicht der erste QB, der bei einem Spot-Start überzeugte, weil der Gegner schlicht keine klare Idee hatte, was auf ihn zukommt. Und daher sollte man nun nicht überreagieren und ihn zum Franchise-Quarterback ernennen. Und das gilt auch für den Fall, dass er nun am Donnerstag bei den Colts (Nacht auf Freitag ab 1.20 Uhr live auf DAZN) erneut groß aufspielen sollte.

Darüber hinaus kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Jets zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft darüber nachdenken, Wilson aufzugeben. Er ist der zweite Pick insgesamt im jüngsten Draft und hat unzweifelhaft großes Potenzial. Dass er sehr viele Fehler gemacht hat bisher, ist zwar bedenklich, aber noch kein Grund, ihn schon jetzt aufzugeben. Ein Peyton Manning zum Beispiel warf einst 28 Interceptions als Rookie. Sicherlich muss man eventuell nach der Saison drüber nachdenken, ob die richtigen Coaches an der Entwicklung des QBs beteiligt sind, aber Wilson dürfte sehr sicher auch 2022 der Starter der Jets sein, zumal andernfalls General Manager Joe Douglas schon früh unangenehme Fragen beantworten müsste nach einer derart großen Investition in seinen QB.

Und was White angeht: Sollte der tatsächlich auch dann noch überzeugen, wenn sich die Konkurrenz auf ihn eingestellt hat, dann hätte man aus Jets-Sicht zumindest mal ein interessantes Asset an der Hand. Sein Vertrag läuft aus, aber ein Franchise Tag könnte ihn dann zum Tradechip machen. Andernfalls wäre er dann ein interessanter Free Agent auf dem Markt.

Die Chancen, dass das aber so eintritt, bleiben eher gering, denn wer es erst in seinem vierten Jahr in der Liga überhaupt mal auf den Platz schafft, wird vermutlich nicht einfach von mehreren Teams - er war ein Draftpick der Cowboys 2018 - übersehen worden sein.

NFL: Das Problem mit Hybrid-Kickern

Das_KGB: Wieso haben NFL-Teams keinen Backup für den Kicker? Sind Punter und Kicker nicht in einem Special Team? Muss da nicht jeder ein bisschen das können, was der andere kann?

Angesichts des Ausfalls von Chris Boswell bei den Steelers im Spiel bei den Browns ist die Frage natürlich perfekt. Grundsätzlich ist es bekanntlich so, dass es nur 53 Spieler im aktiven Kader gibt und nur 46 im Spieltagskader. Das heißt schon mal, dass der Platz begrenzt ist und Kicker und Punter zwar wichtig sind, aber nicht so wichtig, dass man für sie Backups beschäftigen würde. Es gibt Teams, die unter bestimmten Umständen einen Extra-Kicker im Practice Squad haben, der nach aktuellen Regularien zum Spieltag jeweils aktiviert und in den aktiven Kader berufen werden kann. Aktuelle Beispiele sind etwa Nick Folk bei den Patriots, der zu Saisonbeginn nur im Practice Squad war und erst durch die Verletzung von Quinn Nordin (IR) befördert wurde. Oder der Deutsche Dominik Eberle, der gleich bei mehreren Teams Teil der Practice Squad war, zuletzt bei den Panthers.

Entsprechend hatten die Steelers nach Boswells Gehirnerschütterung auch keinen Ersatzmann parat, der direkt hätte einspringen können. Und das bringt uns zum zweiten Teil der Frage: Klar gehören Punter und Kicker dem gleichen Special Team an, aber nur in dem Sinne, dass beim Kicking meist beide auf dem Feld sind - der Punter fungiert in zahlreichen Teams als Holder. Doch sind Kicker und Punter zwei grundlegend andere Positionen. Es gibt natürlich Kicker, die auch punten können und umgekehrt. Auch ist es nicht unüblich, dass der Punter Kick-Offs ausführt. Doch das präzise Kicken bei einem Field-Goal-Versuch ist schon nochmal etwas ganz anderes.

Der frühere Punter der Vikings, Chris Kluwe, erklärte vor ein paar Jahren auf Reddit (sic!) mal, warum es keine Vollzeit-Hybrid-Spieler für beide Disziplinen gibt. In erster Linie liegt das an der Bewegung beim Kicken und Punten. Beim Kicken wird die Hüfte gewissermaßen in einer Schwenk-Bewegung benutzt, beim Punten ist es eher eine gerade Bewegung von unten nach oben. Und beides strapaziert unterschiedliche Muskelpartien, die teilweise sogar gegenläufig arbeiten. Macht man das nun regelmäßig, steigt auch das Verletzungsrisiko.

Zudem sei noch gesagt, dass Kicker und Punter in puncto Belastungssteuerung besonders beobachtet werden und auch darauf geachtet wird, diese nicht überzustrapazieren unter der Woche im Training. Daher werden entsprechende Trainingseinheiten in der Regel auch gestaffelt an festgelegten Tagen veranstaltet. Und der Kicker bekommt bei vielen Teams zwei Tage Pause vor dem Spiel.