Greifen die Seahawks jetzt nochmal ins Playoff-Rennen ein? Was bedeutet die Pleite in Detroit für die Vikings? Haben die Colts mit dem Wentz-Trade doch den richtigen Quarterback für sich geholt? SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 13 in der NFL.
Wenn man in einigen Wochen auf diesen Spieltag zurückblickt, würde es mich wundern, wenn etwas anderes als der erste Sieg der Detroit Lions in dieser Saison die oberste Storyline wäre.
Allein die emotionale Explosion in Detroit, zwischen Goff, für den es der erste NFL-Sieg ohne Sean McVay war, und Coach Dan Campbell, der dieses Team mental in der Saison gehalten hat, wird noch eine Weile im Rückspiegel zu sehen sein.
Die Lions haben immer noch gute Chancen, im kommenden April den Nummer-1-Pick zu halten - allzu viele weitere Siege sehe ich nicht mehr im Lions-Schedule, auch wenn die Texans mit einem weiteren desolaten Auftritt ihre "Bewerbung" hierfür ebenfalls abgegeben haben.
Gut vorstellbar ist ebenfalls, dass wir dann in der Offseason auch mehr über Detroits Gegner vom Sonntag, die Minnesota Vikings, sprechen werden. Dazu später schon ein wenig mehr.
Los geht's aber mit dem komplett verrückten Spiel zwischen den Seahawks und den 49ers - und der Frage danach, welche übergreifenden Takeaways man daraus mitnehmen sollte, oder eben auch nicht.
1. Welche Takeaways bietet ein verrücktes Spiel in Seattle?
Ehrlicherweise weiß ich nicht einmal, wo ich bei diesem Spiel aus Niners-Sicht anfangen soll. Bei den beiden Garoppolo-Interceptions, einmal mehr über die Mitte? Bei anderen individuellen Patzern, wie dem Kickoff-Return-Fumble von Benjamin zum Start in die zweite Hälfte, dem Blocking-Debakel beim Safety? Bei dem kompletten Special-Team-Schläfchen bei Seattles 73-Yard-Fake-Punt-TD-Run?
Oder bei Shanahan, der unter der Woche offen zugab, dass Rookie Trey Lance so gar nicht zum Einsatz kommt, weil es seinen Rhythmus im Play-Calling zu sehr stören würde, zwischen den Quarterbacks zu wechseln - nur um dann bei Fourth Down einen Zone-Read-Run für Garoppolo anzusagen?
Wie wäre es mit der Defense, die gegen Seattle selbst in klaren Passing-Downs aus irgendeinem Grund auffallend häufig Single-High-Coverages spielte, statt Wilson und den Seahawks wie schon so viele Defenses in den vergangenen Wochen mit 2-High-Coverages Probleme zu bereiten und sie zu kurzen Pässen zu zwingen? Plötzlich waren die Shot Plays wieder da für Wilson, plötzlich klappten das Run Game und das Play-Action-Passspiel.
Die Niners enttäuschen - Playoffs trotzdem realistisch
Vielleicht ist das aber auch ein guter erster Ansatzpunkt: Ein Spiel in Woche 13 definiert kein Team, weder im positiven, noch im negativen Sinne. So merkwürdig und schwer nachvollziehbar einige dieser Patzer auch waren. Doch auch wenn die Niners jetzt drei Spiele in Serie gewonnen hatten, hatte sie - hoffentlich - niemand plötzlich im erweiterten Titelanwärter-Kreis auf dem Zettel.
Einige der Dinge, die gegen Seattle passierten, waren schwer nachvollziehbar; insbesondere was die bewussten Entscheidungen anging, wie etwa der defensive Game Plan.
San Francisco hat unter anderem noch Atlanta und Houston auf dem Zettel, plus Spiele gegen Cincinnati, Tennessee und die Rams. Wenn die Niners drei dieser fünf Partien gewinnen, sollten sie ihr Playoff-Ticket in der Tasche haben - dadurch, dass man die Eagles und die Vikings je im direkten Duell geschlagen hat, könnten sogar zwei weitere Siege für die finale Wildcard reichen.
Ich sehe San Francisco weiter im Playoff-Rennen, auch wenn das ein Team mit klaren Problemzonen ist. Kein Team außerhalb der NFC-Spitzengruppe ist wirklich konstant, und in diesem breiten Verfolgerfeld befindet sich San Francisco eben auch. Das wiederum bedeutet, dass immer ein hohes Maß an Matchup-Abhängigkeit die Spiele prägen wird. Gegen Seattle hat mich nur gewundert, dass die Niners nicht mehr gemacht haben, um diese Matchups für sich besser zu gestalten.
Deebo Samuel ist San Franciscos Outside-Offense
Wenn man doch einen übergreifenden Takeaway aus diesem Spiel mitnehmen will, dann ist es die Bedeutung von Deebo Samuel. San Francisco hat im Prinzip in der gesamten Shanahan-Garoppolo-Ära Schwierigkeiten, das Feld nach außen zu attackieren; sprich, Bälle außerhalb der Field Numbers zu verteilen. Das ist nicht Garoppolos Stärke und die 49ers haben auch nicht die Receiver, die in diesem Bereich konstant gewinnen.
Um aber in der Mitte des Feldes einen gewissen Spielraum zu wahren, ist das essenziell - das Outside Run Game und alles, was Shanahan damit macht, war lange der Schlüssel dafür.
Doch Defenses - und bei Seattle war das zuletzt mit den Bear-Fronts vermehrt besonders deutlich festzustellen - haben sich besser darauf eingestellt. Shanahan brauchte also einen neuen Schlüssel, und der hieß Deebo Samuel.
Samuels Qualitäten nicht nur bei Jet Sweeps, sondern als echte Säule im Run Game auch aus dem Backfield heraus etwa aus der Shotgun, haben San Francisco offensiv diese Dimension zurückgegeben. Samuel fehlte gegen Seattle und das machte sich bemerkbar. San Franciscos Run Game hatte weitestgehend ziemliche Probleme, hier fehlte auch die Explosivität. Kittle rettete hier vieles, aber in einem ansonsten fehlerbehafteten Auftritt seines Teams reichte das nicht.
Pete Carroll zieht alle Register
Seattle derweil hat jetzt 15 seiner letzten 17 Spiele gegen San Francisco gewonnen, während die Niners wiederum ihre letzten fünf Spiele gegen die Rams in der Division allesamt gewonnen haben - und jene Rams haben sieben der letzten neun Spiele gegen Seattle gewonnen. Arizona derweil, das dieses Jahr erstmals in der McVay-Ära die Rams bezwang, hat elf der letzten 14 Spiele gegen San Francisco für sich entschieden.
Dass man sich innerhalb der Division seit Jahren auffrisst, ist also keine Neuigkeit, und auch hier gilt, dass ich dieses eine Spiel nicht überbewerten würde. Ich denke, dass Seattle gerade offensiv immer noch sehr ähnliche Probleme hat wie in den vergangenen Wochen und, dass andere Defenses die auch wieder deutlicher aufdecken werden.
Ich erwarte jetzt jedenfalls keine 5-Spiele-Siegesserie für die Seahawks, um doch noch in den Playoffs anzuklopfen. Aber auch hier sei positiv erwähnt, und vielleicht hat es ja Auswirkungen auf die weitere Saison: Pete Carroll scheint alle Register zu ziehen. Der Fake Punt beim ersten Drive, das ausgespielte Fourth Down beim finalen Drive um den Deckel auf die Partie zu bekommen - die Seahawks wissen zumindest, was die Stunde geschlagen hat.
Die Seahawks könnten noch ein Zünglein an der Waage werden, wenn es gegen andere Teams im Playoff-Rennen geht. Und dann geht es darum, ob man mit Russell Wilson weiter macht - oder ob man den tiefgreifenden Umbruch anpeilt.
2. Die Colts und Wentz: Doch alles richtig gemacht?
Das Spiel gegen die Houston Texans war aus Colts-Sicht rein sportlich betrachtet wenig erwähnenswert: Ein Team mit realistischen Playoff-Ambitionen gegen eine Franchise, die am Beginn eines Umbruchs steht. Genau so sah das Spiel auch aus, die Colts bewegten den Ball am Boden gut und hatten in der Folge relativ wenige Schwierigkeiten mit dem Division-Rivalen, die Partie wirkte länger knapper als es tatsächlich war.
Doch ein anderes Thema schwebte über diesem Spiel. Nicht spezifisch wegen dieser Partie, sondern eher aus übergreifender Perspektive mit Blick auf die Colts - und auf die Philadelphia Eagles.
Sollten die Colts die Playoffs nicht erreichen, müsste Carson Wentz 75 Prozent der Offense-Snaps am Saisonende absolviert haben - mit Playoffs reichen 70 Prozent - um aus dem Conditional Zweitrunden-Pick, der im Zuge des Trades nach Philly gewandert ist, einen Erstrunden-Pick zu machen.
Komplett sicher kann man es je nach Hochrechnung natürlich noch nicht sagen, aber es besteht eine sehr reelle Chance, dass Wentz mit dem Spiel gegen Houston diese Schallmauer auf die Saison betrachtet durchbrochen hat.
Und ehrlicherweise bestand daran - Verletzungen mal ausgeklammert - nie ein wirklicher Zweifel. Coach Frank Reich hatte in den vergangenen Wochen genügend Möglichkeiten, um Wentz hier und da mal gegen Ende eines deutlichen Sieges - das erste Spiel gegen Houston, der Sieg über die Jets, der Blowout gegen Buffalo - für einige Snaps raus zu nehmen, und entschied sich dagegen.
Indianapolis hätte sich hier etwas mehr Spielraum verschaffen können, hätten sie etwa gegen Houston gepatzt. Der Ausblick auf die restliche Saison hätte dann deutlich anders ausfallen können. Aber in Indianapolis waren sie ganz offensichtlich überzeugt von diesem Trade, und nicht interessiert an taktischen Spielchen.
Indianapolis hat eine reelle Playoff-Chance
Ich hatte vor einigen Wochen bereits geschrieben, dass die Colts keinen Erstrunden-Pick für Wentz bezahlen sollten, als die Saison stark in Richtung Niemandsland unterwegs war. Zugegeben, diese Einschätzung war etwas voreilig, immerhin hat Indianapolis sich ins Playoff-Rennen zurückgearbeitet, spielt aktuell guten Football und hat eine sehr realistische Chance auf eine Wildcard in der AFC.
Aber mit dieser Schallmauer, die diese Woche vermutlich durchbrochen wurde, ist es durchaus gerechtfertigt, nochmals auf diesen Trade zu schauen - und darauf, ob das jetzt ein gute Entscheidung aus Colts-Sicht war.
Einige der positiven Argumente liegen auf der Hand: Die Colts könnten am Saisonende die Playoffs erreichen, Wentz hat sich unter Frank Reich ohne Frage deutlich stabilisiert und die Colts sind mindestens ein sehr unangenehmer Gegner im extrem breiten - und offenen - Playoff-Feld in der AFC.
Colts auf der Suche seit Andrew Luck
Selbst den grundlegenden Gedankengang kann man nachvollziehen. Irgendwo bewegen sich die Colts noch immer im Schatten des Rücktritts von Andrew Luck: Jacoby Brissett war eine Übergangslösung, Philip Rivers war eine Übergangslösung - und der Kader wurde schrittweise besser. Indianapolis baute ein junges Team zusammen, welches in einer anderen Realität mit Andrew Luck heute nach den Sternen greifen würde.
Stattdessen fehlte der klare Umbruch und das Team suchte seinen Franchise-Quarterback, mit einem Kader und einem Trainerstab, der eigentlich zu gut dafür ist. Das ist kein neues Phänomen, nur meist sehen wir es bei Teams, die sich bei ihrer Quarterback-Auswahl verschätzt haben - wie die Bears bei Trubisky -, was dann auch nachhaltige "Schäden" für den Kader in puncto Ressourcen mit sich bringt. Die Colts hatten diesen klaren Einschnitt mit Blick auf den Kader nicht.
Aber die zentrale Frage, die dieser Wentz-Trade immer für mich mitgebracht hat, ist diese: Die Colts waren letztes Jahr mit Rivers eine Stufe unter der Spitze in der Conference. Wie hoch war und ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit Wentz überhaupt auf dieses Level kommt - geschweige denn signifikant darüber hinaus? Denn letztlich wäre das nötig, um als Team, als Franchise insgesamt, den nächsten Schritt zu machen.
Stattdessen habe ich das Gefühl, dass Indianapolis mit diesem Trade den Kopf über Wasser hält und - nochmal: guter Kader, guter Trainerstab, und so weiter - absolut ein unangenehmer Gegner ist. Aber eben auch nicht mehr.
Wentz-Trade am Ende ein Gewinn für die Colts?
Doch es gibt weitere Aspekte, warum dieser Trade vielleicht kein Homerun, aber unter dem Strich eine positive Gesamtabrechnung für die Colts sein könnte - und gleichzeitig trotzdem die elementare Frage weiter im Raum steht.
Wentz wird die Offense nicht tragen - aber sein Cap Hit über die nächsten drei Jahre liegt nie über 28,5 Millionen Dollar, und ab 2023 hat er keine Garantien mehr in seinem Vertrag. Wir wissen seit Sonntag, dass der Salary Cap aller Voraussicht nach auf das Maximum steigen wird, sprich Wentz' Vertrag in puncto Cap Hit ist sehr machbar, auch im Positionsvergleich und auch im Vergleich mit anderen Quarterbacks, die sich grob in seinem Tier bewegen.
Und: Das ist viel Kaffeesatzleserei, natürlich - doch die Quarterback-Klasse im kommenden Draft sieht alles andere als überzeugend aus. Und auch wenn hier sehr viel Projection dazugehört, so fließen solche vagen Prognosen dennoch auch in die Überlegungen von Teams mit ein, wenn sie sich dafür entscheiden, für einen Carson Wentz - oder einen Sam Darnold - zu traden.
Wir müssen die Erwartungen bei Wentz auf einem realistischen Level halten. Das habe ich vor der Saison mehrfach betont, dass weder die katastrophale 2020er Saison, noch die MVP-würdige 2017er Saison in die eine oder andere Richtung als Maßstab gelten sollte. Natürlich gilt das - die realistischen Erwartungen - irgendwo für jeden Spieler, aber insbesondere wenn wir davon sprechen, dass man Ressourcen ausgibt, um für einen Quarterback zu traden, und der dann auch mit einem entsprechenden Vertrag kommt, wird dieser Aspekt nochmals wichtiger.
Der Wentz-Trade packt die Colts noch stärker in eine Box
Bei den Colts habe ich ein gutes Gefühl dahingehend, dass sie sehr gut einschätzen können, was Wentz kann und was er nicht kann - und was für ein permanenter Balanceakt erforderlich ist, um mit einem Quarterback aus dem Liga-Mittelfeld erfolgreich zu sein.
Mein Hauptkritikpunkt an dem Trade bleibt, dass man sich einen Quarterback geholt hat, mit dem der realistische Best Case immer noch ein Downgrade zu dem ist, was man im Vorjahr hatte. Dass man sich einen Quarterback geholt hat, der mit einem klaren Ceiling kommt, was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, um einen Quarterback aus dem obersten Regal zu finden; einen Quarterback, der das Team tragen kann, der einen Jahr für Jahr zum Contender macht.
Aber wenn ich ein Team auswählen müsste, das mit einem solchen Quarterback Erfolg haben kann, dann wären es vermutlich diese Colts, die die Fähigkeit zeigen, einen rundum soliden Kader aufzubauen, und die in Frank Reich einen Top-5-Play-Caller in der NFL haben.
Das gibt Indianapolis einen Floor. Die Sorge ist und bleibt eben, ob dieses Team was das Roster Building angeht, aber auch was die Spieler, die diesen Kader prägen, in seiner aktuellen Zusammensetzung angeht, irgendwann die Zündung finden, um strukturell als Organisation nachhaltig den nächsten Schritt zu machen.
3. Ravens und Steelers: Eine Saison ins Nirgendwo?
Das Ende entschädigte definitiv für einiges: Die Steelers hatten ihren späten potenziellen Game-Winner aufgelegt, doch plötzlich war die Ravens-Offense zur Stelle, Jackson dirigierte einen exzellenten 2-Minute-Drive und die Ravens gingen für 2 und auf den Sieg - und die 2-Point-Conversion klappte haarscharf nicht, weil das Timing zwischen Jackson und Andrews nicht gut genug war. Übrigens nicht zum ersten Mal in diesem Spiel.
Mit Harbaughs Entscheidung habe ich dabei kein Problem, im Gegenteil. Statt in Overtime darauf zu hoffen, dass man den Münzwurf gewinnt, dass gegebenenfalls die eigene Defense hält und man in jedem Fall zumindest einen Scoring-Drive hinlegen muss, mit einem 2-Point-Play das Spiel gewinnen? Absolut mache ich das genauso in der Situation, und das ist für mich eindeutig eine dieser Situationen, in denen man das Resultat und die Entscheidung voneinander trennen muss.
Mehrfach musste ich beim Steelers-Ravens-Spiel, dieser stolzen Rivalität die einige der besten Division-Duelle der letzten zehn, 20 Jahre mit sich gebracht hat, aber auch unweigerlich daran denken, was für ein unheimlicher Krampf dieses Spiel war. Und ja, ohne zu sehr draufhauen zu wollen, weil ich auch häufiger in dieser Saison schon darüber gesprochen habe, aber das fängt an mit der Steelers-Offense.
Dabei ist es nicht nur Big Ben; Roethlisberger legte Diontae Johnson den Ball kurz vor der Halbzeitpause mustergültig tief in die Hände, doch Johnson ließ den Pass fallen. Und es war in Teilen auch das Play-Calling, die Ravens eröffneten die Partie mit drei Runs (gefolgt von einem Punt) und blieben auch danach mitunter sehr fokussiert auf Rookie Najee Harris. 0/4 bei Third Down und 93 Total Yards standen zur Halbzeitpause auf der Haben-Seite.
Aber es sind eben nicht nur die Steelers. Es waren auch die Ravens, die ihre Drops hatten. Lamar Jackson hatte wieder eine hässliche Interception, wieder gegen Druck - und gegen den Blitz -, Jackson warf einfach einen lauwarmen Ball hoch zentral Richtung Endzone, wo Minkah Fitzpatrick nur darauf wartete.
Jackson spielt mittlerweile wahnsinnig inkonstant. Der erste wirkliche Knackpunkt war die erste Hälfte gegen Minnesota, dann kam der hilflose Auftritt gegen die Dolphins sowie dieses absurde Spiel gegen Cleveland, in welchem Jackson Interception auf Interception produzierte.
Baltimore hatte den Ball für 23:30 Minuten in der ersten Hälfte gegen Pittsburgh, so viel Ballbesitz hatte Baltimore seit 20 Jahren in keiner ersten Hälfte. Baltimore konnte den Ball teilweise gut bewegen, auch mit mehr Runs nach außen, und der 99-Yard-Touchdown-Drive war zumindest phasenweise eindrucksvoll.
Die Ravens: Viel Upside, wenig Baseline
Aber der konstante Rhythmus ist einfach nicht da. Bei den Ravens sehe ich einen Grund dafür nach wie vor in den Ausfällen in der Offensive Line und im Backfield, was es Baltimore schon das ganze Jahr über schwer macht, eine klare offensive Identität zu finden. Weil das Run Game einfach nicht wie gewohnt da ist, und Jackson schon seit einigen Wochen einfach unrund im Passspiel wirkt. Das allerdings ist auch ein schematisches Problem - vielleicht ein Thema für die kommende Woche. Die Route-Designs in Baltimore sind ein anhaltendes Problem.
Das macht es auch so schwer, die Ravens Richtung Playoffs zu prognostizieren; aktuell sind sie kein Team, dem ich einen hohen "Trust-Faktor" geben würde. Die Offense ist zu inkonstant, die Defense ist zu vorhersehbar, und hier hat Baltimore ebenfalls Probleme damit, seine Identität zu finden, weil auch hier insbesondere der Ausfall von Marcus Peters die Dinge erschwert. Das führt zu Coverage-Busts - so auch gegen Pittsburgh - und auch schlicht zu individuellen Aussetzern. Jetzt dürfte auch noch Nummer-1-Corner Marlon Humphrey ausfallen.
Der Unterschied zu Pittsburgh ist, dass Baltimore ein Ceiling hat, das die Steelers so nicht mitbringen, und das ist Jackson als X-Faktor. Auch gegen Pittsburgh rettete er einige First Downs am Boden, individuell betrachtet ist er vielleicht der gefährlichste Playmaker in der NFL.
Doch die Ravens spielen - und das fängt mittlerweile zu häufig mit Jackson an - nicht wie ein 8-4-Team.
Ravens: Böses Erwachen in der Postseason?
Das simple Gegenargument wäre jetzt die AFC insgesamt mit der Frage, wie sich die Ravens dann in dieses Gesamtbild einordnen. Und ob Baltimore dann in diesem Kontext wiederum überhaupt negativ auffällt.
Das Problem für Baltimore sehe ich darin, dass es in der AFC mit den Bills mindestens ein Team mit nochmal klar höherem Ceiling gibt, dass es mit den Patriots ein deutlich stabileres und insgesamt runderes Team gibt - und für mich bleiben die Titans die potenziell größte Wundertüte in den Playoffs, sollte Tennessee dann wieder bei voller Stärke agieren.
Die Steelers werden dieses Jahr nichts mit den Playoffs zu tun haben, dabei bleibe ich, diesem Team fehlt die Durchschlagskraft dafür. Und nachdem hier am Samstag Berichte aufgetaucht waren, wonach das Roethlisbergers letzte Saison sein wird - was angesichts seiner sportlichen Leistungen niemanden überraschen dürfte - geht der Blick letztlich Richtung Rebuild. Und damit in erster Linie Richtung Quarterback-Frage.
Baltimore dagegen muss bei aller Kritik der Favorit in der eigenen Division sein. Aber auch wenn ich viel von diesem Team und von diesem Trainerstab halte: Die Ravens sind deutlich wackliger als ihr Record vermuten lassen würde, und ich denke, dass sich das in den Playoffs früh und deutlich bemerkbar machen wird.
4. Quick Takes: Panthers feuern OC Brady
Ich bin voll dabei, dass ich mir von Joe Brady mehr erwartet hatte - seine Entlassung an diesem Punkt in der Saison hatte ich trotzdem nicht erwartet. Nach einem sehr guten Start letztes Jahr ging es in der zweiten Saisonhälfte schon bergab, und abgesehen von einer Handvoll guter Spiele mit Darnold zu Beginn dieser Saison blieb er ebenfalls einiges schuldig. Ich denke es ist fair, zu hinterfragen, ob Bradys LSU-Offense mehr "NFL-Anpassungen" benötigt hätte.
Aber mindestens genauso fair ist es, zu hinterfragen, inwieweit man Bradys Offense mit dieser Line und mit dieser Quarterback-Situation vernünftig bewerten kann, inwieweit die Offense einfach nicht die vertikalen Plays einbauen konnte, um das Feld mehr zu öffnen - und ob sich das nicht mehr nach einem Sündenbock für einen Head Coach in Matt Rhule, für den die Luft vielleicht doch etwas dünner wird, anfühlt.
Denn Brady ist nicht derjenige, der den Trade für Darnold eingefädelt und die Fifth-Year-Option gezogen hat. Er ist nicht verantwortlich für die Zusammenstellung dieser Offensive Line und generell für die bisweilen wild wirkende Herangehensweise dieses Front Offices, das - ich habe mehrfach bereits darüber geschrieben - sehr viel investiert und an sehr vielen Schrauben dreht, um sich einen Platz im Mittelmaß zu sichern.
Und dann gibt es eben auch diese Berichte, wonach Rhule grundlegend einen anderen Ansatz bevorzugt. Einen, in dem 30 Runs pro Spiel die Basis für diese Offense sind. Dass es eben nicht darum ging, wie effektiv das Passspiel ist, wie Brady die Quarterback-Problematik löst, wie er mit dem McCaffrey-Ausfall umgeht - sondern um übergreifende philosophische Fragen.
Sollte das stimmen, hätte ich mehrere Nachfragen: In welchem Spiel wäre das zuletzt sinnvoll gewesen? Meist lag Carolina irgendwann eher deutlich zurück. Inwiefern ist das eine erfolgsversprechende Formel allein angesichts der Offensive Line in Carolina? Und: Wie sehen die nächsten Moves in Charlotte aus?
Ich will diese eine Entscheidung nicht überinterpretieren. Aber es ist eben auch nicht das erste Mal, dass ich mir angesichts der mitunter sehr emotional wirkenden Entscheidungen des Front Offices in Charlotte einige Gedanken um die Zukunft der Franchise unter Matt Rhule mache und unter Owner David Tepper.
Die Panthers - angefangen mit Tepper, und deshalb könnte Rhule als nächstes wackeln - wirken auf mich wie eine Franchise, die jetzt sofort den Erfolg haben will, oder zumindest den nächsten großen Schritt. Die aber gleichzeitig mit der Brechstange auf der Suche nach der richtigen Tür für diesen nächsten Schritt ist.
Das Ende der Mike-Zimmer-Ära ist nah
Natürlich wird eine Niederlage gegen die bis dato sieglosen Detroit Lions die Mistgabeln und Fackeln in Minnesota in Hochkonjunktur versetzen. Und sind wir ehrlich, genau das sind die Art Spiele, die einen Head Coach in der Gesamtbetrachtung einer Saison den Job kosten können: Gegen ein Team, das man schlagen muss, um im Playoff-Rennen zu bleiben. In dem es keine Ausreden geben darf, auch nicht mit mehreren Ausfällen.
Und ja, natürlich merkte man es, dass Everson Griffen, Patrick Peterson, Eric Kendricks und Anthony Barr fehlten. Aber wir sprechen über ein Lions-Team mit einem extrem limitierten Quarterback, ohne Outside-Receiver, ohne D'Andre Swift und mit wenig Spielraum für Fehler.
Es war schlicht unentschuldbar, dass die Lions über sieben Yards pro Play in der ersten Hälfte verzeichneten. Dass sie den Ball insbesondere im zweiten Viertel fast nach Belieben bewegen konnten; mit Big Plays, aber auch mit konstanten Drives. Und natürlich, dass sie einen Game-Winning-Drive gegen diese Vikings-Defense hinlegen konnten, welche schon so viele kritische Drives spät im Spiel oder spät in der ersten Hälfte zugelassen hat.
Es ist ein weiteres Mosaiksteinchen - und kein kleines - in einer Saison voller Enttäuschungen. Die Vikings waren früh in der Saison definitiv besser als ihre Bilanz vermuten ließ, aber ich hatte darüber schon geschrieben: Die Tatsache, dass Minnesota immer in diesen engen Spielen ist, ist ja irgendwo auch selbstverschuldet - weil man Spiele selten so angeht, dass man sie aktiv gewinnen will, und lieber "nicht verlieren" will. So lange, bis man irgendwann die Aggressivität hochschrauben muss.
Aber das grundsätzliche Gefühl rund um dieses Vikings-Team geht für mich definitiv in die Richtung, dass ein Neustart dringend notwendig ist. Dann auch mit einem neuen Quarterback spätestens übernächstes Jahr. Die Vikings gingen sicher nicht als Contender in diese Saison, aber in diesem schwachen NFC-Verfolgerfeld im Rennen um eine Wildcard zurückzufallen, das ist, Ausfälle hin oder her, inakzeptabel. Und ich vermute, dass der Umbruch in Minnesota bald bevorsteht.
5. Die Chargers-Offense zeigt die erhoffte Umstellung
Ich hatte vor drei Wochen bereits ausführlicher über die Probleme in der Chargers-Offense geschrieben, die schematische Eindimensionalität dieser Offense, die viel zu sehr auf einzelne Kurzpass-Designs fokussiert war, statt Herberts physisches Talent in einem vertikaleren Passspiel umzusetzen.
Die gute Nachricht zuerst: Die Chargers stellten sich gegen die Bengals um, L.A. attackierte auffallend vertikaler am Sonntag - und kreierte prompt auch Big Plays.
Herbert warf mehr Jump Balls Downfield, er gab seinen Receivern mehr Chancen auf Big Plays, und er hatte drei Completions mit mehr als 35 Yards Target-Tiefe, darunter einen Touchdown. Laut PFF brachte Herbert gegen Cincinnati fünf von sieben Pässen mit einer Target-Tiefe von mindestens 20 Yards an den Mitspieler, für 188 Yards. In den Wochen acht bis zwölf zusammengenommen stand er hier bei 6/11 für 184 Yards, ein Quantensprung.
Herbert spieltein jedem Fall aggressiver. Ich bin noch vorsichtig dahingehend, Joe Lombardi direkt eine Umstellung seiner Offense zuzusprechen; aber das war nicht nur ein kritischer Sieg mit Blick auf das Playoff-Rennen, sondern markierte spezifisch für die Chargers-Offense einen kleinen Breakout aus der Box, in der man zuletzt gefangen war.
Die Frage nach der offensiven Baselines
Das Spiel zwischen diesen beiden Teams bietet allerdings auch eine gute Gelegenheit über offensive Baselines zu sprechen. Ich selbst bringe das Argument der offensiven Baseline häufig an, nicht nur im Zusammenhang mit Floor und Ceiling, sondern auch was den offensiven Rhythmus angeht. Wer kann den Ball kontinuierlich und schrittweise bewegen - insbesondere auch dann, wenn Defenses eine Offense dazu zwingen, auf diese Art und Weise den Ball zu bewegen?
In gewisser Weise knüpft diese Betrachtung also auch an das Thema an, das ich letzte Woche ausführlicher beschrieben hatte: Die defensiven Trends und die sichtbare Entwicklung vielerorts dahin, defensiv mehr aus 2-High-Shells zu agieren, die Big Plays zu verhindern und Offenses dazu zu zwingen, lange Scoring-Drives hinzulegen.
Ich komme bei diesem Thema immer wieder auf die Chargers zurück, weil sie auf beiden Seiten des Balls als Extrembeispiel angebracht werden können. Defensiv in der Art und Weise, wie sie unbeirrbar in den immergleichen abwartenden Defenses sitzen und dabei seit Wochen die schwächste Run-Defense der Liga stellen, weil die Front schlicht nicht die Qualität hat, um aus leichten Boxes den Run zuverlässig zu stoppen.
Aber auch auf der anderen Seite des Balls kommt man kaum umher, einige Tendenzen zu erkennen, die in gewisser Weise dazu passen. Und sicher, es ist auch die über Jahre bekannte Saints-Offense, die Lombardi mitgebracht hat, und die er jetzt bei den Chargers spielen lässt.
Es springt einen allerdings förmlich an, dass die Chargers in vielen Teilen genau die Offense spielen, die gegen eine Defense in der Extremvariante, wie die Chargers selbst es spielen, die logische Antwort wäre: Viel Run Game, ein ausgeprägtes Kurzpassspiel, wenige designte Shot Plays.
Sind die Chargers zu stur?
Was mich bei den Chargers stört - und nochmal: vielleicht war das Bengals-Spiel hier eine kleine Trendwende -, ist die fatale Sturheit, mit der man an den eigenen Grundsätzen festhält. Eine klare Identität auf beiden Seiten des Balls zu haben ist gut, aber wenn man damit die eigenen Spieler nicht bestmöglich in Position bringt, um Erfolg zu haben, dann ist das kein gutes Coaching.
Und um auf das Thema zurück zu kommen: Die Chargers haben in ihrer Offense aktuell zwar einen Floor, aber weil sie sich so sehr an diesen Floor klammern, limitieren sie ihre eigene Offense was das mögliche Ceiling angeht. Das kam am Sonntag letztlich durch einzelne aggressive Jump-Ball-Entscheidungen von Herbert.
Und mehr noch, dadurch dass die Offense so eindimensional auftritt, schwächt sie sogar ihren Floor. Denn eine offensive Baseline ist nicht gleichzusetzen mit einem produktiven Kurzpassspiel, auch wenn das ein Teil der Gleichung ist. Die Miami Dolphins etwa sind ziemlich gut in ihrem schnellen Kurzpassspiel; ein Treiber für eine produktive Offense ist das alleine aber nicht.
Arizona und Green Bay: Hoher Floor, hohes Ceiling
Für mich ist ein offensiver Floor in erster Linie die Beantwortung der Frage: Wie viele Wege hat eine Offense in ihrer DNA, um den Ball konstant zu bewegen?
Die Packers sind hier mein Go-to-Beispiel. Green Bay ist so unheimlich gut darin, sowohl was Play Designs, als auch was die individuelle Qualität von in erster Linie Rodgers und Adams im Quick Passing Game angeht den Ball kontinuierlich zu bewegen.
Arizona wäre ein zweites Paradebeispiel. Mit Jet Sweeps, mit Quarterback-Runs, mit RPOs - die Offense hat einen Floor und arbeitet Hand in Hand mit den Shot Plays.
Warum ist das hier wichtig? Weil ich, gerade mit Blick auf die AFC-Playoffs, nach wie vor auf der Suche nach den verlässlichen Teams bin; die Teams, auf die man in der Postseason mit etwas mehr Zuversicht setzen kann. Und weil die (offensive) Inkonstanz der maßgebliche Treiber hinter der unberechenbaren AFC ist, wäre es spannend zu sehen, ob ein Team wie die Chargers oder die Bengals in den ausstehenden Wochen dieser Saison vielleicht diese Baseline noch entwickeln kann.
Bei Cincinnati sehe ich das Problem in den individuellen Fehlern - Chase war hier nach seinem herausragenden Saisonstart häufiger ein Wackelkandidat, die Offensive Line ist natürlich zu nennen, Burrow unterlaufen nach wie vor einzelne gravierende Fehler, und das war auch gegen die Chargers ganz klar ein Thema durch die Turnover.
Bei den Chargers sehe ich vergleichsweise einfache Lösungen, um der Offense eine höhere Baseline zu verschaffen. Und vielleicht war das Bengals-Spiel dafür ja eine Art Dosenöffner.