Arizona bekommt in Detroit einen herben Dämpfer - was verrät uns das über die Cardinals? Was ist die beste Qualität der Packers, und warum waren Analytics diese Woche einmal mehr ein heiß diskutiertes Thema? Außerdem: Fünf Spieler, die vermutlich nicht im Pro Bowl stehen werden, aber Erwähnung verdienen, und meine Wahl für den vakanten Head-Coach-Posten der Jacksonville Jaguars.
Auf einmal war es dann doch wieder das dominante Thema, das Corona-Thema. Nicht, dass die NFL ansonsten davon verschont gewesen wäre - es gab durchaus prominente Ausfälle und bisweilen unerwartete und absurde Vorfälle - aber zumindest mir ging es so, dass ich es im NFL-Alltag auf die Saison betrachtet vergleichsweise wenig wahrgenommen habe.
Ich denke, das spricht für die Teams und die Spieler, welche die Sache weitestgehend mit der notwendigen Ernsthaftigkeit angegangen sind - und auch für die Protokolle selbst, welche entsprechend befolgt wurden.
Das änderte sich in dieser Woche nicht auf einen Schlag - trotzdem sah die Liga ab Montag bis zum Wochenende weit über 125 positive Tests, mehrere Teams alleine kamen auf über 20 Fälle. Und irgendwo ergibt es Sinn, wenn man bedenkt, dass eine offenbar signifikant ansteckendere Variante des Virus zunehmend die dominante Variante ist, während gleichzeitig der Großteil der Spieler im Sommer geimpft wurde - mit Sicherheit auch nicht wenige mit Johnson&Johnson - sodass die Wirkung der Impfung zunehmend nachlässt.
Die Liga stand somit an einem Scheideweg: Weitere Wochen wie diese, in welcher jetzt letztlich drei Spiele verschoben werden mussten, wird man sich nicht mehr allzu häufig leisten können. Zumindest nicht, ohne den Schedule signifikant auszuweiten, etwas, gegen das sich die Liga seit Beginn der Pandemie rigoros stellt. Und mit Blick auf die anstehenden Playoffs wäre es natürlich umso bitterer aus Produkt-Sicht, wenn plötzlich in der Divisional Round ein vermeintlicher Titelkandidat mit einer Rumpftruppe antreten müsste.
Die Antwort der Liga liegt nicht etwa darin, künftig auch geimpfte Spieler täglich zu testen und so das Netz möglichst engmaschig zu halten - was unweigerlich aber auch dazu führen würde, dass viele Spieler positiv getestet werden und ausfallen würden. Die Antwort der NFL liegt darin, geimpfte Spieler signifikant weniger und nur noch bei Symptomen oder einem Risiko-Kontakt zu testen, den Fokus stattdessen auf Prävention durch wieder strengere Maskenpflicht, Outdoor-Meetings und dergleichen zu legen - und, sind wir ganz ehrlich, ein Risiko einzugehen.
Das Risiko liegt natürlich darin, darauf zu bauen, dass die neue Variante tatsächlich zwar ansteckender, aber eben auch signifikant weniger gefährlich ist. Was möglich ist, aber was wir einfach nicht wissen, und eine Folge aus dieser Maßnahme wird zweifellos sein, dass mehr Spieler sich anstecken. Spieler, deren körperliche Gesundheit ein elementarer Teil ihres Kapitals ist.
Meine erste Reaktion auf diesen radikalen Paradigmenwechsel im Umgang mit Corona fiel gelinde gesagt äußerst erstaunt aus. Ein derart drastischer Hinweis darauf, dass die Show immer weitergehen muss und der Preis dafür relativ egal ist? Puh. Umso mehr, weil wir vor vier Tagen von der NFLPA nochmals die Bestätigung erhalten hatten, dass der Spielerverband eigentlich tägliche Tests auch für geimpfte Spieler haben will.
Aber womöglich kam die Aussage nicht im Interesse aller Spieler? Zumindest sind über die vergangenen Tage die Stimmen aus Spieler- und Trainerkreisen lauter geworden, wonach die direkt Betroffenen selbst zunehmend weniger Interesse daran haben, das Test-Netz noch engmaschiger zu gestalten, und den Fokus lieber darauf richten wollen, die Saison zu Ende spielen zu können.
Wenn wir das - also, dass der Großteil der Spieler und Coaches wirklich den jetzt von der Liga eingeschlagenen Weg bevorzugt - mal als gegeben hinnehmen, verstehe ich aber immer noch nicht, warum die Liga nicht zumindest Booster-Impfungen für die Spieler verpflichtend macht, um den "vollständig geimpft"-Status zu erhalten. So wie Coaching Staffs das jetzt machen müssen.
Beziehungsweise, das war falsch formuliert. Ich verstehe, warum die Liga so entscheidet: Es wäre eine weitere Hürde für die lange so hochgelobte Impfquote innerhalb der Liga, und die Gefahr, dass mehr Spieler plötzlich in den "ungeimpft"-Status rutschen und täglich getestet werden, ist zu hoch. Letztlich sind wir dann wieder zurück bei diesem Punkt, welcher einen zynischen Pragmatismus untermauert: The Show must go on.
1. Cardinals-Desaster: Klare Baustellen, Suche nach Antworten
Dass man mal ein schlechtes Spiel hat, ist die eine Sache; die Cardinals waren auswärts über sieben Spiele eindrucksvoll und gewannen jedes Spiel am Ende deutlich. Eine Niederlage im achten Versuch wäre sicher entschuldbar - solange der Kontext wenigstens einigermaßen passt.
Dass das gegen die Lions, die ohne Frage hart spielen und sich nicht von ihrem Record davon abbringen lassen, passiert, ist für sich betrachtet schon eigentlich nicht zu entschuldigen. Nicht für ein Team, das vor acht Tagen noch den Top-Seed in der NFC innehatte, mit einem Sieg gegen die Rams die Division quasi in der Tasche gehabt hätte und ernsthafte Playoff-Ambitionen hat.
Aber die Art und Weise, wie Arizona dieses Spiel verloren hat, unterstreicht vor allem, dass die Cardinals fragiler sind als es vor ein paar Wochen gewirkt hat. Als Arizona zwischenzeitlich auch ohne Hopkins, ohne Murray, ohne Watt, ohne Hudson Spiele gewann, als gerade eine Stärke dieses Teams zu sein schien, dass man Ausfälle kompensieren und immer noch mit einem hohen Floor Spiele bestreiten kann, schematisch, aber eben auch mit einer "Next-Man-Up"-Qualität.
Cardinals: Lions-Pleite als Realitätscheck
Das Lions-Spiel war dahingehend ein deutlicher Realitätscheck. Murray verfehlte mehrere Pässe aus sauberer Pocket, Receiver ließen Bälle fallen, Arizona kam komplett "flat" aus der Kabine. Und es gibt kein Team in der NFL, gegen das du so erwarten kannst, ein Spiel zu gewinnen.
Das Spiel aber untermauerte auch zwei der elementaren Baustellen in diesem Kader: Die Run-Defense ist noch immer ein großes Problem. Das war auch bei einigen der Siege früher in dieser Saison schon deutlich - Minnesota beispielsweise -, aber auch etwa gegen die damals offensiv stark angeschlagenen Packers, und immer wieder phasenweise blitzte es auf.
Zwei Dinge passierten dann aber häufig: Die Offense punktete, sodass der Gegner nach und nach mehr vom Run Game weggehen musste - während die Defense dann dadurch aggressiver werden konnte und zu Takeaways kam. Das kann funktionieren, aber es ist eben ein wackliges Konstrukt, weil die Offense eher auf die Big Plays aus ist, und zwar lange umgekehrt wenige Big Plays zugelassen hat, aber mit kontinuierlichen Drives immer wieder Punkte kassieren kann. Was dann wiederum den Druck auf die Offense erhöht, und so dreht sich das Rad weiter.
Die grundsätzlichen Probleme in der Run-Defense - insbesondere seit dem Ausfall von J.J. Watt - waren aber nie weg, und mittlerweile wird die über die ersten beiden Saisondrittel sehr solide Secondary auch häufiger für Big Plays erwischt. Das Rams-Spiel war da der erste echte Extremfall, aber auch die Lions schafften es mehrfach.
Cardinals verfehlen den Standard aktuell klar
Der andere Punkt betrifft die Offensive Line. Das war ein sehr präsentes Thema gegen die Rams, es war ein Thema auch gegen Detroit.
Während man gegen L.A. eher individuell dominiert wurde, war es gegen die Lions mehrfach ein Problem der Kommunikation; Detroit hatte einige Male freie Rusher aus dem Zone Blitz, was ich direkt mit dem Ausfall von Rodney Hudson zusammenbringen würde. Arizona hatte auch offensichtliche Probleme damit, den Ball durch das Zentrum am Boden zu bewegen.
Die Cardinals haben somit klare Aufgaben für die Offseason: Arizona muss in die Lines investieren, defensiv wie offensiv, und so den Floor des Teams erhöhen und weniger von Big Plays und Third Downs abhängig zu sein. Der Pass-Rush ohne Blitzing ist problematisch, und Arizona braucht mehr als die Hoffnung auf einen fitten J.J. Watt in der Front, um das zu ändern. Chandler Jones hat sich, abgesehen vom Week-1-Spiel gegen Tennessee, ebenfalls nicht wirklich für einen neuen Vertrag in Empfehlung gebracht. Ich denke, hier muss ein Umbruch eingeleitet werden.
Aber was bedeutet es für die weitere Saison jetzt? Ohne DeAndre Hopkins als offensive "Get out of Jail"-Card - also als den Problemlöser, der die Offense mal aus einem Loch holen und für einen Drive an sich reißen kann - wird sich die Offense umstellen, und andere Antworten finden müssen, andere Schwerpunkte setzen.
Vielleicht kommt J.J. Watt vor den Playoffs zurück, und wenn die O-Line fit ist, kann Arizona immer noch ein gefährliches Team sein. Aber ich denke es ist fair, zu sagen, dass die Cardinals nach einer dominanten ersten Saisonhälfte mittlerweile ein inkonstantes Team sind. Und das ist ein Problem, das Kingsbury, Murray und die Leader in diesem Team angehen müssen. Watt ist so ein Spieler, der ist aktuell nicht da. Hudson ist so ein Spieler, er hat rund ein Viertel der Saison verpasst. Andere müssen in diese Rollen treten, und es muss schnell passieren. Andernfalls droht gegen die Colts eine weitere Pleite.
Vielleicht ist da auch ein mentaler Aspekt mit drin: Arizona steht jetzt 0-4 unter Kingsbury, wenn ein Sieg das sichere Playoff-Ticket bedeutet hätte, und beide Primetime-Spiele waren vor allem in der ersten Halbzeit sehr enttäuschend. Manchmal muss ein Team auch einfach bestimmte Hürden überwinden. Die Aufgaben werden aber definitiv schwieriger, und Arizona muss aufpassen, dass die Saison jetzt nicht zum kompletten Meltdown wird.
Im Moment ist die Baseline der Buccaneers und der Packers auf einem anderen Level, und das sind nun einmal die Teams, an denen man früher oder später in den NFC Playoffs vorbei muss, und damit der Standard. Den verfehlen die Cardinals im Moment deutlich.
2. Pro-Bowl-Wahl: Wen sollte man sonst noch kennen?
In der Nacht auf Donnerstag werden die Pro-Bowl-Kader verkündet - und wie immer rate ich dringend dazu, diese Kader mit entsprechender Vorsicht zu betrachten: Name Recognition sowie die Beliebtheit des Spielers beziehungsweise die Größe der Fan Base des Teams, für das er spielt, sind elementare Faktoren bei der Zusammensetzung des Pro Bowls.
Dementsprechend würde ich einigermaßen wenig Gewicht überhaupt in die Pro-Bowl-Kader packen - auch wenn Spieler das natürlich anders sehen, weil mit Pro Bowls nicht zuletzt noch immer ganz konkret finanzielle Aspekte, genau wie Prestige, einhergehen.
Ich hatte dementsprechend überlegt, inwieweit ich den Pro Bowl hier überhaupt thematisiere - mein All-Pro-Team wird es erst später in der Saison geben, dann gehe ich im Detail auf die in meinen Augen besten Spieler dieser Saison ein.
Stattdessen erschien mir ein anderer Ansatz interessanter, bevor wir uns alle über die Pro-Bowl-Snubs unserer Teams aufregen können: Ich wollte ein paar Spieler hervorheben, die es vermutlich nicht in den Pro Bowl schaffen werden, weil sie noch nicht das entsprechende Standing haben - oder weil es auf ihrer Position zu viel Konkurrenz gibt, die (noch) berechtigt in der Pro-Bowl-Hackordnung über ihnen steht. Oder auch einfach Spieler, die es dennoch verdienen, erwähnt zu werden.
Sollte es einer aus dieser Liste doch schaffen, umso besser!
Tee Higgins, Wide Receiver, Cincinnati Bengals
Ich vermute, dass Tyreek Hill, Stefon Diggs, Keenan Allen, vielleicht auch Hunter Renfrow oder sogar sein Teamkollege Ja'Marr Chase vor ihm landen werden. Chase dominiert ohnehin die Schlagzeilen, von dem spektakulären Start, mit welchem er auf die Bühne gestürmt ist, bis zu den Drop-Problemen und der Inkonstanz in der zweiten Saisonhälfte.
Doch es ist gut möglich, dass Chase am Ende alle AFC-Receiver in Touchdowns anführt, und das als Rookie. Aber Higgins ist der konstante Motor dieser Offense, er ist derjenige, der das Intermediate Passing Game öffnet. Higgins ging mit 38 Catches für First Downs in diesen Spieltag, als einziger Spieler mit unter 90 Targets und unter 60 Catches war er jenseits der 35.
Ich mochte Higgins Pre-Draft sehr, und in dieser Offense hat er seine ideale Rolle gefunden. Ein beachtlicher Teil seiner Catches - mehr als ein Drittel - kommt laut PFF in der 10-19-Yard-Range, hier liegt auch sein Value für die Bengals. Je besser Defenses sich auf das vertikale Passspiel einstellen, oder auch wenn Chase wackelt, desto größer ist Higgins' Value für die Offense, und vor allem in der zweiten Saisonhälfte hat man das eindrucksvoll gesehen.
Jonathan Allen, Defensive Tackle, Washington Football Team
An Aaron Donald und Kenny Clark wird Allen vermutlich nicht vorbeikommen - und es würde mich nicht wundern, wenn jemand wie Vita Vea vor ihm landet.
Sollte Allen am Ende nicht im Pro-Bowl-Kader stehen, wäre das allerdings einer der größeren denkbaren Snubs: Er ist ein maßgeblicher Grund dafür, dass Washingtons Front trotz der Ausfälle von Chase Young und Montez Sweat ihren Floor beibehalten hat.
Allen ist - neben Donald, der einfach in einer eigenen Liga spielt - der gefährlichste Interior-Pass-Rusher in der NFC, und bewegt sich im Liga-Vergleich mittlerweile durchaus auf einem Level mit Spielern wie Chris Jones oder Cam Heyward.
D.J. Moore, Wide Receiver, Carolina Panthers
Kupp, Jefferson, Adams und vermutlich Samuel - ich denke, insbesondere die ersten drei Namen sind dieses Jahr bei den NFC-Receivern in Stein gemeißelt. Müsste ich raten, wären das jedenfalls meine Tipps auf die vier NFC Pro Bowl Receiver, mit CeeDee Lamb und Chris Godwin vielleicht am ehesten als Konkurrenz für Samuel.
Moore war noch nie im Pro Bowl, was aber weniger an seinen Statistiken - je über 1.100 Receiving-Yards und vier Touchdowns in den beiden letzten Jahren - und seinen Leistungen lag, sondern mehr an schwierigen Quarterback-Situationen und am ausbleibenden Team-Erfolg lag. Die Panthers haben über die letzten beiden Jahre je nur fünf Spiele gewonnen.
Weder Team-Erfolg, noch Quarterback-Situation sind dieses Jahr besser geworden; zumindest Letzteres ist auf dem Weg in die andere Richtung. Und doch ist Moore auf bestem Wege, die nächste 1.000-Yard-4-Touchdown-Saison aufs Board zu bringen. Er ist eine verlässliche Waffe auch nach dem Catch und der einzige echte Lichtblick in einer ansonsten ziemlich bitteren Saison der Panthers-Offense.
Jevon Holland, Safety, Miami Dolphins
Es gibt vermutlich wenige Rookies dieses Jahr, die direkt schematisch so herausragend in ihr neues Team passen wie Jevon Holland.
Der Ex-Oregon-DB wird in der Defense von Brian Flores überall eingesetzt, mal als Blitzer an der Line, in der Box, im Slot, aber auch tiefer - und all diese Aufgaben erfüllt er bereits eindrucksvoll konstant auf einem hohen Level.
Mit unter anderem Justin Simmons, Tyrann Mathieu, Kevin Byard und Derwin James gibt es nicht nur namhafte, sondern auch qualitativ exzellente Konkurrenz in der AFC. Aber Holland muss sich bereits als Rookie hier nicht verstecken, und wird
Elijah Mitchell, Running Back, San Francisco 49ers
Dalvin Cook und Leonard Fournette dürften bei den NFC-Backs sicher drin sein - wird Antonio Gibson die Nummer 3? Oder doch eher James Conner mit seiner nicht nur in puncto Touchdown-Production eindrucksvollen Bounceback-Saison in Arizona?
Mitchell hat mehrere Spiele verpasst und wird im Endeffekt nicht die nötige Total Production haben, aber wie gut der Rookie in die Shanahan-Offense passt und was er vielleicht noch für diese Offense werden kann, das hat man dieses Jahr eindrucksvoll gesehen.
In puncto Yards nach Kontakt pro Run rangiert er deutlich vor der NFC-Konkurrenz an der Spitze, seine explosiven Runs (mindestens zehn Yards) werden nur von Cook mit deutlich mehr Carries übertroffen.
Mitchell bringt das Tempo und die Physis mit, um lange ein sehr produktiver Back in Shanahans Offense zu sein und ich erwarte nicht, dass der drei runden höher gepickte Trey Sermon Mitchell von dessen Posten noch verdrängt.
3. Colts-Box und Quick Takes: Cowboys, Panthers, Analytics
Die Colts und die Baseline-Thematik
Ich ging aus dem Spiel am Samstagabend zwischen den Patriots und den Colts mit zwei zentralen Takeaways aus Colts-Sicht raus: Frank Reich ist ein super Coach, der in der Lage ist, um die Defizite seiner Offense herum zu coachen - und maßgeblicher Teil dieser Defizite kann in jeder beliebigen Woche Carson Wentz sein.
Das war weitestgehend ein katastrophales Spiel von Wentz, der noch mehr Turnover hätte haben können, und ich denke, das ist auch Teil der Analyse was die Colts im Hier und Jetzt und mit Blick auf die Playoffs angeht: Dieses Team kann gefährlich sein, wenn es den entsprechenden Spielverlauf bekommt. Frühe Führung, ein geblockter Punt zum Touchdown wie am Samstag, und dann mit dem Run Game ein Spiel kontrollieren? Das kann für Indy gegen viele Teams funktionieren, gegen Tampa Bay hat nicht viel gefehlt.
Aber auch wenn er diese Spiele fraglos dieses Jahr schon hatte und sicher auch wieder haben wird: Wentz ist einfach ein sehr inkonstanter Quarterback, und auch mit der Stabilität und Struktur, die Frank Reich ihm gibt, wurde das im Laufe dieser Saison deutlich. Das kann mal gut gehen, das kann mal schiefgehen.
Ich hatte vor zwei Wochen bereits über die Colts und Wentz geschrieben, mit dem Spiel am Samstagabend ist jetzt auch offiziell, dass der Pick, der für Wentz nach Philadelphia wandert, ein First-Rounder im kommenden Draft sein wird. Ich verstehe aus Colts-Sicht, warum man diesen Trade gemacht hat, im Sinne von: Ich kann den Gedankengang nachvollziehen.
Aber er schiebt die Colts eben auch noch mehr in eine Box, aus der es schwer sein wird, rauszukommen - die Box namens "oberes Mittelmaß". Indianapolis wird für viele Teams unangenehm sein, gleich nächste Woche wieder gegen Arizona mit deren löchriger Run-Defense. Auf das große Ganze betrachtet wird es einfach schwer sein, mit Wentz als Team nachhaltig den nächsten Schritt zu machen. Aber die Baseline, die Frank Reich den Colts gibt, wird aktuell vielleicht nur von LaFleur in Green Bay übertroffen.
Quick Takes: Cowboys, Panthers, Analytics
- Ein dramatischer Unterschied zwischen den Cowboys und Arizona - zwei Teams, die in den NFC-Playoffs hinter den Bucs und Packers um die Plätze kämpfen -, ist die Tatsache, dass Dallas sich auf seine Defense verlassen kann. Die Turnover sind der eine Part, diese aber sind immer inkonstanter und schwieriger zu verlassen - das lernt Arizona ja gerade defensiv. Dallas kann mittlerweile wieder mit seiner Defensive Line Gegner dominieren. Das ist ein signifikanter Teil der Identität dieses Teams - auch weil die Offense ziemlich wackelt, und das seit Wochen. Hier muss Dallas wieder stabiler werden, angefangen mit Prescott. Ansonsten wird es schwer, in den Playoffs mehr als ein Spiel zu gewinnen.
- Wir kommen so langsam in den Bereich, in dem man hinterfragen muss, ob die Miami Dolphins noch die klar schlechteste Offensive Line in der NFL haben - oder ob die Carolina Panthers die Lücke inzwischen nicht geschlossen haben. Was ehrlicherweise für mich umso mehr in den Mittelpunkt rückt, wie wenig ich mit der Entlassung von Joe Brady anfangen kann, aber lassen wir das im Rückspiegel. Die Quintessenz ist: Die Offenes, vom Design über die Line bis hin zum Quarterback-Play ist aktuell quasi nicht funktional, und das wird höchstwahrscheinlich in einer Offseason auch nicht zu reparieren sein. Allein - schätzt Teambesitzer David Tepper das auch so ein? Oder bleibt der Finger am Abzug weiter unruhig?
Der Entscheidungsprozess der Ravens am Ende des Packers-Spiel war aus analytischer Perspektive falsch: Statt beim vorletzten Touchdown für zwei zu gehen, kickte Baltimore den PAT - und ging dann für 2 nach dem letzten Touchdown. Warum war das falsch? Wenn Baltimore das Spiel vor der Overtime beenden will - und das halte ich für durchaus sinnvoll, mit Aaron Rodgers auf der anderen Seite - wäre der Weg, um die Chance darauf zu maximieren, der, nach dem vorletzten Touchdown bereits für 2 zu gehen. So hätte man gewusst, ob man nach dem potenziell finalen Touchdown nur einen PAT braucht, um die Partie zu gewinnen - oder ob man nochmal die zwei Punkte braucht, um auszugleichen, weil die erste 2-Point-Conversion nicht geklappt hat.
Das wäre die analytisch schlüssige Herangehensweise gewesen. Selbst wenn die Ravens, so wie sie es letztlich versuchten, mit der 2-Point-Conversion zum Schluss in Führung gegangen wären, hätte Green Bay noch etwas Zeit auf der Uhr gehabt, um dann ultra-aggressiv in Field-Goal-Reichweite zu kommen. Analytics bedeutet nicht automatisch, dass man jeden vierten Versuch ausspielt und immer für 2 geht - Harbaugh, und das ist für seine Verhältnisse ein ungewöhnlicher Fauxpas, hat sich selbst hier in der Chance, die Partie zu gewinnen, empfindlich geschwächt.
Was ich hier aber besonders schade finde, ist, dass jeglicher Diskurs dazu komplett toxisch geworden ist. In manchen TV-Shows machen sich Moderatoren und Experten offen über "Analytics" lustig, wenn ein Team ein Fourth Down ausspielt und es nicht schafft. In den sozialen Medien schlagen sich beide Lager verbal die Köpfe ein, und jede Fourth-Down- und jede 2-Point-Conversion-Entscheidung wird in einen Topf geworfen.
Dabei könnte man hier viel interessantere und fruchtbarere Diskussionen führen. Etwa über die Play-Designs der Ravens am Sonntag und der Chargers gegen Kansas City am Donnerstag in diesen kritischen Situationen, hier nämlich gab es einige fragwürdige Konzepte, genau wie individuelle Patzer.
Aus irgendeinem Grund aber ist insbesondere bei diesem Thema eine extrem aufgeladene Front entstanden. In meinen Augen ist die Diskussion allein deshalb überflüssig und merklich ein Strohmann-Argument, weil der Aufschrei nicht kommt, wenn ein Team "die sicheren Punkte" nimmt - und das Field Goal dann aber verschießt. Oder wenn die Fourth-Down-Entscheidungen eines Coaches maßgeblich zum Sieg des Teams beitragen, wie bei Frank Reich am Samstag gegen die Patriots, oder bei Brandon Staley im ersten Duell mit Kansas City.
Ich denke, dass es - und das lässt sich allgemein auf unsere Gesellschaft übertragen - oftmals so viel produktiver wäre, wenn man häufiger gewillt wäre, für einen kurzen Moment die Perspektive des anderen einzunehmen, und eine Diskussion auch tatsächlich das aktive Auseinandersetzen mit Standpunkt und Argumenten des anderen wäre, statt das Durchprügeln des eigenen Standpunktes, garniert mit bissiger Ironie. Das wiederum gilt dann für beide "Seiten" hier.
Analytics ist letztlich nichts anderes als der Versuch, die Chancen auf einen eigenen Sieg zu erhöhen. Und das findet nicht im Vakuum statt, sondern muss immer auf Spielsituation, Gegner, Favoritenlage und so weiter angewandt werden. Die Harbaugh-Situation war ideal als Veranschaulichung dafür, wie Aggressivität im falschen Moment eben auch analytisch betrachtet nicht schlüssig sein kann. Gleichzeitig würde ich bei Staley am Donnerstag sagen, dass seine Fourth-Down-Entscheidungen angesichts des Gegners und der jeweiligen Spielsituation nicht falsch waren. Das war eher ein Problem der Play-Auswahl und in mehreren Fällen auch der individuellen Play-Umsetzung.
4. Meyer raus - diesen Coach sollten die Jags jetzt holen
Ich muss ehrlich sagen, ich kann mich an keine derart verheerende Head-Coach-Episode als die von Urban Meyer erinnern, nicht in den letzten zehn Jahren zumindest. Sicher, es gab Coaches, die beim Amtsantritt gefeiert sind und dann innerhalb weniger Monate auf dem Boden der Tatsachen ankamen - die Freddie-Kitchens-Episode in Cleveland würde mir mit Blick auf die jüngere Vergangenheit einfallen.
Aber dass ein Coach mit einem derartigen Resümee kommt, und nicht nur sportlich komplett versagt - ich verstehe bis heute den offensiven Trainerstab, den sich Meyer ausgesucht hat, überhaupt nicht und habe in den 14 Wochen nie eine Art offensive Identität bei den Jaguars ausmachen können -, sondern sich auch eine Vielzahl an kleineren und größeren Fehltritten abseits des Platzes leistet, jegliche Form von Verantwortung von sich weist und jeder Versuch, sich vor den Medien zu erklären, wirkt, wie der Schüler, der ohne Hausaufgaben erwischt wurde?
Urban Meyer ist der vierte Coach seit dem Merger 1970, welcher seine erste Saison als Head Coach nicht beenden durfte, ehe er den Job wieder los war. Lou Holtz und Pete McCulley schafften das Kunststück in den 70ern, genau wie Bobby Petrino in Atlanta 2007.
Jaguars: Verlorenes Jahr statt Franchise-Fundament
Es war ein komplettes Desaster, und selbst wenn die Jaguars der Meinung gewesen wären, dass Meyer sportlich mehr Zeit bekommen sollte, war er in der Öffentlichkeit nicht mehr tragbar. Und das spielt spätestens dann eine Rolle, wenn es darum geht, welche Coaches für die Franchise arbeiten und welche Free Agents nach Jacksonville kommen wollen.
Nicht nur, aber auch deshalb war es denke ich wichtig, dass die Jaguars dieses verheerende Kapitel jetzt beenden. Hier geht es dann auch um Dinge wie die Kultur sowie die Außendarstellung der Franchise. Das macht den Fehlgriff mit Urban Meyer für die Jaguars umso bitterer: Um diesen Kern junger Spieler und in erster Linie natürlich Trevor Lawrence sollte diese Saison eigentlich als ein erster Baustein fungieren, das Fundament gewissermaßen, auf dem man die nächsten Jahre dann weiterbaut.
Stattdessen wird 2021 als ein komplett verlorenes Jahr in den Annalen bleiben - und der Druck ist jetzt umso höher, einen Coach zu finden, der diese Franchise langfristig formen und in eine ganz andere Richtung schieben kann. Doch ist das nicht alles, ganz nebenbei muss der neue Coach - oder zumindest dessen Trainerstab - auch in der Lage sein, Trevor Lawrence nach einer enttäuschenden Rookie-Saison an die Hand zu nehmen, ihm beim Übergang in die NFL zu helfen und das enorme Potenzial, welches er hat, auch greifbar zu machen.
Das macht die Suche umso interessanter. Es ist ein verlockender Posten, mit Trevor Lawrence, mit der Aussicht, jetzt umso mehr Zeit zu bekommen nachdem Urban Meyer nach nicht einmal einer Saison gehen musste. Und junges Potenzial gibt es definitiv in dem Team, genau wie einmal mehr jede Menge Ressourcen für die Offseason.
Die Jaguars brauchen definitiv jemanden, der eine neue Kultur installiert - aber ganz nüchtern betrachtet kommt sowas mittel- und langfristig sowieso nur, wenn man gewinnt. Nicht dass das Gewinnen von Spielen automatisch auch die entsprechende Kultur in der Franchise mit sich bringt, aber ohne die entsprechenden Ergebnisse wird früher oder später die beste Kultur und der beste interne Umgang miteinander auseinanderfallen.
Welchen Coach sollten die Jaguars jetzt holen?
Welche Kandidaten kämen also in Frage? Das ist irgendwo immer ein Rätselraten. Für uns, die wir nur so selten einen echten Blick hinter die Kulissen bekommen, wie ein Assistenztrainer arbeitet und was ihn ausmacht - aber auch für die Teams selbst, da muss man sich ja nur die Anzahl an gescheiterten Verpflichtungen anschauen.
Ein Name, den ich jetzt schon seit einer Weile auf der Liste habe, weil er nach allem, was man hört, nicht nur ein guter Coach, sondern auch jemand ist, der andere führen kann, ohne in Arroganz zu verfallen und der zudem als jemand gilt, der wirklich eine neue Energie in eine Franchise bringen kann, ist Green Bays Offensive Coordinator Nathaniel Hackett.
Ich weiß, die Versuchung wird hier groß sein, einen erfahrenen NFL Head Coach zu holen, bei dem man sicherer ist, was man bekommt. Doug Pederson wäre hier eine Wahl, die ich keineswegs kritisieren würde. Falls Jacksonville einen solchen Coach für das "ruhige Fahrwasser" holen will, wären auch Namen wie Vance Joseph, Dennis Allen oder Todd Bowles.
Hackett war nicht nur bereits Teil von gravierenden Umbrüchen in Syracuse und in Buffalo, er käme sogar mit Stallgeruch: Der 41-Jährige war Blake Bortles' Quarterbacks-Coach 2015 und 2016, und anschließend Jacksonvilles Offensive Coordinator 2016 bis 2018. "Seine positive Einstellung und Energie sind anstecken", lobte Packers-Tackle David Bakhtiari.
Aaron Rodgers hat einmal über Hackett gesagt: "Niemand macht mich fröhlicher." Hacketts Meetings - in erster Linie die "Gold Zone Meetings" am Freitag - sind in Green Bay längst legendär, weil er seine Spieler nicht stumpf bearbeitet, sondern weil er versteht, wie er zu ihnen durchdringt - und wie man eine unterhaltsame und gleichzeitig produktive Atmosphäre schafft. Und wenn es sein muss, indem er sie mit zu seinen Tanzstunden nimmt und ihnen ungeahnte Fähigkeiten unter Beweis stellt.
Hackett als Leader fühlt sich wie der Anti-Urban an, ein Coach, der auf Augenhöhe anführt und dessen Autorität dadurch - sowie mit einer Portion Demut - kommt.
Ein nicht zu unterschätzendes Detail hierbei ist, dass mit der am vergangenen Mittwoch neu verabschiedeten Regelung Teams, die ihren Head Coach entlassen haben, bereits während der letzten beiden Wochen der Regular Season Interviews mit potenziellen Nachfolgern führen dürfen. Gut möglich also, dass weitere Teams mit einer Coach-Entlassung nicht bis zum Saisonende warten. Die Suche für die Jaguars beginnt in jedem Fall sehr bald sehr konkret.
5. Die größte Trumpfkarte der Green Bay Packers
Wenn wir bei NFC-Konkurrenten wie den Cowboys davon sprechen, dass die Offense gerade ein Tief durchläuft und das Team sich auf die Defense stützen muss, oder dass bei den Cardinals der Floor gerade fehlt und das Team endlich lernen muss, bestimmte Hürden zu nehmen - dann lohnt sich auch mal ein Blick auf andere Teams mit der Frage: Was machen sie besser?
Die Packers zum Beispiel. Die Packers nämlich spielen keineswegs perfekten Football. Das Special Team ist, ganz im Gegenteil, ziemlich desolat unterwegs, die Defense kann am Boden und gegen Tight Ends wackeln - beides sah man gegen ein Ravens-Team, das sich angesichts seiner Ausfälle fantastisch verkaufte und mit Huntley vielleicht einen Rohdiamanten in seinen Reihen hat - und die Offensive Line ist schon das ganze Jahr über eine Patchwork-Unit, die konstant Ausfälle wegstecken musste.
Aber was Green Bay kann - und das fällt Dallas seit einigen Wochen schwer, und Arizona ist hier ebenfalls alles andere als konstant - ist das konstante offensive Bewegen des Balls, und das ist eine enorme Qualität. Weil es die eigene Defense entlastet, indem der Druck auf die gegnerische Offense hochgehalten wird, weil es der Offense die Möglichkeit gibt, selbst mit angeschlagener Line lange Scoring-Drives hinzulegen - und weil es ultimativ auch Downfield-Shots ermöglichen kann, die Rodgers dann auch nimmt, wenn Adams mal Eins-gegen-Eins vertikal geht.
Letztlich war diese Qualität auch gegen die Ravens ein entscheidender Schlüssel zum Sieg. Die Ravens legten eine eindrucksvolle erste Hälfte hin, Green Bays Defense hatten keine Antwort auf Mark Andrews - auch wenn sie es wiederholt mit Savage versuchten - und Baltimore fand zwei Mal die Endzone, ein drittes Mal wurde nur durch einen Fourth-Down-Stop der Packers-Defense gleich zu Beginn des Spiels verhindert.
Green Bays Quick Game: Gut geölte Maschine
Aber in diesem Packers-Team ist keine Panik, weil sie selbst mit gravierenden Fehlern im Special Team, oder auch schwachen Phasen der Defense, trotzdem in solchen Spielen drinbleiben und mit geduldigen, langen Drives antworten können.
Natürlich half es, dass man gegen Ravens-Cornerbacks aus der vierten und fünften Reihe immer noch in Man Coverage einige Matchups bekam.
Aber die Gründe dafür sind vielseitig, sie sind stabil, mit mehreren Zahnrädern, die ineinander greifen: Rodgers ist ein exzellenter Quick Passing Quarterback, LaFleurs Scheme gefällt mir spezifisch was diesen Bereich angeht besser als jedes andere in der NFL und natürlich hilft es, den besten Wide Receiver in der NFL in puncto Release und was das Freilaufen bei schnellen Slants, RPOs und dergleichen angeht in seinen Reihen zu haben.
Ein Vorteil mit Blick auf die Playoff-Kandidaten
Das alleine gewinnt dir keinen Super Bowl. Aber wenn ich sehe, wie sehr einige gut besetzte Offenses wie Arizona selbst noch ohne Hopkins, wie Cincinnati, wie teilweise auch die Chargers, die Chiefs und die Bills Probleme haben - während Green Bay so viele Optionen hat, um den Ball in die Flat, in die schnelle Slant, kurz zum Running Back, per RPO zu Adams, per Screen zu einem offenen Target, per Jet Sweep in die Hände eines schnellen Receivers zu bringen? Und das mit dem Run Game kombinieren kann, welches auch deshalb eben funktioniert, wenn die Offensive Line auf dem Papier unterlegen sein sollte?
Dann ist schon auffällig, dass Green Bay neben einem Elite-Quarterback und einem Elite-Receiver auch die Grundstruktur hat, die dieses Team trägt und die den Packers eine unheimlich hohe Baseline gibt.
Mit Blick auf die Playoff-Anwärter und somit die möglichen Postseason-Gegner in der NFC ist das ein umso wichtigeres Kriterium.